TE Bvwg Erkenntnis 2019/2/19 W112 2196848-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.02.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

19.02.2019

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §29 Abs5

Spruch

W112 2196848-2/12E

Gekürzte Ausfertigung des am 03.07.2018 mündlich verkündeten Erkenntnisses

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Elke DANNER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA MAROKKO, gegen die Anhaltung in Schubhaft zu Recht erkannt:

A) Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt

der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Mit Erkenntnis vom 05.06.2018 stellte das Bundesverwaltungsgericht fest, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG vorlagen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft zum Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig war.

Mit Eingabe vom 21.06.2018 legte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt) den verwaltungsbehördlichen Schubhaftakt vor und erstattete eine Stellungnahme.

Am 03.07.2018 fand die hg. mündliche Verhandlung statt, an der das Bundesamt nicht teilnahm.

Keine der Parteien stellte einen Antrag auf schriftliche Ausfertigung des am 03.07.2018 mündlich verkündeten Erkenntnisses.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Feststellungen:

Der volljährige Beschwerdeführer war nicht österreichischer Staatsbürger oder Unionsbürger und verfügte über keine Aufenthaltsberechtigung für Österreich oder in einem anderen Mitgliedsstaat der EU; obwohl er sich seit 1998 im Gebiet der Mitgliedsstaaten aufhielt.

Der Beschwerdeführer reiste nach zweimaliger Zurückweisung beim versuchten Grenzübertritt von XXXX nach Österreich ein. Er stellte seinen Antrag auf internationalen Schutz am 08.05.2007 im Stande der Festnahme als Minderjähriger unter Angabe eines um XXXX Jahre falschen Geburtsdatums, falscher Staatsangehörigkeit und falscher Identität. Der Antrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 11.07.2007 zurückgewiesen, der Beschwerdeführer nach XXXX ausgewiesen und am 03.09.2007 nach XXXX überstellt.

Der Beschwerdeführer befreite sich aus der am XXXX verhängten Schubhaft durch Herbeiführung seiner Haftunfähigkeit durch Hungerstreik. Er verletzte sich während der am XXXX verhängten Schubhaft selbst, gab Selbstmordabsichten an und brach aus der Psychiatrie, in der er untergebracht war, durch Ausbrechen eines gekippten Fensters aus. Er trat auch in der am XXXX verhängten Schubhaft in Hungerstreik und musste im Spital behandelt werden.

Der Beschwerdeführer reiste nach Überstellung nach XXXX am 15.09.2007 erneut ins Bundesgebiet ein und wurde nach XXXX zurückgeschoben. Er reiste danach erneut ins Bundesgebiet ein und wurde am XXXX festgenommen. Er wurde mit Urteilen vom 13.11.2007, 25.03.2008, 22.03.2010, 13.08.2014 und 02.05.2016 wegen Suchtmittel- und Eigentumsdelikten zu Freiheitsstrafen von XXXX Monaten, XXXX , XXXX Monaten, XXXX Monaten und XXXX Jahren verurteilt.

Dem Beschwerdeführer wurde 10 Tage nach der Aufnahme in die Grundversorgung diese aus disziplinären Gründen wieder aberkannt. Danach verfügte er über keinen gemeldeten Wohnsitz mehr außerhalb von Haftanstalten - insbesondere in den 3,5 Jahren zwischen der dritten und vierten Verurteilung. Er reiste mehrfach zwischen Österreich und XXXX hin und her, verließ das Gebiet der Mitgliedsstaaten aber nicht. Er verfügte nur zwei Tage lang über eine Obdachlosenmeldung; er war unbekannten Aufenthalts im Bundesgebiet.

Während der Anhaltung in Strafhaft wurde mit Bescheid vom 03.04.2008 ein unbefristetes Aufenthaltsverbot gegen den Beschwerdeführer erlassen, das in Rechtskraft erwuchs. Der Beschwerdeführer kam seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach. Das Bundesamt behob das Aufenthaltsverbot mit Bescheid vom 12.11.2015 von Amts wegen und erließ mit Bescheid vom 14.11.2015 eine Rückkehrentscheidung verbunden mit einem zehnjährigen Einreiseverbot gegen den Beschwerdeführer; der Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

Der Beschwerdeführer kam der Rückkehrentscheidung nicht nach und stellte am 15.01.2016 einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz in Österreich unter der im ersten Verfahren verwendeten Identität. Mit Bescheid vom 27.07.2016 wies das Bundesamt diesen ab, erließ eine Rückkehrentscheidung und ein auf 10 Jahre befristetes Einreiseverbot gegen ihn und erkannte der Beschwerde die aufschiebende Wirkung ab. Der Beschwerde wurde vom Bundesverwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt, weshalb die Rückkehrentscheidung daher durchführbar war.

Der Beschwerdeführer brachte keine Dokumente in Vorlage. Es konnte nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer dem Bundesamt seine wahre Identität mitgeteilt hatte.

Österreich führte Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates mit XXXX und XXXX . Der Beschwerdeführer wirkte an der Feststellung seiner Identität nicht mit. Am 06.02.2018 wurde ein Heimreisezertifikatsverfahren mit MAROKKO eingeleitet und in diesem mehrfach urgiert. Am 28.05.2018 wurde der Beschwerdeführer von der Botschaft des Königreichs MAROKKO als XXXX , geb. XXXX , StA MAROKKO identifiziert.

Am 04.06.2018 wurde der Flug für den XXXX gebucht und die eskortierte Abschiebung organisiert. Der Abholtermin für das Heimreisezertifikat sollte am Tag der hg. Entscheidung bekannt gegeben werden.

Der Beschwerdeführer war in Österreich nie legal erwerbstätig und verfügte über keinen festen Wohnsitz. Er hatte Freunde, die ihm bisher einen Aufenthalt im Verborgenen ermöglichten.

