TE Bvwg Erkenntnis 2019/3/6 W231 2199508-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.03.2019
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Entscheidungsdatum

06.03.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §34 Abs2
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W231 2199505-1/7E

W231 2199508-1/7E

W231 2199519-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Birgit HAVRANEK als Einzelrichterin über die Beschwerden von XXXX , geb. XXXX , StA. Iran (BF1), XXXX , geb. XXXX , StA Iran (BF2), und XXXX , geb. XXXX , StA Iran (BF3), gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Salzburg, vom 24.05.2018, Zlen. XXXX (BF1), XXXX (BF2), und XXXX (BF3), zu Recht erkannt:

A)

Den Beschwerden wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005, mj. XXXX und mj. XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005 Status der Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX , mj. XXXX und mj. XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

I.1. Die Erstbeschwerdeführerin (künftig BF1), eine iranische Staatsangehörige, stellte am 08.07.2016 in Österreich für sich und ihre ältere Tochter (künftig BF2) einen Antrag auf internationalen Schutz. Die Erstbefragung fand am selben Tag durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes statt. Zu ihren Fluchtgründen gab BF1 dort an, ihr Mann, der Vater von BF2, sei verstorben, ihr Vater sei drogenabhängig und habe sie an einen Mann verkauft.

I.2. Bei der Einvernahme vor der belangten Behörde am 03.05.2018 führte BF2 zusammengefasst aus, ihr Mann, der Vater von BF2, sei bei einem Unfall im Jahr 2014 ums Leben gekommen, und sie habe daraufhin mit ihrer Tochter BF2 zu ihrem Vater, der von ihrer Mutter getrennt lebe, gehen müssen. Ihr Vater sei drogensüchtig, und habe sie u.a. gegen Bezahlung durch Freunde vergewaltigen lassen, weil er die Miete nicht zahlen habe können. Zu anderen Angehörigen habe sie nicht gehen können. Schutz für sich oder ihre Tochter habe sie im Iran von staatlicher Seite nicht erhalten. Außerdem wolle der Vater ihres verstorbenen Mannes, ein Krimineller, der bereits mehrfach Haftstrafen verbüßt habe, ihre Tochter BF2 zu sich nehmen, sie könne BF2 davor nicht schützen. BF1 untermauerte ihr Vorbringen mit der Vorlage von Dokumenten.

Weiters führte sie aus, dass sie mittlerweile in Österreich ein uneheliches Kind aus einer Beziehung mit einem afghanischen Asylwerber geboren habe, was im Iran, insbesondere bei den Kurden, der Volksgruppe, der sie angehöre, nicht akzeptiert werden würde und sie könne dafür getötet werden. Sie wolle in Österreich wie eine Österreicherin leben und u.a. selbst entscheiden, ob sie ihr Kind austragen wolle, auch eine alleinerziehende Mutter könne hier ihr Kind großziehen. Der Vater ihrer jüngsten Tochter (BF3) habe sie verlassen, er könne das Kind nicht annehmen.

I.3. Für die in Österreich am 09.04.2018 geborene Tochter BF3 stellte BF1 am 16.05.2018 einen Asylantrag im Familienverfahren.

I.4. Am 24.05.2018 erließ die belangte Behörde die angefochtenen Bescheide, mit denen die Anträge von BF1, BF2 und BF3 auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen wurden (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde BF1, BF2 und BF3 der Status von subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005, hinsichtlich BF2 und BF3 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005, zuerkannt (Spruchpunkt II). Eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 24.05.2019 wurde jeweils erteilt (Spruchpunkt III).

Das BFA stellte fest, dass BF1 verwitwet und sorgepflichtig für zwei minderjährige Töchter sei. Beim Vater von BF3, die am 09.04.2018 in Österreich geboren worden sei, handle es sich um einen afghanischen Asylwerber, der mittlerweile auch die Vaterschaft anerkannt habe, und mit dem BF1 nie im gemeinsamen Haushalt gelebt habe.

Die belangte Behörde erachtete das Fluchtvorbringen für glaubhaft und legte ihrer Entscheidung das Vorbringen von BF1 zugrunde, wonach sie nach dem Ableben ihres Ehemannes 2014 in den gemeinsamen Haushalt mit dem Vater gezogen sei, der drogenabhängig sei und zur Finanzierung seiner Sucht und mangels eigener finanzieller Mittel BF1 an Freunde für sexuelle Handlungen "verkauft" habe. Zuletzt habe der mehrfach im Gefängnis aufhältige Schwiegervater einen Antrag auf Übertragung des Sorgerechts für BF2 im Iran gestellt. Die belangte Behörde qualifizierte dieses Vorbringen aber nicht asylrelevant.

I.5. Dagegen richtet sich die fristgerecht eingebrachte und zulässige Beschwerde, in der die Asylrelevanz des Vorbringens behauptet wird. Insbesondere wird auch darauf verwiesen, dass BF1 mittlerweile aus einer außerehelichen Beziehung und in Folge außerehelichen Geschlechtsverkehrs ein Kind geboren habe, und BF1 einen westlichen Lebensstil pflege, was beides im Iran nicht akzeptiert und zu Strafen bis hin zur Todesstrafe führen könne.

I.6. Am 07.11.2018 übermittelte die belangte Behörde u.a. den Bericht über den Ausspruch des Betretungsverbotes gem. §38a SPG vom 06.11.2018 gegen den Vater von BF3, sowie eine Zeugenvernehmung von BF1 bei der örtlich zuständigen Polizeiinspektion vom 06.11.2018, in der BF1 von gefährlichen Drohung und Diebstahl durch den Vater von BF3 berichtete.

Weiters langten beim Bundesverwaltungsgericht am 07.12.2018 die Einstweilige Verfügung zum allgemeinen Schutz vor Gewalt gemäß § 382e EO (Antragstellerinnen bzw. gefährdete Parteien waren BF1, BF2 und BF3) ein, in dem dem Vater von BF3 (Antragsgegner) der Aufenthalt in der Wohnung der Antragstellerinnen (samt Zufahrtsstraße, Parkplatz und Grünflächen) und am Kindergarten von BF2 bis 05.11.2019 verboten wird, und dem Antragsgegner aufgetragen wird, das Zusammentreffen sowie die Kontaktaufnahme mit den Antragstellerinnen BF1, BF2 und BF3 zu vermeiden. Die Einstweilige Verfügung ist rechtskräftig.

I.7. Am 25.02.2019 wurde BF1 als Zeugin im Verfahren des afghanischen Asylwerbers, der Vater von BF3 ist (anhängig zu GZ W231 2173221-1), einvernommen. Die erkennende Richterin konnte sich so auch einen persönlichen Eindruck von BF1 verschaffen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

II.1.1. Die BF führen im Verfahren den im Spruch angeführten Namen und sowie das dort angeführte Geburtsdatum. BF3 wurde am 09.04.2018 in Österreich geboren. Die BF sind Staatsangehörige von Iran und gehören der kurdischen Volksgruppe an.

