Entscheidungsdatum
29.03.2019Index
41/02 Passrecht FremdenrechtNorm
NAG §25 Abs1Text
Das Verwaltungsgericht Wien fasst durch seinen Richter Mag. Pichler über die Säumnisbeschwerde der Frau Dr. A. B., vertreten durch Rechtsanwalt, vom 17.7.2018 betreffend das Verfahren beim Landeshauptmann von Wien, Zl. ..., nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 15. März 2019 den
BESCHLUSS
I. Die Säumnisbeschwerde wird gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG iVm § 8 Abs. 1 VwGVG iVm § 55 Abs. 3 NAG als unzulässig zurückgewiesen.
II. Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 und 9 B-VG zulässig.
Begründung
I. Verfahrensgang:
1. Die Beschwerdeführerin beantragte am 21. Juli 2017 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 55 AsylG 2005.
Mit Bescheid vom 2. Jänner 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus den Gründen des Artikel 8 EMRK gemäß § 55 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I. des Bescheides). Ferner wurde gegen die Beschwerdeführerin gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gemäß § 52 Abs. 3 FPG 2005 eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt II. des Bescheides). Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG 2005 fest, dass eine Abschiebung der Beschwerdeführerin gemäß § 46 FPG 2005 in den Irak zulässig sei (Spruchpunkt III. des Bescheides). Die Frist für eine freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt IV. des Bescheides).
Mit Schriftsatz vom 1. Februar 2018 erhob die Beschwerdeführerin gegen diesen Bescheid Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Das Beschwerdeverfahren beim Bundesverwaltungsgericht ist noch nicht abgeschlossen.
2. Mit Antrag vom 16. Jänner 2018 begehrte die Beschwerdeführerin bei der belangten Behörde die Ausstellung einer Aufenthaltskarte gemäß § 54 NAG.
Mit Schreiben vom 20. Februar 2018 trat die belangte Behörde gemäß § 55 Abs. 3 NAG an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl heran und ersuchte das Bundesamt um Prüfung der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme. Begründend führte die belangte Behörde in diesem Schreiben aus, dass die Beschwerdeführerin am 16. Jänner 2018 den erwähnten Antrag auf Ausstellung einer Aufenthaltskarte eingebracht habe, da ihr Schwiegersohn, Herr C. D., deutscher Staatsangehöriger sei. Das Ermittlungsverfahren habe ergeben, dass die Beschwerdeführerin bis 18. Mai 2014 erwerbstätig gewesen sei und ein monatliches Gehalt in Höhe von € 2.000,00 bezogen habe und danach eine Pension in Höhe von € 1.350,00. Auch verfüge die Beschwerdeführerin über Sparguthaben in Höhe von € 45.022,13 (Stand 8.11.2017). Der erforderliche Unterhalt der Beschwerdeführerin sei daher durch diese Einnahmen gesichert, von Seiten des deutschen Schwiegersohns der Beschwerdeführerin habe keine finanzielle Unterstützung stattgefunden. Mangels tatsächlichen Unterhaltsbedarf und mangels tatsächlicher Unterhaltsleistung im Herkunftsland durch den zusammenführenden EWR-Bürger lägen die Voraussetzungen für die Ausstellung einer Aufenthaltskarte gemäß § 54 Abs. 1 NAG nicht vor, weshalb um Prüfung der Erlassung einer möglichen Aufenthaltsbeendigung ersucht werde.
Mit einem auf denselben Tag datierten Schreiben – zugestellt am 26. Februar 2018 – setzte die belangte Behörde die Beschwerdeführerin von der Befassung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl in Kenntnis.
3. Mit Schriftsatz vom 17. Juli 2018 – eingelangt bei der belangten Behörde am 20. Juli 2018 – erhob die Beschwerdeführerin Säumnisbeschwerde an das Verwaltungsgericht Wien. Begründend führte die Beschwerdeführerin unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Dezember 2015, Ra 2015/22/0078, aus, dass über ihren am 16. Jänner 2018 gestellten Antrag auf Ausstellung einer Aufenthaltskarte bislang nicht entschieden worden sei. Die sechsmonatige Entscheidungsfrist sei abgelaufen, die belangte Behörde gehe offenbar davon aus, dass ein Anwendungsfall des § 55 Abs. 3 NAG vorliege. Diese Ansicht sei nach Auffassung der Beschwerdeführerin unzutreffend, weil ein Verfahren zur Aufenthaltsbeendigung bereits anhängig gewesen sei und daher die Fremdenpolizeibehörde nicht nach Befassung durch die Niederlassungsbehörde eine aufenthaltsbeendende Maßnahme erlassen habe. Daher sei die Frist des § 8 VwGVG nicht gehemmt.
