Entscheidungsdatum
29.01.2019Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W182 2187813-1/31E
W182 2187815-1/28E
W182 2187811-1/19E
W182 2187809-1/19E
W182 2212586-1/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. PFEILER über die Beschwerden von 1.) XXXX , geb. XXXX , alias XXXX , geb. XXXX ,
2.) XXXX , geb. XXXX alias XXXX , geb. XXXX , 3.) XXXX , geb. XXXX , alias XXXX , geb. XXXX , und 4.) XXXX , geb. XXXX , alias XXXX , geb. XXXX , alle StA. Mongolei, vertreten durch ARGE Rechtberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.01.2018, Zlen. ad 1.) 1092655610 - 151649059/BMI-BFA_STM_RD, ad 2.) 1092654907-151649083/BMI-BFA_STM_RD, ad 3.) 1092657310-151649199/BMI-BFA_STM_RD und ad 4.) 1092656509-151649148/BMI-BFA_STM_RD nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBI. I. Nr 33/2013 idgF, zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerden werden gemäß §§ 3 Abs. 1 und 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 57 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF und § 52 Abs. 2 Z 2, § 52 Abs. 9 iVm § 46, § 55 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise XXXX ab Rechtskraft der Entscheidung beträgt.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz
(B-VG), BGBl. I Nr. 1/1930 idgF, nicht zulässig.
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. PFEILER über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Mongolei, vertreten durch ARGE Rechtberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.12.2018, Zl. 1213641510 - 181141655/BMI-BFA_STM_AST_01, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
A) I. Der Beschwerde gegen die Spruchpunkte VI. und VII. des
angefochtenen Bescheides wird stattgegeben und die Spruchpunkte ersatzlos behoben. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise XXXX ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.
II. Im Übrigen wird die Beschwerde gemäß §§ 3 Abs. 1 und 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 57 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF und § 52 Abs. 2 Z 2, § 52 Abs. 9 iVm § 46, §55 Abs. 1 bis 3 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz
(B-VG), BGBl. I Nr. 1/1930 idgF, nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1.1. Die beschwerdeführenden Parteien (im Folgenden: BF), ein Ehepaar und ihre drei minderjährigen Kinder im Alter von 9 und 6 Jahren sowie etwa 3 Monaten, sind alle Staatsangehörige der Mongolei. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin (im Folgenden: BF1 und BF2) reisten im Oktober 2015 zusammen mit dem minderjährigen Dritt- und Viertbeschwerdeführer (im Folgenden: BF3 und BF4) illegal ins Bundesgebiet ein und stellten am 29.10.2015 Anträge auf internationalen Schutz. Der BF1 gehört der Volksgruppe der XXXX an. Die BF2 gehört der Volksgruppe der Kalkh an.
In einer Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 29.10.2015 sowie einer Einvernahme beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt) am 22.08.2017 brachte der BF1 zu seinen Fluchtgründen im Wesentlichen vor, dass er als Polizist am XXXX drei junge Männer festgenommen habe, weil sie randaliert hätten. Einer davon habe sich dann in der Zelle der Polizeistation mit seinen Schnürbändern, die der BF1 ihm vorschriftswidrig nicht abgenommen habe, erhängt. Der Vater des Toten, ein XXXX , habe aus Rachemotiven für seinen Sohn seinen Einfluss missbraucht und die Einleitung eines widerrechtlichen Strafverfahrens gegen den BF1, gegen den ursprünglich nur eine Untersuchung wegen fahrlässiger Tötung eingeleitet worden sei, wegen "absichtlicher Tötung" nach XXXX des mongolischen Strafgesetzbuches erwirkt. Er habe dem BF auch persönlich gedroht, dass er ihn für lange Zeit ins Gefängnis bringen und über die Zukunft seiner Kinder bestimmen werde. Der BF1 sei vom Dienst suspendiert, von der Staatsanwaltschaft wiederholt einvernommen und schließlich am XXXX festgenommen und in das Untersuchungsgefängnis " XXXX " gebracht worden. Ihm sei vorgeworfen worden, für den Tod des jungen Mannes insofern verantwortlich zu sein, als er ihn absichtlich dazu gebracht hätte, sich das Leben zu nehmen. Auf die Frage, ob die Polizeistation nicht videoüberwacht gewesen sei, gab der BF1 an, dass die Videoaufzeichnungen ein paar Tage nach dem Vorfall verschwunden seien. Am XXXX sei der BF1 vorläufig aus der Haft entlassen worden. Als Grund für die Haftentlassung nannte der BF1, dass seine Eltern für ihn einen Antrag auf Entlassung gestellt haben und zu dieser Zeit auch im Gefängnis ein Dach eingestürzt sei, weshalb eine große Raumnot entstanden sei und die Gefangenen mit guter Führung entlassen worden seien. Bei dem Dacheinsturz seien auch ein Gefangener getötet und ein weiterer schwer verletzt worden. Der BF1 habe die Gelegenheit genützt und habe am 20.10.2015 mit seiner Frau und den Kindern mit dem Zug über Moskau das Herkunftsland verlassen, weil er sonst zu zumindest 25 Jahren oder zum Tod verurteilt worden wäre.