II.1.2. BF1 ist die leibliche Mutter von BF2 und BF3. Sie ist seit 2014 verwitwet, ihr Mann starb im Iran bei einem Unfall. Nach dem Ableben ihres Mannes zog BF1 mit ihrer Tochter BF2 in den gemeinsamen Haushalt mit ihrem drogensüchtigen und gewalttätigen Vater, der BF1 gegen Bezahlung an seine Freunde für sexuelle Dienste verkaufte. Der Schwiegervater stellte im Iran einen Antrag auf Übertragung der Obsorge für BF2, woraufhin BF1 mit BF2 den Iran verließ und nach Europa flüchtete.

II.1.3. In Österreich lernte BF1 einen afghanischen Asylwerber kennen, mit dem sie eine außereheliche Beziehung führte, während sie nicht im gemeinsamen Haushalt lebten. Aus dieser Beziehung entsprang BF3, die am 09.04.2018 in Österreich als uneheliches Kind geboren wurde. BF1 hat gegen den Vater von BF3 wegen gewalttätigen Verhaltens ihr gegenüber ein Betretungsverbot und eine einstweilige Verfügung erwirkt. Derzeit besteht ein aufrechtes und rechtskräftiges Aufenthaltsverbot des Vaters von BF3 an der Wohnadresse der BF und am Kindergarten von BF2. Ihm wurde weiters aufgetragen, das Zusammentreffen sowie die Kontaktaufnahme mit den Antragstellerinnen BF1, BF2 und BF3 zu vermeiden.

II.1.4. Zur Lage im Iran:

Rechtsschutz/Justizwesen

Seit 1979 ist der Iran eine Islamische Republik, wobei versucht wird, demokratische und islamische Elemente miteinander zu verbinden. Die Verfassung besagt, dass alle Gesetze sowie die Verfassung auf islamischen Kriterien beruhen müssen. Mit einer demokratischen Verfassung im europäischen Sinne kann sie daher nicht verglichen werden (ÖB Teheran 10.2016). In der Verfassung ist eine unabhängige Justiz verankert, in der Praxis steht sie unter politischem Einfluss. Richter werden nach religiösen Kriterien ernannt. Der Oberste Führer ernennt den Chef der Judikative. Internationale Beobachter kritisieren weiterhin den Mangel an Unabhängigkeit des Justizsystems und der Richter und, dass die Verfahren internationale Standards der Fairness nicht erfüllen (US DOS 3.3.2017, vgl. AI 22.2.2017).

Das in der iranischen Verfassung enthaltene Gebot der Gewaltentrennung ist praktisch stark eingeschränkt. Der Revolutionsführer ernennt für jeweils fünf Jahre den Chef der Judikative. Er ist laut Art. 157 der Verfassung die höchste Autorität in allen Fragen der Justiz; der Justizminister hat demgegenüber vorwiegend Verwaltungskompetenzen. Die Unabhängigkeit der Gerichte ist in der Verfassung festgeschrieben, unterliegt jedoch Begrenzungen. Immer wieder wird deutlich, dass Exekutivorgane, v.a. der Sicherheitsapparat, trotz formalen Verbots in Einzelfällen massiven Einfluss auf die Urteilsfindung und die Strafzumessung nehmen. Zudem ist zu beobachten, dass fast alle Entscheidungen der verschiedenen Staatsgewalten bei Bedarf informell durch den Revolutionsführer und seine Mitarbeiter beeinflusst und gesteuert werden können. Auch ist das Justizwesen nicht frei von Korruption. Nach belastbaren Aussagen von Rechtsanwälten ist ca. ein Drittel der Richter bei entsprechender Gegenleistung zu einem Entgegenkommen bereit. In Iran gibt es eine als unabhängige Organisation aufgestellte Rechtsanwaltskammer ("Iranian Bar Association"; IBA). Allerdings sind die Anwälte der IBA staatlichem Druck und Einschüchterungsmaßnahmen insbesondere in politischen Verfahren ausgesetzt (AA 8.12.2016).

In der Normenhierarchie der Rechtsordnung des Iran steht die Scharia an oberster Stelle. Darunter stehen die Verfassung und das übrige kodifizierte Recht. Die Richter sind nach der Verfassung angehalten, bei der Rechtsanwendung zuerst auf Grundlage des kodifizierten Rechts zu entscheiden. Im Zweifelsfall kann jedoch gemäß Art. 167, 170 der iranischen Verfassung die Scharia vorrangig angewendet werden (AA 9.12.2015).

In der Strafjustiz existieren mehrere voneinander getrennte Gerichtszweige. Die beiden wichtigsten sind die ordentlichen Strafgerichte und die Revolutionsgerichte. Daneben sind die Pressegerichte für Taten von Journalisten, Herausgebern und Verlegern zuständig. Die "Sondergerichte für die Geistlichkeit" sollen abweichende Meinungen unter schiitischen Geistlichen untersuchen und ihre Urheber bestrafen. Sie unterstehen direkt dem Revolutionsführer und sind organisatorisch außerhalb der Judikative angesiedelt (AA 9.12.2015).

Die Zuständigkeit der Revolutionsgerichte beschränkt sich auf folgende Delikte:

-

Straftaten betreffend die innere und äußere Sicherheit des Landes, bewaffneter Kampf gegen das Regime, Verbrechen unter Einsatz von Waffen, insbesondere "Feindschaft zu Gott" und "Korruption auf Erden";

-

Anschläge auf politische Personen oder Einrichtungen;

-

Beleidigung des Gründers der Islamischen Republik Iran und des jeweiligen Revolutionsführers;

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Spionage für fremde Mächte;

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Rauschgiftdelikte, Alkoholdelikte und Schmuggel;

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Bestechung, Korruption, Unterschlagung öffentlicher Mittel und Verschwendung von Volksvermögen (AA 9.12.2015).

Das Sondergericht für Geistliche und die Revolutionsgerichte waren besonders empfänglich für Druck seitens der Geheimdienste und anderer Sicherheitsbehörden, die darauf drängten, Angeklagte schuldig zu sprechen und harte Strafen zu verhängen (AI 22.2.2017).

Im Juni 2015 trat die neue Strafprozessordnung in Kraft, die nahezu ein Jahrzehnt in Arbeit war. Es sind nun einige überfällige Reformen im Justizsystem enthalten, wie Einschränkungen der provisorischen Untersuchungshaft bei Fällen von Fluchtgefahr oder Gefahr für die öffentliche Sicherheit, striktere Regulierungen betreffend Befragungen von beschuldigten Personen und die Ausweitung des Rechts auf einen Anwalt. Nichtsdestotrotz scheitert die Strafprozessordnung an vielen großen Mängeln im iranischen Strafjustizsystem (AI 11.2.2016). Justizbedienstete des Ministeriums für Geheimdienste, der Revolutionsgarden und anderer Behörden setzten sich ständig über Bestimmungen hinweg, die die Strafprozessordnung von 2015 für ein ordnungsgemäßes Verfahren vorsah, wie das Recht auf einen Anwalt unmittelbar nach der Festnahme und während der Untersuchungshaft und das Recht auf Aussageverweigerung. Strafverteidiger erhielten oft keine vollständige Akteneinsicht und konnten ihre Mandanten erst unmittelbar vor Prozessbeginn treffen. Untersuchungshäftlinge befanden sich über lange Zeiträume hinweg in Einzelhaft und hatten entweder überhaupt keinen Kontakt zu einem Rechtsbeistand und ihrer Familie oder nur sehr selten. Unter Folter erzwungene "Geständnisse" wurden vor Gericht als Beweismittel zugelassen. Richter begründeten ihre Urteile häufig nicht ausreichend, und die Justizverwaltung machte die Urteile nicht öffentlich zugänglich. Die Staatsanwaltschaft nutzte Paragraph 48 der Strafprozessordnung, um Gefangenen einen Rechtsbeistand ihrer Wahl zu verweigern (AI 22.2.2017, vgl. ÖB Teheran 10.2016).