Die belangte Behörde sah von einer Nachholung der Entscheidung ab und legte dem Verwaltungsgericht Wien die Säumnisbeschwerde unter Anschluss des verwaltungsbehördlichen Akten sowie der Verwaltungsakten hinsichtlich früherer Anträge der Beschwerdeführerin auf Erteilung von Aufenthaltstiteln vor.
Das Verwaltungsgericht Wien hat im Vorfeld der mündlichen Verhandlung den Akt der Beschwerdeführerin betreffend das beim Bundesverwaltungsgericht anhängige Beschwerdeverfahren beigeschafft und in diesen Einsicht genommen. Die wesentlichen Aktenbestandteile wurden in Kopie zum Akt des Verwaltungsgerichtes Wien genommen. Überdies hat das Verwaltungsgericht Wien die Niederlassungsakten im Hinblick auf die Tochter und den Schwiegersohn der Beschwerdeführerin beigeschafft und in diese Einsicht genommen. Mit Schriftsatz vom 8. März 2019 hat die Beschwerdeführerin weitere Unterlagen vorgelegt.
4. Das Verwaltungsgericht hat am 15. März 2019 eine öffentliche Verhandlung durchgeführt. Am Ende der mündlichen Verhandlung wurde das Ermittlungsverfahren gemäß § 17 VwGVG iVm § 39 Abs. 3 AVG für geschlossen erklärt.
II. Sachverhalt:
Das Verwaltungsgericht Wien geht von folgendem entscheidungswesentlichem Sachverhalt aus:
1. Die Beschwerdeführerin ist eine am ...1949 geborene irakische Staatsangehörige. Sie verfügt über einen bis 12. Mai 2022 gültigen irakischen Reisepass. Die Beschwerdeführerin verfügte wiederholt über Aufenthaltstitel für den Zweck Studierende, zuletzt mit einer Gültigkeit von 2. Februar 2012 bis 2. Februar 2013. Ein am 1. November 2016 bei der österreichischen Botschaft in Amman gestellter Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung ausgenommen Erwerbstätige wurde von der Beschwerdeführerin am 11. April 2017 zurückgezogen.
2. Die Beschwerdeführerin ist im Jahr 1963 das erste Mai nach Österreich gekommen und ist im Jahr 1973 in den Irak zurückgekehrt. Im Jahr 1975 hat sie im Irak geheiratet und war in den Jahren 1977 und 1979 für einen kurzen Zeitraum in Österreich. Danach ist die Beschwerdeführerin im Jahr 1995 während der Sommermonate wieder nach Österreich gekommen. Die Beschwerdeführerin hat an der Universität Wien von 2008 bis 2012 das Doktoratsstudium … absolviert. Im April 2012 ist die Beschwerdeführerin nach Abschluss ihres Studiums in den Irak zurückgekehrt; seit Juli 2017 ist die Beschwerdeführerin nunmehr durchgehend im Bundesgebiet aufhältig.
3. Die Beschwerdeführerin war im Irak berufstätig; sie hat für verschiedene öffentliche Einrichtungen gearbeitet (…). Zuletzt war die Beschwerdeführerin an der E. tätig, seit Mai 2014 ist sie in Pension. Zuletzt hat die Beschwerdeführerin ein Nettoeinkommen in Höhe von etwa € 2.000 monatlich bezogen. Es hat nach der Pensionierung der Beschwerdeführerin zirka ein Jahr gedauert, bis mit der Auszahlung der Pension begonnen wurde. Die Auszahlung der fehlenden Beträge ist dann rückwirkend erfolgt. Die Höhe der Pension beträgt etwa € 1.600. Die Pension der Beschwerdeführerin wird im Irak an einen Bevollmächtigten der Beschwerdeführerin ausgezahlt, welcher diese sodann – in einem zweimonatigen Rhythmus – an die Beschwerdeführerin nach Österreich überweist. Die Höhe der der Beschwerdeführerin zur Verfügung stehenden Geldmitte beträgt – abhängig vom Wechselkurs und den Kosten für die Abwicklung durch einen Bevollmächtigten – zwischen etwa € 1.350,00 und etwa € 1.600 im Monat (so wurden der Beschwerdeführerin für die Monate August und September 2017 € 2.841,77, für die Monate Oktober und November 2017 € 2.748,91 und für die Monate Dezember 2017 und Jänner 2018 € 2.712,59 überwiesen; für die Monate Oktober und November 2018 wurden der Beschwerdeführerin € 3.208,00, für die Monate Dezember 2018 und Jänner 2019 € 3.042,43 und für die Monate Februar und März 2019 € 2.907,00 nach Österreich überwiesen).
