TE Bvwg Beschluss 2019/2/21 W139 2214380-1

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Veröffentlicht am 21.02.2019
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Entscheidungsdatum

21.02.2019

Norm

BVergG 2006 §12 Abs1
BVergG 2006 §131 Abs1
BVergG 2006 §2 Z16 lita
BVergG 2006 §2 Z5
BVergG 2006 §6
BVergG 2006 §78
BVergG 2018 §327
BVergG 2018 §334
BVergG 2018 §342 Abs1
BVergG 2018 §350 Abs1
BVergG 2018 §350 Abs2
BVergG 2018 §351 Abs1
BVergG 2018 §351 Abs3
BVergG 2018 §351 Abs4
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch

W139 2214380-1/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Mag. Kristina HOFER über den Antrag der XXXX , vertreten durch Schiefer Rechtsanwälte GmbH, Rooseveltplatz 4-5/5, 1090 Wien, auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung betreffend das Vergabeverfahren ",Ergänzende Schulmöbel und Schränke und Schränke & Regale' - Internes Geschäftszeichen der BBG: GU 2102.02982" der Auftraggeberinnen Republik Österreich (Bund), Bundesbeschaffung GmbH (BBG) als zentrale Beschaffungsstelle sowie weiterer Auftraggeber gemäß der den Ausschreibungsunterlagen beiliegenden Drittkundenliste, alle vertreten durch die Bundesbeschaffung GmbH, Lassallestraße 9b, 1020 Wien, vertreten durch die Finanzprokuratur, Singerstraße 17-19, 1011 Wien, vom 11.02.2019:

A) Der Antrag, "das Bundesverwaltungsgericht möge eine einstweilige

Verfügung gemäß § 350 BVergG für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens erlassen, mit der dem Auftraggeber im gegenständlichen Vergabeverfahren die Fortführung des Verfahrens, in eventu der Abschluss der Rahmenvereinbarung untersagt wird, " wird gemäß § 350 Abs 1 BVergG abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Vorbringen der Parteien/Verfahrensgang:

Mit Schriftsatz vom 11.02.2019, beim Bundesverwaltungsgericht am selben Tag eingelangt, stellte die Antragstellerin das im Spruch ersichtliche Begehren in Verbindung mit einem Nachprüfungsantrag betreffend die Entscheidung der Auftraggeberinnen vom 30.01.2019, das Angebot der Antragstellerin (betreffend die Lose 1 und 2) auszuscheiden. Begründend führte die Antragstellerin zusammengefasst im Wesentlichen Folgendes aus:

Das gegenständliche Vergabeverfahren werde als offenes Verfahren im Oberschwellenbereich geführt. Die Leistung werde in zwei Losen, "Ergänzende Schulmöbel" und "Schränke und Regale für den Schulbereich", ausgeschrieben. Beabsichtigt sei der Abschluss einer Rahmenvereinbarung mit einem Unternehmer je Los.

