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62 ArbeitsmarktverwaltungNorm
B-VG Art18 Abs2Leitsatz
Gesetzwidrigkeit der BundeshöchstzahlV 1995 wegen fehlerhafter Berechnung und falscher Rundung der Höchstzahl der Beschäftigungsbewilligungen für AusländerSpruch
Die Verordnung des Bundesministers für Arbeit und Soziales über die Bundeshöchstzahl 1995, BGBl. Nr. 944/1994 idF BGBl. Nr. 163/1995, war gesetzwidrig.
Der Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales ist verpflichtet, diesen Ausspruch unverzüglich im Bundesgesetzblatt II kundzumachen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. a) Beim Verfassungsgerichtshof ist zu B3865/95 das Verfahren über eine Beschwerde anhängig, die sich gegen einen Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 31. Oktober 1995 richtet. Mit diesem Bescheid wurde die Berufung des Beschwerdeführers im verfassungsgerichtlichen Verfahren gegen einen Bescheid des Arbeitsmarktservice Persönliche Dienste - Gastgewerbe Wien abgewiesen, mit welchem sein Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für eine Ausländerin infolge Überschreitung der für 1995 festgelegten Bundeshöchstzahl abgewiesen wurde. Die belangte Behörde stützte ihre Entscheidung auf §4 Abs7 AuslBG (idF BGBl. 257/1995) iVm der Verordnung des Bundesministers für Arbeit und Soziales über die Bundeshöchstzahl 1995, BGBl. 944/1994 idF BGBl. 163/1995, (kurz: BHZV 1995) und der Bundeshöchstzahlenüberziehungsverordnung (BHZÜV), BGBl. 278/1995.
Aus Anlaß dieses Beschwerdeverfahrens leitete der Verfassungsgerichtshof mit Beschluß vom 26. September 1996 ein Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit der BHZV 1995 idF BGBl. 163/1995 ein (V110/96).
b) Weiters sind beim Verfassungsgerichtshof mehrere Anträge des Verwaltungsgerichtshofes auf Aufhebung eben dieser Verordnung anhängig, die er aus Anlaß der bei ihm zu Zlen. 95/09/0287, 95/09/0308, 95/09/0283, 95/09/0240, 95/09/0290, 95/09/0041, 96/09/0277, 95/09/0197, 96/09/0051, 96/09/0009, 96/09/0010, 95/09/0285, 95/09/0356, 95/09/0209, 95/09/0333, 95/09/0143, 95/09/0317 und 96/09/0032 anhängigen Beschwerden stellt, die sich jeweils gegen einen im Instanzenzug ergangenen Bescheid einer Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice richten, mit dem - gestützt auf §4 Abs7 AuslBG (idF BGBl. 257/1995) iVm der BHZV 1995 (idF BGBl. 163/1995) und der BHZÜV - ein Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für eine ausländische Arbeitskraft abgewiesen wurde. Diese Anträge sind hg. zu V133/96 bis V150/96 protokolliert.
2. a) Der Bundesminister für Arbeit und Soziales legte die Verordnungsakten vor und erstattete in sämtlichen Verfahren eine Äußerung, in welcher er die Gesetzmäßigkeit der in Prüfung genommenen BHZV 1995 verteidigt.
b) Im Verfahren V134/96 und im Verfahren V146/96 haben überdies die beim Verwaltungsgerichtshof zu Zlen. 95/09/0308 und 95/09/0209 beschwerdeführenden Parteien eine Äußerung erstattet, in der sie jeweils den Bedenken des Verfassungsgerichtshofes beitreten.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
1. a) Es ist nichts hervorgekommen, was an der Zulässigkeit der bei ihm anhängigen Beschwerde und an der Präjudizialität der in Prüfung genommenen Verordnung zweifeln ließe. Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist das von Amts wegen eingeleitete Verordnungsprüfungsverfahren zulässig.
b) Auch die Verordnungsprüfungsanträge des Verwaltungsgerichtshofes sind, da sämtliche Prozeßvoraussetzungen vorliegen, zulässig.