Die Beschwerdeführerin verfügt über Ersparnisse in Höhe von ca. € 40.000,00. Hiebei handelt es sich um Geldmittel, die aus dem Verkauf des Hauses ihres Ehegatten nach dessen Tod stammen und auf einem Sparbuch bei einem Österreichischen Kreditinstitut eingezahlt sind.
4. Die Tochter der Beschwerdeführerin ist die am ... 1986 geborene F. G., die seit ... 2013 mit C. D., geboren am ...1983, deutscher Staatsangehöriger verheiratet ist. Der Schwiegersohn der Beschwerdeführerin ist seit dem Jahr 2008 in Österreich aufhältig und seit dem Jahr 2016 „Vollzeit“ als Softwareingenieur in Österreich berufstätig. C. D. verfügt über eine am 23. Jänner 2018 ausgestellte Anmeldebescheinigung gemäß § 51 Abs. 1 Z 1 NAG. Die Tochter der Beschwerdeführerin verfügt als Ehegattin eines EWR-Bürgers über eine Aufenthaltskarte.
5. Die Beschwerdeführerin hat von ihrem Schwiegersohn im Jahr 2014 eine einmalige Zahlung von € 2.000,00 erhalten; dies als Beitrag zu den Behandlungskosten für den erkrankten Ehemann der Beschwerdeführerin. Im Dezember 2014 hat die Beschwerdeführerin von ihrem Schwiegersohn – als Weihnachtsgeschenk – etwa US-$ 300,00 erhalten und als Geburtstagsgeschenk im Mai 2015 ca. US-$ 450,00. Regelmäßige Zahlungen an die (zu diesem Zeitpunkt im Irak aufhältige) Beschwerdeführerin durch ihren Schwiegersohn sind in den Jahren 2014 bis Juni 2017 nicht erfolgt.
Seit sich die Beschwerdeführerin wieder durchgehend im Bundesgebiet aufhält (Juli 2017) wird sie von ihrem Schwiegersohn mit einem Betrag von ca. € 200,00 im Monat im Wesentlichen zum Kauf von Lebensmittel unterstützt, wobei es sich hierbei um einen Durchschnittswert handelt. Dieser Betrag wird der Beschwerdeführerin aber nicht unmittelbar überwiesen, sondern es tätigt die Tochter der Beschwerdeführerin zunächst die Lebensmitteleinkäufe; danach werden die Kosten für diese Einkäufe vom Schwiegersohn der Beschwerdeführerin auf das Konto der Tochter der Beschwerdeführerin überwiesen. Überdies wird die Beschwerdeführerin gelegentlich von ihrem Schwiegersohn zum Essen in Restaurants eingeladen, im Falle von gemeinsamen Essen im Haushalt ihrer Tochter und ihres Schwiegersohnes werden auch die Kosten für die hiebei verwendeten Lebensmittel vom Schwiegersohn der Beschwerdeführerin übernommen.
Größere Zahlungen – etwa im vierstelligen Bereich – hat C. D. an die Beschwerdeführerin seit ihrem Aufenthalt im Bundesgebiet beginnend mit Juli 2017 nicht geleistet.
III. Beweiswürdigung:
1. Das Verwaltungsgericht Wien hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt, Würdigung des Beschwerdevorbringens und der von der Beschwerdeführerin vorgelegten Unterlagen. Überdies hat das Verwaltungsgericht Wien in den Akt des Bundesverwaltungsgerichtes betreffend das dort anhängige Verfahren der Beschwerdeführerin Einsicht genommen und die maßgeblichen Aktenteile in Kopie zum Akt genommen. Ferner wurde in die Niederlassungsakten betreffend die Tochter und den Schwiegersohn der Beschwerdeführerin Einsicht genommen.
Schließlich hat das Verwaltungsgericht Wien zur Abklärung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes am 15. März 2019 eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, in deren Rahmen die Beschwerdeführerin als Partei und Herr C. D. sowie Frau F. G. als Zeugen einvernommen wurden.
2. Die Feststellungen zum Verfahrensgang, zu den persönlichen Daten der Beschwerdeführerin und zu ihrem bisherigen Aufenthaltstitel ergeben sich aus der Aktenlage. Dies gilt auch für die Anmeldebescheinigung des Schwiegersohnes der Beschwerdeführerin.
