Entscheidungsdatum
25.03.2019Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
I414 2197979-1/7E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Christian EGGER als Einzelrichter und den Richter Dr. Harald NEUSCHMID sowie die fachkundige Laienrichterin Dr. Elisabeth RIEDER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Vorarlberg (SMS) vom 05.06.2018, Zl. OB: XXXX, betreffend den Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass, nach nichtöffentlicher Sitzung, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Herr XXXX, geb. am XXXX(in der Folge als Beschwerdeführer bezeichnet) beantragte am 23.04.2018 die Vornahme der Zusatzeintragung ""Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass. Vom Sozialministeriumservice (in der Folge als belangte Behörde bezeichnet) wurde das von Dr. L. am 14.03.2018 nach persönlicher Untersuchung des Beschwerdeführers erstellte Gutachten herangezogen.
Zur Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel stellte Dr. L. fest:
"1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum? Die ZE ZU liegt nicht vor. Insgesamt ist davon auszugehen, dass der AST in der Lage ist, eine kurze Wegstrecke von 300-400m ohne kurzem Anhalten zurückzulegen. Auch stellt das Ein- und Aussteigen sowie der sichere Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel kein Problem dar. [...]"
Am 07.05.2018 gab der Sachverständige eine neuerliche Stellungnahme zur Frage der Zumutbarkeit der öffentlichen Verkehrsmittel ab, nachdem vom Beschwerdeführer ein weiterer Befund vorgelegt wurde:
"Die beantragte ZE UZ liegt nicht vor - auch unter Berücksichtigung des neuen Befundes von Dr. D. vom 22.4.2018 sind die Kriterien der UZ nicht erfüllt. Die angeführte Kleinwüchsigkeit (143cm) sowie die Angst vor Übergriffen im öffentl. Raum stellen kein Kriterium der UZ dar. Auch die angeführte reduzierte Leistungsfähig wirkt sich nicht dahingehend aus, dass eine Wegstrecke von 200-300m ohne Anhalten zurücklegebar ist, ebensowenig das Ein- und Aussteigen sowie der sichere Transport."
Dem Beschwerdeführer wurde das Ergebnis der Beweisaufnahme zur Kenntnis gebracht. Bis zur Bescheiderlassung am 05.06.2018 erfolgte dazu keine Stellungnahme. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung schließlich abgewiesen.
Erst am 06.06.2018 langte eine Stellungnahme zum Parteiengehör ein und wurde diese Stellungnahme von der belangten Behörde als Beschwerde gewertet und gegenständliche Rechtssache dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt. Der Beschwerdeführer gab dabei an, dass er bei Einkäufen auf sein Auto angewiesen sei und dies nicht zu Fuß erledigen könne. Außerdem müsse er Arzttermine und Therapiesitzungen wahrnehmen und bewältige er diese Strecke auch mit seinem Fahrzeug. Er wolle seine Schmerzen in den Griff bekommen und wieder Arbeitsfähigkeit erreichen. Aufgrund seiner Leiden und Operation sei er außer Stande, die Wegstrecken zurückzulegen.
Vom Bundesverwaltungsgericht wurde ein ergänzendes Gutachten von Dr. L. eingeholt. Unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens führte der Sachverständige aus:
"[...] Bei dem AST besteht ein Zustand nach Dickdarmkarzinom mit Lebermetastasierung. 09/2016 erfolgte links die Hemikolektomie und Lebermetastasenresektion. Weiters besteht ein Zustand nach Chemotherapie. Durch die therapeutischen Maßnahmen kam es erfreulicherweise zu einer kompletten Remission. Weiters besteht ein adrenogenitales Syndrom, Zustand nach Mb. Basedown mit Zustand nach Radiojodtherapie sowie Zustand nach intersexuellem Genitale mit Penis- und Harnröhrenkorrektur, Hodenimplantation, Uterovarektomie und Vaginaexstirpation. Bei meiner klinischen Untersuchung im März 2018 zeigte sich ein guter Allgemeinzustand und adipöser Ernährungszustand. Das Gangbild war unauffällig und hilfsmittelfrei, der freie Stand war möglich, das Aufstehen und Hinsetzen gelang problemlos. Gesamthaft gesehen ergeben sich bei dem AST keine Einschränkungen der Mobilität. Zwar bestehen als Folge der Chemotherapie eine Polyneuropathie mit Kribbeln in Fingern und Füßen sowie auch Störung der Temperaturregulation sowie allgemeiner Juckreiz, das Gangbild ist jedoch hilfsmittelfrei und sicher. Auch von Seiten der Leistungsfähigkeit ergeben sich keine Hinweise, dass eine kurze Wegstrecke im Ausmaß von 300-400 m nicht ohne Pause bzw. kurze Unterbrechung zurückgelegt werden könnte."
