TE Vwgh Erkenntnis 1999/3/25 98/15/0125

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Veröffentlicht am 25.03.1999
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;
57/01 Versicherungsaufsicht;

Norm

EStG 1988 §18 Abs1 Z2;
VAG 1978 §14 idF 1994/652;
VAG 1978 §1a idF 1994/652;
VAGNov 1994;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Robl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zeller, über die Beschwerde des H in W, vertreten durch Dr. Peter Huber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Ebendorferstraße 3, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 1. Juli 1998, Zl. RV077-06/05/98, betreffend Einkommensteuer 1995, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von 15.000 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer war zunächst in Deutschland wohnhaft. Von 1992 bis 1997 war er als Gastprofessor an der Universität für Bodenkultur in Wien tätig. Im Jahr 1995 unterhielt er bis März eine Zweitwohnung in Österreich. Im April 1995 verlegte er seinen Familienwohnsitz nach Österreich. Der Beschwerdeführer war im Streitjahr in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig.

Mit dem angefochtenen Bescheid setzte die belangte Behörde im Instanzenzug die Einkommensteuer für 1995 fest. Dabei wurden die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Beiträge für zwei Lebensversicherungen beim Debeka Lebensversicherungsverein a.G. in Koblenz nicht als Sonderausgaben anerkannt.

In der Begründung des Bescheides führt die belangte Behörde aus, die Beiträge zur Lebensversicherung seien nicht als Sonderausgaben anzuerkennen, weil der Beschwerdeführer nicht nachgewiesen habe, daß das Versicherungsunternehmen dem § 1a Abs. 1 des Versicherungsaufsichtsgesetzes idF BGBl. 652/1994 unterliege und es damit über die Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb im Inland verfüge.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Gemäß § 18 Abs. 1 Z. 2 EStG 1988 sind Beiträge und Versicherungsprämien zu den dort näher bezeichneten Versicherungen nur dann abzugsfähig, wenn das Versicherungsunternehmen Sitz oder Geschäftsleitung im Inland hat oder ihm die Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb im Inland erteilt wurde.

§ 1a Abs. 1 VAG idF der Novelle 1994, BGBl. 652/1994, lautet:

"Versicherungsunternehmen, die ihren Sitz in einem Staat haben, der Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum ist (Vertragsstaat), unterliegen den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes, soweit sie im Inland eine Zweigniederlassung errichten oder im Inland oder in einem anderen Vertragsstaat Versicherungsverträge über Risken abschließen, die gemäß § 2 Z. 2 des Bundesgesetzes über internationales Versicherungsvertragsrecht für den Europäischen Wirtschaftsraum, BGBl. Nr. 89/1993, in der jeweils geltenden Fassung im Inland belegen sind."

Gemäß § 2 Z. 2 lit. b BGBl. 89/1993 gilt als Mitgliedstaat, in dem das Risiko belegen ist, u.a. in der Lebensversicherung,

aa) wenn der Versicherungsnehmer eine natürliche Person ist, der Mitgliedstaat, in dem er seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat;

bb) wenn der Versicherungsnehmer keine natürliche Person ist, der Mitgliedstaat, in dem sich das Unternehmen, die Betriebsstätte oder die sonstige Einrichtung befindet, auf die sich der Vertrag bezieht.

Gemäß § 14 Abs. 1 VAG idF BGBl. 652/1994 liegt Dienstleistungsverkehr vor, wenn Versicherungsunternehmen mit Sitz in einem Vertragsstaat Versicherungsverträge für in einem anderen Vertragsstaat belegene Risken nicht über eine in diesem Vertragsstaat errichtete Zweigniederlassung abschließen. Der Dienstleistungsverkehr ist nach Maßgabe der Abs. 2 bis 7 zulässig.

§ 14 Abs. 3 VAG idF BGBl. 652/1994 normiert als Voraussetzung für den Dienstleistungsverkehr, daß die zuständige Behörde des Sitzstaates der Versicherungsaufsichtsbehörde

1. eine Bescheinigung darüber übermittelt hat, daß das Versicherungsunternehmen über die erforderlichen Eigenmittel verfügt, und

2. die Versicherungszweige, die das Versicherungsunternehmen betreiben darf, und die Art der Risken, die es im Dienstleistungsverkehr decken will, mitgeteilt hat.

