Kopf
Das Oberlandesgericht Linz hat durch den Richter Dr. Winsauer als Vorsitzenden sowie die Richterinnen Mag. Hemetsberger und Mag. Pöcheim in der Strafsache gegen ***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 und 2 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über dessen Beschwerde gegen den Beschluss der Einzelrichterin des Landesgerichts Linz im Ermittlungsverfahren vom 20. Februar 2019, 19 Hr 15/19g-30, in nichtöffentlicher Sitzung entschieden:
Spruch
Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben und der angefochtene Beschluss dahin abgeändert, dass die Anordnung der Staatsanwaltschaft Linz vom 23. Jänner 2019 (ON 16) (auch) auf Veröffentlichung des Vor- und Familiennamens des in Untersuchungshaft angehaltenen Beschuldigten dessen subjektives Recht in den Bestimmungen der §§ 12 Abs 2, 169 Abs 1a StPO auf nichtöffentliche Führung des Ermittlungsverfahrens verletzt.
Text
Begründung:
Die Staatsanwaltschaft Linz führt gegen *****, geboren am *****, ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Verbrechens der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 und 2 StGB, des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 und 2 StGB, des Vergehens der Amtsanmaßung nach § 314 StGB und des Vergehens des unbefugten Gebrauchs von Fahrzeugen nach § 136 Abs 1 StGB.
Demnach soll er in Linz
1./ am 1. Jänner 2019 ***** durch gefährliche Drohung zur Vornahme einer geschlechtlichen Handlung genötigt haben, nämlich zur Durchführung des Oralverkehrs an ihm, wobei er ihr in den Mund ejakulierte und sie dadurch besonders erniedrigte, indem er nach dem gemeinsamen Konsum von Kokain behauptet habe, Zivilpolizist zu sein und sie anzuzeigen, wenn sie ihn nicht oral befriedigen würde;
2./ am 10. Jänner 2019 ***** zur Vornahme und Duldung des Beischlafs oder einer dem Beischlaf gleichzusetzenden Handlung durch Entziehung der persönlichen Freiheit genötigt haben, indem er in einem von innen versperrten dreitürigen PKW am Rücksitz an ihr mehrfach Oral-, Vaginal- und Analverkehr vollzogen und ihr anschließend in das Gesicht ejakuliert und sie so besonders erniedrigt habe;
3./ am 10. Jänner 2019 sich die Ausübung eines öffentlichen Amtes angemaßt haben und ohne dazu befugt zu sein, eine Handlung vorgenommen haben, die nur kraft eines öffentlichen Amtes vorgenommen werden darf, indem er sich gegenüber ***** und ***** als Polizeibeamter ausgewiesen und bei ***** eine Durchsuchung der Person in Form der Besichtigung des unbekleideten Körpers vorgenommen habe;
4./ am 10. Jänner 2019 ein Fahrzeug, das zum Antrieb mit Maschinenkraft eingerichtet ist, ohne Einwilligung des Berechtigten in Gebrauch genommen haben, nämlich den PKW Mini One mit dem Kennzeichen ***** des *****.
Aufgrund einer am 12. Jänner 2019 gerichtlich bewilligten Anordnung der Staatsanwaltschaft Linz wurde ***** am 11. Jänner 2019, 20.35 Uhr, festgenommen und am 13. Jänner 2019 in die Justizanstalt Linz überstellt (ON 3, AS 7 in ON 5).
Am 14. Jänner 2019 wurde über den Beschuldigten aufgrund eines entsprechenden Antrags der Staatsanwaltschaft Linz vom selben Tag (AS 1 in ON 1) die Untersuchungshaft, nach seiner Vernehmung durch die Einzelrichterin des Landesgerichts Linz im Ermittlungsverfahren zu den Voraussetzungen dazu, aus dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr gemäß § 173 Abs 1 und 2 Z 3 lit a, b und c StPO mit längster Wirksamkeit bis 28. Jänner 2019 verhängt (ON 7, 8).
