TE Bvwg Erkenntnis 2019/3/22 W165 2140216-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 22.03.2019
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Entscheidungsdatum

22.03.2019

Norm

AsylG 2005 §5
B-VG Art.133 Abs4
FPG §61

Spruch

W165 2140213-1/32E

W165 2140223-1/35E

W165 2140217-1/33E

W165 2140220-1/33E

W165 2140207-1/33E

W165 2140208-1/30E

W165 2140216-1/30E

W165 2140210-1/29E

W165 2205762-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Ilse LESNIAK als Einzelrichterin über die Beschwerden von 1.) XXXX , geb. XXXX , 2.) XXXX , geb. XXXX , beide vertreten durch MigrantInnenverein St. Marx, Pulverturmgasse 4/2/R1, 1090 Wien und den Verein Menschenrechte Österreich, Alser Straße 20/5 1090 Wien,

3.) XXXX , geb. XXXX alias XXXX , 4.) XXXX , geb. XXXX alias XXXX , beide vertreten durch ARGE-Rechtsberatung, Diakonie, Wattgasse 48/3, 1170 Wien, 5.) XXXX , geb. XXXX alias XXXX , gesetzlich vertreten durch XXXX , geb. XXXX , XXXX , XXXX , diese vertreten durch ARGE Rechtsberatung, Diakonie, Wattgasse 48/3, 1170 Wien, 6.) XXXX , geb. XXXX , gesetzlich vertreten durch die Kindesmutter XXXX , diese vertreten durch MigrantInnenverein St. Marx, Pulverturmgasse 4/2/R1, 1090 Wien und den Verein Menschenrechte Österreich, Alser Straße 20/5 1090 Wien, 7.) XXXX , geb. XXXX , gesetzlich vertreten durch die Kindesmutter XXXX , diese vertreten durch MigrantInnenverein St. Marx, Pulverturmgasse 4/2/R1, 1090 Wien und den Verein Menschenrechte Österreich, Alser Straße 20/5 1090 Wien, 8.) XXXX , geb. XXXX , gesetzlich vertreten durch die Kindesmutter XXXX , diese vertreten durch MigrantInnenverein St. Marx, Pulverturmgasse 4/2/R1, 1090 Wien und den Verein Menschenrechte Österreich, Alser Straße 20/5 1090 Wien, und 9.) XXXX , geb. XXXX , gesetzlich vertreten durch die Kindesmutter XXXX , diese vertreten durch MigrantInnenverein St. Marx, Pulverturmgasse 4/2/R1, 1090 Wien und den Verein Menschenrechte Österreich, Alser Straße 20/5 1090 Wien, sämtliche StA. Afghanistan, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 31.10.2016, Zl. 1103210909/160115533-EAST-Ost (1.), Zl. 1103204705/160115517-EAST-Ost (2.), Zl. 1103204607/160115592-EAST-Ost (3.), Zl. 1103205005/160115614-EAST-Ost (4.), Zl. 1103211906/160115673-EAST- Ost (5.), Zl. 1103211209/160115576-EAST-Ost (6.), Zl. 1103211100/160115550-EAST-Ost (7.), Zl. 1103211002/160115541-EAST-Ost (8.) und gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.06.2018, Zl. 1189739406/180421124-EAST-Ost (9), zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerden werden gemäß § 5 AsylG 2005 und § 61 FPG mit der Maßgabe, dass die Zuständigkeit Kroatiens zur Prüfung der Anträge gemäß Art. 11 Dublin III-VO gegeben ist, als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Erstbeschwerdeführer (BF1) ist der Ehegatte der Zweitbeschwerdeführerin (BF2). Der BF1 und die BF2 sind die Eltern der minderjährigen Sechst- bis NeuntbeschwerdeführerInnen (BF6-BF9). Die volljährige Drittbeschwerdeführerin (BF3) ist die Schwester des BF1. Die (mittlerweile) volljährige Viertbeschwerdeführerin (BF4) ist die Schwester des BF1. Der minderjährige Fünftbeschwerdeführer (BF5) ist der Bruder des BF1. Der minderjährige Neuntbeschwerdeführer (BF9) ist das in Österreich (nach)geborene Kind des BF1 und der BF2.

Die BF1 bis BF8 gelangten illegal in das österreichische Bundesgebiet. Der BF1 stellte am 22.01.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Die BF2 stellte am 22.01.2016 für sich - und als gesetzliche Vertreterin für ihre minderjährigen Kinder (BF6-BF8) - Anträge auf internationalen Schutz in Österreich. Der BF1 stellte am 22.01.2016 weiters für seinen minderjährigen Bruder (BF5) einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Die BF3 und die BF4 stellten am 22.01.2016 ebenso Anträge auf internationalen Schutz in Österreich.

Zu den BF1-BF8 liegen EURODAC-Treffermeldungen der Kategorie "2" zu Griechenland vor (GR2...13.01.2016).

Am 23.01.2016 fanden polizeiliche Erstbefragungen der BF1-BF4 statt. Die BF1-BF4 gaben darin übereinstimmend an, dass sie gemeinsam aus ihrem Herkunftsstaat über den Iran, die Türkei, Griechenland, Mazedonien, Serbien, Kroatien und Slowenien kommend nach Österreich gereist seien. Zum Aufenthalt in den durchreisten Ländern befragt, gab der BF1 zu Protokoll, dass es in Mazedonien sehr kalt gewesen sei und sie keine richtige Bleibe gehabt hätten. In den anderen Ländern sei es OK gewesen. Der BF1 gab an, dass er In Österreich eine - namentlich genannte - Tante habe. Die BF3 gab in der polizeilichen Erstbefragung ihr Geburtsdatum mit XXXX an, weiters, dass sie über keine Berufsausbildung verfüge und bislang noch keine Berufstätigkeit ausgeübt habe. Die BF4 gab in der polizeilichen Erstbefragung ihr Geburtsdatum mit XXXX an.

In weiterer Folge wurde der Verein Menschenrechte Österreich zur gesetzlichen Vertretung der BF4 und BF5 bestellt.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) richtete am 13.02.2016 Informationsersuchen gem. Art. 34 Dublin III-VO an Slowenien.

Mit per E-Mail übermittelten Schreiben vom 23.02.2016 teilte die slowenische Dublin-Behörde dem BFA mit, dass die BF in Slowenien nicht registriert seien und keine Informationen zu deren Person vorliegen würden.

Mit E-Mail vom 01.04.2016 richtete das BFA auf Art. 13 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin III-VO) gestützte Aufnahmeersuchen an Kroatien.

