TE Bvwg Erkenntnis 2019/3/22 W124 1427784-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 22.03.2019
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Entscheidungsdatum

22.03.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §57
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch

W124 1427784-2/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Felseisen als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung mündlicher Verhandlungen am XXXX sowie am XXXX zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß §§ 57, 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005, § 9

BFA-VG sowie §§ 55, 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9 FPG als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1.1. Der Beschwerdeführer (in der Folge: BF) stellte nach unrechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz und gab zu seiner Person an, er sei indischer Staatsangehöriger, gehöre der Volksgruppe der Ror an und bekenne sich zum Hinduismus.

1.2. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom XXXX , Zl. XXXX , wurde dieser Antrag sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.), als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ferner wurde der BF nach Indien ausgewiesen (Spruchpunkt III.). Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom XXXX , Zl. XXXX , wurde die dagegen erhobene Beschwerde hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. als unbegründet abgewiesen. Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides wurde aufgehoben und das Verfahren insoweit gemäß § 75 Abs. 20 AsylG 2005 zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: Bundesamt) zurückverwiesen.

1.3. Am XXXX erfolgte eine niederschriftliche Einvernahme des BF vor dem Bundesamt, im Zuge welcher der BF zu seiner Person angab, er stamme aus dem Dorf XXXX im Bundesstaat Haryana. Dort wohne seine Familie, konkret seine Großmutter, seine Mutter und seine Schwester in einem einfachen Haus. Bis zu seiner Ausreise habe er auch dort gelebt. Insgesamt habe er zehn Jahre die Schule besucht und in der Landwirtschaft seiner Familie gearbeitet. Sein jüngerer Bruder würde noch immer dort arbeiten. Der BF sei ledig und wohne in Österreich alleine in einer Zweizimmerwohnung. Bis September XXXX habe er Werbezettel verteilt. Seit Oktober sei er selbständiger Marktfahrer. Den Gewerbeschein habe er seit Oktober XXXX . Seine Firma sei ruhend gestellt gewesen und seit Oktober XXXX werde wieder gearbeitet. Er bezahle Sozialversicherung, habe aber noch keine E-Card. Wenn nicht so viel als Marktfahrer zu tun sei, verteile er auch Werbezettel.

Abschließend wurden dem BF Auszüge aus dem Länderinformationsblatt zur Stellungnahme binnen zwei Wochen ausgehändigt. Vom BF wurden unter anderem zwei Mahnungen der Wirtschaftskammer XXXX betreffend die vorgeschriebene Grundumlage für die Jahre XXXX bis XXXX vorgelegt.

1.5. Mit Stellungnahme vom XXXX brachte der BF im Wege seines ausgewiesenen Vertreters vor, die in Indien bestehende Reisefreiheit werde nicht nur durch kulturelle und sprachliche Schwierigkeiten relativiert, sondern könnten sich Personen wie der BF auch aufgrund häufiger ethnischer Verfolgungen nicht frei bewegen. Beispielsweise seien radikale Hindu-nationalistische Parteien in verschiedenen Regionen politisch sehr einflussreich und komme es dadurch auch regelmäßig zu Pogrom-artigen Ausschreitungen. Ferner sei die Lebensgrundlage des BF außerhalb seiner Herkunftsregion extrem prekär. Der BF sei zudem unbescholten, wohne in einer ortsüblichen Unterkunft und sei krankenversichert. Er könne sich bereits im Alltag auf Deutsch verständigen, könne jedoch aufgrund mangelnder finanzieller Mittel keine Sprachprüfung ablegen. Zum Herkunftsstaat habe er keinen Kontakt bzw. keine Bindung mehr.

Zu einem nicht näheren bestimmbaren Zeitpunkt wurde ferner ein Versicherungsdatenauszug vom XXXX vorgelegt, welchem zu entnehmen ist, dass der BF von XXXX bis XXXX als gewerblich selbständiger Erwerbstätiger gemeldet war, jedoch sind die Beiträge (BSVG, GSVG, FSVG) nicht bezahlt worden.

2. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom XXXX wurde dem BF kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig sei (Spruchpunkt I.). Die Frist zur freiwilligen Ausreise wurde gemäß § 55 FPG mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt II.).

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung keinen Eingriff in das Recht auf Familienleben darstelle, da der BF eigenen Angaben nach in Österreich über keine familiären Bindungen verfüge. Zu seinem Privatleben wurde festgehalten, dass er keine sozialen Kontakte nennen habe können. Er engagiere sich weder in einem Verein, noch in einer gemeinnützigen Organisation. Er habe weder an Sprachkursen, noch an Integrationskursen oder beruflichen Fortbildungen teilgenommen. Im Übrigen habe ihm bei der Knüpfung von privaten Kontakten bewusst sein müssen, dass sein Aufenthalt nur vorübergehend sei. Berücksichtigt wurde ferner die kurze Aufenthaltsdauer sowie der Umstand, dass er unrechtmäßig in das Bundesgebiet eingereist sei und lediglich über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz verfüge. Zu seiner beruflichen Tätigkeit hielt das Bundesamt fest, dass er eine Mitteilung betreffend seine Gewerbeausübung an die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft vorgelegt habe. Nachweise über seine Einkünfte lägen hingegen nicht vor, sondern lediglich eine Zahlungserinnerung bzw. Mahnung der WK Wien bezüglich ausstehender Beiträge zur Grundumlage. Es könne sohin nicht festgestellt werden, dass er selbsterhaltungsfähig sei. Ferner wurde darauf hingewiesen, dass er im Herkunftsstaat über Familie verfüge und den überwiegenden Teil seines Lebens dort verbracht habe. Insgesamt überwiege das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung die Interessen des BF am Verbleib im Bundesgebiet. Eine Gefährdung im Sinne des § 50 Abs. 1 und Abs. 2 bestehe für den BF nicht und sei auch eine vorläufige Maßnahme im Sinne des § 50 Abs. 3 FPG vom EGMR im konkreten Fall nicht empfohlen worden, weshalb eine Abschiebung nach Indien gemäß § 46 FPG zulässig sei. Zu Spruchpunkt II. wurde ausgeführt, dass besondere Umstände, die der BF bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen habe, nicht festgestellt werden hätten können. Das bedeute, dass er ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung zur freiwilligen Ausreise binnen 14 Tagen verpflichtet sei.