Die Antragstellerin habe fristgerecht ein vollständiges, den Ausschreibungsunterlagen entsprechendes Angebot gelegt. Die Ausführung der ausgeschriebenen Leistungen liege in der zentralen Geschäftstätigkeit der Antragstellerin. Sie habe ein rechtliches und wirtschaftliches Interesse an der Belieferung der Auftraggeberinnen. Ihr drohe durch die Begründung der Ausscheidung des Angebots gemäß § 78 Abs 1 Z 9 BVergG in der zurückgenommenen Ausscheidensentscheidung vom 28.01.2019, also dem Vorwurf sie sei ein "Schwarzes-Schaf", grobes Ungemach. Die verfahrensgegenständliche Ausscheidensentscheidung vom 30.01.2019 erhebe ohne Bezugnahme auf § 78 Abs 1 Z 9 BVergG oder einen anderen im Gesetz angeführten Tatbestand den Vorwurf vielzähliger Vertragsverletzungen sowie des Vorliegens von Qualitätsmängeln. Des Weiteren werde das Verhalten der Antragstellerin als mit einer "Selbstreinigung" nicht vereinbar dargestellt. Es liege jedoch kein Ausscheidensgrund vor. Die Antragstellerin habe daher über das Interesse an dem gegenständlichen Auftrag hinaus, für alle weiteren öffentlichen Ausschreibungen, an denen sie Interesse zeige bzw sich bewerbe, ein rechtliches Interesse daran, dass festgestellt werde, dass die gegen sie erhobenen Vorwürfe nicht zutreffen. Andernfalls könnte jeder Auftraggeber in der nicht bekämpften, und wie eben beschrieben begründeten, Ausscheidensentscheidung vom 30.01.2019 einen Grund für eine Angebotsausscheidung der Antragstellerin in einem von diesem Vergabeverfahren völlig unabhängigen Vergabeverfahren finden. Das Interesse an dem Vorgehen gegen die entsprechend vorliegende Ausscheidensentscheidung ist somit evident und von - über das gegenständliche Ausschreibungsverfahren hinaus - wesentlicher wirtschaftlicher und rechtlicher Bedeutung für den Antragssteller. Darüber hinaus entgehe der Antragstellerin durch die vorliegenden Rechtswidrigkeiten die Möglichkeit der Zuschlagserteilung und Erzielung eines angemessenen Gewinnes in Höhe von circa 3 % der Angebotssumme. Weiters würde der Schaden in den durch die Beteiligung am Vergabeverfahren entstandenen Kosten, den Kosten für die rechtsfreundliche Vertretung und im Verlust eines Referenzprojektes liegen.

Die Antragstellerin bezeichnete jene Rechte, in denen sie sich verletzt erachte und entrichtete eine Pauschalgebühr für den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung in der Höhe von EUR 6.480,--.

Zu den Gründen der Rechtswidrigkeit führte die Antragstellerin im Einzelnen aus, dass die Auftraggeberinnen erstmals am 28.01.2019 eine Ausscheidensentscheidung mit der Begründung der Vielzahl der in der Vergangenheit stattgefundenen schwerwiegenden Vertragsverletzungen sowie der vorangegangenen Vertragsauflösung vom 15.10.2018 übermittelt hätten. Die Vertragsauflösung betreffe die aufgrund der Ausschreibung der BBG aus dem Jahr 2015 abgeschlossene Rahmenvereinbarung zum selben Leistungsgegenstand. Diese Vertragsauflösung habe zur Neu-Ausschreibung der Leistungen bereits im November 2018 geführt. Die BBG habe der Antragstellerin die Begehung mehrerer "schwerwiegender Verfehlungen" vorgeworfen. Diese habe sich jedoch keine "schwerwiegenden Verfehlungen" zu Schulden kommen lassen. Die Antragstellerin habe der BBG mitgeteilt, die Vertragsbeendigung nicht zu akzeptieren und die behaupteten Verfehlungen bestritten. Daraufhin seien Vergleichsgespräche mit dem Ziel einer einvernehmlichen Beendigung der Rahmenvereinbarung eingeleitet worden, welche bis heute andauern würden. Bei diesen habe die Antragstellerin mehrfach dargelegt, dass sie (i) keine schwerwiegenden Verfehlungen begangen habe und in eventu dass, (ii) wenn Tatbestände aufgetreten seien, die als solche schwerwiegenden Verfehlungen gewertet werden könnten, sie an der Herbeiführung dieser Tatbestände keine Schuld treffe.

Im Angebotsausscheidungsschreiben vom 30.01.2019 werde behauptet, dass sich die Antragstellerin insgesamt 53 schwerwiegende Vertragsverletzungen, die insbesondere auch die Qualität der erbrachten Leistungen betroffen haben sollen, zu Schulden kommen habe lassen. Dies werde entschieden zurückgewiesen. Es sei einerseits vollkommen unklar, welche konkreten 53 Vorfälle der Antragsgegner anspreche, noch ob und wenn ja welche Folgen hieraus entstanden sein sollen. Es liege keine Fehlleistung vor, sondern im Gegenteil sei insgesamt eine sehr hohe Zufriedenheit über die Qualität, sowie die Art und Weise der Leistungserbringung inklusive aller damit einhergehender Handlungen von Seiten des Antragsstellers, vermittelt worden.