Mit Schreiben vom 09.06.2016 teilte das BFA der kroatischen Dublin-Behörde mit, dass aufgrund nicht fristgerechter Antwort gem. Art. 22 Abs. 7 Dublin III-VO Verfristung eingetreten und Kroatien nunmehr zuständig zur Durchführung der Asylverfahren der BF sei.

Mit Schriftsatz vom 06.10.2016 brachte der damalige Rechtsvertreter der BF vor, dass die BF4 und BF5 - wie auch die BF3 - als unbegleitete Minderjährige zu qualifizieren seien. Dem BF1 würde keinerlei Vertretungsbefugnis zukommen. Die BF3-BF5 seien auf der Flucht von ihren Eltern getrennt worden. In der polizeilichen Erstbefragung sei das tatsächliche Geburtsalter der BF3 nicht korrekt ermittelt worden, da dieses aus dem afghanischen Kalender in den gregorianischen Kalender umzurechnen sei. Das tatsächliche Geburtsdatum der BF3 sei der XXXX , wie sich aus deren Tazkira ergeben würde. Die BF3 sei zum Zeitpunkt der Asylantragstellung somit minderjährig gewesen und infolgedessen als unbegleitete Minderjährige einzustufen. Hinsichtlich der BF3-BF5 ergebe sich somit die Zuständigkeit Österreichs aus Art. 8 Abs. 1 Dublin III-VO. Die BF seien zudem nicht illegal eingereist, sondern kontrolliert mit staatlicher Unterstützung unter Duldung ihrer Einreise nach Österreich gelangt.

Am 07.10.2016 fanden Einvernahmen der BF1-BF4 vor dem BFA statt. Die BF5-BF8 wurden aufgrund ihres Alters nicht gesondert einvernommen.

In seiner Einvernahme vor dem BFA am 07.10.2016 gab der BF1 zu Protokoll, dass er auf der Reise nach Österreich von seiner Mutter und drei weiteren Geschwistern getrennt worden sei. Ein - namentlich genannter - Onkel seiner Mutter und eine - mit anderem Namen als die in der Erstbefragung des BF1 genannte - Tante seiner Mutter würden seit vielen Jahren in Österreich leben und seien österreichische Staatsbürger. Befragt nach der Obsorge für seine beiden minderjährigen Geschwister, erläuterte der BF1, dass er mit seinen minderjährigen Geschwistern leben würde, jedoch niemand offiziell die Obsorge für diese innehabe. Er kümmere sich um seine minderjährigen Geschwister, sein in Österreich lebender Onkel wolle die Obsorge für diese beantragen. Im Herkunftsstaat hätten alle Geschwister zusammengelebt. Zu seinem Gesundheitszustand befragt, gab der BF1 zu Protokoll, dass er krank sei, sein rechter Fuß müsse operiert werden. Er habe am 21.10.2016 einen Operationstermin. Im Zuge der Einvernahme legte der BF1 eine Ambulanzkarte, einen Aufklärungsbogen OP und einen "Fragebogen vor Operationen" eines Landesklinikums vor. Weiters wurden ein Röntgenbild des rechten Sprunggelenks vom 04.10.2016 und ein Foto von einer Operation des rechten Fußes in Afghanistan vorgelegt.

Die BF2 gab in ihrer Einvernahme vor dem BFA am 07.10.2016 an, dass sie auf der Reise stets gemeinsam mit ihren Familienangehörigen einschließlich ihres Bruders und dessen Geschwistern unterwegs gewesen sei. Zu ihrem Gesundheitszustand gab die BF2 an, dass sie krank sei. Sie habe einen Termin beim Psychologen, sie habe Schlafstörungen und Depressionen, verletze sich selbst, beiße sich und weine manchmal sehr viel. Sie sei deswegen zweimal im Krankenhaus gewesen. Die Befunde werde sie schicken. Sie sei nicht in der Lage, nach Kroatien zurück zu kehren, sie müsse behandelt werden. Ihr Mann müsse operiert werden, ihre kleine Tochter habe Hörprobleme und müsse auch zum HNO. Sie habe auch Probleme mit der Blase und eine Hautkrankheit, sie habe einen Ausschlag und kratze. Die BF2 wurde aufgefordert, die medizinischen Unterlagen betreffend ihre Kinder bis zum 14.10.2016 zu übermitteln.

Die BF3 gab in ihrer Einvernahme vor dem BFA am 07.10.2016 ihr Geburtsdatum mit XXXX an. Sie habe eine Geburtsurkunde besessen (Tazkira), diese jedoch verloren. Nach der Obsorge für ihre beiden minderjährigen Geschwister (BF4 und BF5) befragt, erklärte die BF3, dass niemand die Obsorge für ihre minderjährigen Geschwister innehabe. Auf der Reise hätten sich ihr erwachsener Bruder (BF1) und sie selbst um ihre beiden jüngeren Geschwister gekümmert. Im Herkunftsstaat habe sie mit ihren Geschwistern zusammengewohnt. In Österreich würden ein Onkel und eine Tante leben, zu denen keine finanzielle, jedoch eine emotionale Abhängigkeit bestehe. Der in Österreich lebende Onkel wolle die Obsorge für ihre beiden minderjährigen Geschwister beantragen. Zu ihrem Gesundheitszustand befragt, gab die BF3 an, dass sie gesund sei.

Die BF4 gab in ihrer Einvernahme vor dem BFA am 07.10.2016 mit den diesbezüglichen Angaben des BF1 und der BF3 übereinstimmend an, dass sie im Herkunftsstaat mit den Geschwistern gemeinsam gelebt habe und sich ihr Bruder (BF1) und ihre ältere Schwester (BF3) derzeit um sie kümmern würden. Zu ihrem Gesundheitszustand befragt, gab die BF4 an, dass sie gesund sei.

In weiterer Folge holte das BFA eine gutachterliche ärztliche Stellungnahme im Zulassungsverfahren zur BF2 ein. In der gutachterlichen Stellungnahme vom 19.10.2016 wurden eine Anpassungsstörung F43.2 und eine Zwangsstörung F42.1 (vorwiegend Zwangshandlungen, Waschzwang, der laut AW bereits in der Heimat bestanden habe), diagnostiziert. Für eine andere Störung derzeit kein Hinweis. Derzeit keine akute Suizidalität fassbar.