Mit Zwischenbericht vom 22. Jänner 2019 teilte das Stadtpolizeikommando Linz unter anderem mit, dass eine Auswertung der Überwachungskameras im Bereich des ***** Linz ergeben habe, dass der Beschuldigte insgesamt vier verschiedene Mädchen am 10. Jänner 2019 angesprochen habe, wobei auch die bereits bekannten vermutlichen Tatopfer sowie zwei weitere unbekannte Mädchen zu sehen wären, die sich aber trotz Aufruf in den Medien nicht gemeldet hätten (ON 15).
Am 23. Jänner 2019 ordnete die Staatsanwaltschaft Linz gemäß §§ 168 Abs 1 iVm 169 Abs 1 und 1a StPO die Personenfahndung zur Aufenthaltsermittlung von Personen, deren Identität festgestellt werden soll (Opfer), durch Veröffentlichung von Abbildungen und des Namens des in Untersuchungshaft angehaltenen Beschuldigten samt Begleittext in den Medien an, um damit mögliche Tatopfer zu animieren doch Anzeige zu erstatten, weil die Opfer durch die Anhaltung des Beschuldigten in Untersuchungshaft nichts mehr befürchten müssten und auch eine anonymisierte Berichterstattung in den Medien bereits erfolgte, weswegen alle zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zur Ausforschung von weiteren Zeugen/Opfern ausgeschöpft worden wären. Im Sinne des Beschleunigungsgebotes sei es erforderlich, durch Veröffentlichung eines Lichtbildes und des Namen des Beschuldigten weitere Opfer auszuforschen, um die sodann anstehenden kontradiktorischen Einvernahmen zügig durchführen zu können. Andernfalls wäre die Aufklärung weiterer schwerer Straftaten, deren Begehung der Beschuldigte verdächtig ist, wesentlich erschwert oder gar unmöglich. Mit Blick auf die Strafdrohung des § 201 Abs 1 StGB sei die Anordnung im Sinne des § 169 Abs 1 und 1a StPO auch nicht unverhältnismäßig, weil der angestrebte Zweck den mit der Veröffentlichung verbundenen Eingriff in die Intimsphäre des Beschuldigten deutlich überwiege (ON 16).
In der Haftverhandlung vom 28. Jänner 2019 wurde über Antrag der Staatsanwaltschaft Linz die Untersuchungshaft aus dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr gemäß § 173 Abs 1 und 2 Z 3 lit a, b und c StPO mit längster Wirksamkeit bis 28. Februar 2019 fortgesetzt (ON 19).
Mit seinem am 29. Jänner 2019 eingebrachten Einspruch wendet sich der Beschuldigte gegen die Veröffentlichung der Abbildung seiner Person unter Nennung seines Namens in den Medien, weil durch diese Veröffentlichungen in unverhältnismäßigem Ausmaß in seine Persönlichkeitsrechte eingegriffen worden sei (ON 20).
Die Staatsanwaltschaft legte den Einspruch am 6. Februar 2019 dem Gericht unter Hinweis auf die schriftliche Begründung der angefochtenen Anordnung (AS 8 in ON 1) mit dem Antrag vor, dem Einspruch nicht Folge zu geben.
Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Landesgericht Linz dem Einspruch nicht Folge, weil die Veröffentlichung der Abbildung des Beschuldigten das geeignetste und gelindeste Mittel gewesen wäre, um Opfer zu finden. Aufgrund der vorliegenden Videoaufzeichnungen sei auch davon auszugehen, dass es noch weitere, bis dato namentlich unbekannte Opfer gäbe. Die vom Beschuldigten vorgeschlagene Veröffentlichung seines „modus operandi“ und seine markanten Tätowierungen wären nicht zweckmäßig, um Opfer medial anzusprechen und zu animieren, sich zu melden. Außerdem könne nicht davon ausgegangen werden, dass sich der Beschuldigte tatsächlich jedes Mal als Polizist ausgegeben habe und potentielle Opfer seine Tätowierungen wahrgenommen hätten. Die Veröffentlichung des Namens des Beschuldigten sei erforderlich gewesen, weil sich der Beschuldigte zumindest bei einem Opfer ***** mit seinem Vornamen vorgestellt habe. Die Veröffentlichung der Abbildung und des Namens sei auch nicht unverhältnismäßig, weshalb eine Verletzung eines subjektiven Rechts des Beschuldigten nicht festgestellt werden könne (ON 30).