Das iranische Strafrecht ist islamisch geprägt. Es ist kodifiziert im "Gesetz über die islamischen Strafen" vom 30. Juli 1991. Die letzte Änderung des Gesetzes trat am 18.06.2013 in Kraft. Zudem existieren einige strafrechtliche Nebengesetze, darunter das Betäubungsmittelgesetz sowie das Antikorruptionsgesetz. Die statuierten Straftatbestände und Rechtsfolgen enthalten zum Teil unbestimmte Formulierungen. Den Kern des "Scharia-Strafrechts", also des islamischen Strafrechts mit seinen z.T. erniedrigenden Strafen wie Auspeitschung, Verstümmelung, Steinigung, sowie der Todesstrafe bilden die Abschnitte zu den Qesas-und Hudud-Delikten (...).

Bei Delikten, die im krassen Widerspruch zu islamischen Grundsätzen stehen, können jederzeit Körperstrafen ausgesprochen und auch exekutiert werden. Bereits der Besitz geringer Mengen von Alkohol kann zur Verurteilung zu Peitschenhieben führen (eine zweistellige Zahl an Peitschenhieben ist dabei durchaus realistisch). Es kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass Personen zu Peitschenhieben verurteilt werden, die selbst Alkohol weder besessen noch konsumiert haben, u.U. ist bereits die bloße Anwesenheit bei einer Veranstaltung, bei der Alkohol konsumiert wird, für die Betroffenen gefährlich. So wurden etwa im Mai 2016 mehr als 30 Studenten wegen Teilnahme an einer Party mit Alkohol und Tanz zu je 99 Peitschenhieben verurteilt. Die häufigsten Fälle, für welche die Strafe der Auspeitschung durchgeführt wird, sind illegitime Beziehungen, außerehelicher Geschlechtsverkehr, Teilnahme an gemischtgeschlechtlichen Veranstaltungen, Drogendelikte und Vergehen gegen die öffentliche Sicherheit. Auch Auspeitschungen werden zum Teil öffentlich vollstreckt. Berichten zufolge werden auch die Strafen der Amputation (z.B. von Fingern bei Diebstahl) und der Blendung noch angewandt - auf die Anwendung letzterer kann die/der ursprünglich Verletzte jedoch gegen Erhalt eines Abstandsgeldes verzichten (ÖB Teheran 10.2016).

Entgegen anfänglicher Erwartungen ist in der Strafrechtsnovelle die Steinigung als Bestrafung für Ehebruch noch immer vorgesehen, auch wenn der Richter auf eine andere Form der Hinrichtung ausweichen kann. Darüber hinaus wurden alternative Maßnahmen für Kinder im Alter von 9 bis 15 implementiert, wie zum Beispiel Besuche beim Psychologen oder die Unterbringung in einer Besserungsanstalt, Auch nach neuem Strafrecht ist die Verhängung der Todesstrafe für Minderjährige möglich, wobei im Einzelfall auch die mangelnde Reife des Täters festgestellt und stattdessen eine Haft- oder Geldstrafen verhängt werden kann (AA 9.12.2015).

Aussagen hinsichtlich einer einheitlichen Strafverfolgungs- und Strafzumessungspraxis sind nur eingeschränkt möglich, da diese sich durch scheinbare Willkür auszeichnet. Rechtlich möglich wird dies vorrangig durch unbestimmte Formulierungen von Straftatbeständen und Rechtsfolgen sowie eine uneinheitliche Aufsicht der Justiz über die Gerichte. Auch willkürliche Verhaftungen kommen vor und führen dazu, dass Häftlinge ohne ein anhängiges Strafverfahren festgehalten werden. Wohl häufigster Anknüpfungspunkt für Diskriminierung im Bereich der Strafverfolgung ist die politische Überzeugung. Beschuldigten bzw. Angeklagten werden grundlegende Rechte vorenthalten, die auch nach iranischem Recht garantiert sind. Untersuchungshäftlinge werden bei Verdacht eines Verbrechens unbefristet ohne Anklage festgehalten. Oft erhalten Gefangene während der laufenden Ermittlungen keinen rechtlichen Beistand, weil ihnen dieses Recht verwehrt wird oder ihnen die finanziellen Mittel fehlen. Insbesondere bei politisch motivierten Verfahren gegen Oppositionelle erheben Gerichte oft Anklage aufgrund konstruierter oder vorgeschobener Straftaten. Die Strafen sind in Bezug auf die vorgeworfene Tat zum Teil unverhältnismäßig hoch. Hafterlass ist nach Ableistung der Hälfte der Strafe möglich. Amnestien werden unregelmäßig vom Revolutionsführer auf Vorschlag des Chefs der Justiz im Zusammenhang mit hohen religiösen Feiertagen und dem iranischen Neujahrsfest am 21. März ausgesprochen. Bei Vergeltungsstrafen können die Angehörigen der Opfer gegen Zahlung eines Blutgeldes auf den Vollzug der Strafe verzichten. Rechtsschutz ist oft nur eingeschränkt möglich. Anwälte, die politische Fälle übernehmen, werden systematisch eingeschüchtert oder an der Übernahme der Mandate gehindert. Der Zugang von Verteidigern zu staatlichem Beweismaterial wird häufig eingeschränkt oder verwehrt. Die Unschuldsvermutung wird mitunter - insbesondere bei politisch aufgeladenen Verfahren - nicht beachtet. Zeugen werden durch Drohungen zu belastenden Aussagen gezwungen. Es gibt zahlreiche Berichte über durch Folter und psychischen Druck erzwungene Geständnisse. Das Verbot der Doppelbestrafung gilt nur stark eingeschränkt. Nach iStGB wird jeder Iraner oder Ausländer, der bestimmte Straftaten im Ausland begangen hat und in Iran festgenommen wird, nach den jeweils geltenden iranischen Gesetzen bestraft. Bei der Verhängung von islamischen Strafen haben bereits ergangene ausländische Gerichtsurteile keinen Einfluss. Insbesondere bei Betäubungsmittelvergehen drohen drastische Strafen. In jüngster Vergangenheit sind allerdings keine Fälle einer Doppelbestrafung bekannt geworden. Hinsichtlich der Ausübung von Sippenhaft liegen gegensätzliche Informationen vor, sodass eine belastbare Aussage nicht möglich ist (AA 8.12.2016).