Der Ausschlussgrund des § 78 Abs 1 Z 9 BVergG, sohin die "Schwarze-Schafe-Regelung" liege schon deshalb keinesfalls vor, weil Fälle, in denen die Frage der rechtmäßigen Beendigung des früheren Vertragsverhältnisses bzw die Schuldfrage offen oder strittig (beispielsweise gerichtsanhängig) seien, für die Anwendung dieser Bestimmung nicht herangezogen werden können. Auch für eine schwere berufliche Verfehlung sei ein objektivierbarer Nachweis erforderlich, sofern der Bieter das Vorliegen der Verfehlung nicht selbst anerkannt habe. Im gegenständlichen Fall sei die Frage der Zulässigkeit der Vertragsbeendigung der BBG bis zum heutigen Tag strittig und Gegenstand von (außergerichtlichen) Verhandlungen, weshalb kein Anerkenntnis vorliege. Es sei weder ein gerichtliches Verfahren bezüglich eines etwaigen von Seiten des Antragsgegners gegen den Antragsteller angestrengten Schadenersatzanspruches bei Gericht anhängig, noch wurde ein solches beendet. Es sei auch außergerichtlich von Seiten der Antragstellerin dem Antragsgegner kein pauschalierter Schadenersatz oder eine sonstige vergleichbare Zahlung / Wiedergutmachung geleistet worden. Ganz im Gegenteil würden von Anfang an alle vorgehaltenen Vorwürfe entschieden bestritten.

Die Frist zur Stellungnahme auf die seitens der Auftraggeberinnen erhobenen Vorwürfe sei unverhältnismäßig bzw gemäß § 68 BVergG 2018 rechtswidrig gewesen, zumal diese unter 48 Stunden betragen habe. Bei einer derartig kurzen Frist sei keine ausreichende Zeit für die Vornahme der entsprechenden Handlungen bzw der detaillierten Auflistung und Beschreibung der Maßnahmen zur "Selbstreinigung" gegeben. Die gesetzte Frist zur Verfassung der Stellungnahme habe aufgrund ihrer Kürze schlichtweg keine Ausführungen en detail zugelassen. Es sei daher nicht nachvollziehbar, dass die Auftraggeberinnen die Ausführungen hinsichtlich der Vornahme konkreter, technischer, organisatorischer und personeller Maßnahmen als sehr vage bezeichne. Die Antragstellerin stellte sodann im einleitenden Antrag die ergriffenen Maßnahmen näher dar.

Des Weiteren weise das bisherige Vergabeverfahren auch in anderen Bereichen Unzulänglichkeiten auf. Die Auftraggeberinnen wären demnach angesichts hoher Preisunterschiede bei den Angeboten zu einer vertieften Angebotsprüfung verpflichtet gewesen.

Zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung führte die Antragstellerin aus, dass ohne deren Erlassung die Fortsetzung des Vergabeverfahrens und somit die Erteilung des Zuschlages drohe. Es würde ein unumkehrbarer Zustand geschaffen. Im gegenständlichen Fall überwiege das Interesse der Antragstellerin auf Beseitigung der im gegenständlichen Verfahren von den Auftraggeberinnen zu verantwortenden Vergabeverstöße bei weitem gegenüber allfälligen nachteiligen Folgen einer derartigen Maßnahme für die Auftraggeberinnen.