Mit Bescheiden vom 31.10.2016 wurden die Anträge der BF1-BF8 auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gem. § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass für die Prüfung der Anträge gem. Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO Kroatien zuständig sei (I.). Gleichzeitig wurde gem. § 61 Abs. 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und ausgesprochen, dass demzufolge gem. § 61 Abs. 2 FPG die Abschiebung der BF1-BF8 nach Kroatien zulässig sei (II.).

Die Sachverhaltsfeststellungen zur Lage in Kroatien wurde in den angefochtenen Bescheiden betreffend die BF1-BF8 wie folgt zusammengefasst (unkorrigiert und ungekürzt durch das Bundesverwaltungsgericht):

1. Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen

Keine aktuellen Kurzinformationen vorhanden.

2. Allgemeines zum Asylverfahren

Es existiert ein rechtsstaatliches Asylverfahren mit gerichtlicher Beschwerdemöglichkeit (AIDA 12.2015; für weitere Informationen siehe dieselbe Quelle).

Quellen:

-

AIDA - Asylum Information Database (12.2015): National Country Report Croatia, provided by Croatian Law Centre and European Council on Refugees and Exiles,

http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_hr_update.ii_.pdf, Zugriff 18.8.2016

3. Dublin-Rückkehrer

Personen, die unter der Dublin-VO nach Kroatien zurückkehren, haben prinzipiell vollen Zugang zum kroatischen Asylsystem. Wenn ein Rückkehrer Kroatien vor dem Ende seines ursprünglichen Verfahrens verlassen hat und das Verfahren daher suspendiert wurde, muss er, wenn er dies wünscht, bei Rückkehr neuerlich einen Asylantrag stellen (AIDA 12.2015).

Quellen:

-

AIDA - Asylum Information Database (12.2015): National Country Report Croatia, provided by Croatian Law Centre and European Council on Refugees and Exiles,

http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_hr_update.ii_.pdf, Zugriff 18.8.2016

4. Unbegleitete minderjährige Asylwerber (UMA) / Vulnerable

Als vulnerabel gelten unmündige Personen, Minderjährige, unbegleitete Minderjährige, alte und gebrechliche Personen, ernsthaft Kranke, Behinderte, Schwangere, AlleinerzieherInnen mit minderjährigen Kindern, psychisch Kranke, Opfer von Menschenhandel und Opfer von Folter, Vergewaltigung oder anderen Formen psychologischer, physischer und sexueller Gewalt (z.B. FGM-Opfer). Für Vulnerable gibt es spezielle Verfahrens- und Unterbringungsgarantien. Im Hinblick auf ihre persönlichen Umstände ist ihnen geeignete Unterstützung -auch medizinisch- zu bieten. Speziell geschulte Beamte sollen Vulnerable identifizieren. Es ist schwer zu sagen, in welchem Ausmaß Vulnerabilität tatsächlich systematisch identifiziert wird. Generell hängt dies wohl eher vom zuständigen Beamten ab. Für Folter- und Misshandlungsopfer gibt es kein institutionalisiertes Früherkennungssystem. Anträge von Unbegleiteten Minderjährigen Asylwerbern (UMA) haben Priorität. Das beschleunigte Verfahren ist in der Regel auf Vulnerable nicht anwendbar (AIDA 12.2015).

Unbegleiteten Minderjährigen (UM), die den Wunsch nach Asyl erkennen lassen, ist vom Zentrum für soziale Wohlfahrt ein geeigneter Vormund zur Seite zu stellen. Der Vormund hat den UMA im Asylverfahren zu beraten und zu betreuen. Vormunde sind in der Regel Mitarbeiter des zuständigen Zentrums für soziale Wohlfahrt, üblicherweise Juristen, Sozialarbeiter oder Sozialpädagogen. Überlastung und Verständigungsprobleme können dazu führen, dass die Rolle der Vormunde eher formal bleibt und sie nicht aktiv im Sinne ihrer Schutzbefohlenen tätig werden. Der Vormund hat im besten Interesse des Kindes alle notwendigen Abklärungen mit Behörden, NGOs, usw. zu treffen. Ist ein UM über 16 Jahre und verheiratet, ist kein Vormund zu bestellen. Frühere Probleme bezüglich Verzögerungen bei der Vormundschaftsbestellung existieren nicht mehr (AIDA 12.2015; vgl. FRA 6.2016).

Bei Zweifeln am Alter einer Person sollen zuerst die vorhandenen Informationen, inklusive der Meinung der Experten die mit dem Kind täglich arbeiten, bewertet werden. Wenn dies nicht genügt, ist mit schriftlichem Einverständnis des Kindes und des Vormunds eine medizinische Altersfeststellung möglich. Diese besteht aus allgemeiner Untersuchung und Röntgen der Zähne oder der Hand. Im Zweifel ist die Minderjährigkeit anzunehmen. Wird die Zustimmung zur Altersfeststellung verweigert, ist der ASt. als Erwachsener zu behandeln, der Antrag darf aber nicht (nur) deswegen abgelehnt werden. Die bei der Betreuung von UM zuständigen Behörden haben sich auf einen "Protocol on treatment of separated children-foreign nationals" geeinigt, um einheitliche Abläufe bei Betreuung und Schutz von UM garantieren zu können. Auch UNHCR hat dazu Input geliefert (AIDA 12.2015; vgl. FRA 6.2016).

Quellen:

-

AIDA - Asylum Information Database (12.2015): National Country Report Croatia, provided by Croatian Law Centre and European Council on Refugees and Exiles,

http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_hr_update.ii_.pdf, Zugriff 18.8.2016

-

FRA - European Union Agency for Fundamental Rights (6.2016):

Monthly data collection on the current migration situation in the EU, June 2016 monthly report,

http://fra.europa.eu/sites/default/files/fra_uploads/fra-june-2016-monthly-migration-gender-based-violence_en.pdf, Zugriff 18.8.2016

5. Non-Refoulement

Gemäß Art. 6 des Asylgesetzes ist es verboten einen Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in ein Land zurück- bzw. abzuschieben, in dem sein Leben oder seine Freiheit aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung bedroht wäre, oder in dem er Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung ausgesetzt sein könnte, oder das den Betreffenden in ein anderes Land schicken könnte, wo ihm selbiges drohen würde. Eine Ausnahme kann nur gelten, wenn der Betreffende eine Gefahr für die nationale Sicherheit oder Ordnung darstellt, oder wenn er wegen eines ernsten Verbrechens rechtskräftig verurteilt wurde (Act 2.7.2015, Art. 6).

