TE Bvwg Erkenntnis 2019/1/15 G307 2197472-1

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Veröffentlicht am 15.01.2019
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Entscheidungsdatum

15.01.2019

Norm

BFA-VG §9 Abs3
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

G307 2197472-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Markus MAYRHOLD als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA: Mazedonien, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige Gesellschaft mbH - ARGE Rechtsberatung in 1170 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.04.2018, Zahl XXXX, nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 11.09.2018 zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde hinsichtlich der Spruchpunkte II. bis IV. des angefochtenen Bescheides wird stattgegeben und gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG festgestellt, dass eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist.

II. Der beschwerdeführenden Partei wird gemäß § 55 Abs. 2 AsylG ein Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung" erteilt.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Am 19.05.2017 stellte der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien (im Folgenden: BFA, RD Wien) einen Erstantrag auf Ausstellung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art 8 EMRK.

Mit handschriftlich abgefasstem Schreiben vom selben Tag ergänzte der BF diesen Antrag. Gleichzeitig legte der BF seinen Reisepass vor.

2. Mit dem am 19.05.2017 an den BF gerichteten Verbesserungsauftrag forderte das BFA den BF auf, die seine Person betreffende Geburtsurkunde oder ein dieser gleichzuhaltendes Dokument binnen 4 Wochen ab Erhalt dieses Schreibens dem BFA vorzulegen.

Am 17.07.2017 übergab der BF beim BFA persönlich eine Kopie seiner Geburtsurkunde.

Am 05.03.2018 zog der BF den unter I.1. angeführten Antrag zurück. Am selben Tag wurde auch die Ehefrau des BF als Zeugin einvernommen. Als Vertrauensperson wurde die Tochter des BF beigezogen. Dem folgte in der Zeit zwischen 16.03.2018 und 24.04.2018 ein elektronischer Schriftverkehr zwischen dem BFA und der Tochter des BF, XXXX.

3. Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des BFA, dem BF persönlich ausgehändigt am 24.04.2018, wurde diesem ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt I.), gegen diesen gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt II.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Mazedonien gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.), und gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise eingeräumt (Spruchpunkt IV.).

4. Mit Schreiben vom 25.05.2018, beim Bundesverwaltungsgericht eingebracht am selben Tag, erhob der BF durch die im Spruch angeführte Rechtsvertretung (im Folgenden: BF) Beschwerde gegen den angeführten Bescheid.

Darin wurde beantragt, die Spruchpunkte II. bis IV. des bekämpften Bescheides zu beheben, die Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig zu erklären und dem BF einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG zu erteilen, in eventu eine mündliche Verhandlung inklusive der neuerlichen Einvernahme des BF gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG anzuberaumen, in eventu den angefochtenen Bescheid - im angefochtenen Umfang - ersatzlos zu beheben und zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das BFA zurückzuverweisen.

5. Die Beschwerde und der dazugehörige Verwaltungsakt wurden vom Bundesamt dem Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) am 01.06.2018 vorgelegt und langten dort am 06.06.2018 ein.

6. Am 11.09.2018 fand vor dem BVwG, Außenstelle Graz, eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, an welcher der BF und seine Gattin teilnahmen und seine Tochter als Zeugin einvernommen wurde. Die Gattin des BF wurde wegen ihrer Transportunfähigkeit nicht geladen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der BF führt die im Spruch angegebene Identität, ist mazedonischer Staatsbürger und somit Drittstaatsangehöriger im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 10 FPG. Er ist mit XXXX, geb. am XXXX, verheiratet. In XXXX leben eine volljährige Tochter und ein volljähriger Sohn der beiden. In deren Haushalt leben auch der BF und seine Gattin.

1.2. Die Gattin des BF leidet an St. P. Mamma Carcinom, N. bronchi EGFR pos. 2016, Z.n. Pneumektomie, Cerebrale SBL 5/2017-Ganzhirnradiatio sowie Hepatale SBL 5/2017-pulmonales Adenocafcinom "aktivierende EGFR Mutation". Sie ist diesbezüglich derzeit vorwiegend im XXXX, teils ambulant, teils stationär, in Behandlung. Die dahingehenden Kosten wurden bis dato von der Tochter und Sohn des BF übernommen.

1.3. Der BF hält sich seit 03.04.2017 durchgehend im Bundesgebiet auf. Der Zweck seines Aufenthaltes liegt im Beistand und der Unterstützung seiner kranken Ehegattin. Auch die beiden erwachsenen Kinder des BF, insbesondere die Tochter, unterstützen deren Mutter - vor allem in finanzieller Hinsicht - in dem sie Behandlungskosten, welche die österreichische oder mazedonische Krankenkassa nicht übernimmt, tragen. Er war bis dato nicht im Besitz eines Aufenthaltstitels.