Dagegen richtet sich die (rechtzeitige) Beschwerde des Beschuldigten, zu der sich die Oberstaatsanwaltschaft nicht äußerte (ON 32).
Zur Verbreiterung der Entscheidungsgrundlage wurde eine Stellungnahme der Staatsanwaltschaft Linz eingeholt, um insbesondere Art und Inhalt der von der Polizei Linz veranlassten anonymisierten Berichterstattung in den Medien (vgl ON 15) näher zu beleuchten.
Zu dieser am 4. April 2019 von der Oberstaatsanwaltschaft übermittelten Stellungnahme gab der Beschuldigte am 8. April 2019 eine schriftliche Äußerung ab, in der er unter anderem ausführt, dass auf Grund der bis zur Anordnung der Staatsanwaltschaft erfolgten medialen Berichterstattung eine anonymisierte Lichtbildveröffentlichung unter Hinweis auf die körperlichen Merkmale und Tätowierungen des Rechtsmittelwerbers sowie des von ihm stets gewählten „modus operandi“ ausreichend gewesen wäre.
Die Beschwerde ist teilweise berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Nach § 106 Abs 1 Z 2 StPO steht im Ermittlungsverfahren jeder Person Einspruch an das Gericht zu, die behauptet, in einem Ermittlungsverfahren durch die Staatsanwaltschaft in einem subjektiven Recht verletzt zu sein, weil eine Ermittlungs- bzw. Zwangsmaßnahme unter Verletzung von Bestimmungen dieses Gesetzes angeordnet oder durchgeführt wurde.
Als subjektive Rechte iSd § 106 sind solche zu verstehen, welche die Voraussetzungen und Bedingungen festlegen, die bei Ausübung von Zwang gegenüber Betroffenen nach diesem Bundesgesetz konkret einzuhalten sind (Z 2), oder welche dem Betroffenen einen Anspruch auf ein bestimmtes Verfahrensrecht nach der StPO einräumen. Sowohl in § 106 Abs 1 Z 1 wie auch in Z 2 leg. cit. Ist der mit Einspruch wegen Rechtsverletzung zu bekämpfenden Verletzung auf ausschließlich jene subjektiven Rechte beschränkt, die nach der StPO eingeräumt sind (vgl Pilnacek/Stricker in Fuchs/Ratz, WK StPO § 106 Rz 11, 14 mwN
).
Nach § 12 Abs 1 zweiter Satz StPO ist das Ermittlungsverfahren nicht öffentlich.
Ganz allgemein werden gerichtliche und behördliche Verfahren, soweit nicht eine zentrale mündliche Verhandlung abgehalten wird, nichtöffentlich geführt. Schon weil der erforderliche Datenschutz und die Privatsphäre der betroffenen Personen oder sonstige spezifische Geheimhaltungsinteressen am besten durch nichtöffentliche Führung des Verfahrens gewahrt werden, muss gerade umgekehrt dort, wo die Partizipation der Öffentlichkeit an einem Verfahren ermöglicht werden soll, dies gesetzlich geregelt sein. Fehlt eine gesetzliche Anordnung der Öffentlichkeit, ist das betreffende Verfahren bzw der Verfahrensabschnitt deshalb grundsätzlich nichtöffentlich zu führen.
