TE OGH 2019/2/12 7Bs19/19x

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Veröffentlicht am 12.02.2019
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Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richterinnen Dr. Gföllner als Vorsitzende, Mag. Kuranda und Dr. Ganglberger-Roitinger in der Strafsache gegen B***** O***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Beschwerde des B***** O***** gegen den Beschluss des Landesgerichtes Steyr vom 15. Jänner 2019, 15 Hv 57/18v-138, in nichtöffentlicher Sitzung entschieden:

Spruch

Der Beschwerde wird Folge gegeben, der angefochtene Beschluss aufgehoben und die Sache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Text

begründung:

Mit Urteil des Landesgerichtes Steyr als Schöffengericht vom 20. September 2018 (ON 89) wurde B***** O***** des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB iVm § 12 dritter Fall StGB und des Vergehens der dauernden Sachentziehung nach § 135 Abs 1 StGB schuldig erkannt und hiefür unter Anwendung des § 28 StGB nach dem Strafsatz des § 142 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Gemäß § 38 Abs 1 Z 1 StGB wurde die erlittene Vorhaft vom 18. April 2018, 07.31 Uhr, bis 25. Juni 2018, 08.00 Uhr, und vom 27. Juni 2018, 04.00 Uhr, bis zum 20. September 2018, 16.52 Uhr, auf die verhängte Strafe angerechnet.

Der dagegen erhobenen Berufung der Staatsanwaltschaft Steyr wegen des Ausspruchs über die Strafe wurde mit Urteil des Oberlandesgerichtes Linz vom 20. Dezember 2018 Folge gegeben und die über B***** O***** verhängte Freiheitsstrafe auf zwei Jahre und sechs Monate erhöht. Weiters wurde der Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den unter einem gemäß § 494a Abs 1 Z 2 StPO gefassten Beschluss teilweise Folge gegeben und die im Verfahren 15 Hv 38/13t des Landesgerichtes Steyr gewährte bedingte Strafnachsicht (Freiheitsstrafe von vier Monaten) gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO widerrufen (ON 127).

Mit beim Landesgericht Steyr am 31. Dezember 2018 eingelangtem (undatiertem) Schreiben beantragte B***** O***** Strafaufschub gemäß § 39 SMG und legte seinem Antrag eine Therapieplatzzusicherung der OIKOS Therapie gemGmbH vom 6. Juli 2018 bei (ON 132).

Mit Beschluss vom 15. Jänner 2019 (ON 135), berichtigt mit Beschluss vom 17. Jänner 2019 (ON 145), wurde gemäß § 400 Abs 1 StPO B***** O***** die nach der Fällung des Urteils erster Instanz in Vorhaft zugebrachte Zeit vom 20. September 2018, 16.52 Uhr, bis 19. Oktober 2018, 08.00 Uhr, und vom 18. Dezember 2018, 08.00 Uhr, bis 20. Dezember 2018, 10.30 Uhr, auf die Strafhaft angerechnet.

Am 15. Jänner 2019 ordnete das Erstgericht den Vollzug der über B***** O***** verhängten Freiheitsstrafe an und übermittelte der Strafvollzugsanordnung (StV 1) an die Justizanstalt Garsten (ON 140); die korrigierte Strafvollzugsanordnung wurde der Justizanstalt Garsten am 17. Jänner 2019 übermittelt (ON 146). Am 17. Jänner teilte die Justizanstalt Garsten daraufhin mit, dass der Verurteilte mit 20.Dezember 2018, 10.30 Uhr, in Strafhaft übernommen wurde (ON 147).

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 15. Jänner 2019 (ON 138) wies das Erstgericht den Antrag des B***** O***** auf Strafaufschub gemäß § 39 Abs 1 SMG a limine im Wesentlichen mit der Begründung ab, dass B***** O***** mit Rechtskraft des Urteils am 20. Dezember 2018 automatisch in den Strafvollzug übernommen wurde, weshalb sein Antrag verspätet sei.

