TE Bvwg Erkenntnis 2019/2/18 W112 2155154-6

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Veröffentlicht am 18.02.2019
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Entscheidungsdatum

18.02.2019

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §29 Abs5

Spruch

W112 2155154-6/14E

Gekürzte Ausfertigung des am 17.12.2018 mündlich verkündeten Erkenntnisses

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Elke DANNER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX alias XXXX alias XXXX , geb. XXXX alias XXXX , StA. Algerien alias Marokko alias Westsahara alias Tunesien, gegen die Anhaltung in Schubhaft zu Recht erkannt:

A) Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt

der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Mit Erkenntnis vom 19.11.2018 stellte das Bundesverwaltungsgericht fest, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Beschwerde gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG, § 76 Abs. 2 Z 2, Abs. 3 Z 1 FPG vorlagen.

Am 13.12.2018 legte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt) den verwaltungsbehördlichen Schubhaftakt und die Stellungnahme vom 14.11.2018 vor.

Am 17.12.2018 fand die hg. mündliche Verhandlung statt, an der das Bundesamt nicht teilnahm; in der Einvernahme erstattete der Sachverständige für Psychiatrie und Neurologie ein Gutachten zum psychischen Gesundheitszustand des Beschwerdeführers.

Keine der Parteien stellte einen Antrag auf schriftliche Ausfertigung des am 17.12.2018 mündlich verkündeten Erkenntnisses.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Feststellungen:

Der volljährige Beschwerdeführer war nicht österreichischer Staatsangehöriger oder Unionsbürger und verfügte über keine Aufenthaltsberechtigung für Österreich oder in einem anderen Mitgliedsstaat der EU. Seine Identität konnte nicht festgestellt werden.

Der Beschwerdeführer war 2009 in XXXX ; im Übrigen konnte sein Aufenthalt bis zur ersten Asylantragstellung in Österreich nicht festgestellt werden.

Der Beschwerdeführer stellte am 04.08.2015 seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Mit Bescheid vom 03.02.2016 wies das Bundesamt diesen ab, erkannte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel zu, erließ eine Rückkehrentscheidung gegen ihn, stellte fest, dass seine Abschiebung in die Westsahara zulässig war, erließ ein auf VIER Jahre befristetes Einreiseverbot gegen ihn und erkannte der Beschwerde die aufschiebende Wirkung ab. Der Bescheid erwuchs infolge verspäteter Beschwerdeerhebung in Rechtskraft.

Am 20.07.2017 stellte der Beschwerdeführer aus dem Stande der Schubhaft seinen zweiten Antrag auf internationalen Schutz unter einer anderen Identität als im ersten Verfahren. Während dieses Verfahrens reiste er in XXXX weiter, wo er einen weiteren Asylantrag stellte; das Verfahren in Österreich war eingestellt worden; es wurde nach der Rücküberstellung des Beschwerdeführers nach Österreich fortgesetzt und der Antrag mit Bescheid vom 26.02.2018, ihm zugestellt am selben Tag, abgewiesen. Das Bundesamt erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel, stellte fest, dass seine Abschiebung nach MAROKKO zulässig war und erkannte der Beschwerde die aufschiebende Wirkung ab. Der Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

Der Beschwerdeführer stellte am 03.08.2018, wieder aus dem Stande der Schubhaft, seinen dritten Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Mit mündlich verkündetem Bescheid erkannte ihm das Bundesamt den faktische Abschiebeschutz ab. Mit Beschluss vom 14.08.2018, dem Beschwerdeführer zugestellt am 16.08.2018, stellte das Bundesverwaltungsgericht fest, dass die Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes rechtmäßig war.

Mit Urteil vom 04.12.2015 wurde der Beschwerdeführer wegen XXXX , XXXX , XXXX , XXXX und XXXX als junger Erwachsener zu einer Freiheitsstrafe von XXXX MONATEN, davon XXXX MONATE bedingt auf eine Probezeit von XXXX Jahren, verurteilt. Mit Urteil vom 29.06.2016 wurde er wegen XXXX und versuchten XXXX , begangen während offener Probezeit als junger Erwachsener zu einer Freiheitsstrafe von XXXX MONATEN verurteilt. Mit Urteil vom 12.09.2016 wurde er während aufrechter Haft wegen versuchten XXXX zu einer Zusatzfreiheitsstrafe von XXXX verurteilt. Mit Urteil 26.02.2018 wurde er wegen XXXX zu einer Freiheitsstrafe von XXXX MONATEN verurteilt - die Tat beging er erneut während offener Probezeit.