3. Mit Beschwerde vom XXXX wurde dieser Bescheid vollinhaltlich wegen unrichtiger Feststellungen, Willkür und Mangelhaftigkeit des Verfahrens sowie unrichtiger rechtlicher Beurteilung angefochten und nach Darstellung des Sachverhalts begründend vorgebracht, die Ausführungen der belangten Behörde seien nicht überzeugend und würden einer gesetzlichen und judikativen Grundlage entbehren. So befinde sich der BF bereits seit vier Jahren im Bundesgebiet, was mit vielen Integrationsfaktoren verknüpft sei. Negative Faktoren oder gar zwingende Versagungsgründe zur Erteilung eines Aufenthaltstitels würden nicht vorliegen.

Der BF sei selbsterhaltungsfähig, verfüge über gute Deutschkenntnisse sowie über eine aufrechte Sozialversicherung. Die relevanten Bindungen zum Herkunftsstaat habe er verloren. In Indien würde er über keine wirtschaftlichen oder sozialen Anknüpfungspunkte verfügen. Eine Prognose bezüglich des weiteren Aufenthalts müsse bereits aufgrund der langwährenden legalen Arbeitstätigkeit und der beruflichen Erfahrung positiv ausfallen. Ferner lebe er in einer ortsüblichen Unterkunft.

Die Behörde habe überdies keine Schritte unternommen, um geeignete Dokumente zum Nachweis der Selbsterhaltungsfähigkeit des BF zu erhalten. Die Ermittlungspflicht gehe so weit, dass die Behörde verpflichtet gewesen wäre, in geeigneter Weise nachzufragen und weitere Erhebungen zu tätigen, zumal hierfür konkrete Anhaltspunkte vorgelegen seien. Im Übrigen seien die rechtlichen Ausführungen der Behörde abstrakt und würden keinen Bezug zum konkreten Fall aufweisen. Warum im konkreten Fall eine Rückkehrentscheidung geboten sei, habe sohin nicht dargelegt werden können.

4. Am XXXX langte die Beschwerdevorlage beim Bundesverwaltungsgericht ein.

5. Am XXXX erfolgte eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht unter Beiziehung eines geeigneten Dolmetschers für die Sprache Hindi.

Im Zuge der Verhandlung wurde eine Bestätigung der WKO vom XXXX (in Kopie) in Vorlage gebracht.

Die Verhandlung nahm im Wesentlichen folgenden Verlauf:

(...)

Eingangs bestätigte der BF, dass er keine Probleme habe, völlig gesund sei und an der Verhandlung teilnehmen könne.

Nach Eröffnung des Beweisverfahrens wurde der BF auf die Bedeutung der Verhandlung hingewiesen. Nach Belehrung über die Konsequenzen unrichtiger Angaben wurde er auf die Verpflichtung zur Mitwirkung hingewiesen und wurde ihm zur Kenntnis gebracht, dass auch mangelnde Mitwirkung bei der Entscheidungsfindung zu berücksichtigen ist.

(...)

R: Wann sind Sie in Österreich eingereist?

BF: Am XXXX .

R: Sind Sie seitdem durchgehend in Österreich?

BF: Ich bin die ganze Zeit in Österreich.

R: Wo haben Sie denn in Indien gelebt?

BF: Ich habe im Dorf bzw. Postamt XXXX , XXXX , XXXX , Bundestaat Haryana gelebt.

R: Haben Sie Indien direkt von der von Ihnen angegebenen Adresse verlassen?

BF: Ja.

R: Haben sie an der von Ihnen angegebenen Adresse alleine gelebt?

BF: Nein, mit meiner Familie.

R: Sprechen Sie Deutsch?

BF: Nein.

R: Verstehen Sie Deutsch?

BF: Ich kann nicht Deutsch sprechen.

R: Verstehen Sie Deutsch?

BF: Nein.

R: (Frage auf Deutsch) Aus welchen Mitgliedern besteht Ihre Familie?

BF: Keine Antwort

Fragewiederholung auf Hindi

BF: Meiner Mutter, Großmutter väterlicherseits, einen jüngeren Bruder, mein Vater ist schon gestorben und 2 Schwestern.

R: (Frage auf Deutsch) Wie geht es Ihren Familienangehörigen?

BF: (Antwort auf Hindi) Ich verstehe Sie nicht.

Fragewiederholung auf Hindi

BF: Ich habe keinen Kontakt mit denen.

R: (Frage auf Deutsch) Seit wann haben Sie keinen Kontakt mit Ihrer Familie?

Antwort in Richtung Dolmetscher auf Hindi: Was haben Sie gesagt?

