TE Bvwg Erkenntnis 2019/3/25 I414 2191663-1

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Veröffentlicht am 25.03.2019
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Entscheidungsdatum

25.03.2019

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

I414 2191663-1/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Christian EGGER als Einzelrichter und den Richter Dr. Harald NEUSCHMID sowie die fachkundige Laienrichterin Dr. Elisabeth RIEDER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX, vertreten durch RA Dr. Gabriele OPPERER, Maria-Theresien-Straße 21/3, 6020 Innsbruck, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Tirol (SMS) vom 12.03.2018, Zl. OB: XXXX, betreffend den Antrag auf Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkungen aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Herr XXXX (in der Folge als Beschwerdeführer bezeichnet) beantragte durch seine Vertretung am 06.03.2018 die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkungen aufgrund einer Behinderung" in seinen Behindertenpass. Ein solcher wurde ihm aufgrund des gutachterlich festgestellten Querschnittsyndroms mittleren Grades vom Sozialministeriumservice (in der Folge als belangte Behörde bezeichnet) am 20.02.2018 ausgestellt.

Zur Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wurde das Sachverständigengutachten vom 11.01.2018 herangezogen. Die Gutachterin Dr. K. hielt darin fest, dass die festgestellte Funktionseinschränkung die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht bedinge, da der Beschwerdeführer trotz funktioneller Einschränkung kurze Wegstrecken (300-400m) zurücklegen könne und das Ein- und Aussteigen sowie der sichere Transport gewährleistet seien.

Mit Bescheid vom 12.03.2018 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkungen aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass ab.

Dagegen wurde rechtzeitig und zulässig Beschwerde erhoben und Bezug auf das Gutachten von Dr. L. genommen, welches am 20.10.2017 für die Unfallversicherung erstellt worden ist. Es wurde auszugsweise vorgebracht, dass der Beschwerdeführer an einer Stuhlinkontinenz leide, die ihm die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel verunmögliche. Der Beschwerdeführer haben jeden 2. Tag Stuhlgang sehr harter Konsistenz, der mittels Einlaufes selbst indiziert werde. Zur Verhinderung von Verunreinigungen trage er bei Auswärtsterminen Wäscheeinlagen.

Die Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung am 09.04.2018 vorgelegt. Am 23.04.2018 wurde ein Konvolut von Arztbriefen und Befunden nachgereicht.

Mit der Erstellung eines ergänzenden Gutachtens unter Einbeziehung sämtlicher vorhandener Unterlagen und insbesondere dem Gutachten für die Unfallversicherung von Dr. L. wurde Dr. K. neuerlich beauftragt. Am 02.05.2018 wurde das Gutachten von Dr. L. in voller Länge vom Beschwerdeführer zur Verfügung gestellt und der Sachverständigen Dr. K. übermittelt.

In ihrem am 27.05.2018 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangten Ergänzungsgutachten beantwortete Dr. K. die gestellten Fragen folgend: "a) insbesondere ist festzustellen, mit welcher Häufigkeit und welcher Menge an dünnem oder flüssigen Stuhlgang zu rechnen ist und, ob diese Stuhlmenge durch handelsübliche Produkte (Einlagen, etc.), aufgefangen werden kann.

Laut dem durchgeführten Stuhlprotokoll vom 21.8.2017 bis 30.8.2017 erfolgte in dieser Zeit an drei Tagen ein eingeleiteter Stuhlgang. Die übrigen Tage verblieben ohne Stuhlgang und ohne unwillkürlichen Stuhlabgang. Bei Inkontinenz sind die am Markt üblichen Inkontinenzprodukte ausreichend sicher und beugen Verunreinigungen der Person durch Stuhl und Harn vor.

b) kann der Beschwerdeführer eine kurze Wegstrecke (ca. 300-400 m) aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe (allenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe) ohne Unterbrechungen zurücklegen?

Ja

c) erschwert die Verwendung der erforderlichen Behelfe die Benützung des öffentlichen Verkehrsmittels in hohem Maß?

Die Verwendung der handelsüblichen Produkte bei Inkontinenz erschweren die Benützung des öffentlichen Verkehrsmittels nicht in hohem Maß.

d) wirkt sich die andauernde Gesundheitsschädigung/die andauernden Gesundheitsschädigungen auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens (zu überwindende Niveauunterschiede) und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel (unter anderem beim Stehen oder bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt) unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieser Verkehrsmittel gegebenen Bedingungen?