Laut Gesetz ist ein sicherer Drittstaat einer, in welchem ein Antragsteller sicher ist vor Verfolgung oder dem Risiko einen ernsten Schaden zu erleiden; welcher das Non-Refoulement-Prinzip beachtet und welcher effektiven Zugang zum Asylverfahren gewährt (AIDA 12.2015).

Kroatien respektiert das Non-Refoulement-Prinzip. Wenn Inhaftierte aber freiwillig in ihr Herkunftsland ausreisen wollen, wird dem Wunsch entsprochen, auch wenn das Land unsicher ist (z.B. Irak) (FRA 6. 2016).

Quellen:

-

Act - Act on International and Temporary Protection (2.7.2015), http://www.refworld.org/docid/4e8044fd2.html, Zugriff 18.8.2016

-

AIDA - Asylum Information Database (12.2015): National Country Report Croatia, provided by Croatian Law Centre and European Council on Refugees and Exiles,

http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_hr_update.ii_.pdf, Zugriff 18.8.2016

-

FRA - European Union Agency for Fundamental Rights (6.2016):

Monthly data collection on the current migration situation in the EU, June 2016 monthly report,

http://fra.europa.eu/sites/default/files/fra_uploads/fra-june-2016-monthly-migration-gender-based-violence_en.pdf, Zugriff 18.8.2016

6. Versorgung

Asylwerber in Kroatien haben das Recht auf materielle Versorgung während des Asylverfahrens. Dieses Recht umfasst Unterbringung, Verpflegung, Kleidung und finanzielle Unterstützung. Nur Folgeantragsteller sehen sich Einschränkungen gegenüber. Die monatliche finanzielle Unterstützung betrug Ende August 2015 100 Kuna (EUR 13,30) für eine Person. Gibt es abhängige Familienmitglieder, steigt der Betrag. Trotzdem ist die Unterstützung sehr gering bemessen. Asylwerber (AW) deren Verfahren nach 9 Monaten noch nicht entschieden ist, haben das Recht zu arbeiten. Meist werden die Verfahren aber früher abgeschlossen. Der faktische Zugang zum Arbeitsmarkt für AW wird durch die Sprachbarriere und hohe Arbeitslosigkeit behindert. Zugang zu Jobtraining haben AW nicht, sie können aber innerhalb der Unterbringungszentren mitarbeiten und werden in Form zusätzlicher Bedarfsartikel entlohnt (AIDA 12.2015).

Quellen:

-

AIDA - Asylum Information Database (12.2015): National Country Report Croatia, provided by Croatian Law Centre and European Council on Refugees and Exiles,

http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_hr_update.ii_.pdf, Zugriff 18.8.2016

6.1. Unterbringung

Gemäß Asylgesetz haben Asylwerber während des Asylverfahrens das Recht auf Unterbringung in Unterbringungszentren für Asylwerber.(AW)

Auf Antrag können sie auf eigene Kosten auch außerhalb eines Zentrums wohnen. Kroatien verfügt über 2 offene Unterbringungszentren für AW, in Zagreb und in Kutina, mit zusammen 700 Plätzen. Beide Zentren werden vom kroatischen Innenministerium geführt, wobei Kutina primär der Unterbringung vulnerabler AW dient. Familien werden grundsätzlich zusammen untergebracht. Das kroatische Rote Kreuz bietet in den Zentren Risikogruppen unter den AW präventiv Informationen bezüglich potentieller Ausbeutung, sexueller Gewalt und anderen Gefahren (AIDA 12.2015).

In den beiden Zentren Untergebrachte erhalten 3 Mahlzeiten am Tag (in Kutina gibt es darüber hinaus Kochbereiche). Wenn nötig (Kinder, Schwangere, religiöse Gründe) gibt es spezielle Kost. Die Zimmer fassen max. 4 Personen (Zagreb) bzw. 2 Personen (Kutina). Die Zentren können generell bis 22.00 Uhr frei verlassen werden. Mehrtägige Abwesenheit bedarf einer Genehmigung durch die Leitung der Unterkunft. Sozialarbeiter des kroatischen Roten Kreuzes sind immer werktags in den Zentren anwesend und bieten soziale Beratung und Unterstützung. Sie stellen auch Bedarfsartikel wie Kleidung, Schuhe, Hygieneartikel und Lebensmittel zur Verfügung. Auch organisiert werden Sprachtrainings, kreative Workshops, Sport- und Freizeitaktivitäten, usw. (AIDA 12.2015).

Die europäische Grundrechtsagentur äußert sich über die Unterbringung und Betreuung, nicht zuletzt durch viele NGOs, im Zentrum in Zagreb zufrieden (FRA 6.2016).

Wenn ein Zentrum unerlaubt für mehr als 24 Stunden verlassen oder die Hausordnung wiederholt verletzt wird, kann die materielle Versorgung reduziert oder gestrichen werden, die medizinische Versorgung ist davon aber nicht betroffen (AIDA 12.2015).

Zudem verfügt Kroatien über ein geschlossenes (Schubhaft-) Zentrum (Center for Foreigners) in Ježevo mit 96 Plätzen für die Inhaftierung illegaler Migranten. Gegebenenfalls bleiben auch AW, die ihren Antrag in Haft gestellt haben für einige Zeit dort, bevor sie in ein offenes Zentrum verlegt werden. Es wird versucht Vulnerable und Familien alternativ zur Haft unterzubringen, besonders im Zentrum in Zagreb, in dem es dafür einen eigenen Bereich gibt (AIDA 12.2015; vgl. FRA 6.2016).

Quelle:

-

AIDA - Asylum Information Database (12.2015): National Country Report Croatia, provided by Croatian Law Centre and European Council on Refugees and Exiles,

http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_hr_update.ii_.pdf, Zugriff 18.8.2016

-

FRA - European Union Agency for Fundamental Rights (6.2016):

Monthly data collection on the current migration situation in the EU, June 2016 monthly report,

http://fra.europa.eu/sites/default/files/fra_uploads/fra-june-2016-monthly-migration-gender-based-violence_en.pdf, Zugriff 18.8.2016

6.2. Unterbringung Vulnerabler/UMA

Für Vulnerable gibt es spezielle Verfahrens- und Unterbringungsgarantien. In der Praxis werden sie meist im Zentrum in Kutina untergebracht, das speziell für Vulnerable adaptiert ist. Dort gibt es gesonderte Bereiche für Frauen und Vulnerable. Die dort Untergebrachten äußern sich über die Unterkunft zufrieden, nur die sanitären Bedingungen in den Toiletten werden kritisiert. Wenn Kutina voll ist, werden Familien auch in Zagreb untergebracht, wie auch einige Vulnerable, die eine Psychotherapie oder medizinische Behandlung erhalten (AIDA 12.2015; vgl. FRA 6.2016).