Körperstrafen sowie die Todesstrafe sind nach wie vor an der Tagesordnung. Die Todesstrafe steht auf Mord, Sexualdelikte, gemeinschaftlichen Raub, wiederholten Diebstahl, Drogenschmuggel, schwerwiegende Verbrechen gegen die Staatssicherheit, "Mohareb", Abfall vom islamischen Glauben und homosexuelle Handlungen, sowie auf Vergehen wie Drogenkonsum oder außerehelichen Geschlechtsverkehr (ÖB Teheran 10.2016).

Es gibt verfahrensrechtliche Bestimmungen, die den Richtern die Anweisung geben, Quellen zu kontaktieren, wenn es keinen Gesetzestext zum Vorfall gibt. Weiters gibt es eine Bestimmung im Strafgesetzbuch, die Richtern ermöglicht, sich auf ihr persönliches Wissen zu berufen, wenn sie Urteile fällen (ICHR 7.12.2010).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (9.12.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran

AA - Auswärtiges Amt (8.12.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran

AI (22.2.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - Iran, http://www.ecoi.net/local_link/336510/479174_de.html, Zugriff 24.4.2017

AI (11.2.2016): Flawed reforms: Iran's new Code of Criminal Procedure [MDE 13/2708/2016],

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1455175709_mde1327082016english.PDF, Zugriff 24.4.2017

ICHR - International Campaign for Human Rights in Iran (7.12.2010):

Unprecedented Death Sentence for Christian Pastor on Charge of Apostasy,

http://www.iranhumanrights.org/2010/12/khanjani-nadarkhani-apostasy/; Zugriff 24.4.2017

ÖB Teheran (10.2016): Asylländerbericht

US DOS - US Department of State (3.3.2017): Country Reports on Human Rights Practices 2016 Iran,

http://www.ecoi.net/local_link/337185/479948_de.html, Zugriff 24.4.2017

Todesstrafe

Zu den Delikten, die in der Strafzumessung die Todesstrafe vorsehen, zählen: Drogendelikte (510 Personen 2015), Mord (154 Personen 2015), terroristische Aktivitäten, Kampf gegen Gott ("mohareb") (10 Personen 2015), Staatsschutzdelikte wie Spionage, bewaffneter Raub, Waffenbeschaffung, Hoch- und Landesverrat, Veruntreuung und Unterschlagung öffentlicher Gelder, Bandenbildung, Beleidigung oder Entweihung von heiligen Institutionen des Islams oder heiligen Personen (z.B. durch Missionstätigkeit), Vergewaltigung (52 Personen 2015), Homosexualität, Ehebruch sowie Geschlechtsverkehr eines Nicht-Muslimen mit einer Muslimin. Auch der Abfall vom Islam kann mit der Todesstrafe geahndet werden. In den letzten 20 Jahren ist es zu keiner Hinrichtung aus diesem Grund gekommen (AA 8.12.2016, vgl. ÖB Teheran 10.2016).

Die Verhängung der Todesstrafe ist gegen männliche Jugendliche ab dem 15. Lebensjahr, für Mädchen ab dem 9. Lebensjahr möglich und kann bei Eintritt der Volljährigkeit vollstreckt werden. Die letzte Hinrichtung eines zur Tatzeit Minderjährigen (bei Vollzug Volljährigen) fand am 18.7.2016 statt (AA 8.12.2016, vgl. ÖB Teheran 10.2016). Vor allem bei Drogendelikten wird die Todesstrafe häufig angewendet (2015 etwa 65% aller Hinrichtungen), regelmäßig durch Erhängen, selten durch Erschießung, z.T. öffentlich (mind. 49 im Jahr 2015), und auch gegen (zum Tatzeitpunkt) Minderjährige. Der zweitgrößte Anteil an Hinrichtungen ist auf Verurteilungen wegen Mord bzw. Sexualdelikten zurückzuführen. Der Iran exekutiert weltweit pro Kopf die meisten Menschen. Im Jahr 2015 wurde die höchste Anzahl an Todesstrafen seit zehn Jahren vollstreckt (ÖB Teheran 10.2016, vgl. AI 22.2.2017, HRW 12.1.2017, AA 8.12.2016).

Eine Diskussion um die Abschaffung der Todesstrafe für Drogendelikte hat nach langer Stagnation wieder an Fahrt gewonnen. Der Chef der Menschenrechtskommission der Justiz Larijani bezeichnete die Aussichten als "schwierig aber nicht unmöglich". Für die Mitgründung einer Initiative zur schrittweisen Abschaffung der Todesstrafe ("Legam") wurde die Menschenrechtsaktivistin Narges Mohammadi indes im September 2016 zu 16 Jahren Haft verurteilt (AA 8.12.2016, FH 2017).

Die Hingerichteten waren zumeist wegen Drogendelikten verurteilt worden, die nicht zu den "schwersten Verbrechen" zählten und damit unterhalb der Schwelle liegen, die internationale Menschenrechtsnormen für die Verhängung eines Todesurteils festlegen. Der Oberste Gerichtshof entschied, dass Gefangene, die vor Inkrafttreten der Strafprozessordnung von 2015 wegen Drogendelikten zum Tode verurteilt wurden, das Recht hätten, Rechtsmittel einzulegen. Viele Todeskandidaten wussten jedoch nichts von dieser Regelung. Todesurteile ergingen auch für Mord oder aufgrund vage formulierter Anklagen wie "Feindschaft zu Gott". Nach der Massenexekution von 25 sunnitischen Männern im August 2016 strahlten die Behörden im Fernsehen erpresste "Geständnisse" aus, die offenbar dazu dienen sollten, die Männer zu dämonisieren und von den groben Mängeln der Verfahren, in denen diese zum Tode verurteilt worden waren, abzulenken. 2016 wurden mindestens zwei Männer zum Tode verurteilt, die man wegen "Beleidigung des Propheten" für schuldig befunden hatte, was eine Verletzung ihrer Rechte auf Glaubens-, Religions- und Meinungsfreiheit darstellte (AI 22.2.2017, vgl. HRW 12.1.2017, FH 2017). In den Todeszellen saßen mindestens 78 Personen, die zum Tatzeitpunkt minderjährig waren, unter ihnen 15, die zum Tode verurteilt worden waren, nachdem die neuen Leitlinien zur Bestrafung jugendlicher Straftäter im islamischen Strafgesetzbuch von 2013 in Kraft getreten waren. Andere, deren Verfahren gemäß den Leitlinien wiederaufgenommen worden waren, wurden erneut zum Tode verurteilt. Nach Kenntnis von Amnesty International wurden 2016 zwei zur Tatzeit minderjährige Straftäter hingerichtet. Tatsächlich dürfte die Zahl sehr viel höher gewesen sein. Das islamische Strafgesetzbuch sah auch weiterhin Steinigung als Hinrichtungsmethode vor. 2016 wurde mindestens eine Frau zum Tod durch Steinigung verurteilt. Einige einvernehmliche gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen konnten weiterhin mit der Todesstrafe geahndet werden (AI 22.2.2017).