1.4. Die Tochter des BF ist als Angestellte erwerbstätig und kommt für die Mietkosten der gemeinsam bewohnten Wohnung in Österreich in der Höhe von rund € 600,00 monatlich auf. Auch der Sohn des BF geht einer regelmäßigen Erwerbstätigkeit in Österreich nach und bringt als "IT-Assistent-Manager" monatlich rund € 1.800,00 netto ins Verdienen.

1.5. Den am 19.05.2017 gestellten Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung aus Gründen des Art 8 EMRK zog der BF am 05.03.2018 zurück.

1.6. Es konnte nicht festgestellt werden, dass der BF an irgendwelchen Krankheiten leidet, über Deutschkenntnisse eines bestimmten Niveaus verfügt oder - abgesehen von den beiden in XXXX lebenden Kindern - weitere enge Beziehungen zu im Bundesgebiet lebenden Personen pflegt.

1.7. Sowohl der Sohn als auch die Tochter des BF sind im Besitz eines Aufenthaltstitels "Rot- Weiß-Rot-Karte" bzw. "Daueraufenthalt EU". Der BF selbst ist nicht im Besitz eines Aufenthaltstitels. Eine tiefgreifende Integration im Bundesgebiet war nicht feststellbar.

1.8. Der Ehegattin des BF wurde mit am heutigen Tag zur unter G307 2196419-1 protokollierten Beschwerde ergangenem Erkenntnis ein Aufenthaltstitel gemäß § 55 Abs. 2 AsylG "Aufenthaltsberechtigung" erteilt.

1.9. Der BF und seine Frau sind im Ruhestand, beziehen zusammen eine monatliche Pension in der Höhe von etwa € 500,00 netto und verfügen über monatlichen Mieteinnahmen von € 600,00. Der BF ist strafrechtlich unbescholten. Einer Beschäftigung geht der BF im Bundesgebiet nicht nach. Der BF und seine Frau verfügen über Ersparnisse in der Höhe von rund € 4.000,00.

1.10. Aktuell ist die Ehegattin des BF nicht transportfähig und ist eine Besserung ihrer Gesundheitslage nicht absehbar. Die Frau des BF ist zudem pflegebedürftig und wird vom BF und den gemeinsamen Kindern in Österreich betreut.

1.11. Der BF ist gesund und arbeitsfähig, geht jedoch keiner regelmäßigen Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet nach, sondern lebt vom monatlichen Eheeinkommen, eigene Ersparnissen und Zuwendungen seiner Kinder.

Ein Bezug von staatlichen Sozialleistungen oder Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung konnte nicht festgestellt werden.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

2.2. Zur Person der beschwerdeführenden Partei:

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zu Identität, Familienstand, Vermögens- und Einkommensverhältnissen des BF getroffen wurden, beruhen diese auf den Angaben des BF in seiner Einvernahme vor dem BFA, jenen seiner Ehefrau und seiner Tochter.

Der BF legte einen auf seinen Namen ausgestellten mazedonischen Reisepass vor, an dessen Echtheit und Richtigkeit keine Zweifel aufgekommen sind.

Der durchgehende Aufenthalt des BF im Bundesgebiet seit dem 03.04.2017 leitet sich aus dem in seinem Pass angebrachten Einreisestempel ab und deckt sich mit dem Inhalt des auf den BF lautenden Auszuges aus dem Zentralen Melderegister (im Folgenden: ZMR). Die gemeinsame Haushaltsführung mit den Kindern und der Ehefrau folgt den Ausführungen der Ehefrau in deren Einvernahme vor dem BFA und ist mit dem dahingehenden Inhalt des ZMR wie den Aussagen des BF in der Verhandlung sowie jenen der Tochter in der mündlichen Verhandlung in Einklang zu bringen.

Die Höhe der monatlichen Pension, wie jene der Mieteinnahmen und der Ersparnisse folgt dem Inhalt der mit der Frau unter Anleitung der Tochter des BF am XXXX.2018 angefertigten Niederschrift und wurde vom BF in der mündlichen Verhandlung bestätigt.

Die strafrechtliche Unbescholtenheit ergibt sich aus dem Amtswissen des erkennenden Gerichtes durch Einsichtnahme in das Strafregister der Republik Österreich.

