TE Bvwg Erkenntnis 2019/3/19 W119 2139494-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.03.2019
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Entscheidungsdatum

19.03.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55

Spruch

W119 2139494-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Eigelsberger als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , StA. Volksrepublik China, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung Diakonie, gegen den Bescheid des Bundesamtes für

Fremdenwesen und Asyl vom 28.09.2016, Zahl: 1070853502/150566856, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 18.02.2019 zu

Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3 und 57 AsylG 2005, § 9 BFA-VG sowie §§ 46, 52 und 55 FPG AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der Volksrepublik China, reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 27.5.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Dazu gab sie anlässlich ihrer Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 29.5.2015 zunächst an, der Volksgruppe der Han anzugehören sowie ohne Bekenntnis und ledig zu sein. In der Heimat habe sie von 1987 bis 1992 in XXXX die Grundschule und von 1992 bis 1997 die Hauptschule besucht und zuletzt selbstständig ein Textilgeschäft geführt.

Zu ihrem Fluchtgrund brachte sie vor, dass sie im Oktober 2014 ihren Freund kennengelernt habe. Er sei spielsüchtig, habe von der Beschwerdeführerin 120 000.- RMB gestohlen, in Macau verspielt und immer Geld von ihr verlangt. Da sie kein Geld gehabt hätte, hätte er Leute von der Mafia engagiert und die Beschwerdeführerin und ihre Familie bedroht. Sie habe versucht, an einem anderen Ort in China zu leben, sei aber immer von ihm gefunden worden. Aus Angst um ihr Leben hätte sie China verlassen. Dies sei der einzige Fluchtgrund.

Am 12.8.2016 wurde die Beschwerdeführerin niederschriftlich vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) einvernommen. Dabei brachte sie zunächst vor, gesund zu sein und aus der Stadt XXXX in der Provinz XXXX zu stammen. Dort habe sie von 1987 bis 1992 die Volksschule und danach sechs Jahre lang eine Mittelschule besucht. Eigentlich sei sie Modedesignerin, dies habe sie in den letzten drei Jahre der Mittelschule gelernt. In China sei sie selbstständig gewesen und habe von 2013 bis 2015 ein Textilgeschäft für Damenbekleidung geführt, dessen Eigentümerin sie gewesen sei. Sie habe umgerechnet ca. € 1000 im Monat verdient. Im Mai 2015 hätte sie China verlassen. Weiters erklärte die Beschwerdeführerin, ledig zu sein und keine Kinder zu haben.

Ihre Eltern seien beide in Pension und würden gemeinsam in XXXX leben. Von ihrer Geburt an bis zu ihrer Ausreise habe die Beschwerdeführerin bei ihnen gewohnt.

Zu ihrem Fluchtgrund erklärte sie, im Oktober 2014 ihren Freund kennengelernt zu haben. Nach ca. sechs Monaten sei sie darauf gekommen, dass er Geld gestohlen hätte, um es im Glücksspiel einzusetzen. Sie habe ihn dann bei der Polizei angezeigt, die ihr jedoch mitgeteilt hätte, in ihrem Fall nichts tun zu können, weil es sich um eine Privatangelegenheit handle. Ihr Freund sei sehr oft in Macau gewesen, um dort zu spielen. Er habe die Beschwerdeführerin immer wieder nach Geld gefragt und sie geschlagen, weil sie keines gehabt habe. Manchmal habe er sogar damit gedroht, sie zu töten.

Kennengelernt habe sie ihren Freund, als er mit seiner Mutter in ihrem Geschäft gewesen sei, um für diese Sachen zu kaufen. Gelebt habe er in XXXX , die Beschwerdeführerin sei ein- oder zweimal bei ihm zu Hause gewesen, könne aber die Adresse nicht konkret angeben. Beruflich sei er Verkehrspolizist gewesen. Im April 2015 habe sie bemerkt, dass er spiele. Welche Art des Glückspieles dies gewesen sei, wisse sie nicht. In Macau gebe es sehr viele Möglichkeiten. Er habe von ihr mindestens 5000 bis 10 000 RMB verlangt, gestohlen hätte er zwischen 100 000 und 120 000 RMB. Das Geld habe er von ihrer Karte abgehoben, die sich dann bei ihm befunden habe, wenn er Waren für die Beschwerdeführerin abgeholt habe. Direkt nachdem sie draufgekommen sei, habe ihn die Beschwerdeführerin im April 2015 bei der Polizei angezeigt. Insgesamt habe er sie dreimal geschlagen und sie überdies verbal bedroht. Dies sei Anfang, Mitte und Ende April 2015 gewesen. Er habe sie nach Geld gefragt, wenn sie nichts gehabt habe, habe er sie verprügelt und ihr gedroht, sie zu töten, wenn sie ihm keines beschaffe. Dies sei insgesamt dreimal passiert. Ihre Angaben von der Erstbefragung vorgehalten, erklärte die Beschwerdeführerin, dass er auch ihre Familie bedroht habe. Zudem habe er auch andere Leute bei sich gehabt, jedes Mal sei er mit vier anderen Männern bei ihr gewesen. Bei diesen Leuten habe es sich um Gangster gehandelt. Geschlagen hätte er sie jedoch nur einmal. Das hätte sie auch der Polizei erzählt. Bei dieser sei sie nur einmal gewesen, und zwar nachdem sie bemerkt habe, dass ihr Freund ihr Geld gestohlen hätte. Nachgefragt meinte die Beschwerdeführerin, wenn sie genau zurückdenke, habe er sie noch nicht bedroht gehabt, als sie bei der Polizei gewesen sei. Deshalb sei es ihr auch nicht möglich gewesen, eine entsprechende Anzeige zu erstatten. Da ihr bewusst gewesen wäre, dass ihr Freund Polizist sei, habe sie Angst gehabt, dass diese zusammenarbeiten würden und habe ihn deshalb nicht nochmals angezeigt. Beim ersten Mal sei sie wütend gewesen und habe nicht daran gedacht. Es habe keinen konkreten fluchtauslösenden Grund gegeben, sie habe nur weggewollt. Den Entschluss habe sie im Mai 2015 gefasst, indem sie ihr Geschäft weitergegeben und die Kosten für die Ausreise beschafft habe. Bis zuletzt habe sie bei ihren Eltern gewohnt.