Die weiteren Fragen wurden folgend beantwortet:
"c) Erschwert die Verwendung der erforderlichen Behelfe die Benützung des öffentlichen Verkehrsmittels in hohem Maß?
entfällt
d) Wirkt sich die dauernde Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieser Verkehrsmittel gegebenen Bedingungen?
Nein
e) Bestehen bei dem Beschwerdeführer erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten?
Nein. Es besteht wie oben beschreiben eine Polyneuropathie. Dies stellt jedoch keine erhebliche Beeinträchtigung der unteren Extremitäten dar. So wird zur Fortbewegung auch kein Hilfsmittel benötigt.
f) Bestehen bei dem Beschwerdeführer erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit?
Bei Zustand nach Chemotherapie bestand zum Zeitpunkt der Begutachtung noch eine reduzierte Leistungsfähigkeit. Der AST war zum damaligen Zeitpunkt im Ausmaß eines 50%igen Arbeitsverhältnisses im technischen Vertrieb tätig. Eine erhebliche Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit liegt nicht vor.
g) Bestehen beim Beschwerdeführer erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten bzw. Funktionen?
Nein. Im Rahmen meiner Begutachtung war der Status psychicus völlig unauffällig (siehe mein Gutachten). Zum damaligen Zeitpunkt erfolgte auch keine antidepressive medikamentöse Therapie, lediglich eine Bedarfsmedikation mit Temesta."
Auch das Ergänzungsgutachten wurde im Rahmen des Parteiengehörs an den Beschwerdeführer und die belangte Behörde übermittelt. Eine Stellungnahme dazu langte von keiner der Parteien ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer ist am XXXX geboren und hat seinen Wohnsitz in Österreich. Der Grad der Behinderung des Beschwerdeführers beträgt 70 %. Der Beschwerdeführer ist im Besitz eines Behindertenpasses seit 19.03.2018.
Der Beschwerdeführer leidet unter folgenden Funktionseinschränkungen:
1. Zustand nach Karzinom des Colon Descendens (mit einem Grad der Behinderung von 60%),
2. Adrenogenitales Syndrom, Zustand nach Morbus Basedow mit
Zustand nach Radiojodtherapie (mit einem Grad der Behinderung von 50%) und
3. Zustand nach intersexuellem Genitale (mit einem Grad der Behinderung von 20%)
Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 70%.
Dem Beschwerdeführer sind das Ein- und Aussteigen in/aus das/dem Transportmittel sowie das sichere Transport im Verkehrsmittel möglich. Weiters kann er auch kurze Wegstrecken (300-400 m) ohne Unterbrechung und ohne fremde Hilfe zurücklegen. Die Verwendung eines Behelfes ist nicht notwendig.
Beim Beschwerdeführer bestehen nach erfolgter Chemotherapie Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit, jedoch nicht in erheblichen Ausmaß. Es besteht keine generelle Einschränkung der körperlichen, psychischen, neurologischen oder intellektuellen Fähigkeiten oder Funktionen. Er ist nicht hochgradig sehbehinderte, blind oder taubblind. Beim Beschwerdeführer besteht auch keine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zu Wohnort, zur Person des Beschwerdeführers und zum Behindertenpass ergeben sich aus dem Verwaltungsakt der belangten Behörde und sind unstrittig.