Eine angestrebte Gesetzesänderung soll zur Abschaffung der Todesstrafe bei (reinen) Drogendelikten führen. Derzeit ist die Todesstrafe bei Handel von mehr als 5kg aus Opium gewonnenen Substanzen bzw. von mehr als 30g Heroin, Morphium, Kokain oder Derivate davon zwingend zu verhängen. Nach der Novelle soll die Todesstrafe nur noch bei gewalttätigen Drogendelikten gefällt werden können, wodurch die Zahl der Exekutionen deutlich sinken würde. Ob und wie diese bereits in der letzten Legislaturperiode vorgelegte Novelle angenommen wird, ist derzeit aber ungewiss. Im Juni 2015 wurde wegen Drogendelikten zum Tod Verurteilten zumindest das Recht eingeräumt, Berufung gegen das Strafurteil einzulegen. Viele Todesurteile werden nach internationalen Verfahrensstandards widersprechenden Strafverfahren gefällt: Es wird immer wieder von durch Folter erzwungenen Geständnissen oder fehlende Kommunikationsmöglichkeiten mit dem Verteidiger vor dem Prozess bzw. keiner freien Verteidigerwahl berichtet. Es ist auch zumindest ein Fall bekannt (Kurde Behruz Alkhani), bei welchem die Entscheidung des Obersten Gerichts über die Berufung gegen die Todesstrafe nicht abgewartet wurde (ÖB Teheran 10.2016).

Die Anzahl von Exekutionen soll im gesamten Jahr 2016 470 Personen umfassen. Obwohl diese Anzahl geringer ist als 2015 bleibt der Iran ein Land, das die Todesstrafe sehr häufig anwendet (FCO 8.2.2017).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (8.12.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran

AI - Amnesty International (AI 22.2.2017): Jahresbericht 2016/17 - Iran, http://www.ecoi.net/local_link/336510/479174_de.html, Zugriff 3.5.2017

FCO - UK Foreign and Commonwealth Office (8.2.2017): Human Rights and Democracy Report 2015 - Human Rights Priority Country update report: July to December 2016 - Iran, http://www.ecoi.net/local_link/337427/480218_de.html, Zugriff 3.5.2017

FH - Freedom House (2017): Freedom in the World 2017, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2017/iran, Zugriff 3.5.2017

HRW - Human Rights Watch (12.1.2017): World Report 2017 - Iran, http://www.ecoi.net/local_link/318407/457410_de.html, Zugriff 3.5.2017

ÖB Teheran (10.2016): Asylländerbericht

Frauen

Der Unterschied zwischen Stadt und Land macht sich auch im Verhältnis zwischen Mann und Frau und in der Rolle der Frauen in der Gesellschaft bemerkbar. Auf dem Land hat das traditionelle islamische Rollenmodell noch weitgehende Gültigkeit, der Tschador, der Ganzkörperschleier, dominiert hier noch das Straßenbild. In den großen Städten hat sich dieses Rollenverständnis inzwischen verschoben, wenn auch nicht immer in allen Stadtteilen. Schon während der Revolution von 1978/79 spielten Frauen eine wichtige Rolle, wodurch ihnen von Beginn an ein gewisses Selbstbewusstsein erwuchs. Dazu beigetragen, Frauen im öffentlichen Leben zu verankern, hat zudem der lange Krieg gegen den Irak, denn während dieser acht Jahre war, allen eventuellen ideologischen Bedenken zum Trotz, die Arbeitskraft der Frauen schlicht unabdingbar. Nach dem Krieg waren sie aus dem öffentlichen Leben dann nicht mehr wegzudenken oder gar zu entfernen. Die unterschiedliche und sich verändernde Stellung der Frau zeigt sich auch an den Kinderzahlen:

Während in vielen ländlichen, gerade den abgelegeneren Gebieten fünf Kinder der Normalfall sind, sind es in Teheran und Esfahan im Durchschnitt unter zwei. Gerade viele junge Frauen begehren heute gegen die nominell immer noch sehr strikten Regeln auf, besonders anhand der Kleidungsvorschriften für Frauen wird heute der Kampf zwischen einer eher säkular orientierten Jugend der Städte und dem System in der Öffentlichkeit ausgefochten. Eine Bewegung, die sich in den letzten Jahren zunehmender Beliebtheit erfreut, ist der islamische Feminismus. Dieser will die Rechte der Frau mittels einer islamischen Argumentation durchsetzen. Auch wenn die Stellung der Frau im Iran, entgegen aller Vorurteile gegenüber der Islamischen Republik, in der Praxis sehr viel besser ist als in vielen anderen Ländern der Region, sind Frauen jedoch auch hier alles andere als gleichberechtigt (GIZ 3.2017a).

Eine Generalisierung der Situation von Frauen im Iran ist schwierig. Prinzipiell ist es von großer Bedeutung für eine Frau, in welche Art von Familie sie hinein geboren wurde, welchen sozialen Hintergrund sie hat, ihr Bildungsniveau, die Ethnie, welchem religiösen Glauben sie angehört und wo sie im Land wohnt. Frauen aus Großstädten sind zum Großteil besser gebildet als Frauen am Land, was ihr Leben erleichtern kann. Frauen aus ländlichen Gegenden können sich sozialem Druck ausgesetzt sehen, sind meist schlechter ausgebildet, haben weniger Bewegungsfreiheit, wissen wenig über ihre eigenen Rechte und haben auch bei der Wahl eines Ehemannes oft wenig Mitsprache (Landinfo 22.5.2009).

Frauen wurden weiterhin diskriminiert, sowohl durch Gesetze als auch im täglichen Leben, besonders bei Scheidungen, auf dem Arbeitsmarkt, in Erbschaftsangelegenheiten, hinsichtlich politischer Ämter und bei der Anwendung des Strafgesetzes. Frauen und Mädchen drohten weitere Verschlechterungen im Hinblick auf ihre sexuellen und reproduktiven Rechte, da entsprechende Gesetzentwürfe immer noch anhängig waren. Außerdem hatten sie nach wie vor Mühe, bezahlbare moderne Verhütungsmittel zu erhalten, weil das Budget des staatlichen Familienplanungsprogramms 2012 gekürzt und seither nicht wieder aufgestockt worden war (AI 22.2.2017, vgl. US DOS 3.3.2017). Im September 2016 verkündete der Oberste Revolutionsführer Ayatollah Sayed Ali Khamenei Richtlinien einer nationalen Familienpolitik. Darin wurden eine frühzeitige Heirat, viele Geburten, weniger Scheidungen und die verstärkte Einhaltung der "traditionellen" Rollen der Frau als Hausfrau und des Mannes als Familienernährer befürwortet. Dies bot Anlass zu Befürchtungen, dass Frauen, die Opfer häuslicher Gewalt wurden, noch stärker ausgegrenzt und unter Druck gesetzt werden könnten, sich mit den Tätern zu "versöhnen" und gewalttätige Beziehungen nicht zu beenden. Frauen und Mädchen waren nach wie vor nicht angemessen gegen sexualisierte und andere geschlechtsspezifische Gewalt, wie Früh- und Zwangsverheiratungen, geschützt. Die Regierung brachte keine Gesetze gegen diese Missstände auf den Weg. Ebenso wenig bekämpfte sie Vergewaltigung in der Ehe und häusliche Gewalt, obwohl sich der Vizepräsident für Frauen- und Familienangelegenheiten für einen Gesetzentwurf einsetzte, der seit 2012 anhängig war. Der gesetzliche Zwang, ein Kopftuch (Hidschab) zu tragen, verletzte die Rechte von Frauen auf Gleichheit, Privatsphäre, Meinungs-, Glaubens- und Religionsfreiheit. Außerdem gerieten sie dadurch ins Visier von Polizei und paramilitärischen Kräften und waren Schikanen, Gewalt und Inhaftierungen ausgesetzt (AI 22.2.2017).