Vorgehalten, dass sie bei ihrer Erstbefragung erklärt habe, sie hätte versucht, an einem anderen Ort zu leben, erwiderte die Beschwerdeführerin: "Ja, aber vor der Ausreise habe ich bei meinen Eltern gewohnt." Versteckt hätte sie sich ca. einen halben Monat lang in der Provinzhauptstadt bei einer Freundin, jedoch sei sie dort von ihrem Freund mithilfe der Mafia gefunden worden. Wie genau er dies bewerkstelligt hätte, wisse sie nicht, es sei aber Mitte bis Ende April 2015 - nach der ersten Bedrohung - gewesen.

Im Falle einer Rückkehr habe sie Furcht, dass ihr Freund weiterhin Probleme mache. Er würde sie weiterhin um Geld fragen und wieder schlagen. Solange sie sich dort aufhalte, würden auch ihre Eltern Angst bekommen und in Gefahr sein. Ihr Freund habe ihren Eltern gesagt, sie sollen die Beschwerdeführerin überreden, ihm Geld zu geben, ansonsten würde er sie jeden Tag aufsuchen.

In Österreich arbeite die Beschwerdeführerin als Sexarbeiterin in einem Laufhaus in einem anderen Bundesland und lebe alleine in Wien.

Mit dem gegenständlichen, im Spruch angeführten, Bescheid wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Volksrepublik China abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 57 Asylgesetz nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 Asylgesetz i.V.m. § 9 BFA-Verfahrensgesetz wurde gegen die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführerin gemäß § 46 FPG die Volksrepublik China zulässig sei (Spruchpunkt III.). Unter Spruchpunkt IV. wurde festgelegt, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.

Begründet wurde dies im Wesentlichen damit, es habe nicht festgestellt werden können, dass die Beschwerdeführerin in der Volksrepublik China einer individuellen asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt gewesen sei bzw. eine solche zukünftig zu befürchten hätte. Bezüglich ihrer Fluchtgründe habe sie unglaubwürdiger Weise behauptet, vor ihrem spielsüchtigen Freund geflohen zu sein, der Geld von ihr erpressen hätte wollen. Die Beschwerdeführerin habe dem Bundesamt ein völlig unkonkretes und abstraktes bzw. widersprüchliches Vorbringen rund um ihre Fluchtgründe präsentiert.

Dagegen wurde in vollem Umfang Beschwerde erhoben.

Am 18.02.2019 hielt das Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung ab, zu der das Bundesamt als Verfahrenspartei entschuldigt nicht erschien.

Dabei brachte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen wie bisher vor, in der Stadt XXXX in der Provinz XXXX gelebt zu haben. In ihrem Heimatort würden sich noch ihre Eltern befinden, eine Tante väterlicherseits wohne in einer anderen Provinz. Die Beschwerdeführerin habe elf Jahre lang die Schule besucht und nach dem Schulabschluss in einem Bekleidungsgeschäft als Verkäuferin gearbeitet, bis sie ihr eigenes Geschäft eröffnet habe. Finanziert habe sie dieses zum Teil aus eigenen Ersparnissen und zum Teil durch Unterstützung ihrer Eltern.

Ihren Freund habe sie ihrem Bekleidungsgeschäft kennengelernt, als er seine Mutter begleitet habe. Er sei in ihrer Heimatstadt Polizist gewesen. Anfang 2014 hätte sie bemerkt, dass er Geld von ihrer Bankomatkarte abgehoben habe. Seitdem sie sich kennengelernt hatten, habe sie ihm vertraut und er habe manchmal für sie Waren eingekauft, weshalb er auch ihre Karte bei sich gehabt hätte. Vorgehalten, dass die Beschwerdeführerin vor dem Bundesamt angegeben hätte, ihren Freund im Oktober 2014 kennengelernt zu haben, erwiderte sie, Oktober 2013 müsste richtig sein. Deswegen hätte sie Anfang 2014 bemerkt, dass er Geld von ihrer Karte genommen habe, um in Macau zu spielen. Letzteres wisse sie deswegen, weil es in XXXX für Beamte üblich sei, dass sie eine Reisekarte nach Macau hätten. Nachgefragt, ob das bedeute, dass jedermann in Macau das Glücksspiel ausübe, erwiderte die Beschwerdeführerin, reiche Beamte würden dort hingehen, weil es nicht weit von XXXX entfernt sei. Nachgefragt, ob ihr Freund reich gewesen wäre, erklärte die Beschwerdeführerin, er habe von seinem Einkommen gelebt. Seine Eltern wären nicht reich, aber er habe eine Wohnung und ein Auto. Aus seinem Freundeskreis würden alle nach Macau spielen gehen. Weiters befragt, wie oft er Geld von der Beschwerdeführerin gebliehen habe, erklärte diese, er habe 120 000 RMB von ihrer Karte genommen. Nachdem sie dies bemerkt hätte, habe sie sich von ihm trennen wollen und die Karte zurückgenommen. Daraufhin hätte er sich sehr geändert und sie bedroht. Sie habe bei der Polizei Anzeige erstattet, aber er sei selbst Polizist und dort habe man ihr erklärt, dass es sich um eine Privatangelegenheit handle, weswegen die Polizei die Anzeige nicht angenommen habe. Ungefähr 2 bis 3 Tage später sei ihr Freund in ihr Geschäft gekommen und hätte ihr mitgeteilt, dass alle bei der Polizeibehörde seine Freunde wären. Er habe ihr Geschäft ruiniert und die Kleidung aus dem Schrank geworfen. Es seien noch vier weitere Personen dabei gewesen, die Holzstangen mit sich geführt hätten. Zum Abschluss habe er der Beschwerdeführerin gesagt, die Trennung wäre nicht so leicht, sie müsse ihm mindestens 100 000 RMB geben. Nachgefragt, warum sie beim Bundesamt nicht angegeben habe, dass ihr Freund in ihrem Geschäft Bekleidung auf dem Boden geworfen habe, erklärte die Beschwerdeführerin, dort nicht danach gefragt worden zu sein. Sie hätte von drei Bedrohungen gesprochen, aber niemand habe sie nach der Art dieser Bedrohungen gefragt. Vorgehalten, sie habe auch nicht erwähnt, dass ihr Freund von ihr 100 000 RMB verlangt hätte, erklärte sie nochmals, dass sie niemand danach gefragt habe.