Die Feststellungen zu den Aufenthaltszeiten der Beschwerdeführerin in Österreich und im Irak ergeben sich aus der glaubwürdigen Aussage der Beschwerdeführerin im Zuge der mündlichen Verhandlung, die im Wesentlichen auch mit ihrer Stellungnahme an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vom 21. November 2017 übereinstimmen; dies gilt auch für die Feststellungen zur Berufstätigkeit der Beschwerdeführerin im Irak und im Hinblick auf die Höhe des von der Beschwerdeführerin im Irak bezogenen Einkommens. Die Feststellungen zu den Ersparnissen der Beschwerdeführerin ergeben sich aus dem vorgelegten Sparbuch.
Im Hinblick auf jene Leistungen, die die Beschwerdeführerin von ihrem Schwiegersohn im Irak erhalten hat (einmalige Zahlungen von € 2.000,00, $ 350,00 und $ 450,00) geht das Verwaltungsgericht Wien von den übereinstimmenden und glaubwürdigen Angaben der Beschwerdeführerin und der beiden Zeugen in der mündlichen Verhandlung aus. Dies gilt auch für die Feststellungen, wie und in welcher Höhe die Beschwerdeführerin von ihrem Schwiegersohn seit Juli 2017 finanziell unterstützt wird; dies wird auch durch die vorgelegten Kontoauszüge der Tochter der Beschwerdeführerin im Zuge der mündlichen Verhandlung entsprechend untermauert. Die Feststellungen zum Bezug und zur Höhe ihrer irakischen Pension in Österreich ergeben sich für das Verwaltungsgericht Wien aus den Angaben der Beschwerdeführerin und den vorgelegten Überweisungsbelegen; die entsprechenden Angaben stimmen auch mit den Angaben der Beschwerdeführerin vor der belangten Behörde (AS 48 des Behördenaktes) überein.
IV. Rechtsgrundlagen:
1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes, BGBl. I 100/2005, lauten:
„Aufenthaltsrecht für Angehörige von EWR-Bürgern
§ 52. (1) Auf Grund der Freizügigkeitsrichtlinie sind EWR-Bürger, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern (§§ 51 und 53a) sind, zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt, wenn sie
1.Ehegatte oder eingetragener Partner sind;
2. Verwandter des EWR-Bürgers, seines Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader absteigender Linie bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres und darüber hinaus sind, sofern ihnen von diesen Unterhalt tatsächlich gewährt wird;
3. Verwandter des EWR-Bürgers, seines Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader aufsteigender Linie sind, sofern ihnen von diesen Unterhalt tatsächlich gewährt wird;
4. Lebenspartner sind, der das Bestehen einer dauerhaften Beziehung nachweist, oder
5. sonstige Angehörige des EWR-Bürgers sind,
a) die vom EWR-Bürger bereits im Herkunftsstaat Unterhalt tatsächlich bezogen haben,
b) die mit dem EWR-Bürger bereits im Herkunftsstaat in häuslicher Gemeinschaft gelebt haben, oder
c) bei denen schwerwiegende gesundheitliche Gründe die persönliche Pflege zwingend erforderlich machen.
(2) Der Tod des zusammenführenden EWR-Bürgers, sein nicht bloß vorübergehender Wegzug aus dem Bundesgebiet, die Scheidung oder Aufhebung der Ehe sowie die Auflösung der eingetragenen Partnerschaft mit ihm berühren nicht das Aufenthaltsrecht seiner Angehörigen gemäß Abs. 1.
[…]
Aufenthaltskarten für Angehörige eines EWR-Bürgers
§ 54. (1) Drittstaatsangehörige, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern (§ 51) sind und die in § 52 Abs. 1 Z 1 bis 3 genannten Voraussetzungen erfüllen, sind zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt. Ihnen ist auf Antrag eine Aufenthaltskarte für die Dauer von fünf Jahren oder für die geplante kürzere Aufenthaltsdauer auszustellen. Dieser Antrag ist innerhalb von vier Monaten ab Einreise zu stellen. § 1 Abs. 2 Z 1 gilt nicht.
(2) Zum Nachweis des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts sind ein gültiger Personalausweis oder Reisepass, die Anmeldebescheinigung oder die Bescheinigung des Daueraufenthalts des zusammenführenden EWR-Bürgers sowie folgende Nachweise vorzulegen:
1. nach § 52 Abs. 1 Z 1: ein urkundlicher Nachweis des Bestehens der Ehe oder eingetragenen Partnerschaft;
2. nach § 52 Abs. 1 Z 2 und 3: ein urkundlicher Nachweis über das Bestehen einer familiären Beziehung sowie bei Kindern über 21 Jahren und Verwandten des EWR-Bürgers, seines Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader aufsteigender Linie ein Nachweis über die tatsächliche Unterhaltsgewährung.