Die Krankheiten, an welchen die Ehegattin des BF leidet, ergeben sich aus dem Inhalt der vorgelegten Befunde des Wilhelminenspitals sowie den zahlreichen anderen im Akt einliegenden Befunden, Entlassungsbriefen und ärztlichen Bestätigungen. Die finanzielle Unterstützung vor allem der Tochter, aber auch des Sohnes ergibt sich aus deren Angaben vom 05.03.2018 vor dem BFA, welche diese in der mündlichen Verhandlung bestätigte.

Der Ausreisegrund des BF ist seiner, dem ursprünglichen Antrag beigefügten Stellungnahme zu entnehmen.

Anhaltspunkte für Krankheiten auf Seiten des BF ergaben sich ebenso wenig wie für das Vorhandensein von Deutschkenntnissen. Im Sozialversicherungsdatenauszug, welcher auf die Person des BF lautet, scheint keine Beschäftigung in Österreich auf.

Die Zurückziehung des ursprünglich gestellten Antrages ergibt sich aus einem dahingehenden Vermerk im Akt vom 05.03.2018.

Der BF stellte am 19.05.2017 einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG welchen er am 05.03.2018 gegenüber der belangten Behörde wieder zurückzog.

Die Ehe mit XXXX, sowie die Vaterschaft zu den oben genannten gemeinsamen Kindern, erschließen sich aus den in Vorlage gebrachten Unterlagen [Reisepässe der besagten Kinder (siehe G307 2196419-1) sowie Vollmachtserteilung an den Sohn (siehe G307 2196419-1 AS 89 und 90)], dem Datenbestand des ZMR sowie den Aussagen der Ehegattin des BF vor der belangten Behörde (siehe G307 2196419-1) sowie den Angaben des BF und der Tochter des BF in der mündlichen Verhandlung.

Die Übereinstimmung der Angaben des BF vor der belangten Behörde und in der mündlichen Verhandlung mit den Angaben seiner Ehegattin vor der belangten Behörde (siehe G307 2196419-1 AS 75f) lassen keine Anhaltspunkte feststellen, welche nicht ein aufrechtes Eheleben bereits in Mazedonien nahelegen ließen. So spricht auch die gemeinsame Einreise des BF mit seiner Ehegattin sowie das in Österreich geführte Eheleben für ein bereits länger Bestand habendes solches.

Die Erwerbstätigkeiten der Tochter und des Sohnes des BF beruhen auf den Angaben der Ehegattin des BF und der Tochter vor der belangten Behörde (siehe G307 2196419-1 AS 75f) sowie der Tochter in der mündlichen Verhandlung. Zudem spiegeln sich diese auch in deren Sozialversicherungsauszügen wieder.

Die Kostenübernahme für die bisherigen Behandlungen der Gattin des BF durch deren Kinder und der Bestand der mazedonischen Krankenversicherung beruhen auf den glaubwürdigen Vorbringen der Tochter des BF vor der belangten Behörde und wird dies zudem durch den Umstand bestätigt, dass die Frau des BF bis dato laut Sozialversicherungsauszug und GVS-Informationssystem keine Sozialleistungen oder Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung in Österreich bezogen hat. Darüber hinaus vermochte diese durch Vorlage einer Sozialversicherungskarte das Bestehen einer Sozialversicherung nachzuweisen, was auch im Sozialversicherungsauszug derselben Niederschlag gefunden hat.

Das Zentrale Fremdenregister zeigt auf, dass der BF nicht im Besitz eines Aufenthaltstitels ist.

Die Feststellung, dass der BF seinen Lebensunterhalt in Österreich aus Ersparnissen, dem monatlichen Eheeinkommen und Zuwendungen seiner Kinder bestreitet, folgt den übereinstimmenden Vorbringen der Ehegattin des BF vor der belangten Behörde (siehe ebd.) sowie des BF und dessen Tochter in der mündlichen Verhandlung. Ferner wird dies auch durch den Umstand gestützt, dass nicht festgestellt werden konnte, der BF habe bis dato Sozialleistungen oder Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung bezogen.

Die fehlende Feststellbarkeit von einer tiefgreifenden Integration im Bundesgebiet nahelegenden Anhaltspunkten ergibt sich aus dem Nichtvorbringen eines entsprechenden Sachverhaltes seitens des BF. Zudem lässt der erst kurze Aufenthalt im Bundesgebiet eine solche Integration auch nicht nahelegen.