Die Bedrohungen durch ihren Freund wären Anfang April 2014 gewesen. Vorgehalten, sie hätte vor dem Bundesamt erklärt, dass es im April 2015 gewesen sei, meinte die Beschwerdeführerin, das sei nicht möglich. Ihr Freund hätte sie im Jahr 2014 dreimal bedroht. Das erste Mal im April, das zweite Mal Mitte des Jahres und das dritte Mal Ende des Jahres. Nach dem dritten Mal habe sie 15 Tage bei ihrer Freundin verbracht, das könnte Anfang 2015 gewesen sein. Nach der zweiten Drohung habe sie ihr Geschäft geschlossen. Bei dieser sei er ziemlich aggressiv gewesen, habe die Beschwerdeführerin an den Haaren gezogen und mit einer Holzstange geschlagen. Danach sei sie für 15 Tage zu ihrer Freundin gegangen. In ihrer Abwesenheit wäre er bei ihren Eltern gewesen und hätte diese nach dem Aufenthaltsort der Beschwerdeführerin gefragt, der ihm jedoch nicht mitgeteilt worden sei. Er habe sie jedoch bei ihrer Freundin gefunden, das sei Anfang Mai 2015 bzw. im Jänner 2015 gewesen. Er kenne viele Leute. Mit vier Leuten sei er zu ihrer Freundin gekommen. Sie hätten geläutet, die Freundin habe geöffnet. Die Beschwerdeführerin sei zu ihm gegangen und habe ihm mitgeteilt, dass sie hinausgehen und darüber sprechen wolle.

In weiterer Folge erklärte die Beschwerdeführerin, alles durcheinander gesagt zu haben. Sie hätte ihren Freund im Oktober 2014 kennengelernt. Im Fall einer Rückkehr habe sie Angst, dass er sie überall finden würde. Alle drei Bedrohungen hätten im April 2015 stattgefunden, alle anderen Angaben wären falsch.

Die Beschwerdeführerin spreche ein bisschen Deutsch, Kurse habe sie keine besucht, jedoch im Internet Deutsch gelernt. In anderen Kursen sei sie auch nicht gewesen. Sie habe hier einen Österreicher als Partner, den sie schon mehr als zwei Jahren kenne. Er wohne in XXXX , die genaue Adresse wolle sie nicht nennen. Am Wochenende würden sie sich treffen, in einem Hotel in Wien oder Linz. Einige Male seien sie gemeinsam auf Urlaub gewesen. Geld bekomme von ihm nicht, sie seien "halt Partner". Zu den Feiertagen erhalte sie von ihm Geschenke. Davor habe sie bereits einen Freund gehabt, von dem sie sich getrennt hätte, sie seien 7 bis 8 Monate zusammen gewesen. Die Beschwerdeführerin habe von ihm gelebt, er sei Chinese und habe Österreich verlassen. Er habe nicht gewollt, dass die Beschwerdeführerin in diesem Geschäft (Sexarbeit) arbeite und behauptet, sie heiraten zu wollen, jedoch in Wirklichkeit eine Familie gehabt. Weil er hier ein Lokal besessen habe, habe sie nicht Deutsch gelernt. Ihr Einkommen als Sexarbeiterin sei unterschiedlich, wenn das Geschäft gut gehe, verdiene sie € 2000,-, ansonsten € 1000,- monatlich. Ehrenamtliche Tätigkeiten habe sie keine verrichtet und sehr wenig Kontakt zu anderen Leuten.

Der Beschwerdeführerin wurden die in das Verfahren eingeführten Länderfeststellungen übergeben und ihr eine Frist von zwei Wochen zur Abgabe einer Stellungnahme gewährt. Die Rechtsvertretung erklärte, auf die Abgabe einer Stellungnahme zu verzichten und verwies auf die eingebrachte Beschwerde und die dort gestellten Anträge.

Mit Schreiben vom 20.2.2019 wurden dem Bundesverwaltungsgericht die Daten des österreichischen Freundes der Beschwerdeführerin mitgeteilt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige der Volksrepublik China, gehört der Volksgruppe der Han an und ist ohne Bekenntnis. Sie stammt aus der Stadt XXXX in der Provinz XXXX , reiste illegal ins Bundesgebiet ein und stellte am 27.5.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Die Beschwerdeführerin besuchte in XXXX elf Jahre lang die Schule, wovon sie in den letzten drei Jahren Modedesign lernte. In der Heimat war sie zunächst als Verkäuferin in der Textilbranche tätig und führte zuletzt (von 2013 bis 2015) ein eigenes Damenbekleidungsgeschäft.

Festgestellt wird, dass die Beschwerdeführerin gesund und arbeitsfähig ist.

In ihrer Heimatstadt leben noch die Eltern der Beschwerdeführerin, die eine Rente beziehen. Die Beschwerdeführerin hat von Geburt an bis zur Ausreise bei ihnen gewohnt; sie selbst ist ledig und kinderlos. Eine Tante väterlicherseits lebt in der Provinz XXXX .

Die Beschwerdeführerin leidet an keiner schweren Krankheit bzw. an keiner Krankheit mit längerem Rehabilitationsbedarf.

Nicht festgestellt werden kann, dass die Beschwerdeführerin bei einer Rückkehr in die Heimat ernsthaft von Misshandlungen durch ihren in der VR China lebenden Freund bedroht wäre. Auch sonst liegen keinerlei Hinweise auf eine mögliche Verfolgung der Beschwerdeführerin in der Volksrepublik China vor bzw. wurden keine weiteren Bedrohungen behauptet.

Die Beschwerdeführerin verfügt über keine nennenswerten Deutschkenntnisse, besuchte im Bundesgebiet keinerlei Kurse oder Ausbildungen, war nicht ehrenamtlich tätig und hat nach eigenen Angaben kaum Kontakte zu in Österreich lebendenden Personen. Seit Juni 2015 arbeitet sie legal als Sexarbeiterin. Sie hat einen österreichischen Freund in einem anderen Bundesland, mit dem sie sich an Wochenenden trifft bzw. auf Urlaub fährt; finanzielles Abhängigkeitsverhältnis besteht keines.