Fragewiederholung auf Hindi

BF: Seit ich Indien verlassen habe.

R: (Frage auf Deutsch): Haben Sie außer der von Ihnen angegebene Adresse noch an einer anderen Adresse in Indien gelebt?

BF: keine Antwort

Fragewiederholung auf Hindi

BF: Nein, nur an dieser Adresse.

R: (Frage auf Deutsch): Wie bestreiten Ihre Mutter bzw. ihre Geschwister Ihren Lebensunterhalt in Indien?

Frage in Hindi in Blickrichtung Dolmetscher "Was ist es?"

Fragewiederholung auf Hindi

BF: Wir haben eine eigene Landwirtschaft, die ist ca. 1 1/2 "killa" groß.

R: (Frage auf Deutsch): Wie haben Sie Ihren Lebensunterhalt bestritten?

Wieder Antwort auf Hindi in Blickrichtung Dolmetscher "Was ist es?"

Fragewiederholung auf Hindi

BF: Auch auf der Familienlandwirtschaft.

R: (Frage auf Deutsch): Welche Schulausbildung haben Sie?

Wieder Antwort auf Hindi in Blickrichtung Dolmetscher "nocheinmal"

Fragewiederholung auf Hindi

BF: Ich habe 10 Jahre die Schule besucht und abgeschlossen und nachher in der Familienlandwirtschaft gearbeitet.

R: Haben Sie in Österreich schon einen Deutschkurs besucht?

BF: Nein ich habe keine Zeit gehabt, weil ich so viel zu tun gehabt habe. Aber in nächster Zukunft habe ich vor in einen Deutschkurs zu gehen.

R: Haben Sie außerhalb der von Ihnen angegebenen Adresse in Indien auch noch andere Verwandte?

BF: Nein, ich habe nur 2 Schwestern.

R: Wie bestreiten Sie in Österreich Ihren Lebensunterhalt?

BF: Ich arbeite als Marktfahrer.

R: Seit wann üben Sie diese Tätigkeit aus?

BF: Seit XXXX .

Der BF legt eine Bestätigung der WKO vom XXXX vor, welche als Beilage ./B in Kopie zum Akt genommen wird.

R: Auf Hinweis, dass sich aus dem Ausdruck ergibt, dass die Tätigkeit bzw. das Gewerbe als Marktfahrer ruhend gestellt ist, gibt dieser an, dass die Tätigkeit seit XXXX wieder aktiviert ist.

Dem BF wird eine Frist von einer Woche eingeräumt die entsprechende Bestätigung des auszuübenden Gewerbes vorzulegen.

RI: Warum zahlen Sie Ihre Sozialversicherungsbeiträge nicht?

BF: Ich habe noch keine E-Card bekommen, ich habe nur eine Aufforderung von 473 Euro bekommen, diese zu zahlen.

Dem BF wird eine Frist von einer Woche eingeräumt eine Bestätigung des Sozialversicherungsträgers vorzulegen, wie viel dieser an Sozialversicherungsbeiträgen aushaftet bzw. nicht aushaftet.

R: Seit wann üben Sie jetzt ihre Tätigkeit als Marktfahrer aus?

BF: XXXX habe ich angefangen, 1 Jahr habe ich das nicht ausgeübt, 1 Jahr ist die Gewerbeberechtigung ruhend gestellt gewesen, dann habe ich das Gewerbe durchgehend bis XXXX ausgeübt.

R: Wann haben Sie genau mit ihrer Ausübung als Marktfahrer begonnen?

BF: Im Oktober XXXX habe ich als Marktfahrer angefangen.

R: Bis wann haben Sie dann diese Tätigkeit ausgeführt?

BF: Das ganze Jahr XXXX habe ich diese Tätigkeit ruhend gestellt. Im Jahr XXXX habe ich die letzten 3 Monate gearbeitet.

R: Vorhalt: Das Gewerbe ist aber laut Auszug bis XXXX ruhend gestellt.

BF: Ja, genau.

R: War das das ganze Jahr XXXX ruhend gestellt?

BF: In den letzten 3 Monaten habe ich den Gewerbeschein wieder aktiviert und auch gearbeitet.

Dem BF wird eine Frist von einer Woche eingeräumt, eine Bestätigung, ab wann dieser sein Gewerbe wieder aktiviert hat vorzulegen bzw. den aktuellen Status dieses Gewerbes.

R: Wie haben Sie dann ihren Lebensunterhalt im Jahr XXXX bzw. Jänner bis September XXXX bestritten?

BF: Da habe ich für die XXXX Werbemittel zugestellt.

R: Wie viel haben Sie denn durchschnittlich in ihrer Tätigkeit als Marktfahrer bzw. Werbemittelverteiler verdient?

BF: In der Zeit in der ich für die XXXX Werbemittel verteilt habe, habe ich an den Wochenenden auch Zeitungsständer zugestellt und habe durchschnittlich 600 bis 700 Euro netto verdient.

R: Wie viel haben Sie in dieser Zeit an Sozialversicherung gezahlt?

BF: Da habe ich keine Versicherung bezahlt.

R: Wie viel verdienen Sie, seit Sie seit Oktober XXXX ihre Tätigkeit als Marktfahrer ausüben?

BF: Ca. 800 bis 900 Euro.

R: Wie viel müssten Sie monatlich an Sozialversicherung zahlen?

BF: Für Oktober, November und Dezember XXXX habe ich eine Aufforderung von 473 Euro bekommen, ob dies Steuern oder Sozialversicherung ist, weiß ich nicht.