Die Krankheits- und Pflegebedürftigkeit der Ehegattin des BF legt jedenfalls nahe, dass dieselbe von ihren in Österreich aufhältigen Angehörigen und dem BF betreut wird, was auch in den Angaben des BF und der Tochter des BF in der mündlichen Verhandlung eine Bestätigung findet.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

3.1. Zur Stattgabe der Beschwerde:

3.1.1. Gemäß § 2 Abs. 4 Z 1 FPG gilt als Fremder, wer die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt, und gemäß Abs. 4 Z 10 leg cit, jeder Fremder der nicht EWR-Bürger oder Schweizer Bürger ist als Drittstaatsangehöriger.

Der BF als Staatsangehöriger von Mazedonien ist sohin Drittstaatsangehöriger iSd. § 2 Abs. 4 Z 10 FPG.

3.1.2. Staatsangehörige der Republik Mazedonien, die Inhaber eines biometrischen Reisepasses sind, sind nach Art. 1 Abs. 2 iVm Anlage II der Verordnung (EG) Nr. 539/2011 vom 15.03.2001, ABl. L 81 vom 21.03.2001, S. 1, von der Visumpflicht für einen Aufenthalt, der 90 Tage je Zeitraum von 180 Tagen nicht überschreitet, befreit.

Gemäß Art. 20 Abs. 1 des Schengener Durchführungsübereinkommens (SDÜ) können sich sichtvermerksbefreite Drittausländer im Hoheitsgebiet der Vertragsstaaten frei bewegen, höchstens jedoch drei Monate innerhalb einer Frist von sechs Monaten ab dem Datum der ersten Einreise an und soweit sie die nunmehr im Schengener Grenzkodex vorgesehenen Einreisevoraussetzungen erfüllen. Für einen geplanten Aufenthalt im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten von bis zu 90 Tagen je Zeitraum von 180 Tagen, wobei der Zeitraum von 180 Tagen, der jedem Tag des Aufenthalts vorangeht, berücksichtigt wird, gelten für einen Drittstaatsangehörigen die in Art. 6 Abs. 1 Schengener Grenzkodex, VO (EU) 2016/399, genannten Einreisevoraussetzungen. So muss der Drittstaatsangehörige im Besitz eines gültigen Reisedokuments und, sofern dies in der sog. Visumpflicht-Verordnung VO (EG) Nr. 539/2001 vorgesehen ist, im Besitz eines gültigen Visums sein. Er muss weiters den Zweck und die Umstände des beabsichtigten Aufenthalts belegen und über ausreichende Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts sowohl für die Dauer des Aufenthalts als auch für die Rückreise in den Herkunftsstaat oder für die Durchreise in einen Drittstaat, in dem seine Zulassung gewährleistet ist, verfügen oder in der Lage sein, diese Mittel rechtmäßig zu erwerben; er darf nicht im SIS zur Einreiseverweigerung ausgeschrieben sein und keine Gefahr für die öffentliche Ordnung, die innere Sicherheit, die öffentliche Gesundheit oder die internationalen Beziehungen eines Mitgliedstaates darstellen und insbesondere nicht in den nationalen Datenbanken der Mitgliedstaaten zur Einreiseverweigerung aus denselben Gründen ausgeschrieben worden sein.

Gemäß § 31 Abs. 1 FPG halten sich Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet auf, wenn sie rechtmäßig eingereist sind und während des Aufenthaltes im Bundesgebiet die Befristung oder Bedingungen des Einreisetitels oder des visumfreien Aufenthaltes oder die durch zwischenstaatliche Vereinbarungen, Bundesgesetz oder Verordnung bestimmte Aufenthaltsdauer nicht überschritten haben (Z 1), oder sie auf Grund einer Aufenthaltsberechtigung oder eine Dokumentation des Aufenthaltsrechtes nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zur Niederlassung oder zum Aufenthalt oder aufgrund einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt sind (Z 2).

Der BF fällt nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG.

Der BF reiste am 04.04.2017 ins Bundesgebiet ein und seither nicht wieder aus. Auch ist er nicht im Besitz eines Aufenthaltstitels sodass sich sein aktueller Aufenthalt nach Ablauf der 90 Tage sichtvermerksbefreiten Aufenthaltsdauer im Bundesgebiet als durchgehend unrechtmäßig erweist. Ein Antrag iSd. § 55 ASylG vermittelt gemäß § 58 Abs. 13 AsylG kein Aufenthalts- oder Bleiberecht.

3.1.4. Der mit "Rückkehrentscheidung" betitelte § 52 FPG lautet:

"§ 52. (1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich

1. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder

2. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde.

