Entscheidungsdatum
14.01.2019Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W114 2195139-1/12E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Bernhard DITZ über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch den Migrantinnenverein St. Marx, Pulverturmgasse 4/2/R01, 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich vom 06.04.2018, Zl. 1092120204/151614859, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 23.10.2018 zu Recht:
A)
I. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abgewiesen.
II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird stattgegeben und XXXX gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt.
III. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 18.01.2020 erteilt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. XXXX, geb. XXXX, (im Weiteren: Beschwerdeführer oder BF), ein afghanischer Staatsbürger, Angehöriger der Volksgruppe der Bayat und schiitischer Moslem, stellte am 23.10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
2. Im Rahmen der am 24.10.2015 erfolgten Erstbefragung gab der Beschwerdeführer an, am XXXX im Dorf Deh Darat im Distrikt Khwaja Omari in der Provinz Ghazni in Afghanistan geboren und dort aufgewachsen zu sein. Er habe in Ghazni 12 Jahre lang eine Schule besucht. Er sei ledig und habe keine Kinder. Seine Eltern sowie ein Bruder würden sich in Afghanistan aufhalten. Der Vater habe sich um den Familienunterhalt gekümmert. Eine Schwester befinde sich im Iran. Er habe Afghanistan aus Angst vor den Taliban verlassen. Sein Vater, der Ingenieur sei, sei von ihnen einmal mitgenommen worden Er sei über Vermittlung der Weißbärtigen wieder freigekommen. Die Taliban hätten zwei Mal versucht auch den BF mitzunehmen. Außerdem sei die Sicherheitslage in Ghazni schlecht. Bei einer Schießerei zwischen Taliban und Regierungstruppen sei er von einer Kugel am Bein getroffen worden. Er sei ohne Schlepper nach Österreich gereist.
3. In seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) am 05.04.2018 korrigierte er seine Aussage seiner Erstbefragung dahingehend, dass sein Vater von den Taliban mitgenommen worden wäre und seither verschollen sei. Zudem würde seine Schussverletzung nicht von einer Schießerei zwischen Taliban und Regierungstruppen herrühren. Vielmehr sei er im iranisch-türkischen Grenzgebiet von iranischen Polizisten angeschossen worden. Bei seiner Ersteinvernahme habe er starke Schmerzen gehabt. Zudem sei er erst am 31.12.2008 im Dorf Dedarat im Distrikt Hojamari in der Provinz Ghazni geboren. Er habe jedoch in der Türkei angegeben bereits 18 Jahre alt zu sein, um bei einer medizinischen Behandlung in der Türkei als Erwachsener behandelt zu werden.
Er habe in seinem Heimatdorf 12 Jahre eine Schule besucht, wobei er die 4. und 5. Klasse übersprungen habe. Die 12. Klasse habe er nicht abgeschlossen. Seine Familie habe in Afghanistan Grundstücke besessen. Sein Vater sei 60 oder 61 Jahre alt, seine Mutter ca. 58 oder 59 Jahre, sein Bruder etwa 14 oder 15 Jahre alt und seine Schwester 28 oder 29 Jahre. Alle Familienmitglieder würden zwischenzeitig im Iran beim Mann seiner Schwester wohnen. Er habe keine Familienangehörigen in Afghanistan.
Er habe freiwillig in der Schule gearbeitet. Er habe sich dafür eingesetzt, dass auch Frauen eine Ausbildung erhalten sollten. Er habe Zeichnungen angefertigt. Die Leute, die seinen Vater entführt hätte, hätten ihm gesagt, dass er aufhören solle, sich dafür einzusetzen, dass auch Frauen eine Ausbildung erhielten, sonst würde er genauso verschwinden wie sein Vater. Seine Mutter habe ihn daraufhin zur Flucht aufgefordert. Am nächsten Tag in der Früh sei er in die Stadt Ghazni gegangen und dann Richtung Kandahar über Nimroz in den Iran geflüchtet.
4. Mit Bescheid des BFA vom 06.04.2018, Zl. 1092120204/151614859, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Gemäß § 57 AsylG wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Es wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Weiters wurde ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).
Begründend wurde zu Spruchpunkt I. ausgeführt, dass der Beschwerdeführer eine absolut unglaubwürdige Person sei und insbesondere vor dem BFA eine ihm drohende Verfolgung durch Taliban nicht habe glaubhaft machen können. Das Ermittlungsverfahren habe ergeben, dass der Beschwerdeführer in Afghanistan keiner asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt sei.
Zu Spruchpunkt II. wurde dargelegt, dass der Beschwerdeführer im Fall einer Rückkehr in seine ursprüngliche Heimatprovinz Ghazni - nicht jedoch überall in Afghanistan - wegen der unsicheren Lage in dieser Provinz einer relevanten Gefährdung ausgesetzt sein würde. Dem BF stünde mit Kabul eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung.
Das BFA vertrat die Auffassung, dass für den Beschwerdeführer gegenwärtig kein Abschiebungshindernis nach Afghanistan zurückzukehren, vorliege, weil eine landesweite allgemeine, extreme Gefährdungslage, in der jeder Antragsteller im Fall seiner Abschiebung einer Gefahr für Leib und Leben in einem Maße ausgesetzt wäre, das die Abschiebung im Lichte des Art. 2 und 3 EMRK unzulässig erscheinen lasse, nicht gegeben sei.
Er verfüge in Afghanistan zwar über keine familiären Anknüpfungspunkte. Er stehe jedoch in Kontakt mit seiner Mutter und seinem Bruder, die beide im Iran arbeiten würden und den BF auch unterstützen könnten.
Der BF erfülle nicht die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG; der Erlassung einer Rückkehrentscheidung stehe sein Recht auf Achtung des Privat- oder Familienlebens angesichts der kurzen Aufenthaltsdauer und des Umstandes, dass keine sonstigen Gründe vorliegen würden, die eine andere Entscheidung herbeiführen würden, nicht entgegen. Der Beschwerdeführer verfüge in Österreich über keine Bezugsperson. Er habe sich seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein müssen. Angesichts der abweisenden Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ergebe sich die Zulässigkeit einer Abschiebung des BF nach Afghanistan. Die Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ergebe sich aus § 55 FPG. Besondere Umstände, die der BF bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen habe, stünden dem nicht entgegen. Bei der anzustellenden Abwägung der betroffenen Interessen sei dem geordneten Vollzug des Fremdenwesens und der öffentlichen Ordnung und Sicherheit mehr Gewicht einzuräumen, als den Interessen des Beschwerdeführers.
Diese Entscheidung wurde dem Beschwerdeführer am 10.04.2018 zugestellt.
5. Mit Schriftsatz vom 05.05.2018, eingelangt am mit E-Mail am selben Tag beim BFA, erhob der Beschwerdeführer, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, Wattgasse 48 / 3. Stock, 1170 Wien, Beschwerde.
Der Beschwerdeführer begründete diese Beschwerde im Wesentlichsten zusammengefasst damit, dass die Länderfeststellungen mangelhaft wären und sich das BFA nicht ausreichend mit dem vorgetragenen individuellen Fluchtvorbringen auseinandergesetzt habe. Die Sicherheitslage in Kabul nicht derart sei, dass er sich dort ohne Unterstützung durch ein familiäres oder soziales Netz niederlassen könnte, ohne in eine existenzbedrohende Lage zu geraten bzw. aufgrund der dort herrschenden Sicherheitslage der Gefahr ausgesetzt wäre, bei einem Anschlag getötet zu werden. Die Unterstützung von freiwilligen Rückkehrern sei angesichts des Anstieges von Rückkehrern minimal und ineffizient.
6. Die Beschwerde und die Unterlagen des Verwaltungsverfahrens wurden dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit Schreiben des BFA vom 09.05.2018 am 14.05.2018 zur Entscheidung vorgelegt.