Die BF2 brachte in einer Erstbefragung am 29.10.2015 zu ihren Fluchtgründen vor, dass ihr Gatte von einem XXXX für den Tod von dessen Sohn verantwortlich gemacht werde. Der BF1 sei deswegen bereits in Untersuchungshaft gewesen. Die BF2 fürchte in diesem Zusammenhang um ihr sowie das Leben ihrer Familie (vgl. Erstbefragungsprotokoll S. 5). In einer Einvernahme beim Bundesamt am 22.08.2017 brachte die BF2 im Wesentlichen vor, dass sie wegen der Fluchtgründe ihres Gatten geflüchtet sei. Ihr Gatte sei verhaftet und nach 14 Tagen entlassen worden. Die BF2 konnte auf Nachfragen nicht angeben, weswegen ihr Gatte verhaftet worden sei. Dazu gab sie lediglich an, dass es einen Vorfall in der Arbeit gegeben habe. Die BF2 konnte auf Nachfragen zu dem Vorfall nichts angeben. Sie konnte darüber hinaus auch nicht dartun, warum ihr Gatte nach Österreich geflüchtet sei. Dazu gab sie auf Nachfragen lediglich an: "Er hat gesagt, wir müssen flüchten" (vgl. Einvernahmeprotokoll S. 5 - 6). Auf die Frage, ob sie persönlich bedroht worden sei, schilderte sie einen Vorfall mit ihrem Sohn. Eines Tages sei dieser, bevor die BF2 ihn vom Kindergarten abholen habe können, von drei jungen Männer gefragt worden, ob er einen anderen Vater wolle. In ihrer Arbeit sei sie von Polizisten gefragt worden, was sie dort genau mache. Die BF2 konnte auf Nachfragen auch nicht angeben, wo ihr Gatte in Haft gewesen sei, bzw. wie ihre Schwiegereltern es erreicht hätten, dass er aus der Haft entlassen worden sei (vgl. Einvernahmeprotokoll S. 6). Auf die Frage, was passieren würde, wenn sie in die Mongolei zurückkehren würde, gab sie an: "Ich weiß nicht, ob uns dort eine Gefahr erwartet."
Die BF konnten keine Personaldokumente vorlegen. Sie gaben für sich ursprünglich die an zweiter Stelle im Spruch genannten Namen und Geburtsdaten an. Es wurde von ihnen u.a. ein Konvolut an Fotos, auf denen der BF1 teilweise in Uniform zu sehen ist, ein ÖSD Zertifikat A2 für den BF1, eine Bestätigung über dir freiwillige Mitarbeit des BF1 an einem Naturschutzprojekt im August 2016, eine Vereinbarung über eine gemeinnützige Beschäftigung des BF1 in Form von Hilfstätigkeiten im Auftrag der Aufenthaltsgemeinde vom April 2017 sowie eine Schulbesuchsbestätigung einer Volksschule vom Juli 2017 für den BF3 vorgelegt.
In weiterer Folge wurden von den BF im September 2017 Dokumente nachgereicht, darunter ein Personalausweis sowie ein Führerschein des BF1 und der BF2 in Kopie, die auf die an erster Stelle im Spruch genannten Namen und Geburtsdaten ausgestellt waren. Weiters wurden in Kopie in der Mongolei ausgestellte Ausbildungsnachweise des BF1, darunter ein Bachelor-Diplom der mongolischen Polizeiakademie vom XXXX , diverse Zeugnisse sowie ein Bachelor-Diplom der mongolischen Universität für Landwirtschaft vom XXXX , nachgereicht. Letztlich wurde auch ein mit 30.08.2017 datierter Auszug aus dem Zentralarchiv des mongolischen Hauptpolizeiamtes vorgelegt.
1.2. Mit den im Spruch genannten Bescheiden vom 29.01.2018 wurden die Anträge auf internationalen Schutz der BF1 - BF4 gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Mongolei (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Gemäß § 57 AsylG 2005 idgF wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 idgF iVm § 9 BFA-VG idgF gegen die BF1 - BF4 eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG idgF festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG idgF in die Mongolei zulässig sei (Spruchpunkt III.). Mit Spruchpunkt IV. wurde bestimmt, dass gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe. Mit Spruchpunkt V. wurde Beschwerden gegen diese Entscheidungen über die Anträge auf internationalen Schutz gemäß § 18 Abs. 1 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt. Die Entscheidungen stützten sich im Kern auf die vom Bundesamt festgestellte Unglaubwürdigkeit der Fluchtvorbringen des BF1 und der BF2. Dies wurde im Wesentlichen mit Plausibilitätserwägungen begründet. So ist dem Bundesamt die behauptete bedingte Entlassung aus der Untersuchungshaft des BF1, der einer Straftat mit einer Strafdrohung von 25 Jahren bis hin zur Todesstrafe beschuldigt worden sei, wegen eines Dacheinsturzes und Reparaturarbeiten am Gefängnis keinesfalls glaubhaft erschienen, umso mehr, als es nicht vorstellbar sei, dass der BF1, wenn der Vater des Suizid-Opfers wirklich so einflussreich gewesen wäre, dass sich der Strafrahmen dadurch so massiv erhöht hätte, dann einfach wegen guter Führung freigelassen worden wäre. Weiters sei die Todesstrafe in der Mongolei im Jänner 2012 durch ein Moratorium ausgesetzt worden, wobei sie seit 2008 auch nicht mehr vollzogen worden sei. Es sei auch nicht glaubhaft, dass genau die Videoaufzeichnungen, die beweisen würden, dass der BF1 den von ihm festgenommenen jungen Mann nicht dazu gebracht hätte, sich das Leben zu nehmen, wie es ihm vorgeworfen worden wäre, verschwunden wären. Wenn der Vater des jungen Mannes so einflussreich gewesen wäre wie vom BF1 geschildert, wäre es ja zudem auch in seinem Sinne gewesen, die tatsächlichen Umstände, die zum Tod seines Sohnes geführt hätten, zu erfahren. Die BF2 wiederum habe kaum selbstständig Angaben über ihren Ausreisegrund machen können, bzw. sogar angegeben, dass sie über den Vorfall, warum sie das Land verlassen hätte müssen, gar nichts genaues gewusst hätte, sondern einfach nur mit ihrem Mann mitgegangen wäre. Bei der Erstbefragung habe sie allerdings eine fast völlig idente Ausreisegeschichte wie die ihres Gatten vorgebracht, was in diesem Zusammenhang der Behörde als nicht glaubwürdig erscheine. Ein Indiz für die persönliche Unglaubwürdigkeit des BF1 und der BF2 sei zudem, dass sie bei der Erstbefragung falsche bzw. abgeänderte Namen und Geburtsdaten angegeben haben, um die Arbeit der Behörden und eine eventuelle Rückkehrentscheidung zu erschweren. Das Vorbringen sei aber auch durch den Hintergrund des sicheren Herkunftsstaates als nicht glaubhaft anzusehen.