Am 14.02.2019 erteilten die Auftraggeberinnen die erbetenen allgemeinen Auskünfte zum Vergabeverfahren. Das Verfahren befinde sich noch in der Angebotsprüfungsphase, eine Zuschlagsentscheidung oder Entscheidung, mit welchem Unternehmer die Rahmenvereinbarung abgeschlossen werden soll, sei nicht erfolgt. Zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung wurde ausgeführt, dass das besondere Interesse der Auftraggeberinnen an der Fortführung des Vergabeverfahrens darin bestehe, dass ein dringender Beschaffungsbedarf bestehe, da die gegenständliche Beschaffung zur Erfüllung der gesetzlich bestimmten Aufgaben der Auftraggeber benötigt werde. Der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung sei zurück-, in eventu abzuweisen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt:

Aufgrund der vorgelegten Stellungnahmen, der Bezug nehmenden Beilagen sowie der Unterlagen des Vergabeverfahrens wird im Rahmen des Provisorialverfahrens folgender entscheidungserheblicher Sachverhalt festgestellt:

Die Auftraggeberinnen schrieben im November 2018 die gegenständliche Leistung ",Ergänzende Schulmöbel und Schränke und Schränke & Regale' - Internes Geschäftszeichen der BBG: GU 2102.02982" in zwei Losen in einem offenen Verfahren mit vorheriger Bekanntmachung im Oberschwellenbereich nach dem Bestbieterprinzip mit dem Ziel des Abschlusses einer Rahmenvereinbarung mit einem Unternehmer (je Los) für eine Laufzeit von 48 Monaten aus (CPV-Code: 39160000). Der geschätzte Auftragswert beträgt gesamt (für alle beiden Lose) EUR 5.871.662,03 ohne USt.

Die Antragstellerin legte fristgerecht für beide Lose Angebote. Die Angebotsöffnung fand am 17.12.2018 statt.

Mit Schreiben vom 22.01.2019 wurde die Antragstellerin um schriftliche Aufklärung bis 24.01.2019, 10.00, bei der BBG einlangend, ersucht:

"Aufgrund der Vielzahl der in der Vergangenheit stattgefundenen und dokumentierten schwerwiegenden Vertragsverletzungen bei unterschiedlichen Auftraggebern und der darauffolgenden Vertragsauflösung am 15.10.2018 fordert Sie die BBG zur Stellungnahme dahingehend auf, welche nachweislichen Maßnahmen Sie getroffen haben um derartige Vertragsverletzungen in Zukunft zu vermeiden und eine reibungslose Erfüllung eines zukünftigen Rahmenvertrages zu gewährleisten."

Die Antragstellerin beantwortete dieses Schreiben fristgerecht am 24.01.2019.

Am 28.01.2019 wurde der Antragstellerin bekannt gegeben, dass ihre Angebote zu den Losen 1 und 2 gemäß § 78 Abs1 Z 9 BVergG 2018 ausgeschieden werden. Diese Entscheidung wurde am 30.01.2019 zurückgenommen.

Sodann wurde der Antragstellerin am 30.01.2019 neuerlich bekannt gegeben, ihr Angebote zu den Losen 1 und 2 auszuscheiden sind. Die Aufklärung vom 24.01.2019 wurde als unzureichend beurteilt.

Am 11.0.201.9 brachte die Antragstellerin den gegenständlichen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung verbunden mit einem Nachprüfungsantrag beim Bundesverwaltungsgericht ein. Die Antragstellerin entrichtete für ihren Antrag (auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung) eine Pauschalgebühr in der Höhe von EUR 6.480,--.

Es wurde weder eine Entscheidung, mit welchem Unternehmer die Rahmenvereinbarung (betreffend die beiden Lose) abgeschlossen werden soll, bekanntgegeben, eine Rahmenvereinbarung abgeschlossen bzw der Zuschlag erteilt noch wurde eine Widerrufsentscheidung bekanntgegeben oder der Widerruf erklärt.