R: Haben Sie vor XXXX auch eine Erwerbstätigkeit ausgeübt?

BF: Im Jahr XXXX habe ich nur zwei Monate gearbeitet, als ich den Gewerbeschein erhalten habe.

R: Haben Sie vor XXXX auch gearbeitet?

BF: Nein, davor habe ich nichts gearbeitet.

R: Welchen Vertrag haben Sie mit XXXX gehabt?

Dem BF wird eine Frist von einer Woche aufgetragen, den Arbeits- bzw. Werkvertrag mit der Firma XXXX dem BVwG vorzulegen.

R: Für wen haben Sie die Zeitungsständer aufgestellt?

BF: Das habe ich privat gemacht. Für diese Tätigkeit braucht man keinen Vertrag. Das bekommt man in bar.

R: Für wen haben Sie da gearbeitet?

BF: Das war keine dauerhafte Tätigkeit, ich habe diese Tätigkeit für bzw. von verschiedenen Freunden gemacht.

R: Wie heißen denn diese Freunde?

BF: Das sind die Leute die aus den Punjab, Indien und Pakistan kommen.

R: Wie heißen denn diese Leute?

BF: Ich kenne diese nur mit den Kurznamen XXXX

R: Wie hat die Tätigkeit für XXXX konkret ausgeschaut?

BF: Das war eine viertägige Tätigkeit in der Woche von Montag bis Donnerstag, Freitag war ein freier Tag. Ich habe einen Wagen bekommen, manchmal waren darinnen 1.000 Stück, manchmal 2.000 Stück.

R: Was haben Sie da konkret verteilt?

BF: Das war z.B. Werbematerial vom Spar.

R: Musste das in einer bestimmten Zeit ausgetragen werden?

BF: Es war keine bestimmte Tageszeit vorgeschrieben, es war im eigenen Interesse es rasch zu erledigen.

R: Musste es in einen bestimmten Zeitraum erledigt werden?

BF: Jeden Tag musste man das, was man an diesem Tag von der XXXX bekommen hat, auch am gleichen Tag zustellen.

R: Wo haben Sie sich das Material abgeholt?

BF: Im XXXX .

R: War dort ein Stützpunkt?

BF: Ja dort gibt es eine eigene Firma.

R: Von wem? Von der XXXX ?

BF: Die Firma XXXX hat dort eine eigene Niederlassung.

R: Wann mussten Sie sich dieses Material abholen?

BF: In der Früh zwischen 6 und 7 Uhr musste man das holen.

R: Waren Sie für eine bestimmte Route zuständig?

BF: Ja, wir haben eine bestimmte Route.

R: Für welche Route waren Sie zuständig?

BF: Im XXXX .

R: Wie haben Sie das Material zugestellt?

BF: Mit einem Wagerl.

R: Wem hat dieses gehört?

BF: Da bekommt man für eine Kaution von 50 Euro ein Wagerl, die Kaution musste ich an meinem Chef abgeben.

R: Wie hat Ihr Chef geheißen?

BF: Den Namen weiß ich nicht, ich habe nie nach den Namen des Chefs gefragt.

R: Was haben Sie gemacht, wenn Sie krank gewesen sind? Wer hat dann Ihre Arbeit erledigt?

BF: Dann bekommt eine andere Person diese Arbeit.

R: Wer teilt dann diese Person ein?

BF: Das hat der Chef eigenwillig gemacht, wen er wollte.

R: Sind Sie verheiratet?

BF: Nein.

R: Haben Sie Kinder?

BF: Nein.

R: Leben Sie in einer Lebensgemeinschaft?

BF: Nein, ich bin allein.

R: Was zahlen Sie im Monat an Miete?

BF: 175 Euro monatlich.

R: Wohnen Sie in der Wohnung alleine?

BF: Nein, mit 2 anderen gemeinsam.

R: Wer ist der Hauptmieter?

BF: XXXX

R: Haben Sie mit diesem XXXX ein Untermietverhältnis?

BF: Wir zahlen diese Summe den Hauptmieter ohne irgendeinen Vertrag.

R: Können Sie den Hauptmietvertrag vorlegen?

BF: XXXX wohnt mit seiner Familie dort und ich und der andere zahlen jeweils 175 Euro pro Monat.

R: Können Sie die Kopie des Hauptvertrages vorlegen?

BF: Ja, kann ich.

Dem BF wird eine Frist von einer Woche zur Vorlage des Hauptmietvertrages des BVwG eingeräumt.

R: Haben Sie Freunde in Österreich?

BF: Nur die Leute, mit denen ich arbeite.

R: Gehören Ihren Freundeskreis auch Österreicher an?

BF: Nein.

R: Welche Staatsangehörige gehören Ihre Freunde bzw. Freundeskreis an?

BF: Verschiedene z.B. aus Indien, Pakistan.

R: Haben Sie eine Freundin?

BF: Nein.

R: Leiden Sie an einer schweren Krankheit oder waren Sie mal im Krankenhaus?

BF: Nein.

R: Was machen Sie in Ihrer Freizeit?

BF: Ich treffe meine Freunde und wir plaudern miteinander.

R: Sind Sie in einem Verein, Organisation oder Kirche tätig?

BF: Wenn ich einmal ein bisschen Zeit habe, gehe ich in den Tempel.

R: Machen Sie Fortbildungskurse z.B. in der Schule, Universität oder desgleichen?

BF: Zurzeit nicht, ich überlege in nächster Zeit einen Deutschkurs zu machen.

