TE Bvwg Beschluss 2018/12/18 L516 2204238-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.12.2018
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Entscheidungsdatum

18.12.2018

Norm

AsylG 2005 §18 Abs1
AsylG 2005 §57
AVG §37
BFA-VG §21 Abs7
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §55 Abs1a
VwGVG §24 Abs2 Z1
VwGVG §28 Abs2 Z2
VwGVG §28 Abs3 Satz2
VwGVG §31 Abs1

Spruch

L516 2204238-1/6E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Paul NIEDERSCHICK als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb XXXX , StA Pakistan, vertreten durch Dr. Peter LECHENAUER und RAin Dr.in Margit Swozil, Rechtsanwälte, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.07.2018, Zahl 1138964709-180618615, beschlossen:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)

Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte am 26.12.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz, welcher vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) mit Bescheid vom 31.10.2017, sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wurde; gleichzeitig wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass dessen Abschiebung nach Pakistan zulässig sei. Jene Entscheidung des BFA wurde dem damals unvertretenen Beschwerdeführer nach einem Zustellversuch durch Hinterlegung beim Zustellpostamt mit Beginn der Abholfrist am 07.11.2017 zugestellt und erwuchs mangels Erhebung einer Beschwerde mit Ablauf des 05.12.2017 in Rechtskraft.

2. Der Beschwerdeführer wurde am 29.06.2018 im Zuge einer Lenker- und Fahrzeugkontrolle festgenommen und am selben Tag von einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Personenanhaltezentrum XXXX niederschriftlich einvernommen.

3. Das BFA forderte den Beschwerdeführer mit schriftlicher Verständigung vom Ergebnis einer Beweisaufnahme vom 03.07.2018 auf, zum bisherigen Kenntnisstand der Behörde Stellung zu nehmen sowie Fragen zu seinem Privat- und Familienleben und zu seinem Aufenthalt in Österreich innerhalb von sieben Tagen zu beantworten, wovon der Beschwerdeführer jedoch in der Folge Abstand nahm.

4. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) erteilte dem Beschwerdeführer mit gegenständlich angefochtenem Bescheid vom 24.07.2018 keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides), erließ eine Rückkehrentscheidung gem § 9 BFA-VG iVm § 52 Abs 1 Z 1 FPG (Spruchpunkt II), stellte gleichzeitig fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gem § 46 FPG nach Pakistan zulässig sei (Spruchpunkt III), erließ gegen den Beschwerdeführer gem § 53 Abs 3 Z 1 FPG ein auf die Dauer von 2 Jahren befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt IV), gewährte keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt V) und erkannte einer Beschwerde gegen diese Entscheidung gem § 18 Abs 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung ab.

5. Der Beschwerdeführer hat gegen den seinen nunmehrigen Vertretern am 25.07.2018 zugestellten Bescheid des BFA durch diese fristgerecht am 22.08.2018 Beschwerde erhoben und diesen zur Gänze angefochten.

6. Die Beschwerde langte zusammen mit dem Verwaltungsverfahrensakt zum gegenständlichen Verfahren am 28.08.2018 beim Bundesverwaltungsgericht, Außenstelle Linz, ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Sachverhaltsfeststellungen

1.1. Das BFA hat im gegenständlich angefochtenen Bescheid keine Sachverhaltsfeststellungen zur Ländersituation in dem von der Behörde angenommenen Herkunftsstaat des Beschwerdeführers getroffen und im gegenständlichen Verfahren auch keine Ermittlungen dazu geführt. Die Ausführungen im angefochtenen Bescheid, wonach die Länderinformationsblätter im Akt einliegen (Bescheid, S 5 und 9), erweisen sich als unzutreffend und damit aktenwidrig. Entgegen den Bescheidausführungen (Bescheid, S 8) ist auch nicht nachvollziehbar, ob und welche Länderinformationsblätter von der Behörde herangezogen wurden. Im vollständig durchnummerierten Verwaltungsverfahrensakt zum gegenständlichen Verfahren (Aktenseiten 1-161) sind keine Länderinformationen oder Länderfeststellungen enthalten, sodass diese auch einer Überprüfung nicht zugänglich sind. Auch dem Beschwerdeführer wurden allfällige Länderinformationen des BFA nicht zur Kenntnis gebracht und damit das Recht auf Parteiengehör verwehrt.

2. Beweiswürdigung

Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus dem vom BFA vorgelegten und unverdächtigen Verwaltungsverfahrensakt zum gegenständlichen Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz, wobei zu den jeweiligen Feststellungen die entsprechenden Aktenseiten des Verwaltungsverfahrensaktes (AS) bzw Seiten des Bescheides angeführt sind.

3. Rechtliche Beurteilung

Zu A)

Behebung des bekämpften Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit gemäß § 28 Abs 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl

3.1. Gemäß § 28 Abs 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z1) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z2).