(3) Das Aufenthaltsrecht der Angehörigen gemäß Abs. 1 bleibt trotz Tod des EWR-Bürgers erhalten, wenn sie sich vor dem Tod des EWR-Bürgers mindestens ein Jahr als seine Angehörigen im Bundesgebiet aufgehalten haben und nachweisen, dass sie die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Z 1 bis 2 erfüllen.
(4) Das Aufenthaltsrecht von minderjährigen Kindern eines unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgers, die Drittstaatsangehörige sind, bleibt auch nach dem Tod oder nicht bloß vorübergehenden Wegzug des EWR-Bürgers bis zum Abschluss der Schulausbildung an einer öffentlichen Schule oder einer rechtlich anerkannten Privatschule erhalten. Dies gilt auch für den Elternteil, der Drittstaatsangehöriger ist, sofern dieser die Obsorge für die minderjährigen Kinder tatsächlich wahrnimmt.
(5) Das Aufenthaltsrecht der Ehegatten oder eingetragenen Partner, die Drittstaatsangehörige sind, bleibt bei Scheidung oder Aufhebung der Ehe oder Auflösung der eingetragenen Partnerschaft erhalten, wenn sie nachweisen, dass sie die für EWR-Bürger geltenden Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Z 1 oder 2 erfüllen und
1. die Ehe bis zur Einleitung des gerichtlichen Scheidungs- oder Aufhebungsverfahrens mindestens drei Jahre bestanden hat, davon mindestens ein Jahr im Bundesgebiet;
2. die eingetragene Partnerschaft bis zur Einleitung des gerichtlichen Auflösungsverfahrens mindestens drei Jahre bestanden hat, davon mindestens ein Jahr im Bundesgebiet;
3. ihnen die alleinige Obsorge für die Kinder des EWR-Bürgers übertragen wird;
4. es zur Vermeidung einer besonderen Härte erforderlich ist, insbesondere weil dem Ehegatten oder eingetragenem Partner wegen der Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Interessen ein Festhalten an der Ehe oder eingetragenen Partnerschaft nicht zugemutet werden kann, oder
5. ihnen das Recht auf persönlichen Umgang mit dem minderjährigen Kind zugesprochen wird, sofern das Pflegschaftsgericht zur Auffassung gelangt ist, dass der Umgang – solange er für nötig erachtet wird – ausschließlich im Bundesgebiet erfolgen darf.
(6) Der Angehörige hat diese Umstände, wie insbesondere den Tod oder Wegzug des zusammenführenden EWR-Bürgers, die Scheidung der Ehe oder die Auflösung der eingetragenen Partnerschaft, der Behörde unverzüglich, bekannt zu geben.
(7) Liegt eine Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30), eine Zwangsehe oder Zwangspartnerschaft (§ 30a) oder eine Vortäuschung eines Abstammungsverhältnisses oder einer familiären Beziehung zu einem unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürger vor, ist ein Antrag gemäß Abs. 1 zurückzuweisen und die Zurückweisung mit der Feststellung zu verbinden, dass der Antragsteller nicht in den Anwendungsbereich des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts fällt.
[…]
Nichtbestehen, Fortbestand und Überprüfung des Aufenthaltsrechts für mehr als drei Monate
§ 55. (1) EWR-Bürgern und ihren Angehörigen kommt das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52, 53 und 54 zu, solange die dort genannten Voraussetzungen erfüllt sind.
(2) Der Fortbestand der Voraussetzungen kann bei einer Meldung gemäß §§ 51 Abs. 3 und 54 Abs. 6 oder aus besonderem Anlass wie insbesondere Kenntnis der Behörde vom Tod des unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgers oder einer Scheidung überprüft werden.
(3) Besteht das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52 und 54 nicht, weil eine Gefährdung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit vorliegt, die Nachweise nach § 53 Abs. 2 oder § 54 Abs. 2 nicht erbracht werden oder die Voraussetzungen für dieses Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr vorliegen, hat die Behörde den Betroffenen hievon schriftlich in Kenntnis zu setzen und ihm mitzuteilen, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hinsichtlich einer möglichen Aufenthaltsbeendigung befasst wurde. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist unverzüglich, spätestens jedoch gleichzeitig mit der Mitteilung an den Antragsteller, zu befassen. Dies gilt nicht in einem Fall gemäß § 54 Abs. 7. Während eines Verfahrens zur Aufenthaltsbeendigung ist der Ablauf der Frist gemäß § 8 VwGVG gehemmt.
(4) Unterbleibt eine Aufenthaltsbeendigung (§ 9 BFA-VG), hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dies der Behörde mitzuteilen. Sofern der Betroffene nicht bereits über eine gültige Dokumentation verfügt, hat die Behörde in diesem Fall die Dokumentation des Aufenthaltsrechts unverzüglich vorzunehmen oder dem Betroffenen einen Aufenthaltstitel zu erteilen, wenn dies nach diesem Bundesgesetz vorgesehen ist.