Die dagegen erhobene (fristgerechte) Beschwerde des Verurteilten (ON 153) ist im Sinn der spruchgemäßen Erledigung berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 39 Abs 1 SMG ist der Vollzug einer nach dem Suchtmittelgesetz (von hier nicht relevanten Ausnahmen abgesehen) oder einer wegen einer Straftat, die mit der Beschaffung von Suchtmitteln in Zusammenhang steht, verhängten Geldstrafe oder drei Jahre nicht übersteigenden Freiheitsstrafe auch noch nach Übernahme in den Strafvollzug (§ 3 Abs 4 StVG) für die Dauer von höchstens zwei Jahren aufzuschieben, wenn der Verurteilte an Suchtmittel gewöhnt ist und sich bereit erklärt, sich einer notwendigen und zweckmäßigen, ihm nach den Umständen möglichen und zumutbaren und nicht offenbar aussichtslosen gesundheitsbezogenen Maßnahme zu unterziehen (Z 1), und im Fall der Verurteilung zu einer 18 Monate übersteigenden Freiheitsstrafe wegen Beschaffungskriminalität der Vollzug der Freiheitsstrafe nicht im Hinblick auf die Gefährlichkeit des Täters geboten erscheint (Z 2).

Zutreffend führt das Erstgericht aus, dass – unbeschadet der durch die SMG-Novelle 2007 eingefügten, indes den spätestmöglichen Zeitpunkt der Aufschubsentscheidung festschreibenden Ausnahmebestimmung – der Aufschubsantrag des (inhaftierten) Verurteilten vor dessen Übernahme in den Strafvollzug gestellt worden sein muss. Das Gesetz weist zwar ausdrücklich darauf hin, dass der Vollzugsaufschub auch noch nach bereits erfolgter Übernahme in den Strafvollzug zu gewähren ist. Diese Wendung ist indes so zu verstehen, dass der Beschuldigte auch in Haft sein kann (bei sofortiger Rechtskraft auch in Strafhaft), der Antrag auf Strafaufschub aber noch vor dessen förmlicher Übernahme in den Strafvollzug gestellt worden sein muss (Schwaighofer WK2 SMG § 39 Rz 25 mwN). Dies ist hier aber der Fall: denn die Übernahme in den Strafvollzug nach § 3 Abs 4 StVG (StPOForm StV1; vgl Pieber in WK2 StVG § 3 Rz 2 und 4f), auf die § 39 Abs 1 SMG verweist, erfolgte tatsächlich erst mit Verfügung vom 15. Jänner 2019 (ON 140), also nach Einlangen des gegenständlichen Aufschubsgesuchs.

Dass bei der Strafzeitberechnung jede dem Vollzug eines Strafurteils dienende Haft ex lege Strafhaft ist (§ 1 Z 5 StVG) und demnach ein bei Eintritt der Rechtskraft eines Strafurteils in Untersuchungshaft Befindlicher von diesem Zeitpunkt an als in Strafhaft angehalten gilt (Fabrizy StPO13 § 397 Rz 1 mwN), vermag daran nichts zu ändern, ist doch trotzdem – wie der Blick auf das Regelungsgefüge des § 3 Abs 1 und Abs 4 StVG iVm § 397 StPO zeigt – ungesäumt nach Urteilsrechtskraft vom Vorsitzenden des erkennenden Gerichts der Vollzug anzuordnen (15 Os 139/93) und eine (insoweit deklarative: 14 Os 15/89; Lässig in WK StPO § 397 Rz 3 mwN) Vollzugsanordnung (ieS) zu erlassen, aufgrund derer der Verurteilte sodann vom Anstaltsleiter in den Strafvollzug zu übernehmen ist (vgl Drexler/Weger StVG4 § 3 Rz 9). Schon die idente Formulierung in § 39 Abs 1 SMG einschließlich des Verweises auf § 3 Abs 4 StVG lassen demnach keinen vernünftigen Zweifel daran, dass der Gesetzgeber die Zulässigkeit von Strafaufschubsanträgen in zeitlicher Hinsicht mit der angesprochenen richterlichen Verfügung verknüpfen (und limitieren) wollte. Die gegenteilige Sichtweise hätte zur Konsequenz, dass inhaftierte Verurteilte ihren Antrag auf Gewährung von Strafaufschub gleichsam zwingend vor Urteilsrechtskraft einbringen müssten, wofür das Gesetz keine Grundlage bietet (OLG Linz 8 Bs 102/12z).

Der Antrag des Verurteilten wird vom Erstgericht in der Folge meritorisch zu erledigen sein.

RECHTSMITTELBELEHRUNG:

Gegen diese Entscheidung steht kein weiteres Rechtsmittel zu.

Textnummer

EL0000280

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OLG0459:2019:0070BS00019.19X.0212.000

Im RIS seit

30.04.2019

Zuletzt aktualisiert am

30.04.2019
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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