2. Die in Prüfung stehende BHZV 1995 lautet:
"Auf Grund des §12 a des Ausländerbeschäftigungsgesetzes, BGBl. Nr. 218/1975, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 450/1994, wird verordnet:
Die zulässige Gesamtzahl der unselbständig beschäftigten und arbeitslosen Ausländer (Bundeshöchstzahl) im Jahre 1995 beträgt 262 000. Ab Erreichen dieser Zahl dürfen Beschäftigungsbewilligungen und Sicherungsbescheinigungen nur noch für Ausländer erteilt werden, die zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag bereits der Anrechnung auf die Bundeshöchstzahl unterliegen oder gemäß einer Verordnung auf Grund des §7 Abs1 des Aufenthaltsgesetzes, BGBl. Nr. 466/1992 idF BGBl. Nr. 505/1994, beschäftigt werden."
Ihre gesetzliche Grundlage bildet §12a Abs1 AuslBG (idF BGBl. 501/1993). Dieser und §12a Abs2 leg.cit. (idF BGBl. 257/1995) lauten wie folgt:
"Bundeshöchstzahl
§12 a. (1) Die Gesamtzahl der unselbständig beschäftigten und arbeitslosen Ausländer darf den Anteil von 8 vH am österreichischen Arbeitskräftepotential (Gesamtzahl der unselbständig beschäftigten und arbeitslosen Inländer und Ausländer) nicht übersteigen. Diese Gesamtzahl hat der Bundesminister für Arbeit und Soziales jährlich kundzumachen.
(2) Über die Gesamtzahl gemäß Abs1 hinaus dürfen Sicherungsbescheinigungen und Beschäftigungsbewilligungen bis zu einem Höchstausmaß von 9 vH am österreichischen Arbeitskräftepotential erteilt werden, wenn dies der Bundesminister für Arbeit und Soziales durch Verordnung für einzelne Personengruppen, an deren Beschäftigung öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen bestehen, festlegt. Die Verordnung kann eine bestimmte Geltungsdauer der Beschäftigungsbewilligungen, ein Höchstausmaß für alle Überziehungsfälle zusammengerechnet oder bestimmte zahlenmäßige Höchstrahmen für einzelne Gruppen vorsehen."
3. In seinem Einleitungsbeschluß vom 26. September 1996 - diesem folgen die vom Verwaltungsgerichtshof gestellten Prüfungsanträge - ging der Verfassungsgerichtshof von der Unbedenklichkeit des §12a Abs1 AuslBG aus:
"... Diese Bestimmung ist legistisch insofern undeutlich, als sie im ersten Satz (iVm §4 Abs7 leg.cit.) prima vista anzuordnen scheint, daß bei der Entscheidung über einen Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung im Einzelfall zu prüfen ist, ob mit der Erteilung der Bewilligung die zulässige Gesamtzahl überschritten wird (und diesfalls die Bewilligung zu versagen ist). Daß eine solche Anordnung praktisch nur mit größten Schwierigkeiten zu vollziehen wäre, liegt ebenso auf der Hand, wie daß eine Norm derartigen Inhalts die Erteilung von Bewilligungen von zeitlichen Zufälligkeiten abhängig machen würde. Dem will offenbar der zweite Satz des §12a Abs1 AuslBG abhelfen, der anordnet, daß diese Gesamtzahl jährlich kundzumachen ist. Freilich entbehrt auch diese Bestimmung der wünschenswerten Klarheit. Der Wortlaut läßt es offen, ob eine solche Kundmachung überhaupt normative Bedeutung in Form einer Bindung der zur Bescheiderlassung berufenen Verwaltungsbehörden haben soll, und nimmt man dies an, so wird nicht klar, für welchen Zeitraum durch die Kundmachung eine Bindung der Behörden entstehen soll, die über die Anträge auf Erteilung von Beschäftigungsbewilligungen abzusprechen haben. Auch geht - wie die Beschwerde moniert - aus der Bestimmung nicht explizit hervor, in welcher Weise diese Gesamtzahl zu ermitteln ist.