Feststellungen zur Situation in der Volksrepublik China:

Sicherheitslage

Proteste auf lokaler Ebene haben in ganz China stark zugenommen. Sie richten sich vor allem gegen steigende Arbeitslosigkeit und Vorenthaltung von Löhnen, hauptsächlich von Wanderarbeitern. Bei den bäuerlichen Protesten auf dem Land geht es meistens um die (entschädigungslose oder unzureichend entschädigte) Enteignung von Land und fehlende Rechtsmittel. Auch stellen die chemische Verseuchung der Felder durch Industriebetriebe oder Umweltkatastrophen Gründe für Proteste dar. Nachdem die Anzahl sogenannter. "Massenzwischenfälle" über Jahre hinweg rasch zunahm, werden hierzu seit 2008 (mehr als 200.000 Proteste) keine Statistiken mehr veröffentlicht. Zwei Aktivisten, die seit 2013 durch eigene, über Twitter veröffentlichte Statistiken diese Lücke zu schließen versuchten, wurden im Juni 2016 verhaftet. Die lokalen Behörden verfolgen in Reaktion zumeist eine Mischstrategie aus engmaschiger Kontrolle, die ein Übergreifen nach außen verhindern soll, gepaart mit einem zumindest partiellen Eingehen auf die Anliegen (USDOS 3.3.2017; vgl. AA 15.12.2016)

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (15.12.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Volksrepublik China

-

USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Reports on Human Rights Practices 2016 - China (includes Tibet, Hong Kong, and Macau), http://www.ecoi.net/local_link/337277/480051_de.html, Zugriff 31.8.2017

Rechtsschutz/Justizwesen

Die Führung unternimmt Anstrengungen, das Rechtssystem auszubauen. Dem steht jedoch der Anspruch der Kommunistischen Partei (KP) auf ungeteilte Macht gegenüber. Gewaltenteilung und Mehrparteiendemokratie werden ausdrücklich abgelehnt. Von der Verwirklichung rechtsstaatlicher Normen und einem Verfassungsstaat ist China noch weit entfernt. Im Alltag sind viele Chinesen weiterhin mit Willkür und Rechtlosigkeit konfrontiert (AA 4.2017a). Eine unabhängige Strafjustiz existiert in China folglich nicht. Strafrichter und Staatsanwälte unterliegen der politischen Kontrolle von staatlichen Stellen und Parteigremien (AA 15.12.2016). Die Kontrolle der Gerichte durch politische Institutionen ist ein verfassungsrechtlich verankertes Prinzip (ÖB 11.2016). Die KP dominiert das Rechtssystem auf allen Ebenen und erlaubt Parteifunktionären, Urteile und Verurteilungen zu beeinflussen. Die Aufsicht der KP zeigt sich besonders in politisch heiklen Fällen durch die Anwendung sog. "Leitlinien". Während Bürger in nicht-politischen Fällen ein gewisses Maß an fairer Entscheidung erwarten können, unterliegen diejenigen, die politisch sensible Fragen oder die Interessen mächtiger Gruppen berühren, diesen "Leitlinien" der politisch-juristischen Ausschüsse (FH 1.2017a). Seit dem vierten Jahresplenum des 18. Zentralkomitees 2014 betont die Führung die Rolle des Rechts und ergriff Maßnahmen zur Verbesserung der Qualität gerichtlicher Verfahren und zum Aufbau eines "sozialistisches Rechtssystem chinesischer Prägung" unter dem Motto "yi fa zhi guo", wörtlich "den Gesetzen entsprechend das Land regieren". Echte Rechtsstaatlichkeit im Sinne der Achtung des Legalitätsprinzips in der Verwaltung und der Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit wird dabei aber dezidiert abgelehnt. Das in den Beschlüssen reflektierte Verständnis von Recht soll die Macht des Staates, dh. der Partei, keinesfalls einschränken, sondern vielmehr stärken (ÖB 11.2016).

Die wichtigste Einrichtung der KP zur Kontrolle des Rechtssystems ist die Kommission des Zentralkomitees für Politik und Recht (ZKPR). Das ZKPR ist in unterschiedlichen Unter-Formaten auf jeder gerichtlichen Ebene verankert, wobei die jeweiligen Ebenen der übergeordneten Ebene verantwortlich sind. Die Macht des Komitees, das auf allen Ebenen auf Verfahren Einfluss nimmt, wurde auch seit den Beschlüssen des Vierten Plenums der KP im Oktober 2014 bewusst nicht angetastet (ÖB 11.2016).

Die Richter-Ernennung erfolgt auf Provinzebene durch Rechtskomitees, welchen hochrangige Partei-Funktionäre angehören und welche von einem KP-Inspektorat überwacht werden. Richter sind verpflichtet, über Einflussnahmen seitens lokaler Politiker auf Verfahren Bericht zu erstatten. Es ist für Richter schwierig, zwischen "Unabhängigkeit" von lokalen politischen Einflüssen, und Loyalität zur KP-Linie (welche regelmäßig miteinander und mit einflussreichen Wirtschafts- und Privatinteressen verbunden sind) zu navigieren. Trotz laufender Reformbemühungen gibt es - vor allem auf unterer Gerichtsebene - noch immer einen Mangel an gut ausgebildeten Richtern (ÖB 11.2016).

Ein umfassender Regelungsrahmen unterhalb der gesetzlichen Ebene soll "Fehlverhalten" von Justizbeamten und Staatsanwälten in juristischen Prozessen unterbinden. Das Oberste Volksgericht (OVG) unter seinem als besonders "linientreu" geltenden Präsidenten und die Oberste Staatsanwaltschaft haben in ihren Berichten an den Nationalen Volkskongress im März 2014 in erster Linie gefordert, "Falschurteile" der Gerichte zu verhindern, die Richterschaft an das Verfassungsverbot von Folter und anderen Zwangsmaßnahmen bei Vernehmungen zu erinnern und darauf hinzuweisen, dass Verurteilungen sich nicht allein auf Geständnisse stützen dürfen. Die Regierung widmet sowohl der juristischen Ausbildung als auch der institutionellen Stärkung von Gerichten und Staatsanwaltschaften seit mehreren Jahren große Aufmerksamkeit (AA 15.12.2016).

Das umstrittene System der "Umerziehung durch Arbeit" ("laojiao") wurde aufgrund entsprechender Beschlüsse des 3. Plenums des ZK im November 2013 offiziell am 28.12.2013 abgeschafft. Es liegen Erkenntnisse vor, wonach diese Haftanstalten lediglich umbenannt wurden, etwa in Lager für Drogenrehabilitation, rechtliche Erziehungszentren oder diese als schwarze Gefängnisse weiter genutzt werden (AA 15.12.2016).