Der Gesamtgrad der Behinderung von 70 % ergibt sich aus dem Gutachten des Sachverständigen Dr. L. vom 14.03.2018.
Feststellungen zur Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ergeben sich aus dem Sachverständigengutachten von Dr. L. vom 14.03.2018 nach persönlicher Untersuchung des Beschwerdeführers, auch der Stellungnahme vom 07.05.2018 sowie aus dem vom erkennenden Gericht ergänzend eingeholten Gutachten vom 24.09.2018. Der Sachverständige stellte ausführlich, schlüssig und nachvollziehbar begründend fest, dass die körperlichen Funktionseinschränkungen zu keiner Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel führen. Ausreichend miteinbezogen wurde auch das Beschwerdevorbringen und alle vom Beschwerdeführer vorgelegten ärztlichen Bestätigungen und Befunde. Insbesondere wurde vom medizinischen Sachverständigen dargelegt, dass in der Untersuchung ein unauffälliges Gangbild festgestellt werden konnte und der Beschwerdeführer hilfsmittelfrei gehen und stehen kann. Auch das Aufstehen und Hinsetzen erfolgte problemlos. Anhaltspunkte dafür, dass eines der Leiden des Beschwerdeführers negative Auswirkungen auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel hat, kamen nicht hervor. Explizit ging der Sachverständige auf die Fragen nach der Bewältigbarkeit einer kurzen Wegstrecke, auf das Ein- und Aussteigen und den sicheren Transport ein. Da nachvollziehbar dargelegt wurde, dass keine erheblichen Einschränkungen der Extremitäten, der körperliche oder geistigen Funktionen bestehen, kann von einer dauerhaften Mobilitätseinschränkung deshalb nicht ausgegangen werden. Es wurde nachvollziehbar erklärt, dass in Zusammenschau aller vom Beschwerdeführer vorgebrachter Leiden eine Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar ist.
Die Gutachten von Dr. L. stehen mit den allgemeinen Gesetzen der Logik in Einklang, sind schlüssig und vollständig und wurde ihnen nicht (auf derselben fachlichen Ebene) entgegengetreten. Vom Beschwerdeführer wurde zum letzten eingeholten Gutachten vom 24.09.2018 keine Stellungnahme eingebracht und geht der erkennende Senat daher von einem unbestritten und abschließend geklärten Sachverhalt aus. Aus diesen Gründen legt der erkennende Senat diese Gutachten unter freier Beweiswürdigung seiner Entscheidung zugrunde.
Zum Unterbleiben der mündlichen Verhandlung:
Nach § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen (§ 24 Abs. 1 VwGVG). Wurde - wie im vorliegenden Fall - kein entsprechender Antrag gestellt, ist die Frage, ob von Amts wegen eine Verhandlung durchgeführt wird, in das pflichtgemäße - und zu begründende - Ermessen des Verwaltungsgerichts gestellt, wobei die in § 24 Abs. 2, 3, 4 und 5 normierten Ausnahmebestimmungen als Anhaltspunkte der Ermessensübung anzusehen sind (vgl. zur insofern gleichartigen Regelungsstruktur des § 67d Abs. 1 und 2 bis 4 AVG [alte Fassung] die Darstellung bei Hengstschläger/Leeb, AVG [2007] § 67d Rz 17 und 29, mwH). Gemäß Abs. 3 leg.cit. hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Gemäß Abs. 4 leg. cit. kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.