Diese Fragen sind jedoch ... interpretativ lösbar: Angesichts der Zielsetzung, den mit der Erteilung der Beschäftigungsbewilligung befaßten Behörden einen fixen Bezugspunkt für ihre Entscheidung nach §4 Abs7 zu bieten und die kaum lösbare Aufgabe der Ermittlung der entsprechenden Zahlen im Einzelfall (vgl. auch Schnorr, Ausländerbeschäftigungsgesetz3, 1995, 90), wird man ungeachtet des undeutlichen Wortlauts von einer normativen Wirkung einer solchen Kundmachung auszugehen haben. Gründe systematischer Interpretation, wie insbesondere die explizite Anordnung einer Jahresfestlegung für Landeshöchstzahlen in der ausdrücklich auf §12a AuslBG Bezug nehmenden Regelung des §13a dieses Gesetzes, sprechen dafür, daß die Festlegung der Gesamtzahl mit normativer Wirkung für ein ganzes Jahr zulässig ist. Was schließlich die Art der Berechnung der Gesamtzahl anlangt, so gibt das Gesetz die beiden miteinander in Beziehung zu setzenden Größen mit ausreichender Genauigkeit an und überläßt es dem Bundesminister, aufgrund welcher Daten er die Gesamtzahl ermittelt. Daß der Bundesminister dabei von möglichst zeitnahen Daten auszugehen hat, versteht sich von selbst; und daß es dem Bundesminister frei steht, sich diese Daten vom Statistischen Zentralamt, vom Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger oder von einer anderen geeigneten Institution zu beschaffen, macht die Regelung unter dem Gesichtspunkt des Art18 Abs2 B-VG keineswegs verfassungswidrig. Insofern begegnet es also keinen Bedenken, daß der Gesetzgeber dem Verordnungsgeber die Art und Weise überlassen hat, wie er die Bundeshöchstzahl berechnet."
Im Verfahren ist nichts hervorgekommen, was den Verfassungsgerichtshof veranlassen könnte, diese Ansicht zu revidieren. Welche Konsequenzen daraus für den Fall, daß der Bundesminister für Arbeit und Soziales die Bundeshöchstzahl nicht kundmacht, bzw. für den Fall der Aufhebung einer Kundmachung zu ziehen sind, wird unten (s. Pkt. II.6.b)) näher erörtert werden.
4. Seine Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit der BHZV 1995 gingen dahin, daß die vom Bundesminister für Arbeit und Soziales mit 262.000 kundgemachte Gesamtzahl geringer ist als 8 % des österreichischen Arbeitskräftepotentials, sodaß diese Verordnung dem Gesetz widersprechen dürfte. Er begründete dies im Einleitungsbeschluß folgendermaßen:
"a) Von der belangten Behörde wurde die vom Bundesminister für Arbeit und Soziales gewählte Vorgangsweise bei der Berechnung der Bundeshöchstzahl geschildert ... Diese wurde dem Verfassungsgerichtshof über dessen Aufforderung auch vom Bundesminister für Arbeit und Soziales im hg. zu B783/95 protokollierten Verfahren genannt, wobei zur Illustration eine 'Tabelle 2: Basisdaten für die Berechnung der Bundeshöchstzahl 1995' vorgelegt wurde, aus der die der Berechnung zugrundegelegten Zahlen ersichtlich sind und die als Quelle den Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger nennt. In dieser Äußerung des Bundesministers heißt es u.a.:
'Zur Berechnung des österreichischen Arbeitskräftepotentials (Summe aus Beschäftigten und Arbeitslosen) wird die vom Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger veröffentlichte Gesamtzahl an unselbständig Beschäftigten (= Inländer + Ausländer) und die vom Arbeitsmarktservice Österreich veröffentlichte Gesamtzahl der vorgemerkten Arbeitslosen (= Inländer + Ausländer) herangezogen. Die selbständig Beschäftigten (1994: ca. 398.000) gehen in die Berechnung nicht ein.
Die Berechnung des (somit) unselbständigen
Arbeitskräftepotentials als Basis für die Ermittlung der jeweils
mit Stichtag 30. November verordneten Bundeshöchstzahl für das
nächste Jahr erfolgt dergestalt, daß das arithmetische Mittel
über die Daten zum unselbständigen Arbeitskräftepotential der
letzten 12 Monate (November des Vorjahres bis Oktober des
laufenden Jahres) gebildet wird (jeweils Monatsenddaten). Die der
Ermittlung der Bundeshöchstzahl für 1995 zugrundeliegende
Berechnung des unselbständigen Arbeitskräftepotentials ist der
beiliegenden Tabelle 2 zu entnehmen. Sie zeigt, daß das
unselbständige Arbeitskräftepotential im Durchschnitt der Monate
November 1993 bis Oktober 1994 3.278.194 betrug. Der
verordnungsmäßig festgelegte Anteil der 'unselbständig
beschäftigten und arbeitslosen Ausländer' ... am gesamten
österreichischen Arbeitskräftepotential von 8 % ... ergibt für
die genannten Verordnungszeiträume 1995 eine Bundeshöchstzahl von 262.000 ...'