Mit der letzten großen Novellierung 2013 sieht die Strafprozessordnung genaue Regeln für Festnahmen vor, führt den "Schutz der Menschenrechte" an und verbietet Folter und Bedrohung bzw. Anwendung anderer illegaler Methoden zur Beweisermittlung. Es besteht jedoch eine teilweise erhebliche Divergenz zwischen den Rechtsvorschriften und deren Umsetzung, und werden diese zum Zwecke der Unterdrückung von politisch unliebsamen Personen instrumentalisiert. Laut Strafprozessordnung müssen auch im Falle einer Festnahme wegen Terrorismus, der Gefährdung der Staatssicherheit oder der schwerwiegenden Korruption die Angehörigen von in Untersuchungshaft sitzenden Personen innerhalb von 24 Stunden über die Festnahme informiert werden, nicht jedoch über den Grund der Festnahme oder über den Aufenthaltsort. Zudem besteht diese Informationspflicht nicht, wenn durch diese Information die Ermittlungen behindert würden - in diesen Fällen müssen Angehörige erst nach 37 Tagen informiert werden. Was eine "Behinderung der Ermittlung" bedeutet, liegt im Ermessen der Polizei, es gibt kein Rechtsmittel dagegen. Da Verdächtige sich formell in Untersuchungshaft befindet, muss der Ort der Festhaltung laut Gesetz auch in diesen Fällen eine offizielle Einrichtung sein. Der Aufenthaltsort kann auch außerhalb offizieller Einrichtungen liegen. Diese Möglichkeit wurde mit der Strafprozessnovelle 2012 eingeführt und von Rechtsexperten wie dem Rapporteur der UN-Working Group on Enforced or Involuntary Disappearances wegen des inhärenten Folterrisikos als völkerrechtswidrig kritisiert (ÖB 11.2016; vgl. AI 22.2.2017).

Willkürliche Verhaftungen oder Hausarrest ("soft detention") ohne gerichtliche Verfahren kommen häufig vor. Die Staatsorgane griffen verstärkt auf den "Hausarrest an einem festgelegten Ort" zurück - eine Form der geheimen Inhaftierung ohne Kontakt zur Außenwelt, die es der Polizei erlaubt, eine Person für die Dauer von bis zu sechs Monaten außerhalb des formellen Systems, das die Inhaftierung von Personen regelt, und ohne Zugang zu einem Rechtsbeistand der eigenen Wahl, zu Familienangehörigen oder anderen Personen der Außenwelt festzuhalten. Dadurch wurden diese Personen der Gefahr ausgesetzt, gefoltert oder anderweitig misshandelt zu werden. Diese Inhaftierungspraxis dient dazu, die Tätigkeit von Menschenrechtsverteidigern - einschließlich der von Rechtsanwälten, politisch engagierten Bürgern und Angehörigen von Religionsgemeinschaften - zu unterbinden (ÖB 11.2016; vgl. AA 15.12.2016, AI 22.2.2017).

Im Zusammenhang mit verwaltungsstrafrechtlich bewehrten rechtswidrigen Handlungen kann die Polizei zudem "Verwaltungsstrafen" verhängen. Diese Strafen reichen von Ermahnungen über Geldbußen bis hin zu einer "Verwaltungshaft" (ohne richterliche Entscheidung) von bis zu 15 Tagen. Der Aufenthalt in den offiziell nicht existenten "black jails" kann zwischen wenigen Tagen und in einigen Fällen langjährigen Haftaufenthalten variieren (AA 15.12.2016).

Das 2013 in Kraft getretene revidierte Strafverfahrensgesetz verbessert v.a. die Stellung des Verdächtigen/Angeklagten und der Verteidigung im Strafprozess; die Umsetzung steht aber in der Praxis in weiten Teilen noch aus. Auch der Zeugenschutz wird gestärkt. Chinesische Experten gehen davon aus, dass die Durchsetzung dieser Regeln viele Jahre erfordern wird (AA 15.12.2016). Der Schutz jugendlicher Straftäter wurde erhöht (ÖB 11.2014).

2014 wurden schrittweise weitere Reformen eingeleitet, darunter die Anordnung an Richter, Entscheidungen über ein öffentliches Onlineportal zugänglich zu machen sowie ein Pilotprojekt in sechs Provinzen um die Aufsicht über Bestellungen und Gehälter auf eine höhere bürokratische Ebene zu verlagern. Beim vierten Parteiplenum im Oktober 2014 standen Rechtsreformen im Mittelpunkt. Die Betonung der Vorherrschaft der Partei über das Rechtssystem und die Ablehnung von Aktionen, die die Unabhängigkeit der Justiz erhöhen würden, wurde jedoch beibehalten. Dies führte zu Skepsis hinsichtlich der tatsächlichen Bedeutung der Reform (FH 1.2015a).

Das chinesische Strafgesetz hat die früher festgeschriebenen "konterrevolutionären Straftaten" abgeschafft und im Wesentlichen durch Tatbestände der "Straftaten, welche die Sicherheit des Staates gefährden" (Art. 102-114 chin. StG) ersetzt. Danach können vor allem Personen bestraft werden, die einen politischen Umsturz/Separatismus anstreben oder das Ansehen der VR China beeinträchtigen. Gerade dieser Teil des Strafgesetzes fällt durch eine Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe auf (AA 15.12.2016). Die Regierung hat weitere Gesetze zur nationalen Sicherheit ausgearbeitet und verabschieden lassen, die eine ernste Gefahr für den Schutz der Menschenrechte darstellen. Das massive landesweite Vorgehen gegen Menschenrechtsanwälte und politisch engagierte Bürger hielt das ganze Jahr über an (AI 22.2.2017). Prozesse, bei denen die Anklage auf Terrorismus oder "Verrat von Staatsgeheimnissen" lautet, werden unter Ausschluss der Öffentlichkeit geführt. Was ein Staatsgeheimnis ist, kann nach chinesischer Gesetzeslage auch rückwirkend festgelegt werden. Angeklagte werden in diesen Prozessen weiterhin in erheblichem Umfang bei der Wahrnehmung ihrer Rechte beschränkt. U.a. wird dem Beschuldigten meist nicht erlaubt, Verteidiger seiner Wahl zu beauftragen; nur in seltenen Ausnahmefällen wird vom Gericht überhaupt eine Verteidigung bestellt (AA 15.12.2016).