Mit Verfahrensanordnung vom 29.01.2018 wurde den BF1 bis BF4 gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG ein Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt.
1.3. Gegen die Bescheide wurde binnen offener Frist Beschwerden erhoben und im Wesentlichen das Fluchtvorbringen des BF1 wiederholt und allgemeine Länderberichte zur Korruption und den Haftbedingungen in der Mongolei dargetan. Der Beweiswürdigung des Bundesamtes im bekämpften Bescheid wurde argumentativ entgegengetreten. So wurde etwa zur Argumentation des Bundesamtes hinsichtlich der verschwundenen Videoaufnahmen ausgeführt, dass es dem Vater des Suizidopfers, einen XXXX , sehr wohl bewusst gewesen sei, dass sein Sohn Drogenprobleme gehabt habe und dass er bereits mehrmals verhaftet worden sei. Es sei ihm immer wieder gelungen, die Festnahme unter den Tisch zu kehren. Durch die Videoaufzeichnungen habe es einen eindeutigen Beweis gegeben, dass sein Sohn in kriminelle Machenschaften verwickelt sei. Dies hätte zur Folge gehabt, dass sein Ruf in seiner Partei massiv geschädigt werden würde. Deshalb habe er sich entschlossen, den BF1 die Schuld zu geben, und ihm unterstellt, den Sohn bewusst festgenommen zu haben, um ihn zu schädigen. Somit hätte nicht ans Licht kommen sollen, dass der Sohn wegen Drogenbesitzes festgenommen worden sei. Es sei somit keinesfalls im Interesse des Vaters des Suizidopfers, dass die Wahrheit über die Umstände des Selbstmordes seines Sohnes ans Licht komme. Auch die Bedrohung der Kinder des BF1 mit den Worten "Wollt ihr einen neuen Vater" würde aufzeigen, dass es dem Vater des Suizidopfers darum gehe, gezielt am BF1 Rache zu nehmen. Es sei zwar zutreffend, dass die Todesstrafe in der Mongolei nicht angewendet werde, jedoch gehe selbst aus den Länderberichten des Bundesamtes hervor, dass die im Juli 2016 gewählte Regierung die Todesstrafe eben nicht abgeschafft habe. Auch mag es sein, dass die Mongolei als sicherer Drittstaat eingestuft werde, jedoch ändere dies nichts an der Verfolgung des BF1, da die Verfolgung eben von XXXX ausgehe, weshalb nicht damit zu rechnen sei, dass sich diese bemühen werden, dem BF1 ein faires Verfahren zu ermöglichen. Auch erscheine es nicht unglaubwürdig, dass der BF1 auf Bewährung aus der Untersuchungshaft entlassen worden sei. Dass der BF1 nicht in ein anderes Gefängnis gebracht worden sei, sei schlicht dem Umstand geschuldet, dass nahezu alle Gefängnisse überbelegt seien. Da der BF1 noch nicht verurteilt worden sei und seine Eltern dafür gebürgt hätten, habe sich der Richter entschlossen, den BF1 auf Bewährung zu entlassen. Der Vater des Suizidopfers habe von der Entlassung des BF1 erst später erfahren und habe daher zu diesem Zeitpunkt nichts mehr machen können. Es sei nicht davon auszugehen, dass ihm dies noch einmal passieren werde. Die belangte Behörde sei auch zu wenig auf das Kindeswohl des BF3 und BF4 eingegangen. Eine Rückkehr in die Mongolei entspreche eindeutig nicht dem Kindeswohl, da das Gefahrenpotenzial enorm sei. Der Vater des Suizidopfers habe bereits angedroht, die Kinder zu entführen und sie als "seine Kinder" großzuziehen. Auch die Verfolgung des BF1 würde die Kinder verstören. Somit widerspreche eine Abschiebung eindeutig dem Kindeswohl. Der BF3 und der BF4 haben ihren sozialen Mittelpunkt in Österreich, haben hier Freunde, gehen zur Schule und haben sich an das Leben in Österreich gewöhnt. Die BF würden sich darüber hinaus ausdrücklich damit einverstanden erklären und beantragen, dass das Bundesverwaltungsgericht Nachforschungen über ihre Verfolgungssituation in ihrem Heimatland durchführen möge, insbesondere im Hinblick auf die Verfolgungssituation des BF1 zum Beleg der Glaubhaftigkeit seiner Aussagen. In weiterer Folge wurden rechtliche Ausführungen zur Asylrelevanz des Vorbringens des BF1 erstattet, dazu höchstgerichtliche Judikatur zitiert, wonach ein Auftreten gegen Korruption und organisiertes Verbrechen zur Asylgewährung aufgrund politischer Orientierung gereiche, und daraus geschlossen, dass dieser Rechtsprechungslinie zufolge der BF1 jedenfalls als wegen seiner politischen Überzeugung verfolgte Person anzusehen sei. Weiters wurde insbesondere die gute Integration der BF1 - BF4 hervorgehoben. Abschließend wurde u.a. die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt, sowie der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Der Beschwerdeschrift waren Unterstützungsschreiben von Inländern für die BF1 - BF4 beigefügt.