§ 12 Abs 1 Satz 2 StPO unterstreicht, dass der Nichtöffentlichkeit gerade am Beginn des Strafverfahrens besondere Bedeutung zukommt. Denn in diesem frühen Verfahrensstadium ist die Verdachtslage typischerweise noch wenig abgesichert; das Ermittlungsverfahren dient ja gerade dazu, abzuklären, ob sich ein Anfangsverdacht soweit erhärten lässt, dass eine Anklage zu erheben ist. Bei einem noch weitgehend ungesicherten Verdacht müssen aber Eingriffe in Rechte Einzelner besonders behutsam sowie unter größtmöglicher Wahrung ihrer Persönlichkeitsrechte vorgenommen werden. Die Erregung jedes über das unbedingt notwendige Maß hinausgehenden Aufsehens ist deshalb im Ermittlungsverfahren zu vermeiden. Die Öffentlichkeit einzelner Ermittlungsschritte in diesem Verfahrensstadium würde dem diametral entgegenstehen.
Die Nichtöffentlichkeit des Ermittlungsverfahrens ist zwar kein verfassungsrechtlich abgesicherter Grundsatz. Allerdings stehen doch im Hintergrund Überlegungen, die auch verfassungsrechtlich relevant sind. Hervorzuheben ist das Grundrecht auf Datenschutz (§ 1 DSG ) sowie jenes auf Privatsphäre (Art 8 EMRK, vgl Schmoller in Fuchs/Ratz, WK StPO § 12 Rz 37ff).
§ 169 Abs 1 StPO regelt die Personenfahndung durch Ausschreibung zur Aufenthaltsermittlung oder zur Festnahme über Anordnung der Staatsanwaltschaft. Über weitere Anordnung der Staatsanwaltschaft kann sie öffentlich bekannt gemacht werden, wenn die Ausforschung des Beschuldigten, weiterer Opfer oder die Auffindung einer anderen Person andernfalls wenig erfolgversprechend wäre und der Beschuldigte einer vorsätzlich begangenen Straftat, die mit einer Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr bedroht ist, dringend verdächtig ist. Abbildungen von Personen dürfen (zusätzlich) jedoch nur dann veröffentlicht oder zur Veröffentlichung in Medien oder sonst öffentlich zugänglichen Dateien freigegeben werden, wenn der damit angestrebte Vorteil den mit der Veröffentlichung verbundenen Eingriff in die Intimsphäre deutlich überwiegt oder die Veröffentlichung zum Schutz der Rechte und Interessen von durch den Beschuldigten gefährdeten Personen erforderlich scheint.
Die Personenfahndung zur Aufenthaltsermittlung kann den Beschuldigten oder eine Person, deren Identität festgestellt oder die als Zeuge vernommen werden soll, betreffen (§ 168 Abs 1 StPO). Eine Personenfahndung ist somit auch nach Opfern sowie nach unbekannten Verdächtigen (zB auf Grund eines Phantombildes) möglich. Ausreichend ist, dass jemand, der durch bestimmte Merkmale charakterisiert werden kann (vgl Birklbauer/Hauer/Keplinger/Tischlinger, Strafprozessordnung5 § 167 Anm 1), mit einer begangenen strafbaren Handlung in Zusammenhang gebracht werden kann, ohne dass sich der Tatverdacht gegen ihn richten muss.
Aufgrund einer weiteren Anordnung der Staatsanwaltschaft kann eine Personenfahndung auch öffentlich bekannt gemacht werden (zB in Zeitungen, im Internet [vgl etwa die „Most Wanted“ des Bundeskriminalamtes unter http://www.bmi.gv.at/cms/bk/_fahndung/_result.aspx?b=MOST+WANTED (21. 5. 2012)], im Fernsehen, im Rundfunk oder im Rahmen einer Pressekonferenz). Voraussetzung ist, dass die Ausforschung des Beschuldigten, weiterer Opfer oder die Auffindung einer anderen Person andernfalls wenig Erfolg versprechend wäre und der Beschuldigte einer vorsätzlich begangenen Straftat, die mit einer Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr bedroht ist, dringend verdächtigt ist. In diesem Umfang wurde der in § 71 Abs 3 Z 1 lit c SPG verankerten Übermittlungsermächtigung an Medienunternehmen zum Zweck der Veröffentlichung derogiert (vgl Birklbauer/Hauer/Keplinger/Tischlinger, Strafprozessordnung5 § 169 Anm 2). Die tatsächliche Veröffentlichung kann durch die Kriminalpolizei ebenso wie durch die Staatsanwaltschaft vorgenommen werden (vgl Vogl in Fuchs/Ratz, WK StPO § 169 Rz 14ff mwN).