Auch 2016 setzten sich die Übergriffe der Behörden auf Menschenrechtsanwälte das ganze Jahr hindurch mit Verhaftungen und strafrechtlichen Verfolgungen fort (FH 1.2017a). Rechtsanwälte, die in kontroversen Fällen tätig wurden, mussten mit Drangsalierungen und Drohungen seitens der Behörden rechnen, und in einigen Fällen wurde ihnen die weitere berufliche Tätigkeit verboten. Dies hatte zur Konsequenz, dass der Zugang der Bürger zu einem gerechten Gerichtsverfahren sehr stark eingeschränkt war. Mangelhafte nationale Gesetze und systemische Probleme im Strafrechtssystem hatten weitverbreitete Folter und anderweitige Misshandlungen sowie unfaire Gerichtsverfahren zur Folge (AI 22.2.2017).

Seit der offiziellen Abschaffung der administrativen "Umerziehung durch Arbeit" im Jänner 2014 werden Menschenrechtsaktivisten vermehrt auf Basis der Strafrechtstatbestände der Unruhestiftung oder des Separatismus verurteilt und somit in Strafhaft gesperrt, wobei aufgrund der vagen Tatbestände ein strafrechtsrelevanter Sachverhalt relativ leicht kreiert werden kann (ÖB 11.2016). Häufig wurden Anklagen wegen "Untergrabung der staatlichen Ordnung", "Untergrabung der Staatsmacht", "Anstiftung zum Separatismus" "Anstiftung zu Subversion" oder "Weitergabe von Staatsgeheimnissen", sowie "Weitergabe nachrichtendienstlicher Informationen an das Ausland" erhoben und langjährige Gefängnisstrafen verhängt (ÖB 11.2016; vgl. AI 22.2.2017).

Wegen der mangelnden Unabhängigkeit der Justiz wählen viele Betroffene von Behördenwillkür den Weg der Petition bei einer übergeordneten Behörde (z.B. Provinz- oder Zentralregierung). Petitionen von Bürgern gegen Rechtsbrüche lokaler Kader in den Provinzen nehmen zu. Allein in Peking versammeln sich täglich Hunderte von Petenten vor den Toren des staatlichen Petitionsamts, um ihre Beschwerde vorzutragen. Chinesischen Zeitungsberichten zufolge werden pro Jahr landesweit ca. 10 Mio. Eingaben eingereicht. Petenten aus den verschiedenen Provinzen werden häufig von Schlägertrupps im Auftrag der Provinzregierungen aufgespürt und in ihre Heimatregionen zurückgebracht. Zwischen Februar und April 2014 wurden verschiedene Reformen des Petitionssystems verabschiedet, die eine schnellere Bearbeitung und Umstellung auf mehr Online-Plattformen beinhaltet. Das4. Plenum des Zentralkomitees der KP hat im Oktober 2014 weitere Schritte zur Regelung des Petitionswesens getroffen, deren Umsetzung aber noch aussteht. Diese Reformen werden von Beobachtern dafür kritisiert, dass sie die Effektivität der Bearbeitung der Petitionen kaum steigern, sondern vor allem dazu dienen, Petitionäre von den Straßen Pekings fernzuhalten (AA 15.12.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (4.2017a): China - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/China/Innenpolitik_node.html#doc334570bodyText5, Zugriff 2.8.2017

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AA - Auswärtiges Amt (15.12.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Volksrepublik China

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AI - Amnesty International (22.2.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - China, http://www.ecoi.net/local_link/336465/479116_de.html, Zugriff am 18.8.2017

-

FH - Freedom House (1.2017a): Freedom in the World 2017 - China, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2017/china, Zugriff 17.8.2017

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FH - Freedom House (1.2015a): Freedom in the World 2015 - China, http://www.ecoi.net/local_link/295269/430276_de.html, Zugriff 20.8.2015

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ÖB Peking (11.2016): Asylländerbericht Volksrepublik China

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ÖB Peking (11.2014): Asylländerbericht Volksrepublik China

Sicherheitsbehörden

Sicherheitsbehörden sind das Ministerium für Staatssicherheit, das Ministerium für Öffentliche Sicherheit, und die Bewaffnete Volkspolizei (BVP) der Volksbefreiungsarmee. Das Ministerium für Staatssicherheit soll vor Staatsfeinden, Spionen und konterrevolutionären Aktivitäten zur Sabotage oder dem Sturz des chinesischen sozialistischen Systems schützen. In die Zuständigkeit dieses Ministeriums fallen auch der Inlands- und Auslandsgeheimdienst. Die BVP ist in 45 Divisionen unterteilt, bestehend aus Innensicherheitspolizei, Grenzüberwachung, Regierungs- und Botschaftsbewachung, sowie Funk- und Kommunikationsspezialisten. Ein wesentlicher Anteil der in den letzten Jahren vorgenommenen Truppenreduktionen in der Volksbefreiungsarmee war in Wahrheit eine Umschichtung von den Linientruppen zur BVP. Darüber hinaus beschäftigen zahlreiche lokale Kader u.a. entlassene Militärangehörige in paramilitärischen Schlägertrupps. Diese Banden gehen häufig bei Zwangsaussiedlung im Zuge von Immobilienspekulation durchaus auch im Zusammenspiel mit der BVP gegen Zivilisten vor. Das Ministerium für Öffentliche Sicherheit beaufsichtigt alle innerstaatlichen Aktivitäten der zivilen Sicherheitsbehörden (außer derjenigen, die in die Zuständigkeit des Staatssicherheitsministeriums fallen), sowie die BVP. Konkret umfassen seine Aufgaben innere Sicherheit, Wirtschaft und Kommunikationssicherheit, neben der Zuständigkeit für Polizeieinsätze und Gefängnisverwaltung. Die Organisationseinheit auf niedrigster Ebene sind die lokalen Polizeikommissariate, die für den alltäglichen Umgang mit der Bevölkerung verantwortlich sind und die Aufgaben von Polizeistationen erfüllen. Darüber hinaus besteht ein enges Netz an lokalen Partei-Büros welche mittels freiwilliger "Blockwarte" die Bewegungen der Bewohner einzelner Viertel überwachen und mit der Polizei zusammenarbeiten (ÖB 11.2016).