Nein

e) bestehen beim Beschwerdeführer erhebliche Einschränkungen der Funktion der unteren Extremitäten?

Nein

f) bestehen beim Beschwerdeführer erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit?

Nein

g) bestehen beim Beschwerdeführer erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten bzw. Funktionen?

Es besteht eine neurogene Blasen- und Mastdarmentleerungsstörung es bestehen keine Einschränkungen psychischer oder intellektueller Fähigkeiten bzw. Funktionen."

Das Ergebnis der Beweisaufnahme wurde den Verfahrensparteien im Rahmen eines Parteiengehörs zur Kenntnis gebracht. Von der Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme nahm der Beschwerdeführer nicht gebraucht. Die belangte Behörde befand das Ergänzungsgutachten als schlüssig und verzichtete auf eine weitere Stellungnahme.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist in Besitz eines Behindertenpasses und leidet an einem Querschnittsyndrom mittleren Grades, bei dem eine neurogene Blasen- und Mastdarmentleerungsstörung berücksichtigt wurde, mit einem Grad der Behinderung von 70%.

Dem Beschwerdeführer sind das Ein- und Aussteigen in das bzw. aus dem Transportmittel sowie der sichere Transport im Verkehrsmittel möglich. Des Weiteren kann er auch eine kurze Wegstrecke (300-400m) aus eigener Kraft und ohne Unterbrechung zurücklegen.

Beim Beschwerdeführer bestehen keine erheblichen Einschränkungen der psychischen, neurologischen oder intellektuellen Fähigkeiten oder Funktionen. Er ist weder hochgradig sehbehindert, noch blind oder taubblind. Beim Beschwerdeführer besteht auch keine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems. Trotz seiner Blasen- und Mastdarmentleerungsstörung kann eine dadurch bedingte mögliche Inkontinenz mit handelsüblichen Hygieneartikeln so therapiert werden, dass unwillkürlich abgehender Harn oder Stuhl während der Benützung von öffentlichen Verkehrsmitteln aufgefangen wird.

Beim Beschwerdeführer kann unwillkürlicher Stuhlabgang durch regelmäßigen Einlauf und entsprechenden Medikamenten sowie durch weiteres Training und Therapie kontrolliert und auch verbessert werden.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum Behindertenpass ergeben sich aus dem Verwaltungsakt und sind unstrittig.

Die festgestellten Funktionseinschränkungen ergeben sich aus dem von der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten von Dr. K. vom 11.01.2018 und dem vom erkennenden Gericht ergänzend eingeholten Gutachten von Dr. K. Das Bundesverwaltungsgericht kann nichts finden, was die Schlüssigkeit, Nachvollziehbarkeit und Vollständigkeit dieser Gutachten oder die Person der Sachverständigen in Frage stellen würde. Es geht daher davon aus, dass es diese Gutachten seinen Feststellungen ohne Bedenken zu Grunde legen kann.

Der Beschwerdeführer ist den in den Gutachten getroffenen Feststellungen auch nicht substantiiert entgegengetreten. Das im Rahmen der Beschwerde ins Spiel gebrachte Gutachten für die Unfallversicherung der Dr. L. vom 20.10.2017 und die der Beschwerde nachgereichten Befunde bzw. Arztbriefe wurden im Gutachten vom 11.01.2017 bzw. im Ergänzungsgutachten berücksichtigt und entsprechend gewürdigt. Für die vorgebrachte Stuhlinkontinenz bezieht sich allerdings auf den hypothetischen Fall einer breiigen Konsistenz, deren Abgang er gegebenenfalls nicht zurückhalten könnte. Tatsächlich beschrieben wird im Gutachten aber, dass der Beschwerdeführer "üblicherweise jeden 2. bis 3. Tag Stuhlgang sehr harter Konsistenz, den er über die Verabreichung eines kleinen Einlaufes einleitet," habe (Beschwerdeschriftsatz Seite 4).

Wie im Ergänzungsgutachten von Dr. K. beschrieben, besteht im Falle des Beschwerdeführers die Möglichkeit zur Verwendung von handelsüblichen Einlagen. Diese sind ausreichend sicher und beugen Verunreinigungen der Person vor. Der Beschwerdeführer selbst gibt in seiner Beschwerde an, solche Wäscheeinlagen für Auswärtstermine zu verwenden.

Es wird vom erkennenden Senat nicht verkannt, dass eine Stuhlinkontinenz für den Beschwerdeführer eine unangenehme Belastung bei der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel darstellt, doch ist - wie noch zu zeigen sein wird - eine Berücksichtigung einer Stuhl- bzw. Harninkontinenz im Sinne einer Feststellung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel gesetzlich nur in Ausnahmefällen vorgesehen.