(5) Unterbleibt eine Aufenthaltsbeendigung von Drittstaatsangehörigen, die Angehörige sind, aber die Voraussetzungen nicht mehr erfüllen, ist diesen Angehörigen ein Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ quotenfrei zu erteilen.
(6) Erwächst eine Aufenthaltsbeendigung in Rechtskraft, ist ein nach diesem Bundesgesetz anhängiges Verfahren einzustellen. Das Verfahren ist im Fall der Aufhebung einer Aufenthaltsbeendigung fortzusetzen, wenn nicht neuerlich eine aufenthaltsbeendende Maßnahme gesetzt wird.“
2. Die maßgeblichen Bestimmungen des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I 33/2013, lauten:
„Frist zur Erhebung der Säumnisbeschwerde
§ 8. (1) Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG (Säumnisbeschwerde) kann erst erhoben werden, wenn die Behörde die Sache nicht innerhalb von sechs Monaten, wenn gesetzlich eine kürzere oder längere Entscheidungsfrist vorgesehen ist, innerhalb dieser entschieden hat. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war. Die Beschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.
(2) In die Frist werden nicht eingerechnet:
1. die Zeit, während deren das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung einer Vorfrage ausgesetzt ist;
2. die Zeit eines Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof, vor dem Verfassungsgerichtshof oder vor dem Gerichtshof der Europäischen Union.“
V. Rechtliche Beurteilung:
1. Die Beschwerdeführerin begehrt die Ausstellung einer Aufenthaltskarte gemäß § 54 NAG, wobei sie sich bezüglich ihres Aufenthaltsrechtes auf ihren Schwiegersohn, Herrn C. D., deutscher Staatsangehöriger, stützt. Herr C. D. ist seit dem Jahr 2008 in Österreich aufhältig, seit 2016 berufstätig und hat somit sein Recht auf Freizügigkeit in Anspruch genommen. Aufgrund der Hochzeit mit der Tochter der Beschwerdeführerin im Jahr 2013 ist die Beschwerdeführerin eine Verwandte eines Ehegatten eines EWR-Bürgers in gerader aufsteigender Linie. Im Hinblick auf die Beschwerdeführerin kommt somit der Tatbestand des § 52 Abs. 1 Z 3 iVm § 54 NAG in Betracht. Dieser Tatbestand setzt voraus, dass es sich beim Angehörigen des unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgers um einen Angehörigen in gerader aufsteigender Linie des EWR-Bürgers oder seines Ehegatten handelt, dem von diesem – nämlich dem EWR-Bürger – tatsächlich Unterhalt gewährt wird (vgl. VwGH 12.12.2017, Ra 2015/22/0149). Bei der Beurteilung einer tatsächlichen Unterhaltsgewährung im Sinne des § 52 Abs. 1 Z 3 NAG – der die Bestimmung des Art. 2 Z 2 lit. d der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG, ABl. L 158, 30.4.2004, S 77, umsetzt (vgl. neuerlich VwGH 12.12.2017, Ra 2015/22/0149) – ist von der tatsächlichen Situation auszugehen, die dadurch gekennzeichnet ist, dass der Familienangehörige vom Gemeinschaftsangehörigen, der von der Freizügigkeit Gebrauch gemacht hat, materiell unterstützt wird. Hiebei ist zu berücksichtigen, dass die Unterhaltsleistung dergestalt sein muss, dass für alle erforderlichen wesentlichen Unterhaltsbedürfnisse tatsächlich aufgekommen wird (vgl. VwGH 13.11.2007, 2007/18/0558; 21.9.2017, Ra 2017/22/0079). Deckt ein Drittstaatsangehöriger seine finanziellen Bedürfnisse vorwiegend aus eigenen Mitteln, kann nicht die Rede davon sein, dass alle wesentlichen Unterhaltsbedürfnisse von dem Unionsbürger getragen werden (vgl. neuerlich 21.9.2017, Ra 2017/22/0079; vgl. auch 16.3.2016, Ra 2015/10/0022, wonach es notwendig ist, dass der Fremde auf Grund seiner sozialen und wirtschaftlichen Situation nicht in der Lage ist für die Deckung einer Grundbedürfnisse aufzukommen und daher vom freizügigkeitsberechtigten Unionsbürger abhängig ist). Für den Nachweis zu Art, Umfang und Zeitraum des geleisteten Unterhalts können alle sonst im Verwaltungsverfahren in Betracht kommenden Beweismittel verwertet werden (vgl. zu § 47 NAG und dem Nachweis in der Vergangenheit erbrachter Unterhaltsleistungen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 17.11.2015, Ro 2015/22/0005).