7. Gemeinsam mit der Ladung zur Beschwerdeverhandlung vom 14.09.2018 wurden dem Beschwerdeführer Länderfeststellungen zu Afghanistan vom 29.06.2018 mit Stand vom 11.09.2018 übermittelt und ihm die Möglichkeit geboten, eine Stellungnahme abzugeben.
8. Mit Schreiben vom 08.10.2018 gab der Migrantinnenverein St. Marx, Pulverturmgasse 4/2/R01, 1090 Wien seine Vertretungsvollmacht bekannt und übermittelte einen ergänzenden Schriftsatz, in welchem neuerlich darauf hingewiesen wurde, dass dem BF eine Rückkehr nach Afghanistan nicht zugemutet werden könnte.
9. Im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 11.09.2018 wurde der Beschwerdeführer, nunmehr vertreten durch den Migrantinnenverein St. Marx, Pulverturmgasse 4/2/R01, 1090 Wien, zu seiner Identität und Herkunft sowie zu seinen Fluchtgründen befragt. Die Verhandlung fand im Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Dari statt. Das BFA ist zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen. In dieser Verhandlung legte er neben weiteren Integrationsbescheinigungen auch ein ÖSD Zertifikat A2 aus, in welchem der erfolgreiche Abschluss der Deutsch-A2-Sprachprüfung bescheinigt wird. Der Beschwerdeführer wurde u.a. zu seiner Identität und Herkunft, zu den persönlichen Lebensumständen, zu seinen Fluchtgründen sowie zu seinem Privat- und Familienleben in Österreich befragt. In dieser Verhandlung war deutlich erkennbar, dass die Haut des BF sowohl am Kopf bzw. im Gesicht und auf den Händen eine auffallende fleckige Färbung aufwies.
10. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 31.10.2018 wies der Beschwerdeführer auch auf Vitiligo, eine Pigmentstörung, unter der der BF nachweislich leidet hin und führte dazu aus, dass der BF auch deswegen bei einer Rückkehr nach Afghanistan in eine existenzbedrohliche Lage geraten würde.
11. Im Zuge einer Recherche nach Vitiligo stieß der vorsitzende Richter des BVwG auf ein Gutachten der länderkundigen Sachverständigen XXXX vom 03.09.2018, in welchem die Sachverständige im Verfahren W260 2167335-1 sachverständig folgende Fragen beantwortete:
1. Ist im gegenständlichen Verfahren der BF aufgrund seiner Hauterkrankung ("Vitiligo") einer besonderen Stigmatisierung und einer besonderen Beeinträchtigung in seiner Lebensführung ausgesetzt?
2. Ist diese Beeinträchtigung auch in Großstädten wie in Kabul oder Mazar-e-Scharif für den BF mit erheblichen Nachteilen in seiner Lebensführung verbunden?
3. Welcher Art sind die Beeinträchtigungen?
12. Dieses Gutachten wurde gemeinsam mit der nachträglichen Stellungnahme des BF vom 31.10.2018 mit Schreiben des BVwG vom 19.12.2018, W114 2195139-1/11Z an das zuständige BFA mit dem Ersuchen um schriftliche Stellungnahme bis 10.01.2019, im BVwG einlangend, zum Parteiengehör übermittelt.
Bis zur Erlassung des gegenständlichen Erkenntnisses hat das BFA von der Übermittlung einer Stellungnahme abgesehen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage des erhobenen Antrages auf internationalen Schutz, der Erstbefragung sowie Einvernahme des Beschwerdeführers durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sowie des BFA, der Beschwerde gegen den im Spruch genannten Bescheid des BFA, der im Verfahren vorgelegten Dokumente, der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG und der Einsichtnahme in den Bezug habenden Verwaltungsakt, das Gutachten von XXXX vom 03.09.2018 betreffend Vitiligo, das Zentrale Melderegister, das Fremdeninformationssystem, das Strafregister sowie das Grundversorgungs-Informationssystem und in das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan mit Stand vom 29.06.2018 samt Aktualisierungen werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:
1.1. Zum Beschwerdeführer:
Der zum Zeitpunkt der Antragstellung auf internationalen Schutz noch nicht volljährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Bajat und schiitischer Moslem. In der Zwischenzeit ist der Beschwerdeführer jedoch volljährig geworden. Er stammt aus der Provinz Ghazni, wobei jedoch nicht festgestellt werden kann, aus welchem Distrikt und welchem Ort in der Provinz Ghazni der BF stammt. Er besuchte zumindest eine Schule, wobei nicht feststellbar ist, um welche Schule es sich handelte und wie lange er diese Schule besuchte. Es ist nicht feststellbar, ob der Beschwerdeführer bereits in Afghanistan berufstätig war und allenfalls über welche Berufserfahrung er verfügt.
Es kann insbesondere auch nicht festgestellt werden, ob der Beschwerdeführer Familie, Verwandte, Freunde oder Bekannte in Afghanistan hat, die ihn bei einer allfälligen Rückkehr nach Afghanistan unterstützen können.
Beim Beschwerdeführer ist Vitiligo klar erkennbar. Er spricht mit Dari zumindest eine der in Afghanistan geläufige Sprachen. Zudem sind Dari und Farsi derart sprachverwandt, dass jeder, der die eine Sprache versteht auch über weite Strecken einem Gespräch in der jeweils anderen Sprache folgen kann und in der anderen Sprache auch Fragen beantworten oder eine Konversation führen kann. Der Beschwerdeführer hat den weitaus überwiegenden Teil seines Lebens in einem afghanischen Haushalt verbracht und ist mit den gesellschaftlichen und kulturellen Gepflogenheiten seines Heimatlandes bestens vertraut.
Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit von einer asylrelevanten Verfolgung bedroht wäre. Insbesondere kann nicht festgestellt werden, dass er von Taliban wegen einer ihm unterstellten Anti-Taliban-Gesinnung oder wegen seiner Volksgruppenzugehörigkeit als schiitischer Bajat oder als Rückkehrer nach Afghanistan aus dem (westlichen) Ausland bei einer Rückkehr nach Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit asylrelevant auf Grund eines Konventionsgrundes verfolgt werden würde.
Dem BF droht bei einer Überstellung in seine Herkunftsprovinz Ghazni aufgrund der volatilen Sicherheitslage in dieser Provinz ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit.
Die auch unter Weißfleckenkrankheit oder als Scheckhaut bekannte Hauterkrankung Vitiligo ist eine chronische, nicht ansteckende Hauterkrankung, die etwa 0,5 bis 2 % der Menschen weltweit betrifft. Sie gilt als nicht heilbar. Diese Erkrankung verursacht keine physischen Schmerzen und ist nicht ansteckend, doch werden die Betroffenen wegen ihres fleckigen Aussehens gemieden. Dieser Umstand bereitet jedoch für die Betroffenen seelisches Leiden.