Die angesprochene Tabelle zeigt folgendes Bild:
'Tabelle 2: Basisdaten für die Berechnung der Bundeshöchstzahl 1995
Unselbst.
Monat/Jahr Vorgemerkte Arbeitskräfte-
Unselbständig Arbeitslose potential
Beschäftigte (AKP)
Nov 93 3,048.083 233.102 3,281.185
Dez 93 3,010.969 269.017 3,279.986
Jan 94 2,987.116 285.782 3,272.898
Feb 94 3,003.211 271.653 3,274.864
Mär 94 3,041.615 228.865 3,270.480
Apr 94 3,034.963 220.052 3,255.015
Mai 94 3,064.895 194.287 3,259.182
Jun 94 3,092.251 175.984 3,268.235
Jul 94 3,152.952 174.025 3,326.977
Aug 94 3,147.306 176.381 3,323.687
Sep 94 3,114.626 181.257 3,295.883
Okt 94 3,029.113 *) 200.824 3,229.937
Durchschnitt 3,060.592 217.602 3,278.194
Zeitraum Anteil am AKP Rohwert Bundeshöchstzah
(%) l
gerundet
Jän.-April 95 8 262.256 262.000
ab Mai 95 9 295.037 295.000
Quelle: Hauptverband (unselbständig Beschäftigte)
Arbeitsmarktservice Österreich (vorgemerkte Arbeitslose)
*) zum damaligen Zeitpunkt für Okt. 94 nur vorläufige Daten verfügbar.'
b) Aus dem zweiten Teil dieser Tabelle scheint hervorzugehen, daß der Bundesminister die nach der Anordnung des ersten Satzes des §12a Abs1 AuslBG errechnete Gesamtzahl von 262.256 auf 262.000 abgerundet hat; es scheint, daß ihn das Gesetz dazu nicht ermächtigt und daß die Verordnung aus diesem Grund mit Gesetzwidrigkeit belastet ist.
c) Des weiteren hat der Verfassungsgerichtshof das Bedenken, daß der Bundesminister bei seiner Berechnung von fehlerhaften Daten ausgegangen ist und deshalb zu einer unrichtigen 'Bundeshöchstzahl' gelangte:
Ein Vergleich der in der eben wiedergegebenen Tabelle enthaltenen Daten mit jenen, die in den vom Beschwerdeführer vorgelegten statistischen Übersichten 7/1995 des WIFO veröffentlicht wurden und ebenfalls den Hauptverband der Tsterreichischen Sozialversicherungsträger als Quelle anführen, zeigt, daß die vom Bundesminister für Arbeit und Soziales dem Verfassungsgerichtshof bekanntgegebene Zahl der unselbständig Beschäftigten im Monat Oktober 1994 (3,029.113) nicht mit jener vom WIFO veröffentlichten (in Tausend angegeben: 3.092,1) übereinstimmt. Dementsprechend differieren auch die Zahlen des der Berechnung zugrundeliegenden Arbeitskräftepotentials; dieser Wert wird in der vom Bundesminister für Arbeit und Soziales vorgelegten Tabelle mit 3,229.937, in der Tabelle der statistischen Übersichten mit (in Tausend) 3.292,8 angegeben. Die unterschiedlichen Zahlen wirken sich naturgemäß auf die Jahresgesamtzahlen und auf das arithmetische Mittel aus.
Über diesbezüglichen Vorhalt des Verfassungsgerichtshofes teilte der Bundesminister für Arbeit und Soziales mit, daß die Zahl der unselbständig Beschäftigten im Monat Oktober 1994 - wie in den statistischen Übersichten 7/1995 angegeben - 3,092.113 betragen habe, und räumt ein, daß der Berechnung der Bundeshöchstzahl 1995 infolge eines Ziffernsturzes (bei den Tausenderstellen) eine falsche Zahl zugrundegelegt worden sei. Unter Zugrundelegung der richtigen Zahl betrage die Bundeshöchstzahl 1995 262.676, gerundet 263.000.