3.2. Gemäß § 28 Abs 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG wenn die Voraussetzungen des Abs 2 nicht vorliegen, in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

3.3. Zu § 28 Abs 3 VwGVG hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass die Verwaltungsgerichte grundsätzlich meritorisch zu entscheiden haben, eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen jedoch insbesondere dann in Betracht kommen wird, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063).

3.4. Zum gegenständlichen Verfahren

3.4.1. Das BFA hat im gegenständlich angefochtenen Bescheid überhaupt keine Sachverhaltsfeststellungen zur Ländersituation in dem von der Behörde angenommenen Herkunftsstaat des Beschwerdeführers getroffen und im gegenständlichen Verfahren auch jegliche erforderlichen Ermittlungen dazu unterlassen, was in Hinblick auf die erforderliche Prüfung der Erlassung einer Rückkehrentscheidung sowie der Zulässigkeit der Abschiebung als besonders gravierende Ermittlungslücke angesehen werden muss.

3.4.5. Ohne Nachholung der hier aufgezeigten und für die Prüfung notwendigen Tatsachenerhebungen kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Sachverhalt entsprechend entscheidungsrelevant ermittelt wurde.

3.4.6. Nach Durchführung der demnach allenfalls erforderlichen und geeigneten Ermittlungen werden dem Beschwerdeführer vom BFA die Ermittlungsergebnisse und insbesondere auch entscheidungsrelevante, aktuelle und auf den festgestellten Sachverhalt abgestimmte Länderfeststellungen mit der Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme innerhalb einer angemessenen Frist zur Kenntnis zu bringen sein. In weiterer Folge wird das BFA das Ermittlungsergebnis unter Berücksichtigung sämtlicher bekannter Bescheinigungsmittel einer schlüssigen Beweiswürdigung zu unterziehen und individuelle Feststellungen zu treffen haben, welche als Basis für die rechtliche Beurteilung dienen.

3.4.7. Abschließend wird darauf hingewiesen, dass durch die Zurückverweisung das Verfahren in die Lage zurücktritt, in der es sich vor Erlassung des aufgehobenen Bescheides befand, sodass das BFA das im Rahmen des Beschwerdeverfahrens erstattete Parteivorbringen - im gegenständlichen Fall somit die Beschwerdeausführungen - zu berücksichtigen und gemäß § 18 Abs 1 AsylG gegebenenfalls darauf hinzuwirken haben wird, dass getätigte Angaben ergänzt bzw vervollständigt werden.

3.4.8. Auch unter Effizienzgesichtspunkten verbietet sich eine Heranziehung des § 28 Abs 2 Z 2 VwGVG, zumal die Verwaltungsbehörde die erforderlichen Ermittlungsschritte und damit die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes im Sinne des Gesetzes zumindest mit der gleichen Raschheit und mit nicht höheren Kosten als das Verwaltungsgericht bewerkstelligen wird können. Im Gegenteil ist angesichts der erforderlichen Beweisaufnahme und der grundsätzlich gegebenen Verhandlungspflicht nicht anzunehmen, dass die zur Erforschung der materiellen Wahrheit ergänzenden Ermittlungen unter Wahrung des Parteiengehörs durch das Bundesverwaltungsgericht selbst mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden wäre. Wobei es bei der Beurteilung der Kostenersparnis und Raschheit darüber hinaus nicht auf die Auswirkungen auf das Gesamtverfahren, sondern nur auf die Ersparnis an Zeit und Kosten für die jeweilige konkrete Amtshandlung ankommt. Dass die Zurückverweisung den gesamten Verfahrensverlauf verlängert, ist bei der Zeit- und Kostenersparnis nicht in Rechnung zu stellen, weil ansonsten eine kassatorische Entscheidung nie in Frage käme (vgl Hengstschläger/Leeb, AVG, § 66 Rz 20 mwN).

3.5. Von diesen Überlegungen ausgehend ist daher im gegenständlichen Fall das dem Bundesverwaltungsgericht gemäß § 28 Abs 3 Satz 2 VwGVG eingeräumte Ermessen im Sinne einer kassatorischen Entscheidung auszuüben und das Verfahren spruchgemäß an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur neuerlichen Entscheidung zurückzuverweisen.

Entfall der mündlichen Verhandlung

3.6. Aufgrund der Behebung des angefochtenen Bescheides konnte eine Verhandlung gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG entfallen.

Zu B)

Revision

3.7. Die für den vorliegenden Fall relevante Rechtslage ist durch die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt, weshalb die Revision nicht zulässig ist.

3.8. Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Abschiebung, Asylverfahren, Aufenthaltstitel, Behebung der
Entscheidung, berücksichtigungswürdige Gründe, Einreiseverbot,
Ermittlungsmangel, Ermittlungspflicht, Kassation, mangelhaftes
Ermittlungsverfahren, mangelnde Sachverhaltsfeststellung,
Rückkehrentscheidung, Zurückverweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:L516.2204238.1.00

Zuletzt aktualisiert am

26.04.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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