Typisch sind Pigmentstörungen in Form weißer, pigmentfreier Hautflecken, die sich langsam ausweiten können, aber nicht unbedingt müssen. Die Ursache ist unbekannt, es werden permanente oder vorübergehende autoimmune Blockierungen bzw. Zerstörung der Melanozyten angenommen. Die Erkrankung tritt oft zusammen mit anderen Autoimmunerkrankungen wie Hashimoto-Thyreoiditis, Diabetes mellitus Typ 1 oder perniziöser Anämie auf. Stress könnte als Katalysator eines Vitiligo-Ausbruchs wirken. Dies bedeutet, dass die mit dem Stress einhergehenden Auswirkungen das Immunsystem stören können. Damit kann sich die schon vorhandene Autoimmunerkrankung zum ersten Mal oder verstärkt bemerkbar machen, indem erste oder mehr bzw. vergrößerte pigmentlose Hautstellen auftauchen können. Die Krankheit kann in jedem Alter und auch in anscheinend genetisch nicht vorbelasteten Familien auftreten. Die Vererblichkeitsrate liegt bei ca. 33 %. Statistisch am häufigsten betroffen sind Unterarme, Handgelenke, Hände, Finger, Ellenbogen, Füße und Genitalien. In der Regel sind die gedehnten Hautpartien betroffen, z. B. Ellenbogen. Die unpigmentierten Flächen können sich ausbreiten oder in ihrer Größe konstant bleiben. Spontane Repigmentierungen treten auf. Eine Heilung ist nicht möglich. Körperliche Leistungsfähigkeit und Lebenserwartung sind durch die Erkrankung zwar direkt nicht beeinflusst, durch den fehlenden Pigmentschutz ist die Haut allerdings besonders lichtempfindlich. Lichtinduzierte Hautveränderungen bis hin zu Lichtkrebsen kommen vor. Sonnenschutz mit hohem Lichtschutzfaktor ist empfehlenswert, bei großflächigen Arealen sollte Sonnenbestrahlung gemieden werden. Dabei muss jedoch beachtet werden, dass die natürliche Vitamin-D-Produktion dadurch reduziert wird und entsprechend eine medikamentöse Kompensation erfolgen sollte, um den Folgen eines Vitamin-D-Mangels vorzubeugen. Die psychischen Folgen wie sozialer Rückzug können erheblich sein. Die Erkrankung wird gemäß der Anlage zu § 2 der deutschen Versorgungsmedizin-Verordnung (Teil B, 17.12) bei Befall von Gesicht und/oder Händen, je nach Ausdehnung, mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 10 bis 20 bewertet.
In manchen Kulturen ist mit Vitiligo für die betroffenen Personen ein Stigma verbunden. Sie werden teilweise als böse oder verseucht gesehen und deshalb mitunter von den anderen Gruppenmitgliedern gemieden. In Indien wird Vitiligo fälschlicherweise oft mit Lepra in Verbindung gebracht. Vitiligobetroffene werden oft aus Unkenntnis stigmatisiert, da der Bevölkerung nicht bewusst ist, dass Vitiligo weder ansteckend noch ein Zeichen für Siechtum oder Krankheiten wie Krebs ist.
In Afghanistan sind die Menschen mit der Hautkrankheit der "Vitiligo" sozialer und staatlicher Diskriminierung ausgesetzt, so etwa durch Mangel an geeigneten Gesundheits- und Bildungseinrichtungen und einem unzureichenden Verständnis der Rechte von Menschen.
Diese Menschen sind mit mangelnden wirtschaftlichen Möglichkeiten und sozialer Ausgrenzung konfrontiert. Die Gesellschaft und sogar eigene Familienangehörige, mangels Wissen über die Krankheit, behandeln diese schlecht, da die Auffassung verbreitet ist, dass Personen mit diesem Krankheitsbild "Vitiligo" für die eigenen Sünden oder für die Sünden der Eltern bestraft werden. Die Beleidigungen, die Schikane sowie die Belästigungen führen dazu, dass die Menschen mit der Weißfleckenkrankheit sich vom gesamten aktiven Leben zurückziehen und ein isoliertes Leben bevorzugen. In weiterer Folge werden sie tief depressiv und kämpfen mit psychischen Krankheiten. Da diese Krankheit nicht heilbar ist, wird somit ihr ganzes Leben ruiniert.
Das Phänomen, dass Menschen, die an einer Hautkrankheit leiden, sich lebenslang für ihre Krankheit schämen und in der Schule von den Mitschülern belästigt werden, ist nicht nur ein rein afghanisches Problem, sondern betrifft Menschen auf der ganzen Welt. Der Unterschied zwischen der westlichen Welt und Afghanistan liegt darin, dass es im Westen die Möglichkeiten gibt, sich über dieses Krankheitsbild zu informieren. Darüber hinaus gibt es für die Betroffenen einer solchen Erkrankung fachspezifische Behandlungs- bzw. Betreuungsmöglichkeiten. Solche Menschen lernen durch psychologische Unterstützung den Umgang mit diesem Leiden. Eine solche Unterstützung kann dazu führen, dass die Betroffenen wieder an Selbstbewusstsein gewinnen und ein halbwegs normales Leben führen können. Es gibt durchaus auch Beispiele dafür in der westlichen Welt, dass dieser Prozess, nämlich aus der Isolation herauszukommen bzw. Selbstbewusstsein zu erlangen, über mehrere Jahre oder Jahrzehnte andauern kann. In der afghanischen Gesellschaft gibt es aufgrund der dortigen Gegebenheiten keine Akzeptanz von Betroffen von "Vitiligo". Gründe dafür sind unter anderem der seit über vier Jahrzehnte andauernde Krieg, das Fehlen von Bildung und Informationsfluss. Darüber hinaus werden für eine solche Erkrankung auch traditionelle, religiöse oder sogar kulturelle Gründe gesucht.
Die Folgen der Isolation, Beleidigungen, systematisch gesellschaftlichen Ausgrenzungen der Personen mit der Hauterkrankung (Vitiligo) verursachen tiefe Depressionen, die in weiterer Folge als psychische Krankheit ausgetragen werden, und dass diese Personen als "Verrückte" bezeichnet werden.
Der hohe Grad an Analphabeten, mangelnde Informationen, und in weiterer Folge fehlendes Verständnis für derartige Beschwerden bzw. adäquate Maßnahmen und Einrichtungen zur Aufklärung solcher Krankheiten führt die Gesellschaft zur Unfähigkeit im Umgang mit Personen mit einem solchen Krankheitsbild. Sie werden aus der Gesellschaft systematisch ausgestoßen und sind praktisch Aussätzige.
Personen mit dieser Hauterkrankung sind in vielen Lebenssituationen von sozialer Stigmatisierung betroffen. Dies ist insbesondere bei dieser Krankheit der Fall, da die Krankheit nicht auf eine klar erkennbare Ursache zurückzuführen ist und als Strafe für die Sünden betrachtet wird. Außerdem gibt es auch in Afghanistan für diese Krankheit keine adäquaten Behandlungsmöglichkeiten bzw. gibt es dafür kein Heilmittel. Bei solchen Fällen leidet nicht nur die erkrankte Person, sondern auch die Familie, welche als Ganzes Ziel von Vorurteilen wird (Gottes Strafe für die Sünde der Eltern). So besteht die Möglichkeit, dass die gesamte Familie in Mitleidenschaft gezogen und aus sozialen Netzwerken ausgeschlossen wird. Abgesehen davon, dass die erkrankte Person selbst keine Familie findet, die bereit wäre, ihre Tochter mit so einem Menschen zu verheiraten, besteht häufig die Gefahr für die Geschwister von erkrankten Personen, für eine Heirat als ungeeignet angesehen zu werden.
Es wird zwar berichtet, dass diese Krankheit keine Schmerzen verursacht und nicht ansteckend ist, aber die Betroffenen erleiden aufgrund ihres fleckigen Aussehens seelische Schmerzen, vor allem deshalb, weil sie von Ihren Mitmenschen gemieden werden.
Die Diskriminierung von mit Vitiligo erkrankten Personen ist in Afghanistan nicht nur auf ländliche Gebiete oder kleine Städte beschränkt, sondern trifft auch urbane Zentren und Großstädte wie Kabul, Mazar-e-Scharif und Herat zu. Obwohl der Bildungsgrad in den Großstädten relativ höher ist als im ländlichen Raum, fehlt dennoch das allgemeine Verständnis für solche Krankheiten. Damit sind alle Krankheiten, die den Betroffenen sichtbar von anderen Menschen unterscheiden, gemeint.