R: Sind Sie vorbestraft?

BF: Einmal bin ich bestraft worden, weil ich in der Hosentasche den Reisepass einer anderen Person bei mir getragen habe.

R: Sind Sie deswegen verurteilt worden?

BF: Ja, ich musste eine Strafe in der Höhe von 340 Euro zahlen, diese habe ich auch bezahlt.

R: Wann war das?

BF: Vor ca. 7 oder 8 Monaten.

R: Haben Sie Verwandte in Österreich?

BF: Nein.

R: Haben Sie außer dem Asylverfahren noch einen anderen Aufenthaltstitel wie Aufenthaltsbewilligung oder desgleichen gehabt?

BF: Nein.

(...)

Zu den Länderfeststellungen wurde vom BF bzw. BFV keine Stellungnahme abgegeben. Abschließend wurde dem BF eine Frist von einer Woche zur Vorlage eines aktuellen Versicherungsdatenauszuges, der Einkommen- und Umsatzsteuerbescheide aus dem Jahr XXXX bzw. XXXX bzw. XXXX oder eine Bestätigung über die Befreiung von der Einkommens- bzw. Umsatzsteuer für diesen Zeitraum vorzulegen.

5. Mit Schreiben vom XXXX legte der BF im Wege seines ausgewiesenen Vertreters folgende Dokumente (in Kopie) vor:

-

Verlustmeldung der Aufenthaltsberechtigungskarte;

-

Beilage zum Werkvertrag zwischen dem BF und der XXXX , woraus hervorgeht, dass der BF mit seiner Unterschrift bestätigte, anlässlich des Abschlusses eines Werkvertrages mit diesem Unternehmen über die Verteilung von Werbemitteln darüber informiert worden zu sein, dass er als Selbständiger gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG verpflichtet ist, das Werkvertragsverhältnis umgehend gegenüber der Sozialversicherungsanstalt für gewerbliche Wirtschaft zu melden;

-

Mitteilung an die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft über die Anmeldung eines Gewerbes lautend auf "Marktfahrer", Beginn XXXX , samt Ersuchen um Einbeziehung in die Pflichtversicherung nach dem GSVG (ohne handschriftliche Unterfertigung);

-

Auszug aus dem Gewerberegister vom XXXX , Zl. XXXX .

6. Mit Ladung zur mündlichen Verhandlung vom XXXX wurde dem BF das Länderinformationsblatt Indien zur Kenntnis gebracht und ihm die Möglichkeit zur Stellungnahme binnen 10 Tagen eingeräumt. Am XXXX erfolgte daraufhin eine weitere mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht.

Die Verhandlung nahm im Wesentlichen folgenden Verlauf:

(...)

Eingangs bestätigte der BF, dass er gesund sei und der Verhandlung folgen können. Daraufhin wurde er auf seine Mitwirkungspflicht sowie die Verpflichtung zur wahrheitsgemäßen Beantwortung der Fragen hingewiesen.

(...)

R: Hat sich hinsichtlich Ihrer persönlichen Verhältnisse seit der letzten Verhandlung vom XXXX etwas verändert?

BF: Nein.

R: Wie bestreiten Sie Ihren Lebensunterhalt?

BF: Ich arbeite als Reklameverteiler.

R: Bei welcher Firma?

BF: Der Name der Firma ist XXXX .

R: Was ist die Firma XXXX ?

BF: Das ist die Firma im XXXX , für die arbeite ich auch.

R: Haben Sie mit der Firma XXXX einen Vertrag?

BF: Den Vertrag habe ich zu Hause vergessen.

Dem BF wird eine Frist von 10 Tagen eingeräumt, diesen dem BVwG vorzulegen.

R: Was verdienen Sie durchschnittlich im Monat mit Ihren Tätigkeiten?

BF: Es hängt von meiner Arbeit ab, wie viel ich arbeite?

R: Wie viel verdienen Sie durchschnittlich?

BF: 2.000 Euro.

R: Seit wann üben Sie diese Tätigkeiten aus?

BF: Seit einem Jahr.

R: Seit wann arbeiten Sie in Österreich?

BF: Seit XXXX .

R: Was haben Sie in den Jahren XXXX , XXXX , XXXX , XXXX und XXXX durchschnittlich verdient?

BF: Zuvor habe ich als Marktfahrer gearbeitet und habe zwischen 700 und 800 Euro verdient.

R: In welchem Zeitraum haben Sie als Marktfahrer gearbeitet?

BF: XXXX - XXXX habe ich als Marktfahrer gearbeitet. In der Zwischenzeit habe ich aufgehört. Ich habe in der Zeit von XXXX - XXXX auch eine Pause gemacht. Wenn die Arbeit gut gelaufen ist, habe ich gearbeitet und wenn kein Umsatz war, habe ich nicht gearbeitet.

R: Haben Sie für die Zeit XXXX - XXXX Einkommensteuer- und Umsatzsteuerbescheide?

BF: Ich habe keine Post bezüglich Einkommensteuer- und Umsatzsteuerbescheide bekommen. Früher habe ich es nicht gewusst. Seit ich bei der Firma XXXX arbeite, weiß ich es.

R: Seit wann arbeiten Sie bei der Firma XXXX ?

BF: Seit Februar oder März XXXX arbeite ich dort.

R: Und bei der Firma XXXX ?

BF: Ich glaube die Firma XXXX hat mit meiner Marktfahrertätigkeit zu tun. Das habe ich aber ruhend gelegt.