(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,

2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

3. ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

4. ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

(3) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.

(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1. nachträglich ein Versagungsgrund gemäß § 60 AsylG 2005 oder § 11 Abs. 1 und 2 NAG eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels entgegengestanden wäre,

1a. nachträglich ein Versagungsgrund eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Einreisetitels entgegengestanden wäre oder eine Voraussetzung gemäß § 31 Abs. 1 wegfällt, die für die erlaubte visumfreie Einreise oder den rechtmäßigen Aufenthalt erforderlich ist,

2. ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 oder 2 NAG erteilt wurde, er der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht und im ersten Jahr seiner Niederlassung mehr als vier Monate keiner erlaubten unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,

3. ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 oder 2 NAG erteilt wurde, er länger als ein Jahr aber kürzer als fünf Jahre im Bundesgebiet niedergelassen ist und während der Dauer eines Jahres nahezu ununterbrochen keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,

4. der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund (§ 11 Abs. 1 und 2 NAG) entgegensteht oder

5. das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, aus Gründen, die ausschließlich vom Drittstaatsangehörigen zu vertreten sind, nicht rechtzeitig erfüllt wurde.

Werden der Behörde nach dem NAG Tatsachen bekannt, die eine Rückkehrentscheidung rechtfertigen, so ist diese verpflichtet dem Bundesamt diese unter Anschluss der relevanten Unterlagen mitzuteilen. Im Fall des Verlängerungsverfahrens gemäß § 24 NAG hat das Bundesamt nur all jene Umstände zu würdigen, die der Drittstaatsangehörige im Rahmen eines solchen Verfahrens bei der Behörde nach dem NAG bereits hätte nachweisen können und müssen.

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes auf Dauer rechtmäßig niedergelassen war und über einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EU" verfügt, hat das Bundesamt eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 die Annahme rechtfertigen, dass dessen weiterer Aufenthalt eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würde.

(6) Ist ein nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältiger Drittstaatsangehöriger im Besitz eines Aufenthaltstitels oder einer sonstigen Aufenthaltsberechtigung eines anderen Mitgliedstaates, hat er sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses Staates zu begeben. Dies hat der Drittstaatsangehörige nachzuweisen. Kommt er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach oder ist seine sofortige Ausreise aus dem Bundesgebiet aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich, ist eine Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 zu erlassen.

(7) Von der Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 ist abzusehen, wenn ein Fall des § 45 Abs. 1 vorliegt und ein Rückübernahmeabkommen mit jenem Mitgliedstaat besteht, in den der Drittstaatsangehörige zurückgeschoben werden soll.

(8) Die Rückkehrentscheidung wird im Fall des § 16 Abs. 4 BFA-VG oder mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar und verpflichtet den Drittstaatsangehörigen zur unverzüglichen Ausreise in dessen Herkunftsstaat, ein Transitland gemäß unionsrechtlichen oder bilateralen Rückübernahmeabkommen oder anderen Vereinbarungen oder einen anderen Drittstaat, sofern ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht eingeräumt wurde. Im Falle einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist § 28 Abs. 2 Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 auch dann anzuwenden, wenn er sich zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet aufhält.

(9) Mit der Rückkehrentscheidung ist gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

(10) Die Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 kann auch über andere als in Abs. 9 festgestellte Staaten erfolgen.

(11) Der Umstand, dass in einem Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung deren Unzulässigkeit gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG festgestellt wurde, hindert nicht daran, im Rahmen eines weiteren Verfahrens zur Erlassung einer solchen Entscheidung neuerlich eine Abwägung gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG vorzunehmen, wenn der Fremde in der Zwischenzeit wieder ein Verhalten gesetzt hat, das die Erlassung einer Rückkehrentscheidung rechtfertigen würde."

Der mit "Aufenthaltstitel aus Gründen des Art 8 EMRK" betitelte § 55 ASylG lautet:

"§ 55. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn

1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und

2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955) erreicht wird.

(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen."

Der mit "Schutz des Privat- und Familienlebens" betitelte § 9 BFA-VG lautet:

"§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(Anm.: Abs. 4 aufgehoben durch Art. 4 Z 5, BGBl. I Nr. 56/2018)

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.

(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt."

3.1.5. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich:

3.1.5.1. Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jede Person Anspruch auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihres Briefverkehrs.

Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit ein Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Bei der Setzung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, wie sie eine Ausweisung eines Fremden darstellt, kann ein ungerechtfertigter Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens des Fremden iSd. Art. 8 Abs. 1 EMRK vorliegen. Daher muss überprüft werden, ob die Ausweisung einen Eingriff und in weiterer Folge eine Verletzung des Privat- und/oder Familienlebens des Fremden darstellt:

Die Zulässigkeit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, insbesondere die gegenständlichen Rückkehrentscheidung, setzt nach § 9 Abs. 1 BFA-VG unter dem dort genannten Gesichtspunkt eines Eingriffs in das Privat- und/oder Familienleben voraus, dass ihre Erlassung zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist (vgl. VwGH vom 12.11.2015, Zl. Ra 2015/21/0101).

Zu den in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) zu Art. 8 EMRK entwickelten Grundsätzen zählt unter anderem, dass das durch Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Achtung des Familienlebens, das Vorhandensein einer "Familie" voraussetzt. Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kernfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern bzw. von verheirateten Ehegatten, sondern auch andere nahe verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine hinreichende Intensität für die Annahme einer familiären Beziehung iSd. Art. 8 EMRK erreichen. Der EGMR unterscheidet in seiner Rechtsprechung nicht zwischen einer ehelichen Familie (sog. "legitimate family" bzw. "famille légitime") oder einer unehelichen Familie ("illegitimate family" bzw. "famille naturelle"), sondern stellt auf das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens ab (siehe EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 454; 18.12.1986, Johnston u.a., EuGRZ 1987, 313; 26.05.1994, Keegan, EuGRZ 1995, 113; 12.07.2001 [GK], K. u. T., Zl. 25702/94; 20.01.2009, Serife Yigit, Zl. 03976/05). Als Kriterien für die Beurteilung, ob eine Beziehung im Einzelfall einem Familienleben iSd. Art. 8 EMRK entspricht, kommen tatsächliche Anhaltspunkte in Frage, wie etwa das Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes, die Art und die Dauer der Beziehung sowie das Interesse und die Bindung der Partner aneinander, etwa durch gemeinsame Kinder, oder andere Umstände, wie etwa die Gewährung von Unterhaltsleistungen (EGMR 22.04.1997, X., Y. und Z., Zl. 21830/93; 22.12.2004, Merger u. Cros, Zl. 68864/01). So verlangt der EGMR auch das Vorliegen besonderer Elemente der Abhängigkeit, die über die übliche emotionale Bindung hinausgeht (siehe Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention3 [2008] 197 ff.). In der bisherigen Spruchpraxis des EGMR wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Europäischen Kommission für Menschenrechte auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).

Wie der Verfassungsgerichtshof (VfGH) bereits in zwei Erkenntnissen vom 29.09.2007, Zl. B 328/07 und Zl. B 1150/07, dargelegt hat, sind die Behörden stets dazu verpflichtet, das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung gegen die persönlichen Interessen des Fremden an einem weiteren Verbleib in Österreich am Maßstab des Art. 8 EMRK abzuwägen, wenn sie eine Ausweisung verfügt. In den zitierten Entscheidungen wurden vom VfGH auch unterschiedliche - in der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) fallbezogen entwickelte - Kriterien aufgezeigt, die in jedem Einzelfall bei Vornahme einer solchen Interessenabwägung zu beachten sind und als Ergebnis einer Gesamtbetrachtung dazu führen können, dass Art. 8 EMRK einer Ausweisung entgegensteht:

• die Aufenthaltsdauer, die vom EGMR an keine fixen zeitlichen Vorgaben geknüpft wird (EGMR 31.01.2006, Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Zl. 50435/99, ÖJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562; 16.09.2004, Ghiban, Zl. 11103/03, NVwZ 2005, 1046),

• das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (EGMR 28.05.1985, Abdulaziz ua., Zl. 9214/80, 9473/81, 9474/81, EuGRZ 1985, 567; 20.06.2002, Al-Nashif, Zl. 50963/99, ÖJZ 2003, 344; 22.04.1997, X, Y und Z, Zl. 21830/93, ÖJZ 1998, 271) und dessen Intensität (EGMR 02.08.2001, Boultif, Zl. 54273/00),

• die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

• den Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert (vgl. EGMR 04.10.2001, Adam, Zl. 43359/98, EuGRZ 2002, 582; 09.10.2003, Slivenko, Zl. 48321/99, EuGRZ 2006, 560; 16.06.2005, Sisojeva, Zl. 60654/00, EuGRZ 2006, 554; vgl. auch VwGH 05.07.2005, Zl. 2004/21/0124; 11.10.2005, Zl. 2002/21/0124),

• die Bindungen zum Heimatstaat,

• die strafgerichtliche Unbescholtenheit, aber auch Verstöße gegen das Einwanderungsrecht und Erfordernisse der öffentlichen Ordnung (vgl. zB EGMR 24.11.1998, Mitchell, Zl. 40447/98; 11.04.2006, Useinov, Zl. 61292/00), sowie

• auch die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (EGMR 24.11.1998, Mitchell, Zl. 40447/98; 05.09.2000, Solomon, Zl. 44328/98; 31.01.2006, Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Zl. 50435/99, ÖJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562; 31.07.2008, Omoregie ua., Zl. 265/07).