Der im Beschwerdefall maßgebliche Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt der belangten Behörde sowie aus den eingeholten Gutachten. Von der Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme zu den eingeholten Sachverständigengutachten wurde nicht Gebrauch gemacht. Der Sachverhalt gilt für den erkennenden Senat somit als erwiesen und unbestritten. Dies lässt - gerade auch vor dem Hintergrund des Umstandes, dass eine mündliche Verhandlung nicht beantragt wurde - die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht
§§ 6 und 7 Abs. 1 BVwGG lauten wie folgt:
"Einzelrichter
§ 6. Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Senate
§ 7. (1) Die Senate bestehen aus einem Mitglied als Vorsitzendem und zwei weiteren Mitgliedern als Beisitzern. Für jeden Senat sind mindestens ein Stellvertreter des Vorsitzenden und mindestens zwei Ersatzmitglieder (Ersatzbeisitzer) zu bestimmen."
§ 45 Abs. 3 und 4 Bundesbehindertengesetz (BBG), BGBl 1990/283 in der geltenden Fassung, lauten wie folgt:
"(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen."
Über die vorliegende Beschwerde war daher durch einen Senat, bestehend aus zwei Berufsrichtern und einem fachkundigen Laienrichter, zu entscheiden.
Die §§ 1, 17, 28 Abs. 1 und 2 und 58 Abs. 1 und 2 des Bundesgesetzes über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz VwGVG) lauten wie folgt:
"§ 1. Dieses Bundesgesetz regelt das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes.
§ 17. Soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, sind auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
§ 58. (1) Dieses Bundesgesetz tritt mit 1. Jänner 2014 in Kraft.
(2) Entgegenstehende Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht sind, bleiben unberührt."
Zu A) Abweisung der Beschwerde:
3.2. Die maßgeblichen Bestimmungen des BBG lauten wie folgt:
"§ 45 (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu."
§ 1 Abs 4 Z 3 und Abs. 5 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 2016/263, lautet wie folgt:
"Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen:
3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und
-erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
-erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
-erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder
-eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
-eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 2 Z 1 lit. b oder d vorliegen.
(5) Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines/einer ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen."
3.2.1. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Zusatzeintragung ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, allenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe ohne Unterbrechung zurückgelegt werden kann oder wenn die Verwendung der erforderlichen Behelfe die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in hohem Maße erschwert. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist auch dann nicht zumutbar, wenn sich die dauernde Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieser Verkehrsmittel gegebenen Bedingungen auswirkt.
Zu prüfen ist die konkrete Fähigkeit, öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Zu berücksichtigen sind insbesondere zu überwindende Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt. (VwGH 22.10.2002, Zl. 2001/11/0242; 14.05.2009, 2007/11/0080).
Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. ua. VwGH vom 27.01.2015, Zl. 2012/11/0186, oder vom 23.05.2012, Zl. 2008/11/0128).
Nach den Ausführungen des Gutachters Dr. L. wirken sich die dauernden Gesundheitsschädigungen nicht maßgebend auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens sowie auf das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke aus. Der sichere und gefährdungsfreie Transport im öffentlichen Verkehrsmittel ist nicht dauernd eingeschränkt. Insbesondere wird Augenmerk darauf gelegt, dass das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke ohne Unterbrechung und ohne fremde Hilfe möglich ist.
Eine Einschränkung des Immunsystems, die ein Benützen von öffentlichen Verkehrsmitteln nicht zulässt, besteht nicht.
Das Ermittlungsverfahren hat des Weiteren ergeben, dass der Beschwerdeführer weder blind noch hochgradig sehbehindert oder taubblind ist. Auch ist er nicht in seinen psychischen, neurologischen oder intellektuellen Funktionen erheblich eingeschränkt.
Ebenso wurde im Gutachten ausgeführt, dass Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit zwar bestehen, diese aber nicht erheblich sind. Der Beschwerdeführer ist gewillt, seinen Gesundheitszustand zu verbessern und war er zum Zeitpunkt der Untersuchung auch in einer Teilzeitanstellung erwerbstätig. Von einer dauernden Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel kann nicht ausgegangen werden. Insgesamt ist daher festzuhalten, dass die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung" im Behindertenpass nicht vorliegen, weshalb die Beschwerde abzuweisen war.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Behindertenpass, Sachverständigengutachten, ZusatzeintragungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:I414.2197979.1.00Zuletzt aktualisiert am
29.04.2019