Unabhängig vom Alter kann eine Frau nicht ohne Erlaubnis ihres männlichen Vormunds heiraten. Auch können iranische Frauen ihre iranische Staatsbürgerschaft nicht an ausländische Ehemänner oder ihre Kinder weitergeben. Obwohl Kinderehen nicht die Norm sind, werden diese teils weitergeführt, da das Gesetz Mädchen mit 13 und Jungen mit 15 Jahren die Heirat erlaubt. Sind die Kinder noch jünger, braucht es für eine Heirat eine Zustimmung eines Richters (HRW 12.1.2017, vgl. US DOS 3.3.2017, ACCORD 12.2015). Die Regierung erkennt Ehen zwischen muslimischen Frauen und nicht-muslimischen Männern nicht an (US DOS 3.3.2017).

Vergewaltigung ist im Iran illegal und wird streng bestraft, bis zur Todesstrafe. Das Gesetz sieht Sex innerhalb der Ehe immer als einvernehmlich an, daher gibt es keinen Straftatbestand für Vergewaltigung in der Ehe, auch nicht bei erzwungenen Ehen. Für eine Verurteilung bei einer Vergewaltigung werden vier muslimische Männer, oder eine Kombination aus drei Männern und zwei Frauen oder zwei Männern und vier Frauen als Zeugen benötigt. Ein Mann oder eine Frau, die falsche Aussagen in Bezug auf Vergewaltigung tätigen werden mit bis zu 80 Peitschenhieben bestraft. Die meisten Opfer von Vergewaltigungen zeigen diese nicht an, aus Angst vor Vergeltungsmaßnahmen oder aus Angst, bestraft zu werden weil sie vergewaltigt wurden. Hier können Anklagen wie Schamlosigkeit, unmoralisches Verhalten oder Ehebruch folgen. Auf Ehebruch steht die Todesstrafe. Häusliche Gewalt ist gesetzlich nicht verboten. Behörden sehen Missbrauch in der Familie als private Angelegenheit und das Thema wird selten in der Öffentlichkeit erörtert (US DOS 3.3.2017).

In rechtlicher, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Hinsicht sind iranische Frauen vielfältigen Diskriminierungen unterworfen, die jedoch kontrovers diskutiert werden. Von einigen staatlichen Funktionen (u.a. Richteramt, Staatspräsident) sind Frauen gesetzlich oder aufgrund entsprechender Ernennungspraxis ausgeschlossen (AA 8.12.2016, vgl. US DOS 3.3.2017). Laut offiziellen Angaben liegt die Arbeitslosenrate bei Frauen bei 19,4%. Auch nach der Population Situation Analysis der Universität Teheran im Sommer 2016 besteht in dem Bereich der Integration von Frauen in den Arbeitsmarkt erhöhter Nachholbedarf. In rechtlicher Hinsicht unterliegen Frauen einer Vielzahl diskriminierender Einschränkungen, die aufgrund ihrer Vielzahl nicht abschließend aufgezählt werden können. Prägend ist dabei die Rolle der (Ehe-)Frau als dem (Ehe-)mann untergeordnet, wie sich sowohl in Fragen der Selbstbestimmung, des Sorgerechtes, der Ehescheidung als auch des Erbrechts erkennen lässt. Im Straf- bzw. Strafprozessrecht sind Frauen bereits mit neun Jahren vollumfänglich strafmündig (Männer mit 15 Jahren), ihre Zeugenaussagen werden hingegen nur zur Hälfte gewichtet. Verschiedene gesetzliche Verbote machen es Frauen unmöglich, im gleichen Maße wie Männer am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen (strenge Kleiderordnung, Verbot vom Zugang zu Sportveranstaltungen). Seit April 2016 wird die Einhaltung der Kleidervorschriften in Teheran zusätzlich durch bis zu 7.000 in zivil gekleidete Kontrolleure (nach derzeitigem Informationsstand ohne Sanktionsbefugnisse) verstärkt kontrolliert. Bei Verstößen müssen Frauen mit Strafen rechnen. So kann etwa eine Frau, die ihre Haare oder die Konturen ihres Körpers nicht verhüllt mit Freiheitsstrafe (zehn Tage bis zu zwei Monaten) und/oder Geldstrafe bestraft werden. Grundsätzlich ist auch die Verhängung von bis zu 74 Peitschenhieben wegen Verstoßes gegen die öffentliche Moral möglich; dazu kommt es i.d.R. nicht, da die Familien von der Möglichkeit des Freikaufs überwiegend Gebrauch machen. Weitere diskriminierende Vorschriften finden sich im Staatsangehörigkeitsrecht, internationalen Privatrecht, Arbeitsrecht sowie im Sozialversicherungsrecht. Konservative Kreise betonen immer wieder, dass sie Frauen in einer islamischen Gesellschaft ausschließlich in ihrer Rolle als Mütter sehen. Tatsächlich steigen sowohl Heiratsalter, die Zahl illegaler Abtreibungen und die Scheidungsrate rapide, insbesondere in den Großstädten. Ausweichmöglichkeiten für Frauen sind nicht bekannt. Fälle von sexueller Ausbeutung oder Zwangsprostitution sind nicht zweifelsfrei dokumentiert. Der Staat ist verpflichtet, Frauen vor sexueller Gewalt zu schützen. Frauen, die ehelicher oder häuslicher Gewalt ausgesetzt sind, können nach Einschätzung des Auswärtigen Amts nicht uneingeschränkt darauf vertrauen, dass effektiver staatlicher Schutz gewährt wird. Fälle von Genitalverstümmelung sind dem Auswärtigen Amt nicht bekannt (AA 8.12.2016, vgl. US DOS 3.3.2017).

Die stagnierende wirtschaftliche Lage Irans hat ein stetiges Wachstum der Arbeitslosenrate in den vergangen Jahren zur Folge gehabt. Insbesondere hat die hohe Arbeitslosigkeit im Land auch Einfluss auf die wirtschaftliche Situation von alleinstehenden Frauen genommen; u.a. sieht das Gesetz nicht die gleiche Bezahlung von Frauen und Männern vor. Die Arbeitslosenrate bei Frauen ist doppelt so hoch wie jene der Männer. Offizielle Statistiken über die Situation der Arbeitslosen im Iran sind nicht besonders zuverlässig. Gemäß dem Global Gender Gap Report 2015 sind nur 23% der Frauen zwischen 15 und 64 Jahren in den Arbeitsmarkt integriert. Selbst gut qualifizierte Frauen haben Schwierigkeiten, eine Arbeitsstelle zu finden. Dieses Ungleichgewicht hat sich in den letzten Jahren weiter verstärkt. Vor allem junge Frauen sind von Arbeitslosigkeit betroffen. Dem Bericht einer internationalen NGO ist ein drastischer Anstieg der Anzahl arbeitsloser Frauen im Alter von 15-24 Jahren zu entnehmen. Der Zugang zum Arbeitsmarkt und die beruflichen Möglichkeiten für Frauen sind durch soziale und rechtliche Regelungen eingeschränkt. Spezifische gesetzliche Regelungen bestimmen die Arbeit von Frauen und unterstreichen die traditionelle Rolle der Frau in der Gesellschaft - nämlich als Mutter und Ehefrau. Zum Beispiel legt das Gesetz es Frauen nahe, sich für drei Viertel der regulären Arbeitszeit von Männern zu bewerben, und Frauen brauchen das Einverständnis ihres Ehemannes, um eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen (ÖB Teheran 10.2016).