1.4. Mit Beschlüssen des Bundesverwaltungsgerichts vom 07.03.2018 wurde den Beschwerden der BF1 - BF4 gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
1.5. In der öffentlichen mündlichen Verhandlung am 03.07.2018 beim Bundesverwaltungsgericht wurde Beweis aufgenommen durch Einvernahme des BF1 und der BF2 im Beisein ihrer Rechtsvertretung sowie einer Dolmetscherin der mongolischen Sprache, weiters durch Einsichtnahme in die Verwaltungsakten des Bundesamtes sowie in den Akt des Bundesverwaltungsgerichtes, wobei das Bundesamt lediglich schriftlich die Abweisung der Beschwerden beantragte. Der BF1 und die BF2 wurden im Wesentlichen zu ihren Personalien sowie den privaten und familiären Verhältnissen im In- und Herkunftsland befragt. Den BF wurden weiters Berichte zur Situation im Herkunftsland dargetan. Die BF2 brachte u.a. vo, dass sie sich im siebenten Schwangerschaftsmonat befinde. Zur Befragung der BF1 und BF2 zu ihren Fluchtgründen wurde die Verhandlung vertagt.
Vom BF1 und der BF2 wurden in der Beschwerdeverhandlung mongolische Personalausweise vorgelegt. Der Personalausweis des BF1 wurde in weiterer Folge einer kriminaltechnischen Echtheitsüberprüfung durch das Bundeskriminalamt unterzogen. Die Überprüfung hat ergeben, dass das Dokument nach derzeitigen Kenntnisstand authentisch sei und sich keine Hinweise auf das Vorliegen einer Verfälschung ergeben haben.
In einer Stellungnahme der Rechtsvertretung der BF vom 23.07.2018 zu den in der Verhandlung dargetanen Länderberichten wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass diese das Vorbringen des BF1 im Hinblick auf die grassierende Korruption auch in der Justiz bestätigen würden. Im Fall einer Rückkehr in die Mongolei würde eine genaue Überprüfung der BF1 - BF4 erfolgen, in deren Rahmen die Behörden zu Kenntnis gelangen würden, dass gegen den BF1 strafrechtliche Vorwürfe bestehen würden, wobei er beim Versuch der Wiedereinreise inhaftiert, befragt und dabei gefoltert bzw. unmenschlich behandelt werden würde, um ein Geständnis für die ihm bloß unterstellte Straftat zu erzwingen.
In der fortgesetzten öffentlichen mündlichen Verhandlung am 24.07.2018 beim Bundesverwaltungsgericht, die im Beisein der BF1 - BF4, ihrer Rechtsvertretung sowie eines Dolmetschers der mongolischen Sprache erfolgte, brachte der BF1 zu seinen Fluchtgründen befragt im Wesentlichen wie beim Bundesamt vor. Der BF1 wurde in weiterer Folge zu Details seines Vorbringens befragt. Hinsichtlich der BF2 gab er an, dass er dieser vor ihrer Ausreise hinsichtlich seiner Probleme keine Details erzählt habe. Bis zu seiner Festnahme habe er seiner Frau überhaupt nichts erzählt, erst nach seiner Entlassung habe er seiner Frau im groben erklärt, warum sie die Mongolei verlassen müssten. Zu seinem Gesundheitszustand brachte der BF1 vor, Lungenprobleme zu habe. Dazu wurde ein Entlassungsbrief eines Landeskrankenhauses vom XXXX .2017 vorgelegt, wonach er nach Abklärung einer XXXX unter Ausschluss einer TBC sowie mit der Diagnose XXXX und XXXX in guten Allgemeinzustand entlassen werden konnte. Als Therapie wurde ein XXXX bei Atemnot empfohlen. Dem Befund ist weiters zu entnehmen, dass der BF1 Raucher ist und in der Mongolei bereits wegen Wasser in den Lungen behandelt wurde. Einem gleichfalls vorgelegten Lungen-CT-Befund vom XXXX 2018 sind keine Veränderungen seit 2017 und darüber hinaus auch keine Auffälligkeiten zu entnehmen. Der BF gab zu seinen gesundheitlichen Problemen im Wesentliche an: "Meine Lunge sieht so aus, aber ich habe eigentlich keine Beschwerden. Ich nehme nur einen Spray für die Dehnung der Lunge."
Die BF2 brachte neu vor, dass sie an einer Schwangerschaftsdiabetes leide. Die BF2 gab im Wesentlichen an, dass weder sie noch ihre Kinder eigene Fluchtgründe haben. Zu den Fluchtgründen ihres Gatten könne sie über bestimmte Details nichts sagen, weil sie ihn nicht gefragt habe und er auch nichts erzählt habe. Die BF2 schilderte zwei Vorfälle, bei denen unbekannte Personen während der Untersuchungshaft ihres Gatten ihren Sohn vom Kindergarten abgeholt bzw. angesprochen hätten. Beim zweiten Vorfall habe sie gehört, wie einer von drei jungen Männern ihren Sohn gefragt hätte, ob er einen neuen Vater wolle. Dem Sohn sei dabei nie etwas geschehen.
1.6. Am 26.07.2018 langte eine am 03.07.2018 in Auftrag gegebene Übersetzung des vom BF1 vorgelegten, mit 30.08.2017 datierten Auszug aus dem Zentralarchiv des mongolischen Hauptpolizeiamtes, ein. Dem Dokument ist zu entnehmen, dass dem BF1 durch Befehl des Leiters des Hauptpolizeiamtes vom XXXX als Disziplinarstrafe sein Dienstgrad für ein Jahr lang aberkannt und er ab dem XXXX seines Dienstes bei der Polizei enthoben worden sei, da er XXXX ein Kraftfahrzeug gelenkt und einen Verkehrsunfall verursacht habe.
In weiterer Folge wurde am 10.09.2018 seitens des Bundesverwaltungsgerichtes eine Anfrage an die Staatendokumentation des Bundesamtes gerichtet. Insbesondere wurde ersucht, Informationen über den Einsturz eines Gebäudes in der Haftanstalt XXXX im Jahr XXXX sowie zu der Person eines vom BF namentlich genannten XXXX einzuholen. Laut Mitteilung der Österreichischen Botschaft in Peking vom 27.11.2018 hätte das von der Botschaft zu Recherchen in der Mongolei betraute Anwaltbüro mehrere Personen befragt, die beruflich Kontakt zum XXXX hatten. Darunter seien sowohl mit Strafsachen befasste Personen als auch Journalisten gewesen. Alle haben angegeben, dass ihnen der in der Anfrage beschriebene Vorfall aus dem Jahr XXXX nicht bekannt sei. Im Jahre XXXX sei die Anstalt auch nicht mehr voll belegt gewesen. Bereits 2014 sei die Schließung der Anstalt wegen des schlechten Zustands, der nicht mehr modernen Standards entsprochen habe, beschlossen worden. Dieser Beschluss sei schrittweise vollzogen worden, wobei im XXXX noch kleinere Teile in Betrieb gewesen seien. Dazu wurde auch auf einen Internetbericht verwiesen. Zur Person des vom BF1 namentlich genannten XXXX konnte ermittelt werden, dass im Jahr XXXX für die XXXX Ulaanbaatars gearbeitet habe, allerdings nicht als XXXX . Über seine genaue Position hätten keine widerspruchsfreien Angaben erlangt werden können. Nach einer Quelle soll er damals XXXX , nach einer anderen Quelle XXXX gewesen sein. Inzwischen sei er pensioniert.
Am 27.11.2018 wurde für den BF1 in Kopie ein ÖSD-Zeugnis B1 an das Bundesverwaltungsgericht übermittelt.
1.7. In der Zwischenzeit wurde am XXXX die BF5 im Bundesgebiet geboren und für sie am XXXX .2018 ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt.
Mit dem im Spruch genannten Bescheid vom 10.12.2018 wurde der Antrag auf internationalen Schutz der BF5 gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Mongolei (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Gemäß § 57 AsylG 2005 idgF wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 idgF iVm § 9 BFA-VG idgF gegen die BF5 eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG idgF festgestellt, dass die Abschiebung der BF5 gemäß § 46 FPG idgF in die Mongolei zulässig sei (Spruchpunkt V.). Mit Spruchpunkt VI. wurde bestimmt, dass gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe. Mit Spruchpunkt VII. wurde einer Beschwerde gegen diese Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 18 Abs. 1 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt.
Mit Verfahrensanordnung vom 10.12.2018 wurde der BF5 gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG ein Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt.
Gegen den Bescheid wurde binnen offener Frist Beschwerde erhoben, wobei begründend im Wesentlichen auf die Fluchtgründe des BF1 verwiesen wurde.
1.8. In einer neuerlich fortgesetzten öffentlichen mündlichen Verhandlung am 14.01.2019 beim Bundesverwaltungsgericht, die im Beisein der BF, ihrer Rechtsvertretung sowie eines Dolmetschers der mongolischen Sprache erfolgte, wurde dem BF1 das Ermittlungsergebnis der Anfrage an die Staatendokumentation vom 10.09.2018 zu Kenntnis gebracht. Weiters wurde mit ihm der Inhalt des von ihm vorgelegten mit 30.08.207 datierten Auszuges aus dem Zentralarchiv des mongolischen Hauptpolizeiamtes erörtert. Im Übrigen wurde der BF1 neuerlich zu Details seines Fluchtvorbringens befragt. Die BF2 machte geltend, dass sie immer noch an der Schwangerschaftsdiabetes leide und ihr neugeborenes Kind krank sei. Die übrigen Kinder seien gesund. Den dazu vorgelegten Befunden ist zu entnehmen, dass hinsichtlich der neugeborenen BF5 zuletzt am 21.12.2018 Unruhe bei Bauchkolik und zuvor XXXX diagnostiziert wurden. Den BF wurden Länderberichte zur aktuellen Situation sowie zur Behandelbarkeit von Diabetes in der Mongolei zu Kenntnis gebracht. Dazu wurde von den BF geltend gemacht, dass derzeit Großdemonstrationen in der mongolischen Hauptstadt gegen die Regierung stattfinden würden, wobei auf einen diesbezüglichen Internetartikel vom 10.01.2019 verwiesen wurde. Den BF wurde dazu eine einwöchige Frist für eine Stellungnahme gewährt.
1.9. In einer Stellungnahme der BF vom 21.01.2019 wurde darauf verwiesen, dass die mongolische Hauptstadt derzeit Schauplatz von Großdemonstrationen sei. Aufgrund der sehr aktuellen Entwicklungen seien die BF nicht in der Lage umfangreiche gesicherte Informationen vorzulegen. Medienberichten zufolge würden allerdings von Demonstranten Parallelen zu den Protesten von 2008 gezogen, bei denen es zu Ausschreitungen und der Verhängung des Ausnahmezustandes gekommen sei. Dazu wurde auf einen Artikel von Aljazeera vom 27.12.2018 sowie einen Artikel zu den Protesten im Jahr 2008 vom 02.07.2008 verwiesen. Eine sofortige Ausreise der BF in den Herkunftsstaat scheine daher zum jetzigen Zeitpunkt nicht zumutbar. Im Fall des Ausspruches einer Rückkehrentscheidung gegen die BF werde beantragt, gemäß § 55 Abs. 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise um zusätzlich 4 Wochen zu verlängern. Wie die BF2 in der Verhandlung am 14.01.2019 vorgebracht habe, leide die BF5 derzeit unter einer Erkältung und Bauchkoliken. Auch die aufgetretene Schwangerschaftsdiabetes der BF2 sei bisher noch nicht abgeklärt worden. Es bestehe daher ein überwiegendes Interesse der BF auf Gewährung einer längeren Frist für die freiwillige Ausreise um die laufenden medizinischen Behandlungen soweit abzuschließen, dass eine reibungslose Weiterbehandlung im Herkunftsstaat gewährleistet sei.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Die BF sind Staatsangehörige der Mongolei, wobei der BF1 der Volksgruppe der XXXX , die BF2 der Volksgruppe der Khalkh angehört. Die BF2 ist Buddhistin, der BF1 gehört keiner Religionsgemeinschaft an. Die BF sind bis auf die BF5, die 2018 im Bundesgebiet geboren wurde, im Oktober 2015 illegal in das Bundesgebiet eingereist und haben einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Ihre Identität steht fest.
Das Fluchtvorbringen des BF1, wonach gegen ihn im Herkunftsland aufgrund einer korrupten Einflussnahme eines XXXX zu Unrecht ein Strafverfahren wegen Mordes eingeleitet worden sei, er für 14 Tage in Untersuchungshaft gekommen sei und ihm bei einer Rückkehr deswegen Gefahr drohen würde, zu einer langjährigen Haft- oder Todesstrafe verurteilt zu werden, hat sich als nicht glaubhaft erwiesen. Für die BF wurden darüber hinaus keine weiteren oder eigenen individuellen Fluchtgründe geltend gemacht.
Der BF1 und die BF2 sind arbeitsfähig. Der BF leidet an einer krankheitsbedingten Minderung der Lungenleistung, wobei weder Anhaltspunkte für eine Lebensbedrohung noch sonst schwerwiegende Beeinträchtigungen vorliegen. Die BF2 leidet an einer bislang noch nicht abgeklärten Diabetes, die in der Schwangerschaft entstanden ist. Die neugeborene BF5 leidet unter einer Erkältung und Bauchkoliken. Die übrigen BF sind gesund.
Sowohl der BF1 als auch die BF2 sind in der Mongolei zum Lebensunterhalt Erwerbstätigkeiten nachgegangen und waren dabei in der Lage sich und ihre Kinder zu versorgen. Der BF1 verfügt über eine Schulausbildung mit Reifeprüfung sowie einen Diplomabschluss einer Landwirtschaftsuniversität mit Berufspraxis sowie eine Berufsausbildung als Polizist mit Berufspraxis. Die BF2 verfügt über einen Mitteschulabschluss und eine Kochausbildung samt Berufspraxis. Im Herkunftsland halten sich die Mutter, eine Schwester, ein Bruder sowie zahlreiche Onkel und Tanten des BF1 und die Eltern, zwei Schwestern und ein Bruder der BF2 auf.
In Österreich leben die BF von der Grundversorgung. Der BF1 konnte Deutschkenntnisse auf Niveau B1 nachweisen. Die BF2 verfügt über Grundkenntnisse. Der BF1 geht gemeinnützigen Tätigkeiten in Form von Hilfstätigkeiten im Auftrag der Aufenthaltsgemeinde nach. Der 9-jährige BF3 besucht die Volksschule, der XXXX jährige BF4 den Kindergarten. Die BF verfügen über einen großen inländischen Freundes- und Bekanntenkreis.
Im Übrigen wird der unter Punkt I. wiedergegebene Verfahrensgang als Sachverhalt festgestellt.
1.2. Zur Situation in der Mongolei
1. Politische Lage
Die Mongolei ist ein Binnenstaat zwischen der Russischen Föderation und der Volksrepublik China. Mit einer Bevölkerung von knapp über drei Millionen Menschen auf einer Fläche von knapp über 1,5 Millionen Quadratkilometern ist sie einer der am dünnsten besiedelten Staaten der Welt. In der Hauptstadt Ulaanbaatar leben (2018) ca. 1,5 Millionen Menschen (CIA 28.8.2018).
Die Mongolei ist eine parlamentarische Demokratie mit einem Mehrparteiensystem (ÖB Peking 12.2017; vgl. USDOS 20.4.2018). Die Verfassung von 1992 basiert auf den Grundprinzipien Demokratie, Gerechtigkeit, Freiheit, Gleichheit, nationale Einheit, Rechtsstaatlichkeit und Gewaltenteilung (ÖB Peking 12.2018; vgl. AA 3.2018a). In den vergangenen 20 Jahren wurden in der Mongolei 13 erfolgreiche Präsidentschafts-, und Parlamentswahlen abgehalten (USDOS 19.7.2018).
Das Parlament (Großer Staats-Chural) ist ein Einkammernparlament mit 76 Sitzen (ÖB Peking 12.2017). Die 76 Abgeordneten werden in allgemeiner, freier, unmittelbarer und geheimer Wahl im Wege des Mehrheitswahlrechts für vier Jahre gewählt. Bei der letzten Parlamentswahl am 29.6.2016 löste die Mongolische Volkspartei (MVP) die Demokratische Partei (DP) in der Regierung ab. (AA 3.2018a). Die MVP erhielt 65 Mandate, die bisher regierende DP neun, die Mongolische Revolutionäre Volkspartei (MRVP) und der unabhängige Musiker S. Javkhlan erhielten je ein Mandat. Die Wahlbeteiligung lag bei 72,1% (Mongolei Online 10.7.2016; vgl. KAS 1.7.2016). Die Einführung des Mehrheitswahlrechtes nur fünf Wochen vor dem Wahltermin hat auf das Ergebnis Einfluss genommen (Sarantuya/Batmunkh 2017; vgl. ÖB Peking 12.2017). Unter dieser Entscheidung litten vor allem die Chancen von kleinen Parteien und Frauen. So wurde zum Beispiel die Frauenquote von bisher 30% auf 20% gesenkt (KAS 1.7.2016).
Die OSZE war mit etwa 300 Wahlbeobachtern in der Mongolei vertreten und attestierte, dass die Wahl, nach hartem, die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit respektierendem Wahlkampf, geordnet ablief (OSZE 4.10.2016; vgl. AA 3.2018a). Die 2016 gebildete Regierung unter Ministerpräsident Erdenebat bestehend aus 16 Ministern (davon zwei Frauen), einer Reduktion um drei Ämter im Vergleich zur vorherigen Regierung (ÖB Peking 12.2017), wurde bereits im Sommer 2017 aufgrund parteiinterner Machtkämpfe durch eine Regierung unter Ministerpräsident Khurelsukh abgelöst (AA 3.2018a).
Das Staatsoberhaupt ist der Präsident, der in einer Direktwahl für vier Jahre gewählt wird und der selbst den Premierminister nominieren kann. Das Präsidentenamt kann für maximal zwei Amtsperioden bekleidet werden (ÖB Peking 12.2017). Am 10. Juli legte Kh. Battulga im Großen Saal der Staatsversammlung den Amtseid als 5. Präsident der Mongolei ab (LIP 9.2018). Er setzte sich in einer Stichwahl mit 50,6% gegen den Gegenkandidat M. Enkhbold der regierenden Mongolischen Volkspartei (MVP), der 41,2 % der Stimmen erhielt, durch (Reuters 8.7.2017; vgl. AA 3.2018a). Der Staatspräsident ist Vorsitzender des Nationalen Sicherheitsrates (weitere Mitglieder: Premierminister und Parlamentspräsident) und Oberbefehlshaber der Streitkräfte. Er setzt die vom Parlament verabschiedeten Gesetze in Kraft. Er kann Gesetze initiieren und mit seinem Veto verhindern, das nur mit der Zwei-Drittel-Mehrheit des Parlaments überstimmt werden kann (AA 3.2018a).