Angesichts dessen hat der Verfassungsgerichtshof das Bedenken, daß die in der Verordnung kundgemachte Bundeshöchstzahl, da sie von falschen Daten aus berechnet wurde, nicht der gesetzlichen Vorgabe des ersten Satzes des §12a Abs1 AuslBG entspricht."
5. Diesen Bedenken hält der Bundesminister für Arbeit und Soziales (nunmehr: Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales) folgendes entgegen:
a) Zur Frage der Rundung der Bundeshöchstzahl 1995 wies der Bundesminister zunächst darauf hin, daß
"die Bundeshöchstzahl 1995 im Zeitpunkt ihres Inkrafttretens am 1. Jänner 1995 bereits um rd. 20.000 überzogen war und ihre durchschnittliche Überziehung 1995 rd. 20.700 betrug, wobei die geringste Überziehung mit 10.350 im Dezember gegeben war",
und führte im weiteren aus:
"Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales konnte zum Zeitpunkt der Festsetzung der Bundeshöchstzahl für 1995 aufgrund der bis dahin gesammelten Erfahrungen und unter Zugrundelegung der entsprechenden Arbeitsmarktdaten davon ausgehen, daß sich der Ausschöpfungsgrad der Bundeshöchstzahl das ganze Jahr hindurch im o. a. Rahmen bewegen wird. Es war somit vorhersehbar, daß sich der Ausschöpfungsgrad zu keinem Zeitpunkt im Jahre 1995 der festgesetzten Bundeshöchstzahl, weder in der ermittelten Höhe von
262.256 noch dem abgerundeten Wert von 262.000 nähern werde. Tatsächlich ist - wie einleitend dargelegt - der Überziehungsgrad so hoch geblieben, daß das Faktum der Abrundung für die Erteilung von Berechtigungen zur Arbeitsaufnahme in keinem einzigen Fall irgendeine Auswirkung hatte.
Aus diesen Gründen war es aus ho. Sicht auch gerechtfertigt, die gemäß der Anordnung des ersten Satzes des §12a Abs1 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG) mit 262.256 errechnete Bundeshöchstzahl ohne gesetzliche Ermächtigung auf 262.000 abzurunden, da sich die infolge der Abrundung ergebende minimale Differenz im Hinblick auf die erwartete Überziehung der Bundeshöchstzahl als vernachlässigbare und zudem nicht entscheidungsrelevante Größenordnung darstellte.
Die Rundung war aus verwaltungsökonomischen Gründen dringend geboten, um die in den administrativen Abläufen häufig notwendigen Rechenoperationen auf der Basis der Bundeshöchstzahl zu erleichtern und die Erfassung und Darstellung migrationspolitisch bedeutsamer Zusammenhänge und Entwicklungen zu vereinfachen."
b) Zur Frage der unrichtigen Berechnung der Bundeshöchstzahl verwies der Bundesminister für Arbeit und Soziales auf seine im Bescheidprüfungsverfahren abgegebene und im Prüfungsbeschluß referierte (vgl. oben Pkt. II.4.c)) Stellungnahme.
6. Die Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der BHZV 1995 erweisen sich als gerechtfertigt.
a) Daß die in Prüfung stehende Verordnung mit §12a Abs1 AuslBG nicht vereinbar ist, ist nicht zweifelhaft, und wird auch vom Bundesminister für Arbeit und Soziales nicht in Frage gestellt. Der Bundesminister bestätigt zum einen die fehlerhafte Ermittlung der Bundeshöchstzahl und räumt zum anderen ausdrücklich ein, daß die Rundung "ohne gesetzliche Ermächtigung" vorgenommen wurde.
b) Der Bundesminister meint jedoch, daß die Bundeshöchstzahl während des ganzen Jahres um mehr als 10.000 überschritten war, sodaß weder die fehlerhafte Ermittlung noch die Abrundung der Bundeshöchstzahl eine tatsächliche Wirkung gehabt hätten.
Wie bereits im Einleitungsbeschluß dargetan, sind derartige Ausführungen nicht geeignet, die Prüfung und Aufhebung der Verordnung zu verhindern, da der Verfassungsgerichtshof eine präjudizielle Norm losgelöst von den Auswirkungen auf den Anlaßfall zu prüfen hat (s. VfSlg. 9755/1983, 11190/1986).