Aufgrund der Schwierigkeit für Frauen am Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, ist der familiäre Rückhalt für alleinstehende Frauen umso bedeutender. Jedoch erhalten manche Frauen, die außerhalb der gesellschaftlichen Norm leben (wie zum Beispiel lesbische Frauen od. Prostituierte), keine Unterstützung durch die Familie und werden Opfer von häuslicher Gewalt und Zwangsheirat (ÖB Teheran 10.2016).

Gesetzliche Regelungen räumen geschiedenen Frauen das Recht auf Alimente ein. Geschiedene Frauen haben auch das Recht auf Entschädigung für erbrachte Hausarbeit während der Ehe, vor allem wenn der Mann die Scheidung ohne triftigen Grund verlangt hat. Angaben über (finanzielle) Unterstützung vom Staat für alleinerziehende Frauen sind nicht auffindbar. Das Gesetz sieht vor, dass geschiedenen Frauen vorzugsweise das Sorgerecht für ihre Kinder bis zu deren siebentem Lebensjahr gegeben werden soll. Danach soll das Sorgerecht dem Vater übertragen werden, außer dieser ist dazu nicht im Stande. Heiraten geschiedene Frauen erneut, verlieren sie das Sorgerecht für Kinder aus einer früheren Ehe (ÖB Teheran 10.2016).

Krisenzentren und Frauenhäuser nach europäischem Modell existieren im Iran nicht. Angeblich sollen staatlich geführte Einrichtungen für alleinstehende Frauen, Prostituierte, Drogenabhängige oder Mädchen, die von Zuhause davon gelaufen sind, vorhanden sein. Jedoch sind Informationen über diese Einrichtungen der Öffentlichkeit nicht zugänglich. Genauere Informationen über mögliche Unterstützungen des Staates für alleinstehende Frauen sind nicht eruierbar (ÖB Teheran 10.2016).

Alleinstehende, nicht geschiedene Frauen haben Schwierigkeiten, selbstständig eine Wohnung zu mieten und alleine zu wohnen, da gesellschaftliche Normen verlangen, dass eine unverheiratete Frau im Schutze ihrer Familie oder eines männlichen Familienmitglieds lebt. Im Gegensatz dazu dürfte es gesellschaftlich akzeptiert sein, dass geschiedene Frauen alleine wohnen (ÖB Teheran 10.2016).

Alleinstehende Frauen, die nicht geschieden sind, sind laut Gesetz in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt. Es wird berichtet, dass Frauen - vorwiegend in ländlichen Regionen - oft eine Zustimmung eines männlichen gesetzlichen Vertreters benötigen, um alleine zu reisen. Alleinreisende Frauen in ländlichen Regionen sind demnach Belästigungen durch staatliche und nicht staatliche Akteure ausgesetzt. Zusammenfassend ist zu sagen, dass alleinstehende Frauen im Iran Unterstützung vom Staat und der Gesellschaft nur beschränkt erwarten können. Vorwiegend Frauen, denen kein familiärer Rückhalt zuteilwird und die außerhalb der gesellschaftlichen Normen leben (Prostituierte, Betroffene des Frauenhandels, weggelaufene Mädchen, Geschiedene, lesbische Frauen) sind Diskriminierungen und Unterdrückung durch Staat und Gesellschaft ausgesetzt. Die schwierige wirtschaftliche Lage und die hohe Arbeitslosigkeit unter Frauen, vor allem in ländlichen Regionen, veranlassen Frauen, das Land zu verlassen und in die Stadt zu ziehen oder zu emigrieren (ÖB Teheran 10.2016).

Die Behörden gingen 2016 weiterhin massiv gegen Menschenrechtsverteidigerinnen vor und setzten zunehmend jegliche Initiative, die sich mit Feminismus oder Frauenrechten befasste, mit strafbaren Handlungen gleich. Die Revolutionsgarden unterzogen Frauenrechtlerinnen, die sich für eine stärkere Beteiligung von Frauen an den Parlamentswahlen im Februar 2016 einsetzten, ausgedehnten und repressiven Verhören und drohten ihnen mit Anklagen wegen Verstößen gegen die nationale Sicherheit und Gefängnisstrafen (AI 22.2.2017).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (8.12.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran

ACCORD (12.2015): COI compilation Iran: Women, children, LGBTI persons, persons with disabilities, "moral crimes", http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1451977796_568a98324.pdf, Zugriff 25.4.2017

AI - Amnesty International (2.2.2017): Jahresbericht 2016/17 - Iran, http://www.ecoi.net/local_link/336510/479174_de.html, Zugriff 25.4.2017

GIZ Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (3.2017a): Iran, Gesellschaft,

http://liportal.giz.de/iran/gesellschaft/, Zugriff 25.4.2017

HRW - Human Rights Watch (12.1.2017): World Report 2017 - Iran, http://www.ecoi.net/local_link/334693/476446_de.html, Zugriff 25.4.2017

Landinfo (22.5.2009): Honour killings in Iran, http://www.landinfo.no/asset/960/1/960_1.pdf, Zugriff Zugriff 25.4.2017

ÖB Teheran (10.2016): Asylländerbericht

US DOS - US Department of State (3.3.2017): Country Reports on Human Rights Practices 2016 Iran,

http://www.ecoi.net/local_link/337185/479948_de.html, Zugriff 25.4.2017

Kurden

Die Kurden sind hinsichtlich ihrer kulturellen Eigenständigkeit staatlicher Diskriminierung ausgesetzt. Zwar werden sie in größerer Zahl in hohe Ämter der Provinzverwaltungen und zunehmend auch in der Ministerialbürokratie berufen. Kurdischen Aktivisten werden in vielen Fällen von der Zentralregierung separatistische Tendenzen vorgeworfen und diese entsprechend geahndet. Die PJAK, die als iranischer Ableger der türkischen PKK gilt, liefert sich seit Jahren einen Guerilla-Kampf mit den iranischen Sicherheitsbehörden (AA 8.12.20216).