Die Behörde für Staatssicherheit kann seit Mitte April 2017 Beträge zwischen 10.000 und 500.000 Yuan (etwa 68.000 Euro) für nützliche Hinweise an Informanten auszahlen, welche durch ihre Mitarbeit bei der Enttarnung von ausländischen Spionen helfen. Informationen können über eine speziell eingerichtete Hotline, Briefe oder bei einem persönlichen Besuch bei der Behörde gegeben werden. So sich die Hinweise als zweckdienlichen herausstellen, soll der Informant das Geld erhalten (FAZ 11.4.2017).

Zivile Behörden behalten die Kontrolle über Militär- und Sicherheitskräfte bei (USDOS 3.3.2017). Die Zentrale Militärkommission (ZMK) der Partei leitet die Streitkräfte des Landes (AA 15.12.2016). Nach dem Gesetz zur Landesverteidigung von 1997 sind die Streitkräfte nicht dem Staatsrat, sondern der Partei unterstellt (AA 4.2017a).

Für die innere Sicherheit sind zuständig sind (1) Polizei und Staatsanwaltschaften, die Rechtsverstöße des Normalbürgers verfolgen; (2) Disziplinar-Kontrollkommission der KPCh, die gegen Verstöße von KP-Mitgliedern einschreitet; (3) Einheiten des Ministeriums für Verwaltungskontrolle, die für Pflichtverletzungen im Amt zuständig sind; (4) Staatsschutz (Guobao) für die Beobachtung und Verfolgung politischer bzw. als potentiell staatsgefährdend wahrgenommener Aktivitäten von Bürgern und Ausländern (AA 15.12.2016).

Für den Bereich der Gefahrenabwehr ist primär das dem Staatsrat unterstehende Ministerium für Öffentliche Sicherheit mit seinen Polizeikräften verantwortlich, das daneben auch noch für Strafverfolgung zuständig ist und in Teilbereichen mit nachrichtendienstlichen Mitteln arbeitet. Aufgaben der Polizei sind sowohl die Gefahrenabwehr als auch die Strafverfolgung, bei der ihr u. a. die Anordnung von Administrativhaft als Zwangsmaßnahme zur Verfügung steht. Im Bereich der Strafverfolgung ist sie für die Durchführung von strafrechtlichen Ermittlungsverfahren originär zuständig. Bei Delikten, die von Polizisten aufgrund ihrer Amtsstellung begangen werden, ermittelt die Staatsanwaltschaft selbst, während sie sonst primär die Tätigkeit der polizeilichen Ermittlungsorgane beaufsichtigt und auf Grundlage deren Empfehlung über die Erhebung der Anklage entscheidet (AA 15.12.2016).

Das Ministerium für Staatssicherheit (MSS) ist u.a. zuständig für die Auslandsaufklärung sowie für die Überwachung von Auslandschinesen und von Organisationen oder Gruppierungen, welche die Sicherheit der VR China beeinträchtigen könnten. Es überwacht die Opposition im eigenen Land, betreibt aber auch Spionageabwehr und beobachtet hierbei vielfach auch die Kontakte zwischen ausländischen Journalisten und chinesischen Bürgern. Darüber hinaus verfügen auch die Streitkräfte über einen eigenen, sorgfältig durchstrukturierten Nachrichtendienst, die 2. Hauptverwaltung im Generalstab. Zudem sind viele Arbeitseinheiten parallel mit der Beschaffung von Informationen bzw. mit Überwachungsaufgaben von in- und ausländischen Bürgern befasst. Vor allem das Internationale Verbindungsbüro unter der politischen 1. Hauptverwaltung des Generalstabs ist zuständig für Informationen aus dem Ausland, für die Entsendung von Agenten in Auslandseinsätze, meist unter diplomatischer "Tarnung", und für die Überwachung des eigenen diplomatischen Personals. Zahlreiche "Think tanks" sind für die Beschaffung von Auslandsinformationen zuständig (AA 15.12.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (4.2017a): China - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/China/Innenpolitik_node.html%20-%20doc334570bodyText5, Zugriff 9.8.2017

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AA - Auswärtiges Amt (15.12.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Volksrepublik China

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FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung (11.4.2017): Peking belohnt Bürger für Enttarnung ausländischer Spione, http://www.faz.net/aktuell/politik/china-bezahlt-buerger-fuer-enttarnung-auslaendischer-spione-14967307.html, Zugriff 14.9.2017

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ÖB Peking (11.2016): Asylländerbericht Volksrepublik China

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USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - China (includes Tibet, Hong Kong, and Macau), http://www.ecoi.net/local_link/337277/480051_de.html, Zugriff 17.8.2017

Folter und unmenschliche Behandlung

China ratifizierte bereits 1988 die UN-Konvention gegen Folter. Nach Art. 247 und 248 StGB wird Folter zur Erzwingung eines Geständnisses oder zu anderen Zwecken in schweren Fällen mit bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe, in besonders schweren Fällen mit bis zu lebenslänglicher Freiheitsstrafe oder Todesstrafe geahndet (AA 15.12.2016). In den letzten Jahren wurden außerdem einige Verordnungen erlassen, die formell für Tatverdächtige im Ermittlungsverfahren einen besseren Schutz vor Folter bieten sollen. Ein großes Problem bleibt jedoch die mangelnde Umsetzung dieser Rechtsinstrumente, die Sicherheitsbehörden genießen weiterhin auch aufgrund des Mangels an Kontrolle und Transparenz einen großen Handlungsspielraum. Sicherheitskräfte setzen sich routinemäßig über rechtliche Schutzbestimmungen hinweg. Für die Polizei stellt Straflosigkeit im Falle von Brutalität und von verdächtigen Todesfälle in Gewahrsam die Norm dar (ÖB 11.2016; vgl. FH 1.2017a).

Das Problem der Folter ist nach einem im Dezember 2015 veröffentlichten Bericht eines UN-Komitees gegen Folter "systembedingt": Zwar wurden einige Verbesserungen - wie die breitere Nutzung von Überwachungs-Kameras während der Befragung - anerkannt, doch zeigt der Bericht auch auf, inwieweit Folter in das chinesische Strafrechtsystem eingebettet ist (USDOS 3.3.2017). Die chinesische Führung erklärte am 4. Parteiplenum 2014 zum Ziel, die Rechtsstaatlichkeit zu verbessern und Folter, Misshandlungen und Missstände in der Justiz zu verhindern. Gleichzeitig wird radikal gegen unabhängige Rechtsanwälte, Menschenrechtsverteidiger, und Medien vorgegangen, sodass das Ziel einer Verbesserung der Rechtsstaatlichkeit in Frage gestellt wird. Neben politischen Absichtserklärungen und einigen wenigen "Vorzeigefällen", in denen Fehlurteile - etwa nach vollzogener Todesstrafe posthum - revidiert wurden, ist jedoch nicht bekannt, dass strukturelle Maßnahmen getroffen werden, um das Risiko von Folter und Misshandlungen zu vermindern (ÖB 11.2016; vgl. AI 22.2.2017).