In diesem Zusammenhang ist aber noch folgendes zu bedenken:
Zum einen nämlich, daß sich von der gemäß §12a Abs1 kundgemachten (in concreto fehlerhaft berechneten und abgerundeten) Bundeshöchstzahl auch jene Zahl errechnet, bis zu der die durch §12a Abs2 AuslBG vorgesehene Überschreitung der Bundeshöchstzahl um einen Prozentpunkt zulässig ist. Daß die Gesamtzahl der unselbständig beschäftigten und arbeitslosen Ausländer den Anteil von 9 % am österreichischen Arbeitskräftepotential überschritten habe, wird auch vom Bundesminister für Arbeit und Soziales nicht behauptet. Insofern ist daher die Relevanz der unterlaufenen Fehler nicht zu leugnen, sodaß, selbst von der Prämisse des Bundesministers ausgehend, den Bedenken nicht entgegengetreten werden könnte.
Zum anderen ist die im §12a Abs1 AuslBG vorgesehene Kundmachung der Bundeshöchstzahl eine notwendige Voraussetzung für die Anwendbarkeit des §4 Abs7 leg.cit., wonach "unbeschadet des §12a Abs2 ... Beschäftigungsbewilligungen nur unter der zusätzlichen Voraussetzung erteilt werden (dürfen), daß die Bundeshöchstzahl nicht überschritten wird". Eine Auslegung des §12a Abs1 iVm §4 Abs7 AuslBG dahin, daß im Falle des Unterbleibens der Kundmachung bzw. im Fall ihrer Aufhebung die Behörden bei Entscheidung über einen Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung in jedem Einzelfall zu berechnen hätten, ob mit der Erteilung der Bewilligung die zulässige Höchstzahl überschritten wird (, was bejahendenfalls zur Abweisung des Antrages zu führen hätte), verbietet sich - wie im Anschluß an den Prüfungsbeschluß (vgl. oben Pkt. II.3.) auszuführen ist - aus verfassungsrechtlichen Überlegungen. Denn dadurch würde die Erteilung von Beschäftigungsbewilligungen von zeitlichen Zufälligkeiten abhängig gemacht, die zu einer sachlich nicht mehr begründbaren Unterscheidung zwischen verschiedenen Bewilligungswerbern in materiell gleicher Lage führen müßte (vgl. VfSlg. 7708/1975, 10620/1985).
c) Auch der - nicht weiter substantiierte - Einwand, daß die Rundung aus verwaltungsökonomischen Gründen dringend geboten sei, vermag das Bedenken des Verfassungsgerichtshofes, nämlich daß für eine derartige Vorgangsweise eine gesetzliche Grundlage fehle, nicht zu zerstreuen. Der Verfassungsgerichtshof braucht dabei der Frage nicht weiter nachzugehen, welche bei der Anwendung des AuslBG erforderlichen Rechenoperationen durch die vorgenommene Abrundung tatsächlich erheblich erleichtert werden. Hätte der Gesetzgeber auf solche Gründe Bedacht nehmen wollen, so hätte er der verordnungserlassenden Behörde eine diesbezügliche gesetzliche Ermächtigung erteilen müssen. Mangels einer solchen muß eine Verordnung als gesetzwidrig qualifiziert werden, die die Bundeshöchstzahl niedriger festsetzt, als sich dies bei Anwendung der im Gesetz genannten Berechnungsgrößen rechnerisch ergibt.
d) Die im Prüfungsbeschluß geäußerten Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit der BHZV 1995 haben sich daher als zutreffend erwiesen. Infolge ihres auf 1995 zeitlich beschränkten Geltungsbereiches war auszusprechen, daß die BHZV 1995 gesetzwidrig war.
6. Die Verpflichtung des Bundesministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Bundesgesetzblatt II erfließt aus Art139 Abs5 zweiter Satz B-VG und §60 Abs2 (iVm §61) VerfGG sowie §2 Abs2 Z4 BGBlG, BGBl. 660/1996.
III. Dieses Erkenntnis konnte
gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne vorangegangene mündliche Verhandlung gefällt werden.
Schlagworte
Arbeitsrecht, Ausländerbeschäftigung, VfGH / PrüfungsmaßstabEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1997:V110.1996Dokumentnummer
JFT_10029774_96V00110_00