2. Rechtliche Beurteilung:

2.1.Anzuwendendes Recht

Am 21.08.2018 ist das Bundesvergabegesetz 2018, BGBl I, Nr 65/2018, in Kraft getreten. Das gegenständliche Vergabeverfahren wurde im November 2018, somit nach In-Kraft-Treten des BVergG 2018 eingeleitet. Das Nachprüfungsverfahren wurde im Jänner 2019 beim Bundesverwaltungsgericht anhängig gemacht. Sowohl materiellrechtlich als auch formellrechtlich kommen demnach die Bestimmungen des BVergG 2018 (idF BVergG) zur Anwendung.

Zu A)

2.2. Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts und Zulässigkeit des Antrages

Gemäß Art 135 Abs 1 B-VG iVm § 2 VwGVG und § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 328 Abs 1 BVergG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht in den Angelegenheiten des § 327, soweit es sich nicht um die um die Entscheidung über einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe für die Einbringung eines Feststellungsantrags, die Entscheidung über einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, die Entscheidung über den Gebührenersatz oder die Entscheidung über einen Verfahrenseinstellung nach Zurückziehung eines Nachprüfungs- oder Feststellungsantrages handelt, in Senaten. Vorliegend hat das Bundesverwaltungsgericht über die oben wiedergegebenen Anträge auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung zu entscheiden. Somit liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.

Auftraggeberinnen im Sinne des § 2 Z 5 BVergG sind die Republik Österreich, die Bundesbeschaffung GmbH als zentrale Beschaffungsstelle sowie alle weiteren Auftraggeber gemäß der den Ausschreibungsunterlagen beiliegenden Drittkundenliste.

Bei der gegenständlichen Ausschreibung handelt es sich gemäß § 6 BVergG um einen Lieferauftrag. Der geschätzte Auftragswert liegt jedenfalls über dem relevanten Schwellenwert des § 12 Abs 1 BVergG, sodass es sich um ein Vergabeverfahren im Oberschwellenbereich handelt.

Der gegenständliche Beschaffungsvorgang liegt somit im sachlichen und persönlichen Geltungsbereich des BVergG. Die allgemeine Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Überprüfung des Vergabeverfahrens und zur Durchführung von Nachprüfungsverfahren entsprechend § 334 Abs 2 BVergG iVm Art 14b Abs 2 Z 1 B-VG ist sohin gegeben.

Da darüber hinaus laut Stellungnahme der Auftraggeberinnen das Vergabeverfahren nicht widerrufen und der Zuschlag noch nicht erteilt wurde, ist das Bundesverwaltungsgericht damit gemäß § 334 Abs 2 BVergG zur Nichtigerklärung rechtswidriger Entscheidungen eines Auftraggebers und zur Erlassung einstweiliger Verfügungen zuständig.

Von einem in § 350 Abs 1 BVergG genannten offensichtlichen Fehlen der Antragsvoraussetzungen gemäß § 342 Abs 1 leg.cit. ist vorerst nicht auszugehen. Unter der Annahme der Bekanntgabe der angefochtenen Entscheidungen am 11.01.2019 wurde der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, welcher zugleich mit einem Nachprüfungsantrag gemäß § 342 Abs 1 BVergG eingebracht wurde, innerhalb der gemäß § 343 Abs 1 BVergG maßgeblichen Frist eingebracht, sodass dieser als rechtzeitig zu qualifizieren ist (§ 350 Abs 3 und 4 BVergG).

Der Nachprüfungsantrag richtet sich gegen die der Antragstellerin mitgeteilte Ausscheidensentscheidung. Beim Ausscheiden eines Angebotes handelt es sich um eine gesondert anfechtbare Entscheidung gemäß § 2 Z 16 lit a sublit jj BVergG 2006. Die Antragstellerin hat die unmittelbar drohende Schädigung ihrer Interessen für den Fall, dass der Vertrag nicht mit ihr abgeschlossen werden und die angefochten Entscheidung aufrecht bleiben sollte, plausibel und nachvollziehbar dargestellt. Der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung erfüllt auch die übrigen formalen Voraussetzungen des § 350 Abs 2 BVergG. Die Pauschalgebühr wurde in entsprechender Höhe entrichtet (§ 340 Abs 1 Z 1, 3 und 4 BVergG iVm §§ 1 und 2 BVwG-PauschGebV Vergabe 2018).

