TE OGH 2019/3/20 7Ob177/18g

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Veröffentlicht am 20.03.2019
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Hon.-Prof. Dr. Höllwerth, Dr. E. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E***** F*****, vertreten durch Mag. Dr. Robert Hirschmann, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei W***** AG *****, vertreten durch Dr. Herbert Laimböck, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 29. Mai 2018, GZ 2 R 65/18w-16, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 29. März 2018, GZ 16 Cg 29/17i-12, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 2.248,38 EUR (darin 374,73 EUR an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten ihrer Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin hat bei der Beklagten einen Haushaltsversicherungvertrag abgeschlossen, dem (ua) die HH1 Allgemeinen Bedingungen für Haushaltsversicherungen (ABH) zugrunde liegen, die auszugsweise lauten:

„…

Artikel 2

Welche Gefahren und Schäden sind versichert ?

...

3.       Schäden durch versuchten oder vollbrachten  Einbruchdiebstahl, einfachen Diebstahl, Beraubung und  Vandalismus.

3.1.    Einbruch liegt vor, wenn der Täter in die  Versicherungsräumlichkeiten

         a)       durch Eindrücken oder Aufbrechen von Türen,           Fenstern oder anderen Gebäudeteilen einbricht,

         b)       durch Öffnungen, die nicht zum Eintritt bestimmt           sind und ein erschwerendes Hindernis darstellen,           einsteigt,

         c)       heimlich einschleicht und aus den abgeschlossenen           Räumlichkeiten Sachen entwendet,

         d)       mit Werkzeugen oder falschen Schlüsseln                    eindringt,

         e)       mit richtigen Schlüsseln eindringt, die er sich           durch  Einbruch in andere als die versicherten           Räume eines Gebäudes oder durch Raub                    angeeignet hat.

         ...

3.4.             Ein Einbruchdiebstahl in versperrte Geldschränke           oder Mauersafes mit Hilfe richtiger Schlüssel liegt           nur vor, wenn sich der Täter diese Schlüssel durch           Einbruchdiebstahl in andere als die versicherten           Räume eines Gebäudes oder durch Raub                    angeeignet hat.

3.5.             Einfacher Diebstahl liegt vor, wenn der Täter           Sachen entwendet, ohne dass ein                             Einbruchdiebstahl gemäß Art. 3 Punkt 3.1 vorliegt.           Der einfache Diebstahl ist nur bei Entwendung aus           der Wohnung und für die gemäß Art. 3 Punkt 2.2 in           Gemeinschaftsräumen und im Freien versicherten           Sachen gedeckt. Die Haftung für Bargeld und           Valuten ist mit EUR 370,-- und für den sonstigen           Wohnungsinhalt mit EUR 1.500,-- begrenzt.

         … .

Die 1939 geborene, gehbehinderte Klägerin verließ am 27. 1. 2017 ihre, im 5. Stock eines Mehrparteienhauses gelegene Wohnung, wobei sie die Wohnungstüre absperrte. Beim Verlassen des Gebäudes fiel ihr ein junger Mann auf, der sie, als sie in Richtung Müllraum ging, von hinten einholte. Der Mann zog seinen Mantel aus, nahm diesen über den Arm, hielt der Klägerin ein Handy hin und fragte sie nach einer bestimmten Straße. Die Klägerin antwortete, dass sie ihm nicht helfen könne. Bei diesem kurzen Gespräch nahm der Mann den Wohnungsschlüssel der Klägerin unbemerkt aus deren Manteltasche.

Die Klägerin fuhr danach in ein Einkaufszentrum, wo ihr auffiel, dass ihr der junge Mann folgte. Während ihrer Abwesenheit sperrten ein oder mehrere unbekannte Täter mit dem weggenommenen Schlüssel die Wohnungstüre auf und betraten die Wohnung der Klägerin. In einem Schlafzimmerschrank war ein Möbeltresor installiert. Den dazugehörigen Schlüssel hatte die Klägerin im Wäscheschrank versteckt. Die Täter fanden den Safeschlüssel, sperrten damit den Möbeltresor auf und nahmen daraus 13.200 EUR an Bargeld, diverse Schmuckstücke (Neu- und Zeitwert insgesamt 17.899 EUR) und diverse Gold- und Silbermünzen (Neuwert 23.979 EUR/Zeitwert 22.422 EUR).