R: In Ihrem Vertrag mit der Firma XXXX steht, dass Sie da als Werbemittelverteiler tätig sind?

BF: Was heißt XXXX ? Ich habe nur ein Jahr für die Firma XXXX gearbeitet und habe auch keine Steuern bezahlt.

R: Was haben Sie bei der Firma XXXX durchschnittlich verdient?

BF: 500 - 600 Euro durchschnittlich im Monat.

R: Wie viel haben Sie Sozialversicherung bezahlt?

BF: Alle drei Monate bekomme ich eine Rechnung über 546 Euro.

R: Was zahlen Sie an Miete?

BF: Ich teile diese Wohnung mit anderen und zahle nur 100 Euro.

R: Wie viel Leute wohnen in dieser Wohnung?

BF: Insgesamt vier.

R: Läuft der Hauptvertrag auf Ihren Namen?

BF: Nein, auf den Namen eines Freundes, bei dem ich wohne.

R: Was ist das für eine Wohnung? Privat, Genossenschaft oder Gemeinde?

BF: Dreimal nachgefragt: Es ist eine Eigentumswohnung meines Freundes.

R: Wie heißt Ihr Freund?

BF: Ich habe nicht nach seinem richtigen Namen nachgefragt. Ich kenne nur seinen Spitznamen.

BFV weist darauf hin XXXX .

R: Sind Sie in dieser Wohnung auch gemeldet?

BF: Ja.

R: Wie viel verdienen Sie im Monat?

BF: Ich verdiene zwischen 1.000 und 1.500 Euro im Monat.

R: Seit wann verdienen Sie das?

BF: Seit einem Jahr.

R: Haben Sie für das letzte Jahr schon die Einkommensteuer- und Umsatzsteuerbescheide gemacht?

BF: Die Unterlagen bekomme ich erst nächste Woche von meiner Firma.

R: Haben Sie einen Deutschkurs besucht?

BF: Nein.

R: Reden Sie mit Leuten in Österreich?

BF: Zuvor habe ich bei Indern gearbeitet, jetzt habe ich einen Chef mit dem spreche ich deutsch.

R: Das heißt, wenn Sie mit dem Chef deutsch sprechen können, können Sie mit mir auch deutsch sprechen?

BF: Davor habe ich mich nur mit Indern unterhalten und seit kurzem spreche ich mit meinem Chef.

R: Wie sprechen Sie mit Ihrem Chef?

BF: Wir reden über die Reklamearbeit in Deutsch.

R: Wann beginnen Sie mit Ihrer Arbeit?

BF: Um 6.00 Uhr in der Früh.

R: (auf Deutsch) Wann hören Sie zu arbeiten auf?

BF: Ich verstehe Sie nicht.

R: In welchem Gebiet verteilen Sie die Reklame?

BF: Im XXXX .

R: Wo im XXXX ?

BF: sagt etwas Unverständliches. In Richtung Dolmetscherin gibt er an, diese am XXXX zu verteilen.

R: (auf Deutsch) Wie kommen Sie in die Häuser, wenn die Türe geschlossen ist?

BF: "Türe in Sackerl"

R: Fragewiederholung auf Hindi.

BF: Wir haben eine Firmenkarte, mit der können wir die Türe aufmachen.

R: (auf Deutsch) Können Sie mit dieser Karte alle Türen öffnen?

BF: Bitte übersetzen Sie es, ich werde dann auf Deutsch antworten.

R: Fragenwiederholung auf Hindi.

BF: "Alles Türe."

R: (auf Deutsch) Warum haben Sie bisher keinen Deutschkurs gemacht?

BF: (Hindi) Ich habe ein Problem mit Deutsch, ich kann nicht deutsch sprechen.

R: (Hindi) Wie haben Sie in Indien Ihren Lebensunterhalt bestritten?

BF: Ich war Landwirt.

R: Wie bestreiten Ihre Mutter bzw. Ihre Geschwister ihren Lebensunterhalt dort?

BF: Auch in der Landwirtschaft.

R: Wie geht es Ihrer Mutter und den Geschwistern?

BF: Allen geht es gut.

R: Wann waren Sie zuletzt in Kontakt mit Ihrer Mutter bzw. Ihren Geschwistern?

BF: Ich rufe sie alle zwei bis drei Monate an.

R: Wie viele Geschwister haben Sie?

BF: Einen Bruder und zwei Schwestern.

R: Wohnen die alle an Ihrer Heimatadresse?

BF: Ja, alle wohnen im Heimatdorf.

R: Sind Sie mittlerweile verheiratet?

BF: Nein.

R: Haben Sie eine Freundin im engeren Sinne?

BF: Nein.

R: Haben Sie einen Freund im engeren Sinne?

BF: Nein.

R: Haben Sie Kinder?

BF: Nein.

R an RV: Haben Sie Fragen an den BF?

RV: Nein.

Abschließend wurde dem BF aufgetragen, einen Versicherungsdatenauszug, die Einkommens- und Umsatzsteuerbescheide von XXXX bis dato, einen Grundbuchsauszug der Eigentumswohnung sowie eine Wohnbestätigung innerhalb einer Frist von 10 Tagen dem BVwG vorzulegen. Gleichzeitig wurden dem BFV (erneut) die aktuellen Länderberichte zu Indien (Gesamtaktualisierung 09.01.2017) zu einer Stellungnahme innerhalb von 10 Tagen ausgehändigt.