2.3. Inhaltliche Beurteilung der Anträge

Gemäß § 350 Abs 1 BVergG 2018 hat das Bundesverwaltungsgericht auf Antrag eines Unternehmers, dem die Antragsvoraussetzungen nach § 342 Abs 1 BVergG nicht offensichtlich fehlen, durch einstweilige Verfügung unverzüglich vorläufige Maßnahmen anzuordnen, die nötig und geeignet erscheinen, um eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit einer gesondert anfechtbaren Entscheidung entstandene oder unmittelbar drohende Schädigung von Interessen des Antragstellers zu beseitigen oder zu verhindern.

Gemäß § 351 Abs 1 BVergG 2018 hat das Bundesverwaltungsgericht vor der Erlassung einer einstweiligen Verfügung die voraussehbaren Folgen der zu treffenden Maßnahme für alle möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers, der sonstigen Bewerber oder Bieter und des Auftraggebers sowie ein allfälliges besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens gegeneinander abzuwägen. Ergibt diese Abwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung, ist der Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung abzuweisen.

Gemäß § 351 Abs 3 BVergG können mit einer einstweiligen Verfügung das gesamte Vergabeverfahren oder einzelne Entscheidungen des Auftraggebers bis zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über eine allfällige Nichtigerklärung vorübergehend ausgesetzt oder sonstige geeignete Maßnahmen angeordnet werden. Dabei ist die jeweils gelindeste noch zum Ziel führende vorläufige Maßnahme zu verfügen.

Soweit sich das (Erst)Begehren der Antragstellerin auf das Untersagen der Fortführung des gesamten Vergabeverfahrens richtet, ist dieses als überschießend abzuweisen. Dem Bundesverwaltungsgericht ist kein Grund bekannt und ist das Vorliegen eines solchen seitens der Antragstellerin auch nicht entsprechend vorgebracht worden, welcher es erfordern würde, der Auftraggeberin jedes Tätigwerden im Vergabeverfahren zu untersagen. Die beantragte Maßnahme stellt im Hinblick auf die mit dieser einstweiligen Verfügung zu verfolgenden Ziele nach der ständigen Rechtsprechung der Vergabekontrolle nicht das nötige und gelindeste Mittel gemäß §§ 350 Abs 1 und 351 Abs 3 BVergG dar. Die Handlungsfreiheit der Auftraggeberin wäre über Gebühr eingeschränkt. Denn dies würde im Ergebnis bedeuten, dass der Auftraggeberin jede Disposition im vorliegenden Vergabeverfahren, etwa auch eine Rücknahme der angefochtenen Ausscheidensentscheidung(en), unmöglich wäre (ua; BVwG 04.12.2018, W123 2210191-1/2E; 03.10.2018, W187 2206514-2E; 22.12.2016, W187 2137620-1/2E; 10.01.2014, W139 2000171-1/10E).

Gegenständlich kommt aber auch die in eventu beantragte Untersagung des Abschlusses der Rahmenvereinbarung nicht in Betracht. Das Vergabeverfahren befindet sich noch im Stadium vor Bekanntgabe der Entscheidung, mit welchem Unternehmer die Rahmenvereinbarung (je Los) abgeschlossen werden soll, und demnach noch vor Abschluss der betreffenden Rahmenvereinbarungen. Sohin mangelt es diesbezüglich beim derzeitigen Stand des Vergabefahrens am Vorliegen einer im Abschluss der Rahmenvereinbarung mit einem anderen Bieter liegenden unmittelbar drohenden Schädigung von Interessen der Antragstellerin. Die Antragstellerin müsste gegen eine allfällige, ihr - wie nachfolgend gezeigt wird - als nichtberücksichtige Bieterin bekanntzugebende Entscheidung über den beabsichtigten Rahmenvereinbarungspartner ohnehin mit einem weiteren Nachprüfungsantrag vorgehen, um deren Bestandskraft zu verhindern und um die Chance auf Abschluss der Rahmenvereinbarung und Zuschlagserteilung zu wahren (in diesem Sinne zur Zuschlagsentscheidung ua BVwG 03.10.2018, W139 2206369-1/2E;