Die Beklagte erbrachte aufgrund dieses Vorfalls keine Versicherungsleistung an die Klägerin.

Die Klägerin begehrte gegenüber der Beklagten die Feststellung, a) dass es sich beim beschriebenen Vorfall um einen Einbruchdiebstahl im Sinn des Art 2.3.1 HH1-ABH handle und b) die Beklagte aufgrund und im Umfang des Haushaltsversicherungsvertrags Deckungsschutz zu gewähren habe. Hilfsweise begehrte die Klägerin von der Beklagten die Zahlung von 27.000 EUR sA. Sie brachte vor, die (unklaren) Versicherungsbedingungen der Beklagten seien nach dem üblichen Konsumentenverständnis dahin auszulegen, dass der Vorfall als Einbruchdiebstahl gelte, weil ein Fremder unbefugt in ihre Wohnung eingedrungen sei.

Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klagebegehren und wandte ein, dass der Klägerin im Hinblick auf das mögliche und erhobene Leistungsbegehren das rechtliche Interesse an den begehrten Feststellungen fehle. Der Vorfall sei kein Einbruchdiebstahl im Sinn des Art 2.3.1 HH1-ABH gewesen.

Das Erstgericht wies die Feststellungsbegehren ab, verpflichtete die Beklagte zur Zahlung von 1.870 EUR sA und wies das hilfsweise erhobene Zahlungsmehrbegehren ebenfalls ab. Aus Art 2.3.1 lit e) HH1-ABH ergebe sich, dass ein Diebstahl durch Eindringen mit richtigen Schlüsseln nur dann versichert sein solle, wenn sich der Täter die Originalschlüssel durch Einbruch in andere als die versicherten Räume eines Gebäudes oder durch Raub angeeignet habe. Daraus folge im Umkehrschluss, dass – wie hier – ein Eindringen in die Wohnung mit Schlüsseln, die sich der Täter nicht durch Raub, also ohne Gewaltanwendung, nämlich durch „Trickdiebstahl“ angeeignet habe, keinen Einbruchdiebstahl im Sinn der Bedingungen darstelle und auch nicht dem „heimlich Einschleichen“ zu unterstellen sei. Es liege daher auch kein Fall eines Einbruchdiebstahls in versperrte Geldschränke oder Mauersafes mit Hilfe richtiger Schlüssel im Sinn des Art 2.3.4 HH1-ABH vor. Der Klägerin gebühre nur die Leistung aus einfachem Diebstahl nach Art 2.3.5 HH1-ABH.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Es war der Rechtsansicht, dass – entgegen der von der Klägerin in ihrer Rechtsrüge vertretenen Ansicht – (auch) kein „Einschleichen“ im Sinn des Art 2.3.1 lit c) HH1-ABH vorliege. Dies erfordere nämlich, dass sich der Dieb dadurch Zutritt in die Versicherungsräumlichkeiten verschaffe, dass er seinen Eintritt gegenüber berechtigt dort befindlichen Personen verheimliche oder seinen Eintritt der Wahrnehmung Dritter entziehe, in diesen Maßnahmen also das Mittel liege, sich den Zutritt zu verschaffen. Dieses Mittel sei jedoch im Anlassfall das Aufsperren mit einem richtigen Schlüssel gewesen. Ein bloß unbemerktes Eintreten durch eine unversperrte Tür reiche für ein Einschleichen nicht.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteigt und die ordentliche Revision zulässig sei, weil zu den Voraussetzungen eines Einbruchdiebstahls im Sinn der HH1-ABH noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.

Gegen diese Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn der gänzlichen Klagestattgebung. Hilfsweise stellte die Klägerin auch einen Aufhebungsantrag.

Die Beklagte erstattete eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag, die Revision der Beklagten zurückzuweisen, hilfsweise dieser nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil der Fachsenat zu einzelnen hier fraglichen Merkmalen des Begriffs „Einbruchdiebstahl“ noch nicht Stellung genommen hat; sie ist aber nicht berechtigt.

1. Allgemeine Versicherungsbedingungen sind nach ständiger Rechtsprechung gemäß den Grundsätzen der Vertragsauslegung (§§ 914 f ABGB) auszulegen, und zwar orientiert am Maßstab des durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers (RIS-Justiz RS0050063; RS0112256 [T7]). Die Klauseln sind, wenn sie – wie hier – nicht Gegenstand und Ergebnis von Vertragsverhandlungen waren, objektiv unter Beschränkung auf den Wortlaut auszulegen; dabei ist der einem objektiven Betrachter erkennbare Zweck einer Bestimmung zu berücksichtigen (RIS-Justiz RS0008901 [insb T5, T7, T8, T87]). Nach objektivem Gesichtspunkt als unklar aufzufassende Allgemeine Versicherungsbedingungen müssen so ausgelegt werden, wie dies der durchschnittlich verständige Versicherungsnehmer verstehen musste (7 Ob 195/13x; 7 Ob 183/13g).

2. Die Klägerin strebt eine Leistung aus dem Versicherungsfall des Einbruchs (Einbruchdiebstahl; Art 2.3.1 HH1-ABH) an. Es ist Aufgabe der Klägerin als Versicherungsnehmerin, das Vorliegen der entsprechenden tatsächlichen Umstände, die diesen Versicherungsfall begründen, zu behaupten und zu beweisen (RIS-Justiz RS0080003).

3. Nach Art 2.3.1 lit e) HH1-ABH liegt ein Einbruchdiebstahl, wenn der Täter in die Versicherungsräumlichkeiten – wie hier – mit einem richtigen Schlüssel eindringt, nur dann vor, wenn er sich diesen durch Einbruch in andere als die versicherten Räume eines Gebäudes oder durch Raub angeeignet hat („Schlüsselvortat“; vgl 7 Ob 191/06y).

4. Rechtsbegriffe haben in der Rechtssprache eine bestimmte Bedeutung und sind daher in diesem Sinn auszulegen. Dies gilt insbesondere dann, wenn den zu beurteilenden Rechtsinstituten nach herrschender Ansicht ein unstrittiger Inhalt beigemessen wird und sie in der Rechtssprache eine einvernehmliche Bedeutung haben (RIS-Justiz RS0123773). Bereits das Erstgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass die Aneignung durch „Raub“ nach allgemein gebräuchlichem Wortsinn und Sprachverständnis ein gewisses Maß an Gewalt erfordert. Hier nahm der Täter der Klägerin den Wohnungsschlüssel unbemerkt aus deren Manteltasche. Dass es dabei in irgendeiner Form zu einer Gewaltanwendung gekommen sei, hat die Klägerin nicht einmal behauptet. Ein Einbruchdiebstahl nach Art 2.3.1 lit e) HH1-ABH liegt daher mangels der dafür erforderlichen Vortat nicht vor. Gegen dieses bereits vom Erstgericht zutreffend gewonnene Ergebnis wird in der Revision nichts Substanzielles ausgeführt.

5. Die Klägerin ist in der Revision der Ansicht, es habe ein Einbruchdiebstahl nach Art 2.3.1 lit c) HH1-ABH vorgelegen, weil sich der Täter in ihre Wohnung heimlich eingeschlichen habe. Dem ist Folgendes zu entgegnen:

Verheimlichen wird schon im alltäglichen Sprachgebrauch im Sinn von (aktivem) Geheimhalten und Verbergen verstanden. Heimliches Einschleichen erfordert daher nicht bloß unbemerkten Zutritt, sondern ein aktives Verhalten des Täters, das darauf abzielt, seinen Eintritt gegenüber am versicherten Ort anwesenden Personen verborgen zu halten (so zutr zu vergleichbaren Bedingungslage in Deutschland etwa Armbrüster in Prölss/Martin VVG30 Rn 19; Rüffer in Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch³ § 33 Rn 30), um in die versicherten Räumlichkeiten zu gelangen. Das Eindringen mit einem richtigen Schlüssel erfüllt diese Voraussetzung nicht (Martin, Sachversicherungsrecht³ D VII Rn 11), weil dieser Vorgang ausdrücklich und damit abschließend in Art 2.3.1 lit e) HH1-ABH geregelt ist. Da die Klägerin ein konkretes Tatsachensubstrat im dargestellten Sinn eines heimlichen Einschleichens nicht behaupten konnte, ist auch kein Einbruchdiebstahl im Sinn des Art 2.3.1 lit c) und 2.3.4 HH1-ABH erwiesen.

6.1. Die Revision ist daher mangels Nachweises eines Einbruchdiebstahls nicht berechtigt.

6.2. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 50, 41 ZPO.

Textnummer

E124813

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2019:0070OB00177.18G.0320.000

Im RIS seit

30.04.2019

Zuletzt aktualisiert am

25.02.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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