In der gegenständlichen Angelegenheit kann davon ausgegangen werden, dass der BF aufgrund seiner sichtbaren Hauterkrankung und dem daraus entstanden psychischen Leiden relevante Gründe vorweist, die ihm die Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe zusprechen. Der BF ist daher von sozialer Ausgrenzung betroffen. Seine Leiden beeinflussen alle seine Lebensbereiche, darunter gesellschaftliche Akzeptanz und Selbstwertgefühl, Integration im Bildungsbereich, Zugang zum Arbeitsmarkt sowie Heirat.
Die an Weißfleckenkrankheit erkrankten Menschen werden von der Gesellschaft systematisch ausgestoßen bzw. ausgegrenzt. Da ihre Krankheit als Strafe Gottes für die eigenen Sünden oder die Sünden der Eltern betrachtet wird, werden diese Personen von der Gesellschaft für ihre Krankheit verantwortlich gemacht. Die Feindseligkeit von der Gesellschaft drückt sich auch in beleidigenden Ausdrücken aus, in dem diese Menschen als "ungesund" angesehen werden. Solche Erfahrungen mit Feindseligkeit und Scham führen zu weiterer Isolation, nicht jedoch zu einer Verfolgung.
Fehlendes Verständnis für derartige Beschwerden und eine Unfähigkeit im Umgang mit Personen mit Vitiligo und die daraus resultierenden psychischen Probleme führen zu Vorurteilen und in weiterer Folge zu Ausgrenzung.
Es kann davon ausgegangen werden, dass nicht nur die an Vitiligo erkrankte Person, sondern auch die Familie als Ganzes Ziel von Vorurteilen werden. Solchen Familien droht der Ausschluss aus dem sozialen bzw. gesellschaftlichen Leben. In besonders tragischen Fällen könnten solche Personen von der eigenen Familie zum Selbstschutz verstoßen werden.
Über den dargestellten Sachverhalt hinaus befände sich der BF in Afghanistan in einer finanziellen und wirtschaftlichen Notlage, da er aufgrund seiner sichtbaren Hauterkrankung Vitiligo ohne bestimmte Beziehungen keine Arbeit fände und somit nicht in der Lage wäre, ein selbstständiges und finanziell unabhängiges Leben zu führen.
Berücksichtigend, dass der Beschwerdeführer deutlich erkennbar von Vitiligo betroffen ist, muss mit großer Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer im Fall einer Rückführung in den Herkunftsstaat überall in Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit dem realen Risiko einer ernsthaften Bedrohung infolge willkürlicher Gewalt bzw. der Gefährdung seines Lebens infolge Stigmatisierung, Ausgrenzung, Verweigerung von erforderlicher Hilfe und hochgradiger Diskriminierung ausgesetzt wäre. Der Gedanke, dass man eine erkrankte Person als menschliches Wesen mit Rechten betrachtet, ist in Afghanistan noch längst nicht im kollektiven Bewusstsein der Gesellschaft verankert. Die Nachbarn, Mitschüler oder Kollegen stellen Fragen und fällen ihr Urteil (Gottesstrafe). Die Tatsache, dass diese Menschen gleichwertige Mitglieder der Gesellschaft sind, wird nicht akzeptiert.
Der Beschwerdeführer verfügt über Kenntnisse der deutschen Sprache; er hat auch einen Deutsch-A2-Sprachkurs mit einer Prüfung abgeschlossen.
Der Beschwerdeführer hat in Österreich keine Bezugsperson. Der BF befindet sich seit seiner Antragstellung im Oktober 2015 auf Grund einer vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG 2005 durchgehend rechtmäßig im Bundesgebiet. Er ist in Österreich bislang nicht selbsterhaltungsfähig und bezieht seit seiner Einreise Leistungen aus der vorübergehenden Grundversorgung. Er ist strafrechtlich unbescholten.
1.2. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:
1.2.1. Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 29.06.2018 (letzte Kurzinformation eingefügt am 23.11.2018):
Politische Lage:
Nach dem Sturz des Taliban-Regimes im Jahr 2001 wurde eine neue Verfassung ausgearbeitet und im Jahr 2004 angenommen (BFA Staatendokumentation 7.2016; vgl. Casolino 2011). Sie basiert auf der Verfassung aus dem Jahr 1964. Bei der Ratifizierung sah diese Verfassung vor, dass kein Gesetz gegen die Grundsätze und Bestimmungen des Islam verstoßen darf und alle Bürger Afghanistans, Mann wie Frau, gleiche Rechte und Pflichten vor dem Gesetz haben (BFA Staatendokumentation 3.2014; vgl. Casolino 2011, MPI 27.01.2004).
Die Verfassung der islamischen Republik Afghanistan sieht vor, dass der Präsident der Republik direkt vom Volk gewählt wird und sein Mandat fünf Jahre beträgt (Casolino 2011). Implizit schreibt die Verfassung dem Präsidenten auch die Führung der Exekutive zu (AAN 13.02.2015).
Nach den Präsidentschaftswahlen im Jahr 2014 einigten sich die beiden Kandidaten Ashraf Ghani und Abdullah Abdullah Mitte 2014 auf eine Regierung der Nationalen Einheit (RNE) (AM 2015; vgl. DW 30.09.2014). Mit dem RNE-Abkommen vom 21.09.2014 wurde neben dem Amt des Präsidenten der Posten des CEO (Chief Executive Officer) eingeführt, dessen Befugnisse jenen eines Premierministers entsprechen. Über die genaue Gestalt und Institutionalisierung des Postens des CEO muss noch eine loya jirga [Anm.: größte nationale Versammlung zur Klärung von wichtigen politischen bzw. verfassungsrelevanten Fragen] entscheiden (AAN 13.02.2015; vgl. AAN o. D.), doch die Einberufung einer loya jirga hängt von der Abhaltung von Wahlen ab (CRS 13.12.2017).
Die afghanische Innenpolitik war daraufhin von langwierigen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Regierungslagern unter Führung von Präsident Ashraf Ghani und dem Regierungsvorsitzenden (Chief Executive Officer, CEO) Abdullah Abdullah geprägt. Kurz vor dem Warschauer NATO-Gipfel im Juli 2016 wurden schließlich alle Ministerämter besetzt (AA 9.2016).
Friedens- und Versöhnungsprozess:
Am 28.02.2018 machte Afghanistans Präsident Ashraf Ghani den Taliban ein Friedensangebot (NYT 11.03.2018; vgl. TS 28.02.2018). Die Annahme des Angebots durch die Taliban würde, so Ghani, diesen verschiedene Garantien gewähren, wie eine Amnestie, die Anerkennung der Taliban-Bewegung als politische Partei, eine Abänderung der Verfassung und die Aufhebung der Sanktionen gegen ihre Anführer (TD 07.03.2018). Quellen zufolge wird die Annahme bzw. Ablehnung des Angebots derzeit in den Rängen der Taliban diskutiert (Tolonews 16.04.2018; vgl. Tolonews 11.04.2018). Anfang 2018 fanden zwei Friedenskonferenzen zur Sicherheitslage in Afghanistan statt: die zweite Runde des Kabuler Prozesses und die Friedenskonferenz in Taschkent (TD 24.03.2018; vgl. TD 07.03.2018, NZZ 28.02.2018). Anfang April rief Staatspräsident Ghani die Taliban dazu auf, sich für die Parlamentswahlen im Oktober 2018 als politische Gruppierung registrieren zu lassen, was von diesen jedoch abgelehnt wurde (Tolonews 16.04.2018). Ende April 2018 kam es in diesem Zusammenhang zu Angriffen regierungsfeindlicher Gruppierungen (hauptsächlich des IS, aber auch der Taliban) auf mit der Wahlregistrierung betraute Behörden in verschiedenen Provinzen.