Es existieren in Kroatien keine Monitoringmechanismen bezüglich der Einhaltung der Unterbringungsgarantien für Vulnerable. Sozialarbeiter des kroatischen Innenministeriums und des Roten Kreuzes sind aber täglich in den Zentren anwesend und können Bedürfnisse erkennen und zum einen Unterstützung bieten und zum anderen bei Bedarf Änderungen in der Unterbringung einzelner Asylwerber vorschlagen (z.B. Einzelunterbringung oder Verlegung nach Kutina) (AIDA 12.2015).

Für Unbegleitete Minderjährige gibt es kindgerechte Bereiche in den Unterbringungszentren (FRA 6.2016).

Quelle:

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AIDA - Asylum Information Database (12.2015): National Country Report Croatia, provided by Croatian Law Centre and European Council on Refugees and Exiles,

http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_hr_update.ii_.pdf, Zugriff 18.8.2016

-

FRA - European Union Agency for Fundamental Rights (6.2016):

Monthly data collection on the current migration situation in the EU, June 2016 monthly report,

http://fra.europa.eu/sites/default/files/fra_uploads/fra-june-2016-monthly-migration-gender-based-violence_en.pdf, Zugriff 18.8.2016

6.3. Transitzentren/Migration

Seit Schließung der sogenannten "Balkanroute" gab es keine organisierten Migrationsbewegungen nach Kroatien mehr. Laut Daten des kroatischen Innenministeriums waren Ende Mai 2016 170 Personen im Unterbringungszentrum für Asylwerber in Zagreb untergebracht (davon 40 Dublin-Rückkehrer), 55 in Kutina und 95 im Schubhaftzentrum Ježevo. Ca. 200 von den o.g. waren Asylantragsteller, 20% der ASt. waren minderjährig (FRA 6.2016).

Mit Stand 16.8.2016 waren ca. 345 Fremde in Kroatien untergebracht. Am 11.8.2016 wurde im Grenzbereich zu Serbien das Transit-Anhaltezentrum Tovarnik fertiggestellt. Es hat eine Kapazität von 70-80 Plätzen und dient der medizinischen und psychologischen Betreuung von Personen, welche nach illegalem Grenzübertritt angehalten wurden, sowie der Identitätsklärung, dem Abschiebeverfahren und der Kooperation mit anderen Dienststellen. Das Zentrum Slavonski Brod wurde vollständig abgebaut. Damit ist Tovarnik das einzige verbleibende Transitzentrum (VB 12.8.2016 und 16.8.2016).

Quelle:

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FRA - European Union Agency for Fundamental Rights (6.2016):

Monthly data collection on the current migration situation in the EU, June 2016 monthly report,

http://fra.europa.eu/sites/default/files/fra_uploads/fra-june-2016-monthly-migration-gender-based-violence_en.pdf, Zugriff 18.8.2016

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VB des BM.I in Kroatien (12.8.2016): Bericht des VB, per E-Mail

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VB des BM.I in Kroatien (16.8.2016): Bericht des VB, per E-Mail

6.4. Medizinische Versorgung

Asylwerber haben das Recht auf medizinische Notversorgung und notwendige medizinische Behandlung von Krankheiten und psychischen Störungen. Besonders Schwangere und Wöchnerinnen und deren Kinder werden speziell betreut. In den Unterbringungszentren in Zagreb und Kutina ist eine Krankenschwester dauernd anwesend. In Kutina ist auch ein Arzt dauernd anwesend, in Zagreb dreimal wöchentlich. Es gibt Beschwerden über Verständigungsschwierigkeiten mit dem medizinischen Personal, da von der öffentlichen Hand keine Übersetzungskosten für medizinische Belange übernommen werden (AIDA 12.2015; vgl. FRA 6.2016).

Die NGO Center for Peace Studies bietet im Zentrum in Zagreb, in Ergänzung des Angebots des Roten Kreuzes, an 2 Tagen pro Woche auch psycho-soziale Unterstützung und Sprachtraining. Die NGO Centre for Children, Youth and Family (Modus) bietet kostenlose Beratung und Psychotherapie für Asylwerber (AW) und anerkannte Flüchtlinge durch 8 ausgebildete Berater/Psychotherapeuten und 8 Übersetzer (Russisch, Türkisch, Französisch, Arabisch, Farsi, Hindi und Paschtu). Die NGO Croatian Law Centre betreibt das Projekt "Protection of Victims of Torture among Vulnerable Groups of Migrants", das -finanziert vom UN Voluntary Fund for Victims of Torture- Rechtshilfe, psychosoziale Unterstützung und psychologische Beratung für AW und anerkannte Flüchtlinge bietet. (AIDA 12.2015).

Irreguläre Migranten haben wie AW Anspruch auf medizinische Notversorgung. NGOs und private Helfer unterstützen Fälle von nicht-dringenden medizinischen Behandlungen (FRA 6.2016).

Quellen:

-

AIDA - Asylum Information Database (12.2015): National Country Report Croatia, provided by Croatian Law Centre and European Council on Refugees and Exiles,

http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_hr_update.ii_.pdf, Zugriff 18.8.2016

-

FRA - European Union Agency for Fundamental Rights (6.2016):

Monthly data collection on the current migration situation in the EU, June 2016 monthly report,

http://fra.europa.eu/sites/default/files/fra_uploads/fra-june-2016-monthly-migration-gender-based-violence_en.pdf, Zugriff 18.8.2016

7. Schutzberechtigte

Fremde, denen Asyl oder subsidiärer Schutz gewährt wurde, haben u.a. das Recht auf Aufenthalt in der Republik Kroatien; Unterbringung für max. 2 Jahre ab Statuszuerkennung; freien Zugang zum Arbeitsmarkt ohne weitere Arbeitsbewilligung; Krankenversorgung; Ausbildung; soziale Unterstützung wie kroatische Staatsbürger; Unterstützung bei der Integration in die kroatische Gesellschaft; usw. Fremde mit temporärem Schutzstatus (eine spezielle Schutzform im Zusammenhang mit außergewöhnlichen Ereignissen), haben das Recht auf Aufenthalt in Kroatien; Grundversorgung und Unterbringung; Krankenversorgung;

primäre und sekundäre Schulbildung; Arbeit; Familienzusammenführung;

usw. (MUP o.D., vgl. Act 2.7.2015, Art. 64 ff. und Art. 83 ff.).