Unter den politisch Verfolgten sind verhältnismäßig viele Kurden. Auffallend sind die häufigen Verurteilungen im Zusammenhang mit Terrorvorwürfen - insbesondere die Unterstützung der als Terrororganisation geltenden PJAK (partiya jiyana azad a kurdistane, "Partei für ein freies Leben in Kurdistan", Schwesterorganisation der PKK im Iran) - und die oftmals unverhältnismäßig hohen Strafausmaße. Jüngste Zusammenstöße zwischen Kurden und iranischen Sicherheitskräften, welche insbesondere im zweiten Quartal 2016 zunahmen und, neben hunderten Festnahmen, auch zu Toten und Verletzten führten, nähren Befürchtungen, dass Kurden zukünftig vermehrt Repressalien ausgesetzt sein könnten, nicht zuletzt um Sympathiebekundungen mit den verstärkten Unabhängigkeitsbestrebungen der irakischen Kurden hintanzuhalten. Hier gilt es jedoch anzumerken, dass von kurdischer Seite Gewalttätigkeiten gegen iranische Sicherheitskräfte zunehmen. So bestätigte etwa die Demokratische Partei Kurdistans im Iran im September 2016, dass die Peschmerga, Streitkräfte der Autonomen Region Kurdistan, einen bewaffneten Konflikt mit iranischen Regierungstruppen in den kurdischen Gebieten Irans begonnen hätten (ÖB Teheran 10.2016).

Zahlreiche Kurden wurden Berichten zufolge wegen tatsächlicher oder vermeintlicher Verbindungen zur Demokratischen Partei Kurdistan-Iran ohne Haftbefehl festgenommen, nachdem diese im März 2016 angekündigt hatte, ihren bewaffneten Widerstand gegen die iranischen Behörden wieder aufzunehmen. Viele Kurden mussten Gefängnisstrafen verbüßen oder waren zum Tode verurteilt, weil sie verbotenen kurdischen Oppositionsgruppen angehörten oder mit ihnen sympathisierten (AI 22.2.2017).

Die Regierung schränkte kulturelle und politische Aktivitäten der Kurden ein (HRW 12.1.2017). Im Juni 2016 kündigte die Regierung jedoch an, dass in Schulen in den beiden Provinzen Kurdistan und West-Aserbaidschan freiwillige Sprachkurse für Türkisch und Kurdisch angeboten werden sollen. Es war allerdings unklar, wann dies umgesetzt werden würde (AI 22.2.2017). Letztes Jahr hat die Universität von Kurdistan 40 Studenten für Kurdisch aufgenommen (HRW 12.1.2017).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (8.12.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran

AI - Amnesty International (AI 22.2.2017): Jahresbericht 2016/17 - Iran, http://www.ecoi.net/local_link/336510/479174_de.html, Zugriff 9.5.2017

HRW - Human Rights Watch (12.1.2017): World Report 2017 - Iran, http://www.ecoi.net/local_link/318407/457410_de.html, Zugriff 9.5.2017

ÖB Teheran (10.2016): Asylländerbericht

2. Beweiswürdigung:

Die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen

II.2.1. Die Feststellungen zur Identität der BF, ihrer Staatsangehörigkeit und Herkunft sowie ihren Lebensverhältnissen ergeben sich aus ihren Angaben im Verfahren, welche insofern stringent waren und auch bereits von der belangten Behörde im Verfahren zugrunde gelegt wurden. Für BF3 liegt eine österreichische Geburtsurkunde vor.

II.2.2. Insbesondere hat die belangte Behörde nicht am Vorbringen gezweifelt, dass BF1 verwitwet ist und den Iran wegen der Gewalttätigen ihres drogensüchtigen Vaters, der BF1 seinen Freunden auch gegen Entgelt für sexuelle Handlungen überließ, und aus Furcht davor, dass ihrem Schwiegervater die Obsorge für BF2 übertragen würde, verlassen hat. BF1 hat dafür auch Beweismittel vorgelegt. Das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesem vom BFA festgestellten und unstrittigen Sachverhalt zu zweifeln.

II.2.3. Ebenso wurde bereits durch die belangte Behörde festgestellt, dass BF3 in Österreich geboren wurde und Vater von BF3 ein afghanischer Asylwerber ist, mit dem die BF aber nie im gemeinsamen Haushalt gelebt haben. Dass es sich dabei um eine außereheliche Beziehung handelte, und BF3 daher unehelich geboren wurde, ist unstrittig, dass BF1 und der Vater von BF3 verheiratet oder verlobt wären, wurde weder von BF1 noch von der belangten Behörde im Verfahren behauptet.

II.2.4. Aus den im Verfahren übermittelten Unterlagen ergibt sich das Betretungsverbot und die Einstweilige Verfügung gegen den Vater von BF3 aufgrund dessen gewalttätigen Verhaltens.

II.2.5. Die Feststellungen zur Lage im Iran (oben II.1.4.) beruhen auf den vom BFA selbst im Verfahren herangezogenen Länderquellen, konkret dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation IRAN, 12.05.2017, letzte KI 16.02.2018, an denen sich auch im aktuellen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation IRAN, 03.07.2018, nichts Entscheidungswesentliches geändert hat. Vielmehr ergibt sich aus dem aktuellen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation IRAN, 03.07.2018, explizit, dass auch auf außerehelichem Geschlechtsverkehr die Todesstrafe steht (Pkt. 14, Todesstrafe).

Angesichts der Ausgewogenheit und Seriosität der genannten Quellen sowie der Plausibilität der weitestgehend übereinstimmenden Aussagen darin, besteht für das Bundesverwaltungsgericht daher kein Grund, an der Richtigkeit der Länderberichte zu zweifeln.

3. Rechtliche Beurteilung:

Anzuwendendes Recht

II.3.1. Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da in den anzuwendenden gesetzlichen Bestimmungen keine gegenteiligen Bestimmungen enthalten sind, liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 17 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013, sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

II.3.2. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz iSd § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 AsylG 2005 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention - GFK droht.

Nach Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren." (vgl VfSlg 19.086/2010; VfGH 12.6.2010, U 613/10).

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/0011; 17.3.2009, 2007/19/0459; 28.5.2009, 2008/19/1031).

Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Erlassung der Entscheidung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233). Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 25.01.2001, 2001/20/0011; 21.12.2000, 2000/01/0131).

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Benachteiligungen auf sozialem, wirtschaftlichem oder religiösem Gebiet sind, sofern sie aus asylrelevanten Motiven erfolgen, für die Bejahung der Flüchtlingseigenschaft dann ausreichend, wenn sie eine solche Intensität erreichen, die einen weiteren Verbleib des Asylwerbers in seinem Heimatland unerträglich machen, wobei bei der Beurteilung dieser Frage ein objektiver Maßstab anzulegen ist (vgl VwGH 22.06.1994, 93/01/0443). Ein völliger Entzug der Lebensgrundlage stellt nach ständiger Rechtsprechung des VwGH eine solche Intensität dar, dass diesem Asylrelevanz zukommen kann (VwGH 24.03.1999, 98/01/0380; 13.05.1998, 97/01/0099). Daraus ergibt sich, dass ein wirtschaftlicher oder gesellschaftlicher Nachteil grundsätzlich als Verfolgung zu qualifizieren sein wird, wenn durch das Vorliegen des Nachteils die Lebensgrundlage massiv bedroht ist.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl VwGH 28.3.1995, 95/19/0041; 27.6.1995, 94/20/0836; 23.7.1999, 99/20/0208; 21.9.2000, 99/20/0373; 26.2.2002, 99/20/0509 mwN; 12.9.2002, 99/20/0505; 17.9.2003, 2001/20/0177; 28.10.2009, 2006/01/0793; 23.2.2011, 2011/23/0064) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) ges

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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