Am 19.05.2018 erklärten die Taliban, sie würden keine Mitglieder afghanischer Sicherheitskräfte mehr angreifen, wenn diese ihre Truppen verlassen würden, und gewährten ihnen somit eine "Amnestie". In ihrer Stellungnahme erklärten die Aufständischen, dass das Ziel ihrer Frühlingsoffensive Amerika und ihre Alliierten seien (AJ 19.05.2018).
Am 07.06.2018 verkündete Präsident Ashraf Ghani einen Waffenstillstand mit den Taliban für den Zeitraum 12.06.2018 - 20.06.2018. Die Erklärung erfolgte, nachdem sich am 04.06.2018 über 2.000 Religionsgelehrte aus ganz Afghanistan in Kabul versammelt hatten und eine Fatwa zur Beendigung der Gewalt aussprachen (Tolonews 07.06.2018; vgl. Reuters 07.06.2018, RFL/RL 05.06.2018). Durch das Fatwa wurden Selbstmordanschläge für ungesetzlich (nach islamischem Recht) erklärt und die Taliban dazu aufgerufen, den Friedensprozess zu unterstützen (Reuters 05.06.2018). Die Taliban selbst gingen am 09.06.2018 auf das Angebot ein und erklärten einen Waffenstillstand von drei Tagen (die ersten drei Tage des Eid-Fests).
Am 20. und am 21.10.2018 fand in Afghanistan die Wahl für das Unterhaus (Wolesi Jirga) in 32 der 34 Provinzen statt (AAN 21.10.2018b; vgl. LS 21.10.2018). In der Provinz Ghazni wurde die Parlamentswahl verschoben, voraussichtlich auf den 20.04.2019, wenn u. a. auch die Präsidentschafts- und Distriktwahlen stattfinden sollen. In der Provinz Kandahar fand die Wahl am 27.10.2018 mit Ausnahme der Distrikte Nesh und Maruf statt (AAN 26.10.2018; vgl. CNN 27.10.2018). Grund für die Verzögerung war die Ermordung u.a. des lokalen Polizeichefs General Abdul Raziq am 18.10.2018 (AJ 19.10.2018; vgl. LS 21.10.2018). Während der Wahl in der Provinz Kandahar wurden keine sicherheitsrelevanten Vorfälle gemeldet (CNN 27.10.2018). Die Wahl, die für den 20.10.2018 geplant war, wurde um einen Tag verlängert, weil die Wähler aus sicherheits- und technischen Gründen in zahlreichen Provinzen nicht wählen konnten:
Lange Wartezeiten vor den Wahllokalen sowie verspätete Öffnungszeiten, Mangel an Wahlunterlagen, Probleme bei der biometrischen Verifizierung der Wähler, sicherheitsrelevante Vorfälle usw. waren die Hauptprobleme während der beiden Wahltage (AAN 20.10.2018; vgl. AAN 21.10.2018). Von den ca. neun Millionen Afghanen und Afghaninnen, die sich für die Wahl registriert hatten, wählten laut Schätzungen der Independent Election Commission (IEC) zwischen drei und vier Millionen (CNN 27.10.2018; vgl. RN 21.10.2018, AAN 21.10.2018b). In den Städten und Gebieten, die als sicherer gelten, war der Wahlandrang höher als in den ländlichen Gegenden, in denen die Taliban Einfluss ausüben (AAN 20.10.2018; vgl. RN 21.10.2018, AAN 21.10.2018).
Während der beiden Wahltage fanden Quellen zufolge landesweit ca. 200 sicherheitsrelevante Vorfälle statt und ca. 170 Zivilsten kamen während des ersten Wahltages ums Leben bzw. wurden verwundet: In Kabul wurden 15 Tote, in Baghlan 12, in Nangarhar 11 und in Kunduz 3 Tote verzeichnet. Auch Mitglieder der afghanischen Sicherheitskräfte befanden sich unter den Opfern (vgl. AAN 21.10.2018, RN 21.10.2018, AFP 20.10.2018).
Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte zwischen 01.01.2018 und 30.09.2018 im Zusammenhang mit den Parlamentswahlen insgesamt 366 zivile Opfer (126 Tote und 240 Verletzte) (UNAMA 10.10.2018).
Sicherheitslage in Afghanistan:
Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (UNGASC 27.02.2018).
Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) landesweit 29.824 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahresvergleich wurden von INSO 2016 landesweit 28.838 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert und für das Jahr 2015 25.288. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen zählt INSO Drohungen, Überfälle, direkter Beschuss, Entführungen, Vorfälle mit IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und andere Arten von Vorfällen (INSO o.D.).
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(Darstellung Staatendokumentation beruhend auf den INSO-Zahlen aus den Jahren 2015, 2016, 2017).
Im Vergleich folgt ein monatlicher Überblick der sicherheitsrelevanten Vorfälle für die Jahre 2016, 2017 und 2018 in Afghanistan (INSO o.D.):
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(Darstellung der Staatendokumentation beruhend auf INSO o.D.)
Für das Jahr 2017 registrierte die UN insgesamt 23.744 sicherheitsrelevante Vorfälle in Afghanistan (UNGASC 27.02.2018); für das gesamte Jahr 2016 waren es 23.712 (UNGASC 09.03.2017). Landesweit wurden für das Jahr 2015 insgesamt 22.634 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (UNGASC 15.03.2016):
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(Darstellung der Staatendokumentation beruhend auf UNGASC 15.03.2016, UNGASC 09.03.2017, UNGASC 27.02.2018)
Es folgt ein Jahresvergleich der sicherheitsrelevanten Vorfälle, die von der UN und der NGO INSO in den Jahren 2015, 2016 und 2017 registriert wurden:
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(Darstellung der Staatendokumentation beruhend auf INSO (o.D.), UN GASC 15.03.2016, UNGASC 09.03.2017, UNGASC 27.02.2018)
Im Jahr 2017 waren auch weiterhin bewaffnete Zusammenstöße Hauptursache (63%) aller registrierten sicherheitsrelevanten Vorfälle, gefolgt von IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und Luftangriffen. Für das gesamte Jahr 2017 wurden 14.998 bewaffnete Zusammenstöße registriert (2016: 14.977 bewaffnete Zusammenstöße) (USDOD 12.2017). Im August 2017 stuften die Vereinten Nationen (UN) Afghanistan, das bisher als "Post-Konflikt-Land" galt, wieder als "Konfliktland" ein; dies bedeute nicht, dass kein Fortschritt stattgefunden habe, jedoch bedrohe der aktuelle Konflikt die Nachhaltigkeit der erreichten Leistungen (UNGASC 10.08.2017). Die Zahl der Luftangriffe hat sich im Vergleich zum Jahr 2016 um 67% erhöht, die Zahl gezielter Tötungen um 6%. Ferner hat sich die Zahl der Selbstmordattentate um 50% erhöht. Östlichen Regionen hatten die höchste Anzahl an Vorfällen zu verzeichnen, gefolgt von südlichen Regionen. Diese beiden Regionen zusammen waren von 55% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle betroffen (UNGASC 27.02.2018). Für den Berichtszeitraum 15.12.2017 - 15.02.2018 kann im Vergleich zum selben Berichtszeitraum des Jahres 2016, ein Rückgang (-6%) an sicherheitsrelevanten Vorfällen verzeichnet werden (UNGASC 27.02.2018).
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Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren (USDOD 12.2017). Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt; vgl. AAN 06.06.2018) bedrohen - ein signifikanter Meilenstein für die ANDSF (USDOD 12.2017; vgl. UNGASC 27.02.2018); diesen Meilenstein schrieben afghanische und internationale Sicherheitsbeamte den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkter Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zu (UNGASC 27.02.2018).