8. Mit Verfahrensanordnung vom XXXX wurde der BF erneut aufgefordert, einen Versicherungsdatenauszug sowie seine Steuerbescheide vorzulegen. Ferner wurde ihm aufgetragen, binnen drei Wochen folgende Fragen zu beantworten:

-

Befinden sich nunmehr enge Familienangehörige im Bundesgebiet?

-

Wie finanzieren Sie Ihren Lebensunterhalt in Österreich? Haben Sie Arbeit in Österreich bzw. waren Sie jemals in Österreich selbsterhaltungsfähig und nicht von Leistungen des österreichischen Staates abhängig?

-

Haben Sie Ihren Freundeskreis erweitert oder bisher nicht genannte Verwandte in Österreich?

-

Haben Sie eine andere, besondere Bindung an Österreich?

Bis zum Entscheidungszeitpunkt ist keine Stellungnahme eingelangt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1 Zur Person des BF

1.1.1. Zum Verfahren

Der BF, ein indischer Staatsangehöriger, stellte nach unrechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz und befindet sich seither durchgehend in Österreich.

Mit Bescheid vom XXXX wurde der Antrag des Beschwerdeführers sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt I. sowie Spruchpunkt II.). Ferner wurde der BF aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Indien ausgewiesen (Spruchpunkt III.). Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom XXXX hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. als unbegründet abgewiesen. Spruchpunkt III. wurde behoben und zur neuerlichen Entscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen. Mit Bescheid vom XXXX wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen. Ferner wurde festgestellt, dass eine Abschiebung nach Indien zulässig sei und wurde die Frist zur freiwilligen Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Entscheidung festgelegt.

1.1.2. Zur Person des BF und seinen Angehörigen im Herkunftsstaat

Der BF gehört der Volksgruppe der Ror an, bekennt sich zum Hinduismus und stammt aus dem indischen Bundesstaat Haryana. Seine Erstsprache ist Hindi. Im Herkunftsstaat hat er insgesamt 10 Jahre die Schule besucht und in der Landwirtschaft seiner Familie gearbeitet.

In Indien leben nach wie vor die Mutter, die Großmutter, zwei Schwestern sowie der jüngere Bruder des BF. Sein Vater ist bereits verstorben. Mit seiner Familie hat der BF alle zwei bis drei Monate Kontakt. Den Angehörigen des BF geht es gut.

1.1.3. Zur sozialen Integration des BF in Österreich

Der BF hat keine Kinder, ist nicht verheiratet und lebt in Österreich weder in einer Familiengemeinschaft noch in einer familienähnlichen Gemeinschaft. Er lebt zur Untermiete mit Bekannten in einer Wohnung. Während seines Aufenthalts hat er sich einen Freundes- und Bekanntenkreis aufgebaut, verfügt jedoch über keinerlei intensive, soziale Beziehungen im Bundesgebiet. In Österreich hat der BF weder eine Ausbildung absolviert, noch hat er an Sprachkursen oder an anderen Integrationsmaßnahmen teilgenommen. Über nennenswerte Deutschkenntnisse verfügt er nicht. In einem Verein oder einer sonstigen Organisation engagiert er sich ebenso wenig. In seiner Freizeit geht er in den Tempel.

Der BF ist in Österreich strafrechtlich unbescholten. Er erhielt eine einmalige Verwaltungsstrafe in der Höhe von € 340,--, da er einen fremden Reisepass mit sich führte.

1.1.4. Zur beruflichen Integration des BF in Österreich sowie zur Selbsterhaltungsfähigkeit

Der BF ist gesund und arbeitsfähig. Er bezog lediglich kurzfristig im Zeitraum vom XXXX bis XXXX Leistungen aus der Grundversorgung. Mit XXXX meldete er das Gewerbe "Marktfahrer" an. Von XXXX bis XXXX arbeitete er daraufhin als Marktfahrer und war als gewerblich selbständiger Erwerbstätiger auch bei der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft gemeldet. Es kann jedoch nicht festgestellt werden, ob er die Sozialversicherungsbeiträge für diesen Zeitraum tatsächlich geleistet hat, da diese mit Stand vom XXXX ausgehaftet sind. Aus welchen Mitteln er derzeit seinen Lebensunterhalt bestreitet kann nicht festgestellt werden. Der Beschwerdeführer verfügt sohin über kein für die Bestreitung seines Lebensunterhalts ausreichendes, rechtmäßiges Einkommen und ist sohin nicht selbsterhaltungsfähig.

1.2. Zur allgemeinen Situation in Indien

a) Sicherheitslage

Indien ist reich an Spannungen entlang von Ethnien, Religionen, Kasten und auch Lebensperspektiven. Widersprüche, Gegensätze oder Konflikte entladen sich in den gesellschaftlichen Arenen und werden von der Politik aufgegriffen, verarbeitet und teilweise instrumentalisiert (GIZ 11.2016). Blutige Terroranschläge haben in den vergangenen Jahren in Indiens Millionen-Metropolen wiederholt Todesopfer gefordert (Eurasisches Magazin 24.5.2014). Die Spannungen im Nordosten des Landes gehen genauso weiter wie die Auseinandersetzung mit den Naxaliten (GIZ 11.2016). Das staatliche Gewaltmonopol wird gebietsweise von den Aktivitäten der "Naxaliten" in Frage gestellt (AA 16.8.2016).