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) sind die Staaten im Hinblick auf das internationale Recht und ihre vertraglichen Verpflichtungen befugt, die Einreise, den Aufenthalt und die Ausweisung von Fremden zu überwachen (EGMR 28.05.1985, Abdulaziz ua., Zl. 9214/80 ua, EuGRZ 1985, 567; 21.10.1997, Boujlifa, Zl. 25404/94; 18.10.2006, Üner, Zl. 46410/99; 23.06.2008 [GK], Maslov, 1638/03; 31.07.2008, Omoregie ua., Zl. 265/07). Die EMRK garantiert Ausländern kein Recht auf Einreise, Aufenthalt und Einbürgerung in einem bestimmten Staat (EGMR 02.08.2001, Boultif, Zl. 54273/00; 28.06.2011, Nunez, Zl. 55597/09).

Hinsichtlich der Rechtfertigung eines Eingriffs in die nach Art. 8 EMRK garantierten Rechte muss der Staat ein Gleichgewicht zwischen den Interessen des Einzelnen und jenen der Gesellschaft schaffen, wobei er in beiden Fällen einen gewissen Ermessensspielraum hat. Art. 8 EMRK begründet keine generelle Verpflichtung für den Staat, Einwanderer in seinem Territorium zu akzeptieren und Familienzusammenführungen zuzulassen. Jedoch hängt in Fällen, die sowohl Familienleben als auch Einwanderung betreffen, die staatliche Verpflichtung, Familienangehörigen von ihm Staat Ansässigen Aufenthalt zu gewähren, von der jeweiligen Situation der Betroffenen und dem Allgemeininteresse ab. Von Bedeutung sind dabei das Ausmaß des Eingriffs in das Familienleben, der Umfang der Beziehungen zum Konventionsstaat, weiters ob im Ursprungsstaat unüberwindbare Hindernisse für das Familienleben bestehen, sowie ob Gründe der Einwanderungskontrolle oder Erwägungen zum Schutz der öffentlichen Ordnung für eine Ausweisung sprechen. War ein Fortbestehen des Familienlebens im Gastland bereits bei dessen Begründung wegen des fremdenrechtlichen Status einer der betroffenen Personen ungewiss und dies den Familienmitgliedern bewusst, kann eine Ausweisung nur in Ausnahmefällen eine Verletzung von Art. 8 EMRK bedeuten (EGMR 31.07.2008, Omoregie ua., Zl. 265/07, mwN; 28.06.2011, Nunez, Zl. 55597/09; 03.11.2011, Arvelo Aponte, Zl. 28770/05; 14.02.2012, Antwi u. a., Zl. 26940/10).

3.2.4. Der BF ist mit seiner Frau gemeinsam ins Bundesgebiet eingereist und führte schon vor seiner gegenständlichen Einreise ins ein aufrechtes Eheleben. Im Bundesgebiet lebt der BF mit seiner Ehegattin und den gemeinsamen Kindern im gemeinsamen Haushalt und wird der BF zudem von seinen Kindern in wirtschaftlicher Hinsicht (Wohnung) unterstützt. Der BF sowie die gemeinsamen Kinder haben die Pflege und Betreuung der Ehegattin des BF arbeitsteilig übernommen und führen der BF und seine Frau weiterhin ein aufrechtes Eheleben in Österreich. Demzufolge ist gegenständlich jedenfalls vom Vorliegen eines schützenswerten Privat- und Familienleben iSd. Art 8 EMRK auszugehen (vgl. Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerber und Art 8 MRK, ÖJZ 2007/74, 860).