Die von den Aufständischen ausgeübten öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe in städtischen Zentren beeinträchtigten die öffentliche Moral und drohten das Vertrauen in die Regierung zu untergraben. Trotz dieser Gewaltserie in städtischen Regionen war im Winter landesweit ein Rückgang an Talibanangriffen zu verzeichnen (UNGASC 27.02.2018). Historisch gesehen gehen die Angriffe der Taliban im Winter jedoch immer zurück, wenngleich sie ihre Angriffe im Herbst und Winter nicht gänzlich einstellen. Mit Einzug des Frühlings beschleunigen die Aufständischen ihr Operationstempo wieder. Der Rückgang der Vorfälle im letzten Quartal 2017 war also im Einklang mit vorangegangenen Schemata (LIGM 15.02.2018).
Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt volatil (UNGASC 10.09.2018). Am 19.08.2018 kündigte der afghanische Präsident Ashraf Ghani einen dreimonatigen Waffenstillstand mit den Taliban vom 20.08.2018 bis 19.11.2018 an, der von diesen jedoch nicht angenommen wurde (UNGASC 10.09.2018; vgl. Tolonews 19.08.2018, TG 19.08.2018, AJ 19.08.2018). Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum (15.05.2018 - 15.08.2018) 5.800 sicherheitsrelevante Vorfälle, was einen Rückgang von 10% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres bedeutet. Bewaffnete Zusammenstöße gingen um 14% zurück, machten aber weiterhin den Großteil der sicherheitsrelevanten Vorfälle (61%) aus. Selbstmordanschläge nahmen um 38% zu, Luftangriffe durch die afghanische Luftwaffe (AAF) sowie internationale Kräfte stiegen um 46%. Die am stärksten betroffenen Regionen waren der Süden, der Osten und der Süd-Osten, wo insgesamt 67% der Vorfälle stattfanden. Es gibt weiterhin Bedenken bezüglich sich verschlechternder Sicherheitsbedingungen im Norden des Landes: Eine große Zahl von Kampfhandlungen am Boden wurde in den Provinzen Balkh, Faryab und Jawzjan registriert, und Vorfälle entlang der Ring Road beeinträchtigten die Bewegungsfreiheit zwischen den Hauptstädten der drei Provinzen (UNGASC 10.09.2018).
Zum ersten Mal seit 2016 wurden wieder Provinzhauptädte von den Taliban angegriffen: Farah- Stadt im Mai, Ghazni-Stadt im August und Sar-e Pul im September (UNGASC 10.09.2018; vgl. Kapitel 1., KI 11.09.2018, SIGAR 30.07.2018, UNGASC 06.06.2018). Bei den Angriffen kam es zu heftigen Kämpfen, aber die afghanischen Sicherheitskräfte konnten u.a. durch Unterstützung der internationalen Kräfte die Oberhand gewinnen (UNGASC 10.09.2018; vgl. UNGASC 06.06.2018, GT 12.09.2018). Auch verübten die Taliban Angriffe in den Provinzen Baghlan, Logar und Zabul (UNGASC 10.09.2018). Im Laufe verschiedener Kampfoperationen wurden sowohl Taliban- als auch ISKP-Kämpfer (ISKP, Islamic State Khorasan Province) getötet (SIGAR 30.07.2018).
Sowohl die Aufständischen als auch die afghanischen Sicherheitskräfte verzeichneten hohe Verluste, wobei die Zahl der Opfer auf Seite der ANDSF im August und September 2018 deutlich gestiegen ist (Tolonews 23.09.2018; vgl. NYT 21.09.2018, ANSA 13.08.2018, CBS 14.08.2018).
Trotzdem gab es bei der Kontrolle des Territoriums durch Regierung oder Taliban keine signifikante Veränderung (UNGASC 10.09.2018; vgl. UNGASC 06.06.2018). Die Regierung kontrollierte - laut Angaben der Resolute Support (RS) Mission - mit Stand 15.05.2018 56,3% der Distrikte, was einen leichten Rückgang gegenüber dem Vergleichszeitraum 2017 (57%) bedeutet. 30% der Distrikte waren umkämpft und 14% befanden sich unter Einfluss oder Kontrolle von Aufständischen. Ca. 67% der Bevölkerung lebten in Gebieten, die sich unter Regierungskontrolle oder -einfluss befanden, 12% in Gegenden unter Einfluss bzw. Kontrolle der Aufständischen und 23% lebten in umkämpften Gebieten (SIGAR 30.07.2018).
Der Islamische Staat - Provinz Khorasan (ISKP) ist weiterhin in den Provinzen Nangarhar, Kunar und Jawzjan aktiv (USGASC 06.06.2018; vgl. UNGASC 10.09.2018). Auch war die terroristische Gruppierung im August und im September für öffentlichkeitswirksame Angriffe auf die schiitische Glaubensgemeinschaft in Kabul und Paktia verantwortlich (UNGASC 10.09.2018; vgl. KI vom 11.09.2018, KI vom 22.08.2018). Anfang August besiegten die Taliban den in den Distrikten Qush Tepa und Darzab (Provinz Jawzjan) aktiven "selbsternannten" ISKP (dessen Verbindung mit dem ISKP in Nangarhar nicht bewiesen sein soll) und wurden zur dominanten Macht in diesen beiden Distrikten (AAN 04.08.2018; vgl. UNGASC 10.09.2018).
Global Incident Map zufolge wurden im Berichtszeitraum (01.05.2018 - 30.09.2018) 1.969 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Durch die folgende kartografische Darstellung der Staatendokumentation soll die Verteilung des Konflikts landesweit veranschaulicht werden.
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(BFA Staatendokumentation 15.10.2018)
Im Folgenden wird das Verhältnis zwischen den diversen sicherheitsrelevanten Vorfällen für den Zeitraum 01.04.2018 - 30.09.2018 durch eine Grafik der Staatendokumentation veranschaulicht.
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(BFA Staatendokumentation 15.10.2018b)
Anschläge bzw. Angriffe und Anschläge auf hochrangige Ziele:
Die Taliban und weitere aufständische Gruppierungen wie der Islamische Staat (IS) verübten auch weiterhin "high-profile"-Angriffe, speziell im Bereich der Hauptstadt, mit dem Ziel, eine Medienwirksamkeit zu erlangen und damit ein Gefühl der Unsicherheit hervorzurufen und so die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben (USDOD 12.2017; vgl. SBS 28.02.2018, NZZ 21.03.2018, UNGASC 27.02.2018). Möglicherweise sehen Aufständische Angriffe auf die Hauptstadt als einen effektiven Weg, um das Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung zu untergraben, anstatt zu versuchen, Territorium in ländlichen Gebieten zu erobern und zu halten (BBC 21.03.2018).
Die Anzahl der öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe hatte sich von 01.06. - 20.11.2017 im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Vorjahres erhöht (USDOD 12.2017). In den ersten Monaten des Jahres 2018 wurden verstärkt Angriffe bzw. Anschläge durch die Taliban und den IS in verschiedenen Teilen Kabuls ausgeführt (AJ 24.02.2018; vgl. Slate 22.04.2018). Als Antwort auf die zunehmenden Angriffe wurden Luftangriffe und Sicherheitsoperationen verstärkt, wodurch Aufständische in einigen Gegenden zurückgedrängt wurden (BBC 21.03.2018); auch wurden in der Hauptstadt verstärkt Spezialoperationen durchgeführt, wie auch die Bemühungen der US-Amerikaner, Terroristen zu identifizieren und zu lokalisieren (WSJ 21.03.2018).
Landesweit haben Aufständische, inklusive der Taliban und des IS, in den Monaten vor Jänner 2018 ihre Angriffe auf afghanische Truppen und Polizisten intensiviert (TG 29.01.2018; vgl. BBC 29.01.2018); auch hat die Gewalt Aufständischer gegenüber Mitarbeiter/innen von Hilfsorganisationen in den letzten Jahren zugenommen (The Guardian 24.01.2018). Die Taliban verstärken ihre Operationen, um ausländische Kräfte zu vertreiben; der IS hingegen versucht, seinen relativ kleinen Einflussbereich zu erweitern. Die Hauptstadt Kabul ist in diesem Falle für beide Gruppierungen interessant (AP 30.01.2018).