Dass beim Beschwerdeführer erfreulicher Weise eine Verbesserung durch geeignete Therapiemaßnahmen eintreten kann, ergibt sich ebenso aus dem vom Beschwerdeführer vorgelegten Gutachten von Dr. L. für die Unfallversicherung (Seite 14 des Gutachtens vom 20.10.2017).

Der Beschwerdeführer ist daher den im Auftrag der belangten Behörde und dem ergänzend eingeholten Gutachten nicht bzw. letztlich mangels Abgabe einer Stellungnahme nicht mehr entgegengetreten und erweisen sich diese aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes auch als schlüssig, plausibel und nachvollziehbar. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens war die Frage, inwieweit eine Stuhlinkontinenz zur Feststellung einer Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel führen kann. Dabei handelt es sich um Rechtsfragen, welche durch ein weiteres Gutachten eines medizinischen Sachverständigen nicht zu beantworten sind, sondern Gegenstand der rechtlichen Würdigung zu sein haben. Der medizinische Sachverhalt als solcher ist geklärt. Der erkennende Senat sieht daher von der Beauftragung eines weiteren Sachverständigengutachtens ab.

Zum Unterbleiben der Durchführung einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idgF hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur vergleichbaren Regelung des § 67d AVG (vgl. VwGH vom 24.4.2003, 2002/07/0076) wird die Durchführung der Verhandlung damit ins pflichtgemäße Ermessen des Verwaltungsgerichts gestellt, wobei die Wendung "wenn es dies für erforderlich hält" schon iSd rechtsstaatlichen Prinzips nach objektiven Kriterien zu interpretieren sein wird (vgl. VwGH vom 20.12.2005, 2005/05/0017). In diesem Sinne ist eine Verhandlung als erforderlich anzusehen, wenn es nach Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 Abs. 2 GRC geboten ist, wobei gemäß Rechtsprechung des VfGH der Umfang der Garantien und des Schutzes der Bestimmungen ident sind.

In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren geben würde, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten würden oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/06/0221).

Maßgebend für die gegenständliche Entscheidung über die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" im Behindertenpass sind die Art und das Ausmaß die beim Beschwerdeführer festgestellte Gesundheitsschädigung. Zur Klärung des Sachverhaltes wurde daher ein ergänzendes Gutachten eingeholt. Wie bereits ausgeführt, wurde dieses, so wie auch das von der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten der Dr. K. als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet.

Im Rahmen des Parteiengehörs wurde die Möglichkeit gegeben, sich zu äußern. Dem Ergebnis des verwaltungsgerichtlichen Ermittlungsverfahrens wurde jedoch nicht mehr entgegengetreten. Es wurden der Beschwerde keine Beweismittel beigelegt, welche mit der gutachterlichen Beurteilung der Funktionseinschränkungen nicht in Einklang stehen. Die vorgebrachten Argumente und Beweismittel wurden in den eingeholten ärztlichen Stellungnahmen berücksichtigt. Somit ist der Sachverhalt geklärt und unbestritten. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte daher unterbleiben.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zuständigkeit und anzuwendendes Recht

§§ 6 und 7 Abs. 1 BVwGG lauten wie folgt:

"Einzelrichter

§ 6. Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Senate

§ 7. (1) Die Senate bestehen aus einem Mitglied als Vorsitzendem und zwei weiteren Mitgliedern als Beisitzern. Für jeden Senat sind mindestens ein Stellvertreter des Vorsitzenden und mindestens zwei Ersatzmitglieder (Ersatzbeisitzer) zu bestimmen."

§ 45 Abs. 3 und 4 Bundesbehindertengesetz (BBG), BGBl 1990/283 in der geltenden Fassung, lauten wie folgt:

"(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen."

Über die vorliegende Beschwerde war daher durch einen Senat, bestehend aus zwei Berufsrichtern und einem fachkundigen Laienrichter, zu entscheiden.

Die §§ 1, 17, 28 Abs. 1 und 2 und 58 Abs. 1 und 2 des Bundesgesetzes über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz VwGVG) lauten wie folgt:

"§ 1. Dieses Bundesgesetz regelt das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes.

§ 17. Soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, sind auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

§ 58. (1) Dieses Bundesgesetz tritt mit 1. Jänner 2014 in Kraft.