Das revidierte Strafverfahrensrecht schließt die Verwendung unter Folter oder anderweitig mit illegalen Mitteln zustande gekommener Geständnisse und Zeugenaussagen (neuer Art. 53) und illegal erlangter Beweismittel (Art. 54) im Strafprozess ausdrücklich aus. Trotzdem soll Folter in der Untersuchungshaft häufiger vorkommen als in regulären Gefängnissen (AA 15.12.2016). Die Anwendung von Folter zur Erzwingung von Geständnissen ist nach wie vor weit verbreitet und wird eingesetzt, um Geständnisse zu erhalten oder politische und religiöse Dissidenten zu zwingen, ihre Überzeugungen zu widerrufen (FH 1.2017a). Soweit die chinesische Regierung und die staatlich gelenkte Presse Folterfälle einräumen, stellen sie diese als vereinzelte Übergriffe "unterer Amtsträger" dar, gegen die man energisch vorgehe (AA 15.12.2016).

In einem seltenen Fall bestätigte ein Berufungsgericht in Harbin, Provinz Heilongjiang, im August 2014 die Schuldsprüche gegen vier Personen wegen Folter. Sie waren zusammen mit drei anderen Personen von einem Gericht der ersten Instanz für schuldig befunden worden, im März 2013 mehrere Straftatverdächtige gefoltert zu haben. Die Täter erhielten Haftstrafen von einem bis zu zweieinhalb Jahren. Nur drei der sieben Personen waren Polizeibeamte; bei den übrigen handelte es sich um "Sonderinformanten" - gewöhnliche Bürger, die der Polizei bei der Aufklärung von Straftaten "behilflich" sein sollen. Eines der Opfer starb in der Haft an den Folgen der Folter (AI 25.2.2015). Im Dezember 2016 entschied ein Gericht, keine Anklage gegen fünf Polizisten zu erheben, welche im Mai 2016 am Tod eines in Gewahrsam befindlichen Verhafteten involviert waren (FH 1.2017a).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (15.12.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Volksrepublik China

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AI - Amnesty International (22.2.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - China, http://www.ecoi.net/local_link/336465/479116_de.html, Zugriff am 24.8.2017

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AI - Amnesty International (25.2.2015): Amnesty International Report 2014/15 - The State of the World's Human Rights - China, http://www.ecoi.net/local_link/297304/434266_de.html, Zugriff 20.8.2015

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FH - Freedom House (1.2017a): Freedom in the World 2017 - China, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2017/china, Zugriff 17.8.2017

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ÖB Peking (11.2016): Asylländerbericht Volksrepublik China

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USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - China (includes Tibet, Hong Kong, and Macau), http://www.ecoi.net/local_link/337277/480051_de.html, Zugriff 24.8.2017

Korruption

Korruption ist auf allen Ebenen weit verbreitet. Die Beamtenschaft der öffentlichen Sicherheit und der städtischen Verwaltung sind an Erpressungen, außergerichtlichen Inhaftierungen, und Übergriffen beteiligt. In vielen Fällen auch in stark von der Regierung regulierten Bereichen wie Landnutzung, Immobilien, Bergbau und Entwicklung der Infrastruktur - die anfällig für Betrug, Bestechung und Schmiergeld sind. Trotz der Bemühungen der Regierung die Korruption zu bekämpfen, bleibt diese bestehen. Die Strafverfolgung ist sehr selektiv und undurchsichtig, sodass persönliche Netzwerke und interne Machtkämpfe innerhalb der Kommunistischen Partei (KP) die Ausgänge der Verfahren beeinflussen (USDOS 3.3.2017; vgl. HRW 12.1.2017).

Seit der Übernahme der Führung der KP im Jahre 2012, verfolgte Xi Jinping eine der umfangreichsten Kampagnen zur Korruptionsbekämpfung. Gegen Parteifunktionäre und Beamte der Partei einschließlich des Sicherheits-Apparates, des Militärs, des Außenministeriums, staatlicher Unternehmen und staatlicher Medien wurden bis Ende 2016 Untersuchungen eingeleitet und Strafen verhängt (FH 1.2017a). Während des gesamten Jahres 2014 setzte der Präsident die mit großem Aufwand betriebene Kampagne zur Korruptionsbekämpfung fort, die sowohl niedere als auch ranghohe Staatsbedienstete ins Visier nahm (AI 22.2.2017).

Im Jahr 2013 langten bei der Zentralen Kommission für Disziplinaruntersuchungen 1,95 Millionen Korruptionsvorwürfe ein,

172.532 Fälle wurden untersucht und 182.038 Disziplinarverfahren verhängt (USDOS 25.6.2015). Diese Zahlen sind im Jahr 2015 auf 2,8 Millionen eingebrachte Korruptionsvorwürfe, 330.000 untersuchte Fälle und 336.000 Disziplinierungsmaßnahmen gestiegen (USDOS 3.3.2017).

Die Regierung ist bestrebt, durch den Abschluss von Rechtshilfe- und Auslieferungsabkommen in Strafsachen die Verfolgung von Tatverdächtigen im Ausland zu erleichtern. Dabei geht es der chinesischen Regierung vor allem darum, ihre Korruptionsbekämpfung im Rahmen der Aktionen "Fuchsjagd" und "Himmelsnetz" auf das Ausland auszuweiten (AA 15.12.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (15.12.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Volksrepublik China

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AI - Amnesty International (22.2.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - China, http://www.ecoi.net/local_link/336465/479116_de.html, Zugriff am 24.8.2017

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FH - Freedom House (1.2017a): Freedom in the World 2017 - China, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2017/china, Zugriff 28.8.2017

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HRW - Human Rights Watch (12.1.2017): World Report 2017 - China, http://www.ecoi.net/local_link/334766/476520_de.html, Zugriff 24.8.2017

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USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - China (includes Tibet, Hong Kong, and Macau), http://www.ecoi.net/local_link/337277/480051_de.html, Zugriff 17.8.2017

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Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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