Wie sich aus den ErlRV 1682 BlgNR 18. GP, 26, ergibt, dient die VAG-Novelle 1994 der Umsetzung von EG-Richtlinien, deren Ziel die Verwirklichung des Binnenmarktes im Versicherungswesen ist. Dies geschah im wesentlichen durch die Einführung der einheitlichen Zulassung und der Herkunftskontrolle. Einheitliche Zulassung bedeutet, daß ein Versicherungsunternehmen mit Sitz in einem EWR-Vertragsstaat auf Grund der Zulassung in seinem Sitzstaat die Vertragsversicherung in jedem anderen Vertragsstaat betreiben darf, sei es durch Errichtung einer Zweigniederlassung, sei es im Dienstleistungsverkehr. Herkunftskontrolle bedeutet, daß die Beaufsichtigung über den Betrieb der Vertragsversicherung in allen Vertragsstaaten des EWR der zuständigen Behörde desjenigen Vertragsstaates obliegt, in dem das Versicherungsunternehmen seinen Sitz hat.

Wie sich aus den im Verwaltungsakt befindlichen "Versicherungsscheinen" ergibt, hat der Debeka Lebensversicherungsverein a.G. seinen Sitz in Koblenz am Rhein und sohin in einem Vertragsstaat des EWR und sind die Versicherungsverträge im Jahr 1985 bzw. im Jahr 1987 in Deutschland abgeschlossen worden. Die belangte Behörde geht davon aus, daß der Beschwerdeführer im Jahr 1995 den gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich gehabt habe (siehe Seite 3 der Gegenschrift der belangten Behörde).

Mit der Frage, ob Beiträge und Versicherungsprämien im Sinne des § 18 Abs. 1 Z. 2 EStG 1988 nur dann abzugsfähig sind, wenn das Versicherungsunternehmen (mit Sitz und Geschäftsleitung im Ausland) einen inländischen Geschäftsbetrieb hat, über den der Versicherungsvertrag abgewickelt wird, hat sich der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 20. Jänner 1999, 98/13/0002, befaßt. Der Gerichtshof ist zu dem Ergebnis gelangt, daß ein inländischer Geschäftsbetrieb des ausländischen Versicherungsunternehmens, dem das konkrete Versicherungsgeschäft zuzurechnen sei, nicht erforderlich sei. § 18 Abs. 1 Z. 2 EStG 1988 stelle darauf ab, daß dem Versicherungsunternehmen die Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb im Inland zukomme (Hinweis auf § 1a und § 14 VAG idF BGBl. 652/1994).

Zum Schutz des Versicherungsnehmers werden durch § 14 Abs. 3 VAG idF BGBl. 652/1994 Bescheinigungen als Voraussetzung für den Dienstleistungsverkehr gefordert, wenn Versicherungsunternehmen mit Sitz in einem anderen Vertragsstaat Versicherungsverträge über Risken abschließen, die in Österreich belegen sind. Der Wortlaut des § 18 Abs. 1 Z. 2 EStG 1988 stellt inhaltlich darauf ab, daß das Versicherungsunternehmen auf Grund einer entsprechenden Anknüpfung an das Inland dem VAG unterliegt und damit der Schutz des Versicherungsnehmers gewährleistet ist.

Ist nun aber im Zeitpunkt des Abschlusses eines Versicherungsvertrages nicht aufgrund einer Zweigniederlassung oder aufgrund der Belegenheit des Risikos die Anknüpfung an Österreich gegeben gewesen, sondern an einen anderen Vertragsstaat, so stellt dieser andere Staat in Verbindung mit dem Herkunftsstaat des Versicherungsunternehmens den Schutz des Versicherungsnehmers sicher. Solcherart ergibt sich aus dem Zweck des § 18 Abs. 1 Z. 2 EStG 1988, daß die Prämien jedenfalls für einen solchen Versicherungsvertrag, dessen Abschluß nicht in den Regelungsbereich des VAG fällt, im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht in Österreich in analoger Anwendung dieser Bestimmung als abzugsfähige Sonderausgaben zu behandeln sind. Teleologische Überlegungen hinsichtlich der Inlandsanknüpfung des Versicherungsunternehmens zeigen nämlich klar auf, daß in der Nichterfassung dieser Konstellation durch den genannten Sonderausgabentatbestand eine planwidrige Lücke gelegen ist.

Bei dem aufgezeigten Beurteilungsergebnis ergibt sich aus der Sicht des Beschwerdefalles keine Konfliktsituation mit gemeinschaftsrechtlichen Grundfreiheiten, weshalb auf das entsprechende Beschwerdevorbringen nicht eingegangen wird.

Die belangte Behörde hat die Rechtslage verkannt. Sie hat somit den angefochtenen Bescheid Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte aus den Gründen des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 25. März 1999

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Analogie Schließung von Gesetzeslücken VwRallg3/2/3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1998150125.X00

Im RIS seit

21.02.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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