Am 13.6.2016 hat die Arbeitsgruppe Integration den Entwurf für den Aktionsplan für die Integration von Personen mit internationalem Schutz 2016-2018 abgeschlossen. Ziel des Aktionsplans ist eine Liste von Aktivitäten, die kontinuierlich von allen zuständigen staatlichen Behörden und Einrichtungen auf lokaler und regionaler Ebene umgesetzt werden sollen, darunter Zugang zu Wohnung, sozialer Wohlfahrt, Bildung und Beschäftigung. Zum Entwurf gehören auch bewusstseinsbildende Maßnahmen bei Öffentlichkeit und Beamten. Kroatisch-Sprachkurse sind für Personen mit internationalem Schutz nicht mehr verfügbar. UNHCR hat sich beim Minister für Wissenschaft, Bildung und Sport für die Wiederaufnahme der Kurse eingesetzt, was bislang aber noch nicht geschehen ist (UNHCR 20.6.2016).

Quellen:

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Act - Act on International and Temporary Protection (2.7.2015), http://www.refworld.org/docid/4e8044fd2.html, Zugriff 22.10.2015

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MUP - Ministry of Interior (o.D.): Aliens, http://www.mup.hr/main.aspx?id=120027#asylum, Zugriff 18.8.2016

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UNHCR - UN High Commissioner for Refugees (20.6.2016): Europe's Refugee Emergency Response Update #27;

http://www.ecoi.net/file_upload/1930_1468929795_europerefugeeemergencyresponse-update-27.pdf, Zugriff 18.8.2016

Hinsichtlich des Gesundheitszustandes der BF1-BF8 wurde in den Bescheiden festgehalten, dass diese an keinen schweren psychischen Störungen und/oder schweren oder ansteckenden Krankheiten leiden würden.

Im den BF1 betreffenden Bescheid wird ausgeführt, dass dieser die faktische Verantwortung für seine minderjährigen Geschwister übernommen habe, was sich aus seinem Vorbringen und dem Vorbringen seiner Geschwister ergeben würde. Der BF1 habe seine minderjährigen Geschwister seit dem Verlassen ihres Herkunftsstaates betreut und begleitet, insbesondere seit die Geschwister auf der Reise ihre Mutter verloren hätten. Der BF1 würde mit seinen minderjährigen Geschwistern wie auch mit der weiteren Schwester (BF3) im gemeinsamen Haushalt leben. Ein solcher habe bereits im Herkunftsstaat bestanden. Da gegen die Schwester und die minderjährigen Geschwister des BF1 die gleiche aufenthaltsbeendende Maßnahme wie gegen den BF1 ausgesprochen werde, bleibe die Einheit des Familienverbandes erhalten, sodass hinsichtlich dieser Familienangehörigen kein Eingriff in das durch Art. 8 EMRK geschützte Recht auf Zusammenleben der Familie vorliege. Ebenso würden gegen die Ehegattin und die minderjährigen Kinder des BF1 gleichlautende aufenthaltsbeendende Maßnahmen erlassen, sodass die Familieneinheit gewahrt bleibe und auch insofern kein Eingriff in das Recht auf Familienleben nach Art. 8 EMRK erfolge.

In den die BF4 und BF5 betreffenden Bescheiden wurden sinngemäß gleichlautende Ausführungen getroffen.

Im die BF3 betreffenden Bescheid wurde ausgeführt, dass die BF3 mit ihren Verwandten im gemeinsamen Haushalt lebe und ein solcher auch bisher bestanden habe. Die BF3 sei mit ihren Verwandten seit Verlassen ihres Herkunftsstaates gemeinsam unterwegs gewesen. Seit der Trennung von ihrer Mutter an der türkisch-iranischen Grenze würde sie sich um ihre minderjährigen Geschwister kümmern. Sie habe gemeinsam mit dem BF1 die tatsächliche Verantwortung für ihre minderjährigen Geschwister. Aufgrund der Erlassung der gleichen aufenthaltsbeendenden Maßnahme für sämtliche Angehörige ihres Familienverbandes bleibe die Einheit der Familie durch die Außerlandesbringung gewahrt, sodass die im gegenständlichen Verfahren getroffene Entscheidung keinen Eingriff in das in Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Achtung des Familienlebens darstelle.

In den die BF2 und die BF6-BF8 betreffenden Bescheiden wurde ebenso darauf hingewiesen, dass aufgrund der Verfügung der gleichen aufenthaltsbeendenden Maßnahme gegen den BF1 kein Eingriff in das Familienleben iSd Art. 8 EMRK erfolge.

Gegen die Bescheide betreffend die BF1-BF8 vom 31.10.2016 wurden fristgerecht gleichlautende Beschwerden eingebracht. Darin wurden neben gesundheitlichen Beeinträchtigungen und der behaupteten legalen Einreise der BF in den Schengen-Raum der Status der BF4 und BF5 als unbegleitete Minderjährige geltend gemacht. Gemäß Art. 8 Abs. 1 Dublin III-VO sei Österreich zur Führung der Asylverfahren der BF4 und BF5 zuständig. Da sich die BF in einer vulnerablen Lebenssituation befinden würden, würde ein Auseinanderreißen des Familienverbandes einen unverhältnismäßigen Eingriff in die durch Art. 8 EMRK garantierten Rechte auf Führung eines gemeinsamen Familienlebens darstellen. Zum Gesundheitszustand der BF1-BF8 wurde im Detail ausgeführt, dass der BF1 inzwischen operiert worden und im Bereich des rechten Sprunggelenks die Metallteile entfernt worden seien, jedoch nach wie vor eine starke Beweglichkeitseinschränkung bestehe und dringend Physiotherapie benötigt werde. Es sei auch abzuwarten, ob der Zustand einer starken Gehbeeinträchtigung nach der Metallentfernung besser werde oder eine nochmalige Operation erfolgen müsse. Die BF3 habe nach dem Essen regelmäßig starke Magenschmerzen. Bei einer zweimaligen Durchuntersuchung in einem Krankenhaus habe jedoch nichts gefunden werden können. Es wurde ärztlicherseits der Rat erteilt, keine zu feste Kost, sondern viel flüssige oder breiige Nahrung zu sich zu nehmen. Dies komme einer Diätempfehlung gleich. Die BF7 leide an einem beidseitigen Leistenbruch, welcher dringend operiert werden müsse. Der Operationstermin in einem Krankenhaus sei für 04.12.2016 festgelegt worden. Der BF8 leide an wiederkehrender Bronchitis, die mutmaßlich auf den starken Schimmelbefall in der derzeitigen Wohnung zurückzuführen sei. Vor diesem Hintergrund müsse die schwere psychische Belastung und erhebliche seelische Erkrankung der BF2 gesehen werden, welche auch durch die ärztliche Untersuchung vom 18.10.2016 belegt sei. Die von der Behörde angestellten Ermittlungen würden nicht ausreichen, um zuverlässig feststellen zu können, wie die konkrete medizinische Versorgungssituation für Asylsuchende in Kroatien angesichts der dortigen Überlastung des Aufnahmesystems aussehe.