Er war nicht bereit nach MAROKKO auszureisen und hätte sich im Falle der Enthaftung durch Untertauchen der Abschiebung entzogen. Die von ihm relevierte Ausreisewilligkeit war nicht glaubhaft. Er war haftfähig und wurde seit XXXX im Polizeianhaltezentrum XXXX angehalten.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergaben sich aus der hg. mündlichen Verhandlung, den beigeschafften Verwaltungsakten der Schubhaftverfahren, den Gerichtsakten der Schubhaftverfahren, Auskünften aus dem ZMR, IZR, SIS, Strafregister und der Anhaltdatei, den Schreiben des Bundesamtes vom 21.06.2018 und vom 29.06.2018 bezüglich des Verfahrens zur Ausstellung eines Heimreisezertifikates sowie aus den medizinischen Unterlagen und der Einvernahme des Amtsarztes in der hg. Verhandlung.

Die Angabe, wonach nicht festgestellt werden konnte, dass der Beschwerdeführer dem Bundesamt seine wahre Identität mitteilte, ergab sich aus der Einlassung des Beschwerdeführers in der hg. Verhandlung,

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Fortsetzungsausspruch

Der Beschwerdeführer befand sich seit XXXX in Schubhaft und wurde im Entscheidungszeitpunkt auf Grund des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts vom 05.06.2018 zur Sicherung der Abschiebung gemäß § 76 Abs. 1, Abs. 2 Z 2 FPG in Schubhaft angehalten; das Gericht hatte daher gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG die Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft zu überprüfen.

Die Voraussetzungen für die Anhaltung in Schubhaft gemäß § 76 Abs. 1, 2 Z 1 FPG lagen weiterhin vor: Der volljährige Beschwerdeführer war MAROKKANISCHER Staatsangehöriger und nicht österreichischer Staatsbürger, sohin Fremder iSd § 76 Abs. 1 FPG. Er verfügte weder über ein Aufenthaltsrecht in Österreich, noch in einem anderen Mitgliedstaat der EU. Der gegen ihn mit Bescheid vom 27.07.2016 erlassenen Rückkehrentscheidung wurde vom Bundesverwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt, weshalb die Rückkehrentscheidung durchführbar war. Der Beschwerdeführer wurde zur Sicherung der Abschiebung in Schubhaft angehalten.

Im Falle des Beschwerdeführers lag erhebliche Fluchtgefahr vor: Er wirkte am Asylverfahren nicht mit (§ 76 Abs. 3 Z 3 FPG), versuchte die Abschiebung durch Hungerstreik, Untertauchen, Ausbruch aus der Psychiatrie und Angabe einer falschen Identität zu vereiteln (§ 76 Abs. 3 Z 1 FPG) und verfügte über keine Bindungen im Bundesgebiet, die gegen die Annahme von Fluchtgefahr gesprochen hätten (§ 76 Abs. 3 Z 9 FPG).

Mit der Verhängung gelinderer Mittel konnte auf Grund der erheblichen Fluchtgefahr und des Vorverhaltens des Beschwerdeführers, insbesondere seiner Vorstrafen, seiner verschiedenen Identitäten, Nichtwirkung am Asylverfahren, dreifachen Einreise nach Zurückschiebung, mehrfacher Einreise nach Abschiebung, Selbstverletzung, Hungerstreik und Ausbruch aus der Psychiatrie sowie seinen Einlassungen in der hg. mündlichen Verhandlung nicht das Auslangen gefunden werden.

Mit der Ausstellung eines Heimreiszertifikates und der Durchführung der Abschiebung am XXXX , sohin innerhalb von vier Tagen, war auf Grund des Aktes mit hinreichender Sicherheit zu rechnen.

Auch die über vier Monate und vier Wochen dauernde Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft war auf Grund des Vorverhaltens des Beschwerdeführers, der erheblichen Fluchtgefahr und der effizienten Verfahrensführung sowie auf Grund des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers verhältnismäßig.

Es war daher festzustellen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlagen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig war.

Zu B) Zulässigkeit der Revision:

Die Revision war gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil es an einer Rechtsprechung zu § 22a Abs. 4 BFA-VG und § 80 Abs. 4 FPG fehlte.

Begründung der gekürzten Ausfertigung

Gemäß § 29 Abs. 5 VwGVG kann das Erkenntnis in gekürzter Form ausgefertigt werden, wenn von den Parteien auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof verzichtet oder nicht binnen zwei Wochen nach Ausfolgung bzw. Zustellung der Niederschrift gemäß Abs. 2a eine Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß Abs. 4 von mindestens einem der hiezu Berechtigten beantragt wird. Die gekürzte Ausfertigung hat den Spruch sowie einen Hinweis auf den Verzicht oder darauf, dass eine Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß Abs. 4 nicht beantragt wurde, zu enthalten.

Diese gekürzte Ausfertigung des nach Schluss der mündlichen Verhandlung am 03.07.2018 verkündeten Erkenntnisses ergeht gemäß § 29 Abs. 5 VwGVG, da ein Antrag auf Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß § 29 Abs. 4 VwGVG durch die hiezu Berechtigten innerhalb der zweiwöchigen Frist nicht gestellt wurde.

Schlagworte

Aufenthaltsverbot, Einreiseverbot, Fluchtgefahr, Fortsetzung der
Schubhaft, gekürzte Ausfertigung, Identität, Revision zulässig,
Rückkehrentscheidung, Schubhaft, Sicherungsbedarf, strafrechtliche
Verurteilung, Überprüfung, Untertauchen, Verhältnismäßigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W112.2196848.2.00

Zuletzt aktualisiert am

29.04.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten