Entscheidungsdatum
18.03.2019Norm
BFA-VG §22a Abs1 Z1Spruch
W112 2205738-1/23E
Gekürzte Ausfertigung des am 19.09.2018 mündlich verkündeten Erkenntnisses
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Elke DANNER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA MAROKKO, vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl.1028797605-180804627, und die Anhaltung in Schubhaft seit XXXX zu Recht erkannt:
A)
I. Die Beschwerde wird gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG iVm § 76 Abs. 2 Z 1 FPG als unbegründet abgewiesen.
II. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.
III. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Kostenersatz wird gemäß § 35 VwGVG abgewiesen.
IV. Gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG iVm VwG-Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 517/2013, hat der Beschwerdeführer dem Bund (Bundesminister für Inneres) Aufwendungen in Höhe von € 426,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer reiste zu einem unbekannten Zeitpunkt unrechtmäßig in das Bundesgebiet ein und stelle am 18.08.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz, den das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt) mit Bescheid vom 27.02.2015 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abwies. Unter einem erkannte es dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen zu, erließ eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach MAROKKO zulässig ist und räumte ihm für die freiwillige Ausreise eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung ein. Mit Bescheid vom 21.05.2015 wies das Bundesamt den Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung in die Beschwerdefrist ab. Beide Bescheide erwuchsen in Rechtskraft.
Der Beschwerdeführer wurde am 02.12.2015 zur Erlangung eines Heimreisezertifikates einvernommen. Das Bundesamt suchte am 02.12.2015 bei der MAROKKANISCHEN Botschaft um ein Heimreisezertifikat an. Am 09.09.2016 stellte das Bundesamt auch bei der TUNESISCHEN und der ALGERISCHEN Botschaft einen Antrag auf Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den Beschwerdeführer; beide lehnten den Antrag mit der Begründung ab, dass der Beschwerdeführer kein Staatsangehöriger ihres Landes sei.
Der Beschwerdeführer wurde am XXXX in XXXX im öffentlichen Raum polizeilich betreten und festgenommen. Er wurde am Folgetag zur beabsichtigten Schubhaftverhängung niederschriftlich einvernommen. Mit Mandatsbescheid vom XXXX , dem Beschwerdeführer zugestellt durch persönliche Übernahme am XXXX um 14:00 Uhr, verhängte das Bundesamt über den Beschwerdeführer gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung.
Mit Schriftsatz vom 14.09.2018, eingebracht am selben Tag, erhob der Beschwerdeführer durch seinen Rechtsberater als gewillkürten Vertreter Beschwerde gegen den Mandatsbescheid vom XXXX und die Anhaltung in Schubhaft seit XXXX ; er beantragte, das Bundesverwaltungsgericht möge eine öffentliche mündliche Verhandlung unter Einvernahme des Beschwerdeführers zur Klärung des maßgeblichen Sachverhaltes durchführen, den angefochtenen Bescheid beheben und aussprechen, dass die Anordnung in Schubhaft in rechtswidriger Weise erfolgt sei, im Rahmen einer "Habeas Corpus Prüfung" aussprechen, dass die Voraussetzungen zur weiteren Anhaltung des Beschwerdeführers nicht vorliegen, sowie der belangten Behörde den Ersatz der Aufwendungen des Beschwerdeführers gemäß der VwG-Aufwandersatz-VO sowie der Kommissionsgebühren und Barauslagen, für die der Beschwerdeführer aufzukommen habe, auferlegen.
Das Bundesamt legte am 14.09.2018 den Verwaltungsakt vor und erstattete am 17.09.2018 eine Stellungnahme, in der es beantragte, das Bundesverwaltungsgericht möge die Beschwerde als unbegründet abweisen, feststellen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlagen und den Beschwerdeführer zum Ersatz der Verfahrenskosten verfällen.
Am 19.09.2018 fand die hg. mündliche Verhandlung statt, an der das Bundesamt nicht teilnahm.
Keine der Parteien stellte einen Antrag auf schriftliche Ausfertigung des am 19.09.2018 mündlich verkündeten Erkenntnisses.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. Feststellungen:
Der volljährige Beschwerdeführer war MAROKKANISCHER Staatsangehöriger und nicht österreichischer Staatsbürger. Er verfügte über kein Aufenthaltsrecht in Österreich oder in einem anderen Mitgliedstaat der EU. Er reiste zu einem unbekannten Zeitpunkt unrechtmäßig in das Bundesgebiet ein und stelle am 18.08.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz, den das Bundesamt mit Bescheid vom 27.02.2015 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abwies. Unter einem erkannte es dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen zu, erließ eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach MAROKKO zulässig ist und räumte ihm für die freiwillige Ausreise eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung ein. Mit Bescheid vom 21.05.2015 wies das Bundesamt den Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung in die Beschwerdefrist ab. Beide Bescheide erwuchsen in Rechtskraft.
Der Beschwerdeführer kam seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach, er war nicht ausreisewillig und hätte sich seiner Abschiebung widersetzt. Die Rückkehrentscheidung war aufrecht.
Der Beschwerdeführer brachte keine identitätsbezeugenden Dokumente in Vorlage und machte keine gleichbleibenden Angaben zu seiner Reiseroute und seinen Aufenthaltsorten in der Europäischen Union. Auch seine Angaben in der hg. mündlichen Verhandlung zu seiner Meldung und zu seinem Verfahren waren nicht glaubhaft. Er war nicht bereit, sein soziales Umfeld in Österreich offenzulegen. Er hatte familiäre Anknüpfungspunkte in XXXX und hielt sich jahrelang ohne Aufenthaltstitel in der Europäischen Union auf. Er hatte keinen festen Wohnsitz in Österreich, keine legale Arbeit und keine Familie. Er verfügte über ein soziales Netz im Bundesgebiet, das ihm seit Einstellung der Grundversorgung am 01.09.2017 ein Leben im Verborgenen ermöglichte und im Falle der Haftentlassung wieder ermöglicht hätte. Der Beschwerdeführer verfügte seither über keine Meldeadresse, teilte dem Bundesamt seine Kontaktadresse nicht mit und war auch für das Bezirksgericht in einem Strafverfahren nicht greifbar.
Das Heimreisezertifikat für den Beschwerdeführer wurde bereits ANFANG DEZEMBER 2015 beantragt, 2016 wurde zwei Mal, 2017 vier Mal urgiert, 2018 zwei Mal. Eine Woche nach der hg. mündlichen Verhandlung war eine Besprechung des Falles des Beschwerdeführers mit dem Konsul des Königreichs MAROKKO vorgesehen.
Der Beschwerdeführer befand sich seit XXXX in Schubhaft, die seit XXXX im Polizeianhaltezentrum XXXX vollzogen wurde. Er nahm ein Schlafmittel und ein Antidepressivum, war davon abgesehen aber gesund und haftfähig.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen ergaben sich aus der hg. Verhandlung, den beigeschafften Verwaltungsakten des Asyl- und des Schubhaftverfahrens, Auskünften aus dem IZR, ZMR, dem Strafregister, der Anhaltedatei und dem GVS, sowie aus den amtsärztlichen Unterlagen. Die Feststellungen zum Verfahren bezüglich der Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den Beschwerdeführer mit der MAROKKANISCHEN Botschaft fußten auf dem Schreiben des Bundesamtes vom 19.09.2018.
3. Rechtliche Beurteilung
Zu A.I.) Beschwerde gegen den Bescheid vom XXXX und die Anhaltung in Schubhaft seit XXXX
Die Voraussetzungen für die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung gemäß § 76 Abs. 1, 2 Z 1 FPG lagen vor: Der volljährige Beschwerdeführer war MAROKKANISCHER Staatsangehöriger und nicht österreichischer Staatsbürger und verfügte über kein Aufenthaltsrecht für Österreich. Eine durchführbare aufenthaltsbeendende Maßnahme lag aufgrund der mit rechtskräftigem Bescheid des Bundesamtes vom 27.02.2015 verfügten Rückkehrentscheidung vor.
Das Bundesamt ging zutreffend davon aus, dass im Falle des Beschwerdeführers Fluchtgefahr gemäß § 76 Abs. 3 Z 1 FPG vorlag, da der Beschwerdeführer seine Abschiebung durch seinen seit 01.09.2017 unbekannten Aufenthaltsort vereitelt hatte, und davon, dass der Beschwerdeführer im Bundesgebiet über keine sozialen Anknüpfungspunkte verfügte - er hatte keinen festen Wohnsitz, keine legale Arbeitsstelle und keine familiären Bindungen im Bundesgebiet -, die gegen die Annahme von Fluchtgefahr gesprochen hätten, sondern vielmehr über ein soziales Netz, das er nicht offenlegte und das ihm im Falle der Haftentlassung wiederum einen Aufenthalt im Verborgenen ermöglicht hätte, weshalb auch Fluchtgefahr nach § 76 Abs. 3 Z 9 FPG vorlag.
Die belangte Behörde ging auch zutreffend davon aus, dass mit der Verhängung gelinderer Mittel gemäß § 77 FPG nicht das Auslangen gefunden werden konnte: Im Falle des Beschwerdeführers bestand bei Vorliegen einer durchführbaren Rückkehrentscheidung (§ 76 Abs. 3 Z 3 FPG) erhebliche Fluchtgefahr, auf Grund derer wegen des persönlichen Eindrucks, den der Beschwerdeführer in der hg. mündlichen Verhandlung vermittelte, sowie seinen Einlassungen in dieser Verhandlung, insbesondere seiner betonten Ausreiseunwilligkeit und seinem Vorverhalten nicht das Auslangen gefunden werden konnte; dabei war auch der langjährige Aufenthalt des Beschwerdeführers ohne Aufenthaltstitel im Gebiet der Mitgliedstaaten zu berücksichtigen.