Eine gesetzliche Voraussetzung, um der Beschwerdeführerin eine Aufenthaltskarte auszustellen, ist, dass ihr von ihrem Schwiegersohn C. D. tatsächlich Unterhalt (im Sinne der dargelegten Grundsätze) gewährt worden wäre. Dies ist aber nicht der Fall.
Die Beschwerdeführerin hat von ihrem Schwiegersohn – wie sich aus den Feststellungen ergibt – zu keinem Zeitpunkt (weder im Herkunftsstaat noch während des Zeitraums ihres Aufenthalts im Bundesgebiet seit Juli 2017) entsprechende Unterhaltsleistungen bezogen: Die Beschwerdeführerin hat von ihrem Schwiegersohn lediglich im Jahr 2014 eine einmalige Geldleistung erhalten, sowie im selben Jahr aus Anlass des Weihnachtsfestes im Jahr davor und zu ihrem Geburtstag weitere Geldgeschenke bekommen. Ferner hat die Beschwerdeführerin im Irak eine Pension von etwa € 1.600,00 pro Monat bezogen, womit sie auch in der Lage war, ihrer wesentlichen Unterhaltsbedürfnisse zu decken. Im Hinblick auf die in Österreich bezogenen Leistungen in Höhe von etwa € 200,00 pro Monat ist auszuführen, dass ein Betrag in dieser Höhe bei den in Österreich gegebenen Lebensverhältnissen nicht dazu ausreicht, um alle wesentlichen Unterhaltsbedürfnisse zu bestreiten (vgl. zu einer Unterhaltsleistung in Höhe von € 200,00 auch VwGH 13.11.2007, 2007/18/0558). Dass dies der Fall wäre, wurde im Übrigen von der Beschwerdeführerin – im Hinblick auf ihr Sparguthaben und ihre aus dem Irak bezogene Pension – auch zu keinem Zeitpunkt behauptet.
Im vorliegenden Fall ist daher davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin die Voraussetzungen des § 52 Abs. 1 Z 3 NAG nicht erfüllt. Es mangelt nämlich sowohl im Herkunftsstaat als auch zu einem späteren Zeitpunkt an entsprechenden tatsächlichen Unterhaltsleistungen durch ihren Schwiegersohn, die alle erforderlichen Unterhaltsbedürfnisse decken.
2. Kommt die Aufenthaltsbehörde bei der Prüfung der Frage, ob eine Dokumentation des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechtes gemäß dem 4. Hauptstück des NAG auszustellen ist, zum Ergebnis, dass die Voraussetzungen für das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr vorliegen (könnten), so hat sie nach § 55 Abs. 3 NAG vorzugehen und die dort vorgesehenen Verfahrensschritte (Verständigung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl mit der Bitte um Überprüfung der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und Verständigung der betroffenen Person) zu setzen (vgl. VwGH 18.4.2018, Ra 2018/22/0063; 18.6.2013, 2012/18/0005; vgl. auch die Materialien zur Novelle BGBl I 145/2017 [Erläut IA 2285/A BglNR 25. GP 41], wonach auch in jenen Fällen, in denen die Voraussetzungen für ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht von Anfang an nicht vorgelegen haben, nach § 55 Abs. 3 NAG vorzugehen ist). Während eines Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme ist die Frist des § 8 VwGVG gehemmt. Das BFA hat sodann endgültig zu beurteilen, ob die Voraussetzungen für das Bestehen eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechtes gegeben sind und ob eine Aufenthaltsbeendigung zu erlassen ist (vgl. VwGH 17.11.2011, 2009/21/0378).
2.1. Im vorliegenden Fall war allerdings in jenem Zeitpunkt, in dem die belangte Behörde an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl herangetreten ist, bereits ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeenden Maßnahme hinsichtlich der Beschwerdeführerin anhängig; die belangte Behörde konnte daher kein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme hinsichtlich der Beschwerdeführerin beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl „anhängig machen“. Das Verwaltungsgericht Wien kommt aufgrund folgender Erwägungen dennoch zum Ergebnis, dass im vorliegenden Fall eine Hemmung der Entscheidungsfrist des § 8 VwGVG gemäß § 55 Abs. 3 letzter Satz NAG eingetreten ist:
Eingangs ist zu erwähnen, dass das von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15.12.2015, Ra 2015/22/0078, nach Auffassung des Verwaltungsgerichtes Wien auf den vorliegenden Fall nicht unmittelbar zu übertragen ist, weil – worauf der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis auch ausdrücklich hinweist – § 55 Abs. 3 NAG in der Fassung vor der Novelle BGBl. I 70/2015 eine dem § 25 nachgebildete Hemmung der Entscheidungsfrist nicht vorgesehen hat. Insoweit unterscheidet sich aber die Rechtslage, die dem erwähnten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes zu Grunde gelegen ist, in einem wesentlichen Punkt von jener Fassung des § 55 Abs. 3 NAG, die im vorliegenden Fall heranzuziehen ist.