19.12.2017, W131 2179704-1/3E; 04.12.2015, W123 2117867-1/2E;

25.02.2014, W139 2001504/1-7E).

Die Auftraggeberinnen sind gemäß § 154 Abs 3 BVergG verpflichtet, den nichtberücksichtigten Bietern den Namen des Unternehmers, mit dem die Rahmenvereinbarung abgeschlossen werden soll, nachweislich mitzuteilen. Diese Entscheidung kann sodann von der Antragstellerin angefochten werden (2 Z 16 lit a sublit jj BVergG). Es steht somit ein unmittelbarer Abschluss der Rahmenvereinbarung nicht bevor, sodass insofern keine Gefährdung des Anspruches der Antragstellerin durch die Auftraggeberinnen droht (zum Zweck einer einstweiligen Verfügung siehe EBRV 1171 BlgNR XXII. GP, 141). Wenngleich der Gesetzgeber hier nicht wie bei den Bestimmungen über die Zuschlagsentscheidung von den "im Vergabeverfahren verbliebenen Bietern" sondern von den "nichtberücksichtigten Bietern" spricht (siehe EBRV 327 BlgNR XXIV. GP, 24), so ist trotz des unterschiedlichen Gesetzeswortlauts in Entsprechung des Grundsatzes der Effektivität des Rechtsschutzes und des Gebotes der Gleichbehandlung jedenfalls auch ein Bieter, dessen Ausscheiden wie in der gegenständlichen Konstellation noch nicht bestandsfest geworden ist, als "nichtberücksichtigter Bieter" iSd § 154 Abs 3 BVergG zu qualifizieren (in st RSp BVwG 05.04.2017, W123 2151680-1/2E; 04.10.2016, W187 2135663-1/2E; 04.12.2015, W123 2117867-1/2E; 10.01.2014, W139 2000171-1/10E). Anderenfalls wäre einem derartigen Bieter, und damit auch der Antragstellerin, welche die Ausscheidensentscheidung rechtzeitig angefochten hat und bei der das betreffende Nachprüfungsverfahren noch nicht beendet ist, eine Anfechtung der Entscheidung über die Auswahl des in Aussicht genommenen Vertragspartners verwehrt, obwohl diese Entscheidung angesichts der fehlenden Verpflichtung zur Mitteilung der Zuschlagsentscheidung im Falle des Abrufs aus einer Rahmenvereinbarung (§ 143 Abs 2 Z 3 BVergG) die letzte anfechtbare Entscheidung darstellen kann. Insofern ist auch die Rechtsprechung des EuGH in Erinnerung zu rufen, wonach die dem Vertragsschluss vorangehende Entscheidung in jedem Fall einem Nachprüfungsverfahren zugänglich zu machen ist (EuGH vom 28. Oktober 199, C-81/98, Alcatel Austria ua).

Selbst unter der Annahme, dass die Auftraggeberinnen eine Entscheidung, mit welchem Bieter die Rahmenvereinbarung (in den beiden Losen) abgeschlossen werden soll, treffen würden, wären diese somit verpflichtet, diese Entscheidung der Antragstellerin mitzuteilen, zumal das Ausscheiden der (Teil)Angebote bislang seitens des zur Vergabekontrolle zuständigen Bundesverwaltungsgerichtes nicht als rechtmäßig erkannt wurde und die antragstellende Bieterin daher noch nicht endgültig ausgeschlossen wurde (siehe auch VwGH 23.11.2016, Ra 2015/04/0029;

auch J. Aicher in Schramm/Aicher/Fruhmann/Thienel, § 131 Rz 17;

überdies die oben zitierten Entscheidungen).