Mit Beschluss des BVwG vom 25.11.2016 wurde den Beschwerden die aufschiebende Wirkung gemäß § 17 Abs. 1 BFA-VG zuerkannt.

Mit Erkenntnissen des BVwG vom 26.01.2017 wurde den Beschwerden gem. § 21 Abs. 3 1. Satz BFA-VG stattgegeben und wurden die Verfahren über die Anträge auf internationalen Schutz zugelassen. Begründend wurde ausgeführt, dass die Verfahren bezüglich der BF4 und des BF 5 als unbegleitete Minderjährige im Sinne der Definition des Art. 2 lit. j Dublin III-VO gem. Art 8 Dublin III-VO jedenfalls in Österreich zuzulassen seien und bezüglich des Verfahrens des BF1 im Hinblick auf Art. 8 EMRK der Selbsteintritt nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO zu erklären sei. Im Rahmen des zu führenden Familienverfahrens im Sinne des § 34 AsylG 2005 seien folglich auch die angefochtenen Entscheidungen betreffend die BF2 und die BF6-BF8 zu beheben gewesen. Zur im Zeitpunkt der Asylantragstellung entweder bereits knapp volljährig oder knapp noch nicht volljährig gewesenen BF3 als alleinstehender junger Frau ohne Bezugsperson und zur allfälligen Trennung von sämtlichen im Bundesgebiet verbleibenden Familienangehörigen und Verwandten wurde ausgeführt, dass Österreich auch bezüglich der BF3 den Selbsteintritt in das Verfahren wahrzunehmen habe.

Der Verwaltungsgerichtshof gab einer gegen den Beschluss des BVwG vom 26.01.2017 erhobenen außerordentlichen Revision des BFA, der mit Beschluss des VwGH vom 14.03.2017, Ra 2017/19/0072-4, die aufschiebende Wirkung zuerkannt wurde, mit Erkenntnis vom 22.11.2017, Ra 2017/19/0072, unter Hinweis auf das Erkenntnis des VwGH vom 22.06.2017, Ra 2016/20/0384, statt und hob den Beschluss des BVwG vom 26.01.2017 wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts auf.

In seinem Erkenntnis vom 22.06.2017, Ra 2016/20/0384, hat der VwGH Art. 11 Dublin III-VO als Korrektiv für die in Art. 7 Abs. 1 Dublin III-VO normierte grundsätzliche Rangfolge der Zuständigkeitskriterien bezeichnet, um die Umsetzung der in den Erwägungsgründen 14 bis 16 Dublin III-VO genannten vorrangigen Ziele, die Achtung des Grundsatzes der Einheit der Familie und das Wohl des Kindes in Fällen sicherzustellen, in welchen die üblichen Zuständigkeitskriterien die Erreichung dieser Zielsetzungen verhindern würden. Damit komme bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 11 Dublin III-VO dieser Vorschrift Vorrang vor den übrigen Zuständigkeitskriterien zu. Demzufolge richte sich die Zuständigkeit für die gesamte Gruppe der erfassten Familienangehörigen und/oder unverheirateten minderjährigen Geschwister primär danach, welcher Mitgliedstaat nach den Kriterien der Aufnahme für den größten Teil von ihnen zuständig sei. Sekundär richte sich die durch Art. 11 Dublin III-VO begründete Gesamtzuständigkeit danach, welcher Mitgliedstaat nach den Kriterien für die Prüfung des von dem ältesten der erfassten Familienmitglieder gestellten Antrages zuständig sei.

Im verfahrensgegenständlichen Erkenntnis Ra 2017/19/0072 vom 22.11.2017 führte der VwGH wie folgt aus:

"Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seinem Erkenntnis vom 22. Juni 2017, Ra 2016/20/0384, mit dem Anwendungsbereich des Art. 11 Dublin III-VO befasst und dazu - zusammengefasst - ausgesprochen, dass der Einleitungssatz des Art. 11 Dublin III-VO für die Anwendbarkeit dieser Zuständigkeitsbestimmung das Vorliegen mehrerer Voraussetzungen normiere:

Zum einen müssen Familienangehörige im Sinne des Art. 2 lit. g Dublin III-VO und/oder unverheiratete minderjährige Geschwister Anträge auf internationalen Schutz in demselben Mitgliedstaat stellen. Diese Anträge müssen gleichzeitig, dh. in einem Formular oder in einem Protokoll oder in so großer zeitlicher Nähe gestellt werden, dass die Zuständigkeitsprüfungsverfahren gemeinsam durchgeführt werden können. Darüber hinaus verlangt Art. 11 Dublin III-VO, dass aufgrund der sonstigen Zuständigkeitskriterien des Kapitels III der Dublin III-VO die Trennung einer Familie iSd Art. 11 auch trotz der anderen an die Familienzugehörigkeit anknüpfenden Kriterien (Art. 8, 9 und 10) erfolgen könnte. Art. 11 Dublin III-VO erfasst damit jene Fälle, in welchen zum Zeitpunkt der Antragstellung in einem Mitgliedstaat bereits eine Familieneinheit im Sinne dieser Bestimmung existiert, dieser Mitgliedstaat jedoch nach den Regeln von Kapitel III der Dublin III-VO nicht für sämtliche Personen dieser Familieneinheit zuständig ist. Diese Anwendungsvoraussetzung determiniert das Verhältnis von Art. 11 Dublin III-VO zu den übrigen Zuständigkeitskriterien der Verordnung. Zunächst sind die üblichen Zuständigkeitskriterien zu prüfen, weil für die Beurteilung der Anwendbarkeit des Art. 11 Dublin III-VO festgestellt werden muss, ob diese Kriterien zu einer Trennung der Familie führen würden. Ist dies der Fall, geht Art. 11 Dublin III-VO ungeachtet der in Art. 7 Abs. 2 Dublin III-VO normierten Rangfolge denjenigen Zuständigkeitskriterien, die zu einer Trennung der Familieneinheit führen würden, vor. Gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG wird im Detail auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses verwiesen.