Die Verhängung der Schubhaft war auch verhältnismäßig: Die belangte Behörde suchte bereits ANFANG DEZEMBER 2015 um ein Heimreisezertifikat für den Beschwerdeführer an und urgierte in den folgenden Jahren mehrmals. Es war daher mit hinreichender Sicherheit mit der Ausstellung eines Heimreisezertifikates und somit der Abschiebung des Beschwerdeführers zu rechnen. Eine Unverhältnismäßigkeit der Anhaltung ergab sich auch nicht aus dem Gesundheitszustand des Beschwerdeführers, der Schlafmittel und ein Antidepressivum einnahm, davon abgesehen aber gesund war, haftfähig war, aber der bei der weiteren Anhaltung psychiatrische bzw. psychologische Betreuung benötigte.
Auch die auf den Bescheid gegründete Anhaltung in Schubhaft war nicht unverhältnismäßig, da der Gesundheitszustand des Beschwerdeführers gleich blieb und das Bundesamt das Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates effizient betrieb: Ein Termin zur Besprechung des Falles des Beschwerdeführers mit dem Konsul des Königreiches MAROKKO wurde für die Woche nach der hg. Verhandlung organisiert.
Die Beschwerde sowohl gegen den Bescheid, als auch gegen die Anhaltung in Schubhaft war daher als unbegründet abzuweisen.
Zu A.II.) Fortsetzungsausspruch
Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG lagen zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vor:
Der Beschwerdeführer war weiterhin nicht aufenthaltsberechtigter Fremder und gegen ihn bestand weiterhin eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung. Die weitere Anhaltung des Beschwerdeführers zur Sicherung der Abschiebung gründete sich auf den am 01.09.2018 in Kraft getretenen § 76 Abs. 2 Z 2 FPG.
Es lag weiterhin erhebliche Fluchtgefahr gemäß § 76 Abs. 3 Z 1 und 9 FPG vor.
Mit der Verhängung gelinderer Mittel konnte angesichts des Vorverhaltens des Beschwerdeführers und insbesondere seinen Einlassungen in der hg. mündlichen Verhandlung und dem persönlichen Eindruck, den er dabei vermittelte, bei Vorliegen einer durchführbaren Rückkehrentscheidung (§ 76 Abs. 3 Z 3 FPG) nicht das Auslangen gefunden werden.
Die Anhaltung war weiterhin verhältnismäßig, da der Beschwerdeführer weiterhin gesund war, das Verfahren vom Bundesamt effizient geführt wurde und mit der Ausstellung eines Heimreisezertifikates und in weiterer Folge der Durchführung der Abschiebung weiterhin zu rechnen war.
Es war daher auszusprechen, dass die Voraussetzungen für die weitere Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft vorlagen.
Zu A.III. und A.IV.) Anträge auf Kostenersatz
Dem Beschwerdeführer gebührte als unterlegener Partei kein Kostenersatz, die belangte Behörde war auf Grund der Beschwerdeabweisung obsiegende Partei und hatte Anspruch auf Kostenersatz.
§ 1 VwG-AufwErsV bestimmte die Höhe des zu ersetzenden Vorlageaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei mit €
57,40 und die Höhe des Schriftsatzaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei mit € 368,80. Der Beschwerdeführer hatte der belangten Behörde daher Kosten iHv € 426,20 zu ersetzen.
Der Abspruch über den Barauslagenersatz wurde einer separaten Entscheidung vorbehalten.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Die Revision war gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhing, der grundsätzliche Bedeutung zukam. Weder wich die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlte es an einer Rechtsprechung; weiters war die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch lagen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor: Die Rechtslage zu § 76 Abs. 3 FPG war auf Grund des Erkenntnisses VwGH 11.05.2017, Ro 2016/21/0021, die Rechtslage zu § 35 VwGVG iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG auf Grund des Erkenntnisses VwGH 11.05.2017, Ra 2016/21/0144, geklärt.
Begründung der gekürzten Ausfertigung
Gemäß § 29 Abs. 5 VwGVG kann das Erkenntnis in gekürzter Form ausgefertigt werden, wenn von den Parteien auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof verzichtet oder nicht binnen zwei Wochen nach Ausfolgung bzw. Zustellung der Niederschrift gemäß Abs. 2a eine Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß Abs. 4 von mindestens einem der hiezu Berechtigten beantragt wird. Die gekürzte Ausfertigung hat den Spruch sowie einen Hinweis auf den Verzicht oder darauf, dass eine Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß Abs. 4 nicht beantragt wurde, zu enthalten.
Diese gekürzte Ausfertigung des nach Schluss der mündlichen Verhandlung am 19.09.2018 verkündeten Erkenntnisses ergeht gemäß § 29 Abs. 5 VwGVG, da ein Antrag auf Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß § 29 Abs. 4 VwGVG durch die hiezu Berechtigten innerhalb der zweiwöchigen Frist nicht gestellt wurde.
Schlagworte
Fluchtgefahr, Fortsetzung der Schubhaft, Kostenersatz, Schubhaft,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W112.2205738.1.00Zuletzt aktualisiert am
29.04.2019