Nach der ersten Asylantragstellung war der Beschwerdeführer XXXX TAGE im XXXX am XXXX , danach bis zu seiner ersten Festnahme in der XXXX untergebracht. Nach der ersten Haftentlassung war der Beschwerdeführer bis zur Rücküberstellung aus XXXX außerhalb von Haftanstalten unbekannten Aufenthalts. Er wurde am 09.01.2018 aus XXXX rücküberstellt und in die Grundversorgung in XXXX aufgenommen. Ab 16.01.2018 war er in XXXX gemeldet. Ab 06.03.2018 war er bis zu seiner Inschubhaftnahme unbekannten Aufenthalts; am 23.03.2018 wurde sein Wohnsitz abgemeldet.

Der Beschwerdeführer verfügte über ein soziales Netz im Bundesgebiet, das ihm bisher einen Aufenthalt im Verborgenen ermöglicht hatte und im Falle der Haftentlassung wieder ermöglicht hätte. Er hatte keine Familie im Bundesgebiet. Er war nie legal erwerbstätig und verfügte über keinen festen Wohnsitz.

Der Beschwerdeführer brachte zu keinem Zeitpunkt Dokumente in Vorlage und machte keine gleichbleibenden Angaben zu seiner Identität. Er war betreffend seinen Herkunftsstaat nicht ausreisewillig und hätte sich auf freien Fuß der Abschiebung durch Weiterreise in einem anderen europäischen Staat entzogen.

Mit Bescheid vom XXXX wurde die Schubhaft über den Beschwerdeführer zur Sicherung der Abschiebung verhängt. Das Bundesverwaltungsgericht wies die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde mit Erkenntnis vom 14.06.2018 ab; es stellte fest, dass die weitere Anhaltung in Schubhaft verhältnismäßig war. Mit Erkenntnissen vom 20.09.2018, 19.10.2018 und 19.11.2018 stellte das Bundesverwaltungsgericht fest, dass die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft verhältnismäßig war und die Voraussetzungen für die weitere Anhaltung in Schubhaft vorlagen.

Am 23.07.2017 versuchte der Beschwerdeführer aus dem Anhaltezentrum XXXX auszubrechen. Am 03.06.2018 nähte er sich XXXX - und XXXX zusammen. Am 05.06.2018 zerstörte er einen XXXX und drohte, sich mit dem XXXX aufzuschneiden. Am 06.06.2018 drohte er, sich mit einer XXXX aufzuschneiden. Am 10.06.2018 trat und schlug er gegen die Zellentüre, kletterte an die Decke, verspreizte sich dort und versuchte XXXX zu zerstören, danach drehte er sich XXXX und legte ihn XXXX . Am 10.06.2018 wandte er sich mit den Worten " XXXX ." an die Exekutivorgane. Am 23.08.2018 wandte er sich mit " XXXX " an ein Exekutivorgan und zeigte ihm " XXXX ". Er trat XXXX Mal in den Hungerstreik.

Das Bundesamt führte mehrere Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für den Beschwerdeführer. Sowohl die ALGERISCHEN als auch die TUNESISCHEN Behörden überprüften die Identität des Beschwerdeführers und kamen zu einem negativen Identifizierungsergebnis (ALGERIEN 10.04.2017, TUNESIEN 06.06.2017). Am 23.02.2017 stellte das Bundsamt ein Antrag an die Botschaft des KÖNIGREICHS MAROKKO; seitdem urgierte es wiederholt schriftlich und bei mehreren Treffen auch mündlich. Schriftliche Urgenzen erfolgten regelmäßig - zuletzt am 13.08.2018 und am 08.10.2018. Am 10.12.2018 erfolgte als Follow-up eines hochrangigen Treffens, bei dem eine rasche Abarbeitung der offenen Schubhaftfälle vereinbart wurde, eine Sonderurgenz. Mit der Ausstellung des Heimreisezertifikates war daher mit hinreichender Sicherheit zu rechnen.

Der Beschwerdeführer war haftfähig. Er war, abgesehen von XXXX , physisch gesund. Er litt an einer XXXX und XXXX in Zusammenhang mit einer XXXX . Er war nicht suizidgefährdet, die Erkrankung wurde in der Haft behandelt. Die in der Haft gesetzten Maßnahmen setzte der Beschwerdeführer wissentlich, allerdings fielen sie aufgrund der XXXX intensiver aus.