Terroristische Anschläge in den vergangenen Jahren (Dezember 2010 in Varanasi, Juli 2011

Mumbai, September 2011 New Delhi und Agra, April 2013 in Bangalore, Mai 2014 Chennai und Dezember 2014 Bangalore) und insbesondere die Anschläge in Mumbai im November 2008 haben die Regierung unter Druck gesetzt. Von den Anschlägen der letzten Jahre wurden nur wenige restlos aufgeklärt und die als Reaktion auf diese Vorfälle angekündigten Reformvorhaben zur Verbesserung der indischen Sicherheitsarchitektur wurden nicht konsequent umgesetzt (AA 24.4.2015). Das South Asia Terrorism Portal verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2011 1.073 Todesopfer durch terrorismusrelevante Gewalt, für das Jahr 2012 803, für das Jahr 2013 885, für das Jahr 2014 976 für das Jahr 2015 722 und für das Jahr 2016 835 [Anmerkung: die angeführten Zahlen beinhalten Zivilisten, Sicherheitskräfte und Terroristen] (SATP 9.1.2017).

Konfliktregionen sind Jammu und Kashmir, die nordöstlichen Regionen und der maoistische Gürtel. In Jharkhand und Bihar setzten sich die Angriffe von maoistischen Rebellen auf Sicherheitskräfte und Infrastruktur fort. In Punjab kam es bis zuletzt durch gewaltbereite Regierungsgegner immer wieder zu Ermordungen und Bombenanschlägen. Neben den islamistischen Terroristen tragen die Naxaliten (maoistische Untergrundkämpfer) zur Destabilisierung des Landes bei. Von Chattisgarh aus kämpfen sie in vielen Unionsstaaten (von Bihar im Norden bis Andrah Pradesh im Süden) mit Waffengewalt gegen staatliche Einrichtungen. Im Nordosten des Landes führen zahlreiche Separatistengruppen einen Kampf gegen die Staatsgewalt und fordern entweder Unabhängigkeit oder mehr Autonomie (United Liberation Front Assom, National Liberation Front Tripura, National Socialist Council Nagaland, Manipur People's Liberation Front etc.). Der gegen Minderheiten wie Moslems und Christen gerichtete Hindu-Radikalismus wird selten von offizieller Seite in die Kategorie Terror eingestuft, vielmehr als "communal violence" bezeichnet (ÖB 12.2016).

Gegen militante Gruppierungen, die meist für die Unabhängigkeit bestimmter Regionen eintreten und/oder radikalen Auffassungen anhängen, geht die Regierung mit großer Härte und Konsequenz vor. Sofern solche Gruppen der Gewalt abschwören, sind in der Regel Verhandlungen über ihre Forderungen möglich. Gewaltlose Unabhängigkeitsgruppen können sich politisch frei betätigen (AA 16.8.2016).

Pakistan und Indien

Pakistan erkennt weder den Beitritt Jammu und Kaschmirs zur indischen Union im Jahre 1947 noch die seit dem ersten Krieg im gleichen Jahr bestehende de-facto-Aufteilung der Region auf beide Staaten an. Indien hingegen vertritt den Standpunkt, dass die Zugehörigkeit Jammu und Kaschmirs in seiner Gesamtheit zu Indien nicht zur Disposition steht (AA 9.2016b). Seit 1947 gab es bereits drei Kriege, davon zwei aufgrund des umstrittenen Kaschmirgebiets. Friedensgespräche, die 2004 begannen, wurden trotz Spannungen wegen der Kaschmirregion und sich immer wieder ereignenden schweren Bombenaschlägen bis zu den von Islamisten durchgeführten Anschlägen in Mumbai 2008, fortgesetzt (BBC 27.9.2016).

Indien wirft Pakistan vor, Infiltrationen von Terroristen auf indisches Staatsgebiet zumindest zu dulden, wenn nicht zu befördern. Größere Terroranschläge in Indien in den Jahren 2001 und 2008 und der jüngste terroristische Angriff auf eine Militärbasis im indischen Teil Kaschmirs hatten die Spannungen in den bilateralen Beziehungen erheblich verschärft. Indien reagierte auf den Anschlag, bei dem 18 indische Soldaten ums Leben kamen, mit einer begrenzten Militäroperation ("surgical strike") im pakistanisch kontrollierten Teil Kaschmirs, die sich nach indischen Angaben gegen eine bevorstehende terroristische Infiltration richtete. In der Folge kommt es immer wieder zu Schusswechseln zwischen Truppenteilen Indiens und Pakistans an der Waffenstillstandslinie in Kaschmir. Indien sieht Pakistan in der Verantwortung für die terroristischen Bedrohungen an seiner Nordwestgrenze und erhöht den Druck auf den Nachbarn, um wirksame pakistanische Maßnahmen gegen den Terrorismus zu erreichen (AA 9.2016b). Bei einem Treffen in New York Ende September 2013 vereinbarten die Premierminister Singh und Sharif lediglich, den Waffenstillstand künftig besser einhalten zu wollen (GIZ 11.2016a). Der von 2014-2015 Hoffnung gebende Dialogprozess zwischen beiden Seiten ist über die aktuellen Entwicklungen zum Stillstand gekommen. Noch am Weihnachtstag 2015 hatte Premierminister Modi seinem pakistanischen Amtskollegen einen Überraschungsbesuch abgestattet und damit kurzzeitig Hoffnungen auf eine Entspannung aufkeimen lassen (AA 9.2016b).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (24.4.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Indien

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AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

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AA - Auswärtiges Amt (9.2016b): Indien - Außenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_09493FC61FD08185D486477F8D93E1EE/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Indien/Aussenpolitik_node.html, Zugriff 5.12.2016

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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