§ 55 Abs. 3 letzter Satz NAG wurde mit der Novelle BGBl. I 70/2015 in das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz eingefügt. Aus den Materialien zu dieser Novelle (ErläutRV 582 BglNR 25. GP 30) ergibt sich, dass die Änderung des § 55 Abs. 3 dem § 25 Abs. 1 NAG nachgebildet ist, weshalb nach Auffassung des Verwaltungsgerichtes Wien bei der Beurteilung der Zulässigkeit der gegenständlichen Säumnisbeschwerde auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 25 Abs. 1 NAG zurückgegriffen werden kann.
Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seiner Rechtsprechung zu § 25 NAG bereits wiederholt mit der Frage befasst, wie seitens der Niederlassungsbehörde vorzugehen ist, wenn es dieser nicht möglich ist ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme zu initiieren, weil ein solches in jenem Zeitpunkt, an dem die Niederlassungsbehörde an die Fremdenpolizeibehörde (nunmehr das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl) herantritt, bereits anhängig ist. Diesfalls kann die Niederlassungsbehörde die Fristhemmung des § 25 Abs. 1 NAG dadurch auslösen, dass sie einen weiteren – der Veranlassung sinngemäß entsprechenden – Akt (etwa durch einen Aktenvermerk in Verbindung mit einer entsprechenden Mitteilung an den Antragsteller oder das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl) setzt (vgl. VwGH 9.7.2009, 2009/22/0149; 6.8.2009, 2008/22/0449).
2.3 Legt man diese Überlegungen auf den vorliegenden Fall um, ergibt sich Folgendes: Die belangte Behörde hat, nachdem sie zur Auffassung gelangt ist, dass im Hinblick auf die Beschwerdeführerin die Voraussetzungen für das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht vorliegen, einen der Veranlassung eines Verfahrens gemäß § 55 Abs. 3 NAG entsprechenden Akt gesetzt, indem sie mit den beiden Schreiben vom 22. Februar 2018 sowohl an das Bundesamt für fremdenwesen und Asyl als auch an die Beschwerdeführerin herangetreten ist. Durch diese Maßnahme hat die belangte Behörde eine Fristhemmung im Sinne des § 55 Abs. 3 NAG ausgelöst, die spätestens am 26. Februar 2018 – dem Zeitpunkt der Zustellung der Verständigung an die Beschwerdeführerin – eingetreten ist und im Zeitpunkt der Einbringung der Säumnisbeschwerde infolge des anhängigen Beschwerdeverfahrens beim Bundesverwaltungsgericht noch angedauert hat.
Da somit die sechsmonatige Entscheidungsfrist des § 8 VwGVG im Zeitpunkt der Einbringung der vorliegenden Säumnisbeschwerde (vgl. zur Frage des maßgeblichen Zeitpunktes bei der Beurteilung der Zulässigkeit einer Säumnisbeschwerde: VwGH 27.6.2017, Ro 2017/12/0002) gehemmt war, erweist sich die vorliegende Säumnisbeschwerde als unzulässig. Sie war daher zurückzuweisen.
3. Die ordentliche Revision ist zulässig, weil im vorliegenden Fall eine Rechtsfrage zu beurteilen war, der nach Auffassung des Verwaltungsgerichtes Wien grundsätzliche Bedeutung zukommt: Es fehlt – soweit für das Verwaltungsgericht Wien überblickbar – nämlich an Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, ob durch Setzung eines der Veranlassung eines Verfahrens gemäß § 55 Abs. 3 NAG entsprechenden Aktes durch die Niederlassungsbehörde eine Fristhemmung herbeigeführt werden kann, sofern ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (bzw. im Rechtsmittelweg beim Bundesverwaltungsgericht) anhängig ist. Diese Frage stellt auch keine bloße Wertungsfrage im Einzelfall dar; ebensowenig lässt sich die Frage eindeutig aus dem Gesetzeswortlaut beantworten.
Schlagworte
Unionsrechtliches Aufenthaltsrecht; Dokumentation; Aufenthaltskarte; Unterhaltsleistung; Entscheidungsfrist; Säumnisbeschwerde; Fristenhemmung; anhängiges VerfahrenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2019:VGW.151.019.9846.2018Zuletzt aktualisiert am
29.04.2019