Er wurde seit XXXX in Schubhaft angehalten und befand sich im Entscheidungszeitpunkt auf Grund des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts vom 19.11.2018 in Schubhaft, die im Polizeianhaltezentrum XXXX vollzogen wurde.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergaben sich aus der hg. mündlichen Verhandlung am 17.12.2018, den beigeschafften Verwaltungsakten der Asyl- und Schubhaftverfahren, den Gerichtsakten der Schubhaft- und Asylverfahren, Auskünften aus dem ZMR, IZR, SIS, Strafregister und der Anhaltedatei sowie dem amtsärztlichen Gutachten und der Stellungnahme der Direktion des Bundesamtes bezüglich des Verfahrens zur Ausstellung eines Heimreisezertifikates.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Fortsetzungsausspruch

Der Beschwerdeführer befand sich seit XXXX in Schubhaft und wurde im Entscheidungszeitpunkt auf Grund des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts vom 19.11.2018 zur Sicherung der Abschiebung gemäß § 76 Abs. 1, Abs. 2 Z 2 FPG in Schubhaft angehalten; das Gericht hatte daher gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG die Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft zu überprüfuen.

Im Fall des Beschwerdeführers lag Fluchtgefahr gemäß § 76 Abs. 3 Z 3 FPG auf Grund des Entziehens aus dem Asylverfahren durch Untertauchen im Bundesgebiet und die Weiterreise in XXXX vor. Es lag auch Fluchtgefahr gemäß § 76 Abs. 3 Z 9 FPG mangels sozialer Bindungen im Bundesgebiet, die gegen ein Untertauchen des Beschwerdeführers gesprochen hätten, vor. Durch die Angabe von verschiedenen Identitäten, Untertauchen, Hungerstreiks und sein sonstiges Verhalten in Schubhaft und den Ausbruchsversuch in XXXX versuchte er die Abschiebung iSd § 76 Abs. 3 Z 1 FPG zu verhindern. Es bestand auch Fluchtgefahr gemäß § 76 Abs. 3 Z 5 FPG, da der Beschwerdeführer zwei Anträge auf internationalen Schutz aus dem Stande der Schubhaft bei Vorliegen einer durchführbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt hatte, wie auch gemäß § 76 Abs. 3 Z 4 FPG, weil dem dritten Antrag der faktische Abschiebeschutz aberkannt worden war.

Infolge der wiederholten Tatbegehung während der Probezeit, dem Verhalten in Schubhaft sowie der Weiterreise in XXXX während des laufenden zweiten Asylverfahrens konnte auf Grund der erheblichen Fluchtgefahr mit der Anwendung gelinderer Mittel nicht das Auslangen gefunden werden.

Die Anhaltung in Schubhaft war auch vor dem Hintergrund, dass eine durchführbare Rückkehrentscheidung vorlag (§ 76 Abs. 3 Z 3 FPG), und der erheblichen Straffälligkeit des Beschwerdeführers (§ 76 Abs. 2a FPG) verhältnismäßig; anderes ergab sich auch nicht aus dem Gesundheitszustand des Beschwerdeführers.

Mit der der Durchführung der Abschiebung innerhalb der Schubhafthöchstdauer war auf Grund des konsequent geführten Verfahrens zur Erlangung eines Heimreisezertifikates mit hinreichender Sicherheit zu rechnen.

Auch die über sechs Monate dauernde Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft war daher auf Grund des Vorverhaltens des Beschwerdeführers, der erheblichen Fluchtgefahr und der effizienten Verfahrensführung sowie auf Grund des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers verhältnismäßig und gemäß § 80 Abs. 4 Z 1 und 4 FPG rechtmäßig.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision war gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, die Rechtslage gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG und § 80 Abs. 4 FPG gemäß VwGH 30.08.2018, Ra 2018/21/0111, 11.05.2017, Ra 2016/21/0144, 26.01.2017, Ra 2016/21/0348, geklärt.

Begründung der gekürzten Ausfertigung

Gemäß § 29 Abs. 5 VwGVG kann das Erkenntnis in gekürzter Form ausgefertigt werden, wenn von den Parteien auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof verzichtet oder nicht binnen zwei Wochen nach Ausfolgung bzw. Zustellung der Niederschrift gemäß Abs. 2a eine Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß Abs. 4 von mindestens einem der hiezu Berechtigten beantragt wird. Die gekürzte Ausfertigung hat den Spruch sowie einen Hinweis auf den Verzicht oder darauf, dass eine Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß Abs. 4 nicht beantragt wurde, zu enthalten.

Diese gekürzte Ausfertigung des nach Schluss der mündlichen Verhandlung am 17.12.2018 verkündeten Erkenntnisses ergeht gemäß § 29 Abs. 5 VwGVG, da ein Antrag auf Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß § 29 Abs. 4 VwGVG durch die hiezu Berechtigten innerhalb der zweiwöchigen Frist nicht gestellt wurde.

Schlagworte

Fluchtgefahr, Fortsetzung der Schubhaft, Identität, Schubhaft,
Sicherungsbedarf, strafrechtliche Verurteilung, Überprüfung,
Verhältnismäßigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W112.2155154.6.00

Zuletzt aktualisiert am

29.04.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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