§ 169 Abs 1 erster Satz StPO ist somit als Ausnahme von der nichtöffentlichen Führung des Ermittlungsverfahrens erkennbar die normative Grundlage für die Veröffentlichung von Daten (welcher Art auch immer) der Person, nach der gefahndet wird (Beschuldigter, Opfer oder andere Person). Abbildungen von (anderen) Personen (ohne Anführung weiterer Daten) dürfen in diesem Zusammenhang nur nach den in § 169 Abs 1 zweiter Satz StPO genannten Kriterien (zusätzlich) veröffentlicht werden. Die Veröffentlichung von Daten eines nicht zur Fahndung ausgeschriebenen Beschuldigten ist daher von § 169 Abs 1 erster Satz StPO nicht umfasst.
Nachdem zuvor umstritten war (vgl Vogl in Fuchs/Ratz, WK StPO § 169 Rz 23), wurde mit der durch das strafrechtliche Kompetenzpaket eingeführten Bestimmung des § 169 Abs 1a StPO klargestellt, dass auch eine Bildveröffentlichung eines in Untersuchungshaft angehaltenen Beschuldigten zur Ermittlung weiterer Opfer zulässig ist (vgl Fabrizy, StPO13 § 169 Rz 1a), sofern er weiterer Straftaten verdächtig ist, deren Aufklärung ansonsten wesentlich erschwert wäre. Eine derartige Veröffentlichung ist aufgrund einer Anordnung der Staatsanwaltschaft nur unter den Voraussetzungen des § 169 Abs 1 letzter Satz StPO zulässig.
Entgegen der Ansicht der Staatsanwaltschaft kann nicht unter Hinweis auf § 169 Abs 1 StPO abgeleitet werden, dass neben der Abbildung des in Untersuchungshaft angehaltenen Beschuldigten auch sein Name veröffentlicht werden darf, nicht nur, weil in § 169 Abs 1a StPO lediglich auf § 169 Abs 1 zweiter Satz StPO verwiesen wird, sondern auch deswegen, weil auch nach § 169 Abs 1 erster Satz StPO bei der Fahndung nach weiteren Opfern einer vorsätzlich begangenen, mit einer Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr bedrohten Straftat, die Veröffentlichung des Namens oder anderer Daten des (nicht in Untersuchungshaft angehaltenen) Beschuldigten nicht möglich ist. Nach Abs 1 zweiter Satz leg.cit. könnte lediglich eine Abbildung des Beschuldigten auf Anordnung der Staatsanwaltschaft veröffentlicht werden.
Auch die Veröffentlichung (nur) der Abbildung eines in Untersuchungshaft angehaltenen Beschuldigten ist durch den Verweis auf § 169 Abs 1 zweiter Satz StPO eingeschränkt, als diese Veröffentlichung in Medien oder sonst öffentlich zugänglichen Dateien dann freigegeben werden kann, wenn der damit angestrebte Vorteil den mit der Veröffentlichung verbundenen Eingriff in die Intimsphäre deutlich überwiegt oder die Veröffentlichung zum Schutz der Rechte und Interessen von durch den Beschuldigten gefährdeten Personen erforderlich erscheint. Nach den erläuternden Bemerkungen zu § 169 StPO soll der mit der Veröffentlichung verbundene Eingriff in die Intimsphäre des Beschuldigten jedenfalls nur unter strenger Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgebots zulässig sein. Der durch die „Mitwirkung“ der Öffentlichkeit zu erwartende Vorteil muss die mit der öffentlichen Brandmarkung verbundene Beeinträchtigung eindeutig überwiegen, was etwa dann der Fall wäre, wenn eine Veröffentlichung der Fahndung zum Schutz bestimmter Bevölkerungskreise vor Gefährdungen erforderlich wäre (vgl EBRV StPRefG zu §§ 168 und 169 StPO). Die Veröffentlichung eines Fotos eines zum Beispiel wegen einer Sexualstraftat oder eines Raubüberfalls Beschuldigten wäre unter anderem wohl dann gerechtfertigt, wenn Anlass zur Vermutung bestehe, dass der Beschuldigte noch weitere Taten begangen hat und somit das Aufklärungsinteresse und der Schutz von Opferinteressen deutlich überwiege. Bei der Abwägung ist zu bedenken, dass durch die Veröffentlichung einer Abbildung einer Person, die einer gerichtlich strafbaren Handlung verdächtig ist, jedenfalls schutzwürdige Interessen des Betroffenen verletzt werden.