Angriffe auf afghanische Sicherheitskräfte und Zusammenstöße zwischen diesen und den Taliban finden weiterhin statt (AJ 22.05.2018; AD 20.05.2018).
Registriert wurde auch eine Steigerung öffentlichkeitswirksamer gewalttätiger Vorfälle (UNGASC 27.02.2018), von denen zur Veranschaulichung hier auszugsweise einige Beispiele wiedergegeben werden sollen (Die folgende Liste enthält öffentlichkeitswirksame (high-profile) Vorfälle sowie Angriffe bzw. Anschläge auf hochrangige Ziele und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit):
* Selbstmordattentat mit einem mit Sprengstoff beladenen Tanklaster:
Am 31.05.2017 kamen bei einem Selbstmordattentat im hochgesicherten Diplomatenviertel Kabuls mehr als 150 Menschen ums Leben, mindestens 300 weitere wurden schwer verletzt (FAZ 06.06.2017; vgl. AJ 31.05.2017, BBC 31.05.2017; UN News Centre 31.05.2017). Der IS bekannte sich zu diesem Vorfall (FN 07.06.2017).
* Angriff auf das Hotel Intercontinental in Kabul: Am 20.01.2018 griffen fünf bewaffnete Männer das Luxushotel Intercontinental in Kabul an. Der Angriff wurde von afghanischen Truppen abgewehrt, nachdem die ganze Nacht um die Kontrolle über das Gebäude gekämpft worden war (BBC 21.01.2018; vgl. DW 21.01.2018). Dabei wurden mindestens 14 Ausländer/innen und vier Afghan/innen getötet. Zehn weitere Personen wurden verletzt, einschließlich sechs Mitglieder der Sicherheitskräfte (NYT 21.1.2018). 160 Menschen konnten gerettet werden (BBC 21.01.2018). Alle fünf Angreifer wurden von den Sicherheitskräften getötet (Reuters 20.01.2018). Die Taliban bekannten sich zu dem Angriff (DW 21.01.2018).
* Angriff auf eine internationale Organisation (Save the Children - SCI) in Jalalabad: Am 24.01.2018 brachte ein Selbstmordattentäter ein mit Sprengstoff beladenes Fahrzeug am Gelände der Nichtregierungsorganisation (NGO) Save The Children in der Provinzhauptstadt Jalalabad zur Explosion. Mindestens zwei Menschen wurden getötet und zwölf weitere verletzt; der IS bekannte sich zu diesem Vorfall (BBC 24.01.2018; vgl. Reuters 24.01.2018, TG 24.01.2018).
* Bombenangriff mit einem Fahrzeug in Kabul: Am 27.01.2018 tötete ein Selbstmordattentäter der Taliban mehr als 100 Menschen und verletzte mindestens 235 weitere (Reuters 27.01.2018; vgl. TG 28.01.2018). Eine Bombe - versteckt in einem Rettungswagen - detonierte in einem schwer gesicherten Bereich der afghanischen Hauptstadt (TG 27.01.2018; vgl. TG 28.01.2018) - dem sogenannten Regierungs- und Diplomatenviertel (Reuters 27.01.2018).
* Angriff auf die Marshal Fahim Militärakademie: Am 29.01.2018 attackierten fünf bewaffnete Angreifer einen militärischen Außenposten in der Nähe der Marshal Fahim Militärakademie (auch bekannt als Verteidigungsakademie), die in einem westlichen Außendistrikt der Hauptstadt liegt. Bei dem Vorfall wurden mindestens elf Soldaten getötet und 15 weitere verletzt, bevor die vier Angreifer getötet und ein weiterer gefasst werden konnten. Der IS bekannte sich zu dem Vorfall (Reuters 29.01.2018; vgl. NYT 28.01.2018).
* Doppelanschlag in Kabul: Am 30.04.2018 fand im Bezirk Shash Derak in der Hauptstadt Kabul ein Doppelanschlag statt, bei dem Selbstmordattentäter zwei Explosionen verübten (AJ 30.04.2018; vgl. APN 30.04.2018a). Die erste Detonation erfolgte in der Nähe des Sitzes des afghanischen Geheimdienstes (NDS) und wurde von einem Selbstmordattentäter auf einem Motorrad verübt; dabei wurden zwischen drei und fünf Menschen getötet und zwischen sechs und elf weitere verletzt (DZ 30.04.2018; vgl. APN 30.04.2018); Quellen zufolge handelte es sich dabei um Zivilisten (Focus 30.04.2018). Die zweite Detonation ging von einem weiteren Selbstmordattentäter aus, der sich, als Reporter getarnt, unter die am Anschlagsort versammelten Journalisten, Sanitäter und Polizisten gemischt hatte (DZ 30.04.2018; vgl. APN 30.04.2018, Pajhwok 30.04.2018, Tolonews 30.04.2018). Dabei kamen u.a. zehn Journalisten ums Leben, die bei afghanischen sowie internationalen Medien tätig waren (TI 01.05.2018; vgl. AJ 30.04.2018, APN 30.04.2018). Bei den beiden Anschlägen sind Quellen zufolge zwischen 25 und 29 Personen ums Leben gekommen und 49 verletzt worden (AJ 30.04.2018; vgl. APN 30.04.2018, DZ 30.04.2018, Tolonews 30.04.2018). Der IS bekannte sich zu beiden Angriffen (DZ 30.04.2018; vgl. APN 30.04.2018). Quellen zufolge sind Geheimdienstmitarbeiter das Ziel des Angriffes gewesen (DZ 30.04.2018; vgl. APN 30.04.2018).
* Selbstmordangriff in Kandahar: Bei einem Selbstmordanschlag auf einen Konvoi der NATO-Truppen in Haji Abdullah Khan im Distrikt Daman der Provinz Kandahar sind am 30.04.2018 elf Kinder ums Leben gekommen und 16 weitere Menschen verletzt worden; unter den Verletzten befanden sich u.a. rumänische Soldaten (Tolonews 30.04.2018; vgl. APN 30.04.2018, Focus 30.04.2018, IM 30.04.2018). Weder der IS noch die Taliban reklamierten den Anschlag für sich (Spiegel 30.04.2018; vgl. Tolonews 30.04.2018).
* Angriff auf Polizeireviere in Kabul: Am 09.05.2018 griffen bewaffnete Männer jeweils ein Polizeirevier in Dasht-e-Barchi und Shar-i-Naw an und verursachten den Tod von zwei Polizisten und verwundeten sechs Zivilisten. Auch wurden Quellen zufolge zwei Attentäter von den Sicherheitskräften getötet (Pajhwok 09.05.2018). Der IS bekannte sich zum Angriff (Pajhwok 09.05.2018; vgl. Tolonews 09.05.2018).
* Angriff auf Regierungsbüro in Jalalabad: Nach einem Angriff auf die Finanzbehörde der Provinz Nangarhar in Jalalabad kamen am 13.05.2018 mindestens zehn Personen, darunter auch Zivilisten, ums Leben und 40 weitere wurden verletzt (Pajhwok 13.5.2018; vgl. Tolonews 13.05.2018). Die Angreifer wurden von den Sicherheitskräften getötet (AJ 13.05.2018). Quellen zufolge bekannte sich der Islamische Staat (IS) zum Angriff (AJ 13.05.2018).
* Angriff auf Polizeistützpunkte in Ghazni: Bei Taliban-Anschlägen auf verschiedene Polizeistützpunkte in der afghanischen Provinz Ghazni am 21.05.2018 kamen mindestens 14 Polizisten ums Leben (AJ 22.05.2018).