Der Ehegattin des BF wurde zudem ein Aufenthaltstitel gemäß § 55 Abs. 2 AsylG "Aufenthaltsberechtigung" erteilt. Ein Fortführen des Ehelebens im Herkunftsstaat ist aufgrund des Gesundheitszustandes der Ehegattin des BF nicht möglich. Die attestierte Unmöglichkeit einer Transferierung der Ehefrau des BF nach Mazedonien schließt deren Rückkehr in ihren Herkunftsstaat aus, wobei eine Besserung ihres Gesundheitszustandes aus heutiger Sicht nicht abgesehen werden kann (siehe dazu näher das zur unter G307 2196419-1 protokollierten Beschwerde ergangene Erkenntnis des BVwG).

Wenn der BF auch nicht auf einen langjährigen, rechtmäßigen Aufenthalt, oder besondere Integrationsmomente, wie Deutschkenntnisse, besonderes soziales Engagement oder Erwerbstätigkeiten in Österreich zurückblicken kann, hat eine Abwägung all der sich widerstreitenden Interessen im gegenständlichen Einzelfall ein Überwiegen der Interessen des BF gegenüber jenen der Republik Österreich zur Folge. Zwar besteht ein großes öffentliches Interesse an der Beachtung fremdenrechtlicher, die Einreise und den Aufenthalt von Fremden in Österreich regelnden Normen sowie an der Beendigung unrechtmäßiger Aufenthalte im Bundesgebiet (vgl. VwGH 09.03.2003, 2002/18/0293). Doch im gegenständlich konkreten Fall ist auf Seite des BF in Anschlag zu bringen, dass aufgrund der Erkrankung seiner Ehegattin eine Fortführung des Ehelebens im Mazedonien nicht möglich, seine Ehegattin auf die physische, insbesondere aber auch angesichts des negativen Krankheitsverlaufes auf die psychische Unterstützung des BF angewiesen ist, er bis dato keine öffentlichen Leistungen in Anspruch genommen hat und der Unterhalt des BF in Österreich aufgrund eines eigenen Einkommens und Unterstützungsleistungen seiner Kinder als gesichert angesehen werden kann.

Insofern sohin eine Aufenthaltsbeendigung aufgrund des Überwiegens der privaten Interessen des BF einen unrechtmäßigen Eingriff in dessen geschützten Rechte iSd. Art 8 EMRK bedeutete und zudem eine Besserung des Gesundheitszustandes seiner Ehegattin, sowie einer damit einhergehenden Wiedererlangung ihrer Transport- bzw. Reisefähigkeit, aus aktueller Sicht nicht abgesehen werden kann, erweist sich eine Rückkehrentscheidung gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG für auf Dauer als unzulässig (vgl. Szymanski, BFA-VG § 9 Rz. 14, in Schrefler-König/Szymanski (Hrsg) Fremdenpolizei- und Asylrecht Teil I: wonach eine Ausweisung insbesondere dann auf Dauer unzulässig sei, wenn das Ende der Unzulässigkeit zwar denkbar aber nicht absehbar ist.).

Insofern liegen sohin die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels an den BF gemäß §§ 58 Abs. 2 iVm. 55 AsylG vor (vgl. Szymanski, AsylG § 55 Anm. 1, in Schrefler-König/Szymanski (Hrsg) Fremdenpolizei- und Asylrecht Teil II: wonach § 55 AsylG das Bleiberecht iSd. der Judikatur des VfGH um setzt, und hierfür Bedingung sei, dass eine Aufenthaltsbeendigung im Hinblick auf Art 8 EMRK auf Dauer unzulässig ist).

In Ermangelung des Erbringens erforderlicher Nachweise iSd § 55 Abs. 1 Z 2 AylG seitens des BF war der Beschwerde stattzugeben und spruchgemäß festzustellen, dass eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist und dem BF einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 Abs. 2 AsylG "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen. Ausschlussgründe iSd. § 60 AsylG liegen nicht vor.

3.2.5. Aufgrund erfolgter - die Aufhebung der von der belangten Behörde ausgesprochenen aufenthaltsbeendenden Maßnahme bewirkender - Feststellung der dauerhaften Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung und Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG an den BF, fällt auch die Voraussetzung für einen Ausspruch über die Zulässigkeit der Abschiebung (siehe § 52 Abs. 9 FPG) samt Festsetzung einer Frist zur freiwilligen Ausreise (§ 55 FPG) weg, weshalb die entsprechenden Spruchpunkte des angefochtenen Bescheides - im Zuge der Stattgabe der Beschwerde - als aufgehoben gelten.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Aufenthaltsberechtigung, Rot-Weiß-Rot-Karte, Rückkehrentscheidung
auf Dauer unzulässig

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:G307.2197472.1.00

Zuletzt aktualisiert am

26.04.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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