(2) Entgegenstehende Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht sind, bleiben unberührt."

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

Gemäß § 42 Abs. 1 zweiter Satz BBG können im Behindertenpass auf Antrag des behinderten Menschen zusätzliche Eintragungen vorgenommen werden, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen.

Gemäß § 45 Abs. 1 leg.cit. sind Anträge auf Vornahme einer Zusatzeintragung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Sozialministeriumservice) einzubringen.

Nach § 47 leg.cit. ist der Bundesminister für Arbeit und Soziales ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpass und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen.

In Ausübung dieser Ermächtigung wurde die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II 495/2013, erlassen.

Der für die hier strittige Zusatzeintragung relevante § 1 Abs 4 Z 3 der zitierten Verordnung in der Fassung BGBl. II Nr. 263/2016 hat folgenden Wortlaut:

"§ 1

(4) Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen:

3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und

-

erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder

-

erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

-

erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder

-

eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

-

eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 2 Z 1 lit. b oder d

vorliegen."

Nach der (noch zur Rechtslage nach der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen, BGBl. 86/1991, ergangenen) ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die Behörde, um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. VwGH 22.10.2002, 2001/11/0242; VwGH 20.04.2004, 2003/11/0078 [= VwSlg. 16.340 A/2004]; VwGH 01.06.2005, 2003/10/0108; VwGH 29.06.2006, 2006/10/0050; VwGH 18.12.2006, 2006/11/0211; VwGH 17.11.2009, 2006/11/0178; VwGH 23.02.2011, 2007/11/0142; VwGH 23.05.2012, 2008/11/0128; VwGH 17.06.2013, 2010/11/0021, je mwN).

Ein solches Sachverständigengutachten muss sich mit der Frage befassen, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (20.03.2001, 2000/11/0321 [= VwSlg. 15.577 A/2001]). Dabei ist auf die konkrete Fähigkeit des Beschwerdeführers zur Benützung öffentlicher Verkehrsmittel einzugehen, dies unter Berücksichtigung der hiebei zurückzulegenden größeren Entfernungen, der zu überwindenden Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, der Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt etc. (VwGH 22.10.2002, 2001/11/0242; VwGH 14.05.2009, 2007/11/0080).

Das Sachverständigengutachten vom 11.01.2018 und das ergänzend eingeholte Gutachten von Dr. K. beschäftigten sich mit diesen Fragen und kam zum Schluss, dass keine diesbezügliche Einschränkung vorliegen würde. Wenn die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid in der Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in freier Beweiswürdigung dem nicht als unschlüssig zu erkennenden Sachverständigengutachten folgt, ist dies im Ergebnis nicht zu beanstanden.

Wesentlich stützt der Beschwerdeführer sein Beschwerdevorbringen auf den Umstand, dass er an Stuhlinkontinenz leide und im Falle einer breiigen Konsistenz den Stuhl nicht halten könne. Das Vorbringen wurde mit entsprechenden ärztlichen Befunden belegt. Hiezu wird ausgeführt, dass trotz bestehender Inkontinenz, die im Übrigen durch Einläufe und Medikamente zeitlich gesteuert werden kann, die Sicherheit des Transportes für den Beschwerdeführer gewährleistet. Die auftretende Stuhlinkontinenz kann mit handelsüblichen Hygieneprodukten so therapiert werden, dass keine Verunreinigungen auftreten. Zudem kann unwillkürlicher Stuhlabgang durch regelmäßige Therapie und Training verringert bzw. verbessert werden.

Aus den vorgelegten Befunden ergibt sich nicht, dass beim Beschwerdeführer eine derart massive Form der Stuhlinkontinenz vorliegt, welcher durch handelsübliche Inkontinenzprodukte nicht entsprechend begegnet werden könnte. Beim Beschwerdeführer konnten daher Umstände, die ihm die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen unzumutbar machen, nicht festgestellt werden.

Das Ermittlungsverfahren hat des Weiteren ergeben, dass beim Beschwerdeführer keine schweren anhaltenden Erkrankungen des Immunsystems vorliegen und er weder blind noch hochgradig sehbehindert oder taubblind ist. Es besteht auch keine schwere Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit.

Insgesamt ist daher festzuhalten, dass die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" im Behindertenpass nicht vorliegen, weshalb die Beschwerde abzuweisen war.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel, auch im Zusammenhang mit Inkontinenz, ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Behindertenpass, Sachverständigengutachten, Zusatzeintragung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:I414.2191663.1.00

Zuletzt aktualisiert am

29.04.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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