Auf den vorliegenden Fall angewendet bedeutet dies im Hinblick auf die Mitbeteiligten - zur besonderen Ausgangslage betreffend die Drittmitbeteiligte siehe unten - , dass die Kriterien der Familienzusammengehörigkeit im Sinne des Art. 11 Dublin III-VO und der zeitliche Zusammenhang der Antragstellung jeweils erfüllt sind:

der Erstmitbeteiligte, dessen Ehefrau, deren minderjährigen Kinder sowie die minderjährigen Geschwister (Viert- und Fünftmitbeteiligte) des Erstmitbeteiligten stellten zeitgleich in Österreich ihre Anträge auf internationalen Schutz.

Weiters war im Hinblick auf die weiteren Anwendungsvoraussetzungen des Art. 11 Dublin III-VO anhand der generellen Zuständigkeitskriterien des Kapitels III zu prüfen, ob diese zu einer Trennung der Gruppe der Familienmitglieder führen könnte.

Hinsichtlich des Erstmitbeteiligten, seiner Frau und deren Kindern ergibt sich die Zuständigkeit Kroatiens aus Art. 13 Abs. 1 Dublin

III-VO.

Hinsichtlich der minderjährigen Geschwister des Erstmitbeteiligten als unbegleitete Minderjährige ergeben sich Anknüpfungspunkte für die Zuständigkeit Österreichs aus Art. 8 Abs. 1 oder Abs. 4 Dublin III-VO, dies in Abhängigkeit von der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts des Erstmitbeteiligten.

Allein dies zeigt (ohne auf die abschließende Beurteilung der Zuständigkeit Österreichs für die minderjährigen Geschwister nach Art. 8 Abs. 1 oder Abs. 4 Dublin III-VO eingehen zu müssen), dass die Anwendung der generellen Kriterien im Hinblick auf die Zuständigkeit Kroatiens für die übrigen Mitbeteiligten im gegenständlichen Fall zu einer Trennung der gemeinsam eingereisten Familienmitglieder iSd Art. 11 Dublin III-VO führen könnte. Damit ist auch die letzte Anwendungsvoraussetzung des Art. 11 Dublin III-VO gegeben.

Als Zwischenergebnis ist festzuhalten, dass für den Erstmitbeteiligten, seine Frau und deren Kinder sowie die minderjährigen Geschwister des Erstmitbeteiligten Art. 11 Dublin III-VO maßgeblich ist.

Was die Drittmitbeteiligte, eine Schwester des Erstmitbeteiligten, betrifft, war Folgendes zu erwägen:

Das Bundesverwaltungsgericht stellte das genaue Geburtsdatum nicht fest und ging davon aus, dass sie "im Zeitpunkt der Asylantragstellung entweder knapp volljährig oder knapp noch nicht volljährig war.

Für die Frage der Zuständigkeit Kroatiens auch in ihrem Fall erweist sich die genaue Altersfeststellung der Drittmitbeteiligten unter Berücksichtigung des bisher Gesagten zu den restlichen Familienmitgliedern fallbezogen als nicht entscheidungswesentlich. War sie im Zeitpunkt der Antragstellung tatsächlich minderjährig, teilt sie als minderjährige Schwester des Erstmitbeteiligten das rechtliche Schicksal der restlichen Familienmitglieder gemäß Art. 11 Dublin III-VO. Sie stellte zeitgleich mit den anderen Familienmitgliedern den Antrag auf internationalen Schutz. Hinsichtlich der sonstigen Voraussetzungen wird auf die Ausführungen zu den übrigen minderjährigen Geschwistern verwiesen. War sie jedoch im Antragszeitpunkt volljährig, würde sich die Zuständigkeit Kroatiens aus Art. 13 Dublin III-VO ergeben. In keinem der beiden Fälle käme es zu einer Trennung der Drittmitbeteiligten von ihren Familienangehörigen und daher auch zu keiner Verletzung des Art. 8

EMRK.

Für alle Mitbeteiligten gilt, dass für eine Anwendung des Art. 17 Dublin III-VO kein Raum besteht, weil dieser selbst keine Kriterien für die Zuständigkeitsbestimmung normiert, sondern den Abschluss der Prüfung der Kriterien des Kapitels III vielmehr voraussetzt (vgl. dazu erneut VwGH Ra 2016/20/0384).

Da das Bundesverwaltungsgericht bei der Prüfung der Zuständigkeit für die Anträge sämtlicher Familienmitglieder die oben dargestellten Kriterien zu Art. 11 Dublin III-VO nicht angewendet hat, hat es das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit belastet, zumal danach ausgehend von den Feststellungen die Zuständigkeit Österreichs für die Mitbeteiligten gegeben ist..."

Am 10.01.2018 langte beim BVwG eine Beschwerdeergänzung des damaligen Rechtsvertreters der BF1-BF8 ein, worin vorgebracht wurde, dass die angefochtenen Bescheide betreffend eine angebliche Zuständigkeit Kroatiens aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen, die von der Bindungswirkung des Erkenntnisses des VwGH nicht erfasst wären, zu beheben seien. Es sei Verfristung nach Art. 21 Abs. 1 Dublin III-VO eingetreten, da das Aufnahmegesuch nicht fristgerecht gestellt worden sei. Es werde ausdrücklich bestritten, dass tatsächlich am 01.04.2016 ein Aufnahmegesuch an Kroatien gestellt worden sei. Jedenfalls sei die maximale Überstellungsfrist von 18 Monaten gem. Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO bereits überschritten. Eine Überstellung nach Kroatien sei auch aus faktischen Gründen nicht mehr möglich, da Kroatien die Betroffenen ohnehin nicht mehr übernehmen würde. Im Rahmen der auch im gegenständlichen Fall vorzunehmenden Interessensabwägung sei auch die bisherige Verfahrensdauer zu beachten. Auch seien alle anderen österreichischen "§ 5 Kroatien-Altverfahren" im Zusammenhang mit den Massenfluchtbewegungen im Herbst 2015, Winter 2015/2016 unterdessen im Sinne einer Zulassung zu Gunsten der Antragsteller beendet worden, sodass eine Überstellung der acht BF nach Kroatien eine unangemessene humanitäre Härte darstellen würde.

In Ergänzung zur Beschwerdeergänzung vom 1

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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