Daher ist im konkreten Fall eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit der Ausscheidensentscheidung(en) entstandene oder sonstige unmittelbar drohende Schädigung von Interessen der Antragstellerin, die im Sinne des § 350 Abs 1 BVergG zu beseitigen oder zu verhindern wären, nicht ersichtlich. Die Untersagung des Abschlusses der Rahmenvereinbarung ist zur Absicherung des Nichtigerklärungsbegehrens und des potentiell bestehenden Anspruches auf Abschluss der Rahmenvereinbarung (in den beiden Losen 1 und 2) nicht notwendig (in diesem Sinne auch R. Madl in Heid/Preslmayr, Handbuch Vergaberecht4, Rz 2208).

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Über den Gebührenersatz wird gesondert entscheiden werden.

Zu B)

Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig, weil die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt; dies weil eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - soweit ersichtlich - im Hinblick auf die Mitteilungspflicht der Entscheidung über den Rahmenvereinbarungspartner an die "nichtberücksichtigten" Bieter iSd § 154 Abs 3 BVergG fehlt bzw die zur Mitteilungspflicht der Zuschlagsentscheidung vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes als uneinheitlich zu beurteilen ist. So geht der Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluss vom 09.08.2010, AW 2010/04/0024, demnach entgegen der in diesem Beschluss geäußerten Ansicht davon aus, dass ein Bieter, der ein Nachprüfungsverfahren hinsichtlich des Ausscheidens seines Angebotes eingeleitet hat, bereits vor Beendigung des betreffenden Vergabekontrollverfahrens als "nicht im Vergabeverfahren verbliebener Bieter" gemäß § 131 Abs 1 BVergG 2006 angesehen werden könnte und für diesen daher mangels entsprechender Sicherungsmaßnahme die Gefahr besteht, nicht von der Zuschlagsentscheidung in Kenntnis gesetzt zu werden. Demgegenüber führt der Verwaltungsgerichtshof allerdings in seinem Beschluss vom 23.11.2016, Ra 2015/04/0029, aus, dass als "verbliebene" Bieter, welchen gemäß § 131 Abs 1 BVergG 2006 die Zuschlagsentscheidung nachweislich mitzuteilen ist, jene Bieter gelten, die nicht ausgeschlossen wurden, deren Angebote nicht ausgeschieden wurden bzw deren Angebote zwar - wie in der dortigen wie auch in der vorliegenden Konstellation - ausgeschieden wurden, jedoch die Ausscheidensentscheidung noch nicht rechtskräftig ist. Dass der Revisionswerberin durch die Erlassung einer einstweiligen Verfügung, mit welcher die Untersagung der Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung und die Erteilung des Zuschlags untersagt werde, eine bessere Rechtsposition eingeräumt werden sollte als den übrigen im Verfahren verbliebenen Bietern, ist nicht begründet. Der Verwaltungsgerichtshof verneinte angesichts der insoweit eindeutigen Rechtslage das Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung und wies die gegen die Abweisung des Sicherungsbegehrens gerichtete Revision zurück.

Schlagworte

Ausscheiden eines Angebotes, Ausscheidensgrund,
Bietergleichbehandlung, Dauer der Maßnahme, einstweilige Verfügung,
gelindeste Maßnahme, gelindestes Mittel, Informationspflicht,
Mitteilung, Nachprüfungsantrag, Nachprüfungsverfahren, nicht im
Vergabeverfahren verbliebener Bieter, Provisorialverfahren,
Rahmenvereinbarung, rechtliches Interesse, Rechtsschutzinteresse,
Revision zulässig, Schaden, Untersagung, Vergabeverfahren,
Vertragsabschluss

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W139.2214380.1.00

Zuletzt aktualisiert am

29.04.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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