Auch unter Berücksichtigung dieser strengen Kriterien war die Bildveröffentlichung ausgehend von den beiden dem Beschuldigten angelasteten Sexualverbrechen zulässig, weil es auf Grund der Auswertung der Überwachungsvideos am ***** in Linz einen begründeten Verdacht gab, dass der Beschuldigte weitere Straftaten gegen die sexuelle Integrität begangen habe und sonstige Ermittlungsansätze für die Aufklärung dieser Taten bzw. Ausforschung möglicher weiterer Opfer, trotz des von der Polizei davor veranlassten anonymisierten Aufrufs in den Medien (vgl Zwischenbericht der Polizei vom 22. Jänner 2019, ON 15 iVm der Stellungnahme der Staatsanwaltschaft Linz vom 2. April 2019) fehlen. Gerade im vorliegenden Fall ließ die Veröffentlichung der Abbildung des Beschuldigten in den Medien eher erwarten, dass sich potentielle Opfer melden, als durch die bloße Veröffentlichung einer Beschreibung des Beschuldigten unter Hinweis auf mögliche Tatmodalitäten, sodass die Staatsanwaltschaft von einem eindeutigen Überwiegen des Aufklärungs- und Opferschutzinteresses gegenüber dem Eingriff in die Intimsphäre des in Untersuchungshaft befindlichen Beschuldigten ausgehen konnte. In diesem Umfang ist der Beschwerdeführer durch die Anordnung der Staatsanwaltschaft in seinem subjektiven Recht nicht verletzt.
Nach § 5 Abs 1 StPO darf unter anderem die Staatsanwaltschaft bei der Ausübung von Befugnissen und bei der Aufnahme von Beweisen nur so weit in Rechte von Personen eingreifen, als dies gesetzlich ausdrücklich vorgesehen und zur Aufgabenerfüllung erforderlich ist.
Die Anordnung der Veröffentlichung des Vor- und Familiennamens des Beschuldigten wurde von der Staatsanwaltschaft Linz damit begründet, dass trotz eines anonymisierten Aufrufes in den Medien sich keine weiteren Opfer gemeldet hätten und aus den damals vorgelegenen Ermittlungsergebnissen begründet der Verdacht bestand, dass der Beschuldigte noch weitere Sexualverbrechen begangen haben könnte, wobei er sich in einem Fall dem Opfer mit seinem richtigen Vornamen vorgestellt hat (vgl. ON 15).
Ungeachtet der Prüfung der Zweck- oder Verhältnismäßigkeit dieser Anordnung ist zu berücksichtigen, dass die Veröffentlichung des Vor- und Familiennamens des in Untersuchungshaft angehaltenen Beschuldigten nach § 169 Abs 1a StPO nicht vorgesehen ist, weswegen die entsprechende Anordnung der Staatsanwaltschaft Linz vom 23. Jänner 2019 (ON 16) das subjektive Recht des Beschuldigten in den Bestimmungen der §§ 12 Abs 1, zweiter Satz, 169 Abs 1a StPO auf nichtöffentliche Führung des Ermittlungsverfahrens verletzt.
RECHTSMITTELBELEHRUNG:
Gegen diese Entscheidung ist ein weiterer Rechtszug nicht zulässig (§ 89 Abs 6 StPO).
Textnummer
EL0000278European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OLG0459:2019:0090BS00069.19I.0410.000Im RIS seit
30.04.2019Zuletzt aktualisiert am
30.04.2019