* Angriff auf das afghanische Innenministerium (MoI) in Kabul: Am 30.05.2018 griffen bewaffnete Männer den Sitz des MoI in Kabul an, nachdem vor dem Eingangstor des Gebäudes ein mit Sprengstoff geladenes Fahrzeug explodiert war. Bei dem Vorfall kam ein Polizist ums Leben. Die Angreifer konnten nach einem zweistündigen Gefecht von den Sicherheitskräften getötet werden. Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Angriff (CNN 30.05.2018; vgl. Gandhara 30.05.2018).
* Selbstmordanschlag vor dem Ministerium für ländliche Rehabilitation und Entwicklung (MRRD) in Kabul: Am 11.06.2018 wurden bei einem Selbstmordanschlag vor dem Eingangstor des MRRD zwölf Menschen getötet und 30 weitere verletzt. Quellen zufolge waren Frauen, Kinder und Mitarbeiter des Ministeriums unter den Opfern (AJ 11.06.2018). Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Angriff (Reuters 11.06.2018; Gandhara 11.06.2018).
* Bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt kamen am 31.10.2018 ca. sieben Personen ums Leben und weitere acht wurden verletzt (Dawn 01.11.20181; vgl. 1TV 31.10.2018, Pajhwok 31.10.2018). Unter den Opfern befanden sich auch Zivilisten (Pajhwok 31.10.2018; vgl. 1TV 31.10.2018). Die Explosion fand in der Nähe des Kabuler Gefägnisses Pul-i-Charkhi statt und hatte dessen Mitarbeiter zum Ziel (Dawn 01.11.2018; vgl. 1TV 31.10.2018, Pajhwok 31.10.2018). Der IS bekannte sich zum Anschlag (Dawn 01.11.2018, vgl. 1TV 31.10.2018).
* Am 12.11.2018 kamen bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt ca. sechs Personen ums Leben und 20 weitere wurden verletzt (Tolonews 12.11.2018; vgl. DZ 12.11.2018, ANSA 12.11.2018). Anlass dafür war eine Demonstration in der Nähe des "Pashtunistan Square" im Stadtzentrum, an der hunderte von Besuchern, darunter hauptsächlich Mitglieder und Unterstützer der Hazara-Gemeinschaft, teilnahmen, um gegen die während des Berichtszeitraums anhaltenden Kämpfe in den Provinzen Ghazni und Uruzgan zu demonstrieren (Tolonews 12.11.2018; vgl. DZ 12.11.2018, KP 12.11.2018). Der IS bekannte sich zum Anschlag (DZ 12.11.2018; vgl. AJ 12.11.2018).
* Bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt kamen am 20.11.2018 ca. 55 Menschen ums Leben und ca. 94 weitere wurden verletzt (AJ 21.11.2018; vgl. NYT 20.11.2018, TS 21.11.2018, LE 21.11.2018). Der Anschlag fand in der Hochzeitshalle "Uranus" statt, wo sich Islamgelehrte aus ganz Afghanistan anlässlich des Nationalfeiertages zu Maulid an-Nabi, dem Geburtstag des Propheten Mohammed, versammelt hatten (AJ 21.11.2018; vgl. TS 21.11.2018, TNAE 21.11.2018, IFQ 20.11.2018, Tolonews 20.11.2018). Quellen zufolge befanden sich zum Zeitpunkt der Explosion zwischen 1.000 und 2.000 Personen, darunter hauptsächlich Islamgelehrte und Mitglieder des Ulemarates, aber auch Mitglieder der afghanischen Sufi-Gemeinschaft und andere Zivilisten, in der Hochzeitshalle (AJ 21.11.2018; vgl. LE 21.11.2018, NYT 20.11.2018, DZ 20.11.2018, IFQ 20.11.2018). Gemäß einer Quelle fand die Detonation im ersten Stock der Hochzeitshalle statt, wo sich zahlreiche Geistliche der afghanischen Sufi-Gemeinschaft versammelt hatten. Es ist nicht klar, ob das Ziel des Anschlags das Treffen der sufistischen Gemeinschaft oder das im Erdgeschoss stattfindende Treffen der Ulema und anderer Islamgelehrten war (LE 21.11.2018; vgl. TNAE 21.11.2018). Weder die Taliban noch der Islamische Staat (IS) bekannten sich zum Angriff, der dennoch von den Taliban offiziell verurteilt wurde (LE 21.11.2018; vgl. AJ 21.11.2018, IFQ 20.11.2018).
Zivilist/innen:
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(UNAMA 2.2018)
Im Jahr 2017 registrierte die UNAMA 10.453 zivile Opfer (3.438 Tote und 7.015 Verletzte) - damit wurde ein Rückgang von 9% gegenüber dem Vergleichswert des Vorjahres 2016 (11.434 zivile Opfer mit 3.510 Toten und 7.924 Verletzen) festgestellt. Seit 2012 wurde zum ersten Mal ein Rückgang verzeichnet: im Vergleich zum Jahr 2016 ist die Anzahl ziviler Toter um 2% zurückgegangen, während die Anzahl der Verletzten um 11% gesunken ist. Seit 01.01.2009-31.12.2017 wurden insgesamt 28.291 Tote und 52.366 Verletzte von der UNAMA registriert. Regierungsfeindliche Gruppierungen waren für 65% aller zivilen Opfer im Jahr 2017 verantwortlich; Hauptursache dabei waren IEDs, gefolgt von Selbstmordangriffen und komplexen Attacken (UNAMA 2.2018). Im Zeitraum 01.01.2018 - 31.03.2018 registriert die UNAMA
2.258 zivile Opfer (763 Tote und 1.495 Verletzte). Die Zahlen reflektieren ähnliche Werte wie in den Vergleichsquartalen für die Jahre 2016 und 2017. Für das Jahr 2018 wird ein neuer Trend beobachtet: Die häufigste Ursache für zivile Opfer waren IEDs und komplexe Angriffe. An zweiter Stelle waren Bodenoffensiven, gefolgt von gezielten Tötungen, Blindgängern (Engl. UXO, "Unexploded Ordnance") und Lufteinsätzen. Die Bewohner der Provinzen Kabul, Helmand, Nangarhar, Faryab und Kandahar waren am häufigsten vom Konflikt betroffen (UNAMA 12.04.2018).
Regierungsfeindlichen Gruppierungen wurden landesweit für das Jahr 2017 6.768 zivile Opfer (2.303 Tote und 4.465 Verletzte) zugeschrieben - dies deutet auf einen Rückgang von 3% im Vergleich zum Vorjahreswert von 7.003 zivilen Opfern (2.138 Tote und 4.865 Verletzte). Der Rückgang ziviler Opfer, die regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben werden, ist auf einen Rückgang ziviler Opfer, die durch Bodenkonfrontation, IED und ferngezündete Bomben zu Schaden gekommen sind, zurückzuführen. Im Gegenzug dazu hat sich die Anzahl ziviler Opfer aufgrund von Selbstmordangriffen und komplexen Attacken erhöht. Die Anzahl ziviler und nicht-ziviler Opfer, die aufgrund gezielter Tötungen durch regierungsfeindliche Elemente zu Schaden gekommen sind, ist ähnlich jener aus dem Jahr 2016 (UNAMA 2.2018).
Im Jänner 2018 waren 56.3% der Distrikte unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung, während Aufständische 14.5% der Distrikte kontrollierten bzw. unter ihrem Einfluss hatten. Die übriggebliebenen 29.2% der Distrikte waren umkämpft. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten, die von Aufständischen kontrolliert werden, waren mit Stand Jänner 2018 Uruzgan, Kunduz und Helmand. Alle Provinzhauptstädte befanden sich unter der Kontr