Quellen:
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-AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (3.2018a):
Mongolei - Innenpolitik,
https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/mongolei-node/-/222882, Zugriff 13.9.2018
-
-CIA - Central Intelligence Agency (28.8.2018): The World Factbook
-
Mongolia,
https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/mg.html, Zugriff 14.9.2018
-
-LIP - LIPortal, Das Länderinformationsportal (9.2018): Mongolei, Geschichte und Staat,
https://www.liportal.de/mongolei/geschichte-staat/, Zugriff 20.9.2018
-
-KAS - Konrad-Adenauer-Stiftung (1.7.2016): Erdrutschsieg der Mongolischen Volkspartei, Parlamentswahlen in der Mongolei, http://www.kas.de/mongolei/de/publications/45759/, Zugriff 13.9.2018
-
-Mongolei Online, Bormann (10.7.2016): Wahlergebnisse - Wahlen 2016, http://www.mongolei.de/news/Ergebnisse2016.htm, Zugriff 13.9.2018
-
-ÖB Peking (12.2017): Asylländerbericht 2017 Mongolei.
-
-OSZE - Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (4.10.2016): Mongolia, Parliamentary Elections, 29 June 2016: Final Report, http://www.osce.org/odihr/elections/mongolia/237626, Zugriff 13.9.2018
-
-Reuters (8.7.2017): Former martial arts star Battulga wins Mongolian presidential election, https://www.reuters.com/article/us-mongolia-election/former-martial-arts-star-battulga-wins-mongolian-presidential-election-idUSKBN19T05Z, Zugriff 13.9.2018
-
-Tserenbaltavyn, Sarantuya / Tsevelmaa Batmunkh (2017):
Wahlrechtsreform und Wirtschaftskrise - die Mongolei nach den Parlamentswahlen; in: Argumente und Materialien der Entwicklungszusammenarbeit 19, S 24-32, https://www.hss.de/download/publications/AMEZ_19_Demokratie_im_Aufbruch_05.pdf, Zugriff 13.9.2018
-
-USDOS - U.S. Department of State (19.7.2018): Investment Climate Statements for 2018,
https://www.state.gov/e/eb/rls/othr/ics/investmentclimatestatements/index.htm?year=2018&dlid=281519#wrapper, Zugriff 13.9.2018
-
-USDOS - U.S. Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Mongolia, https://www.ecoi.net/en/document/1430186.html, Zugriff 13.9.2018
1.1. Aktuelle Ereignisse
In der Hauptstadt Ulan Bator haben am 27.12.2018 tausende Menschen gegen die Korruption in der Regierung protestiert. Nach Einschätzungen der Organisatoren betrug die Zahl der Teilnehmer laut Aljazeera 25.000, laut AFP rund 60.000 Personen. Ein AFP-Reporter schätzte die Zahl auf rund 10.000. Mongolische Medien gehen von der zweitgrößten Protestkundgebung seit den Unruhen im Jahr 2008 aus. Die Demonstranten forderten den Rücktritt von Parlamentspräsident Mijegombo Enchbold, dem sie vorwarfen, mit dem Verkauf von Regierungsämtern rund 20 Millionen Euro in seiner Tasche gewirtschaftet zu haben. Die Demonstranten bauten in der Nacht rund zwei Dutzend Jurten auf dem Dschingis-Khan-Platz im Zentrum der Hauptstadt auf. Einige drohten zudem mit Hungerstreik. Der Abgeordnete Batsandan Dschambalsuren, einer der Mitorganisatoren der Kundgebung, warf Parlamentspräsident Enchbold und den beiden größten Parteien vor, die "Reichtümer" des Landes geraubt zu haben. Im November war inmitten eines Skandals um unterschlagene Fördermittel durch hochrangige Regierungsvertreter ein Misstrauensvotum gegen den Ministerpräsidenten und sein Kabinett im Parlament gescheitert. Seitdem boykottieren 40 Abgeordnete alle Plenumssitzungen - seit über fünf Wochen fand deshalb keine normale Sitzung mehr statt (AFP 10.01.2019/Aljazeera 27.12.2018).
Quellen:
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-AFP - Agence France Presse: Mit Jurten zum Protest, 10.01.2019, https://www.msn.com/de-at/nachrichten/politik/mit-jurten-zum-protest/ar-BBS40gL
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Aljazeera . Mongolia: Thousands protest corruption in Ulaanbaatar, 27.12.2018,
https://www.aljazeera.com/news/2018/12/mongolia-thousands-protest-corruption-ulaanbaatar-181227115515987.html
2. Sicherheitslage
Im regionalen Vergleich hat die Mongolei nach dem Zerfall des Ostblocks einen vorbildlichen Weg in Richtung Demokratie und Marktwirtschaft eingeschlagen. Seit 1990 finden regelmäßig allgemeine, freie und faire Wahlen statt, die Regierungswechsel verlaufen friedlich. Die Menschenrechte sind in der Mongolei in der Verfassung festgeschrieben und werden allgemein
geachtet. Das Land verfügt über eine aktive Zivilgesellschaft mit einer Vielzahl von Bürgerbewegungen und Selbsthilfegruppen (BMZ o. D.).
Der Staat hat im gesamten Staatsgebiet das unangefochtene Gewaltmonopol. Die gesamte Bevölkerung der Mongolei akzeptiert den Nationalstaat als legitim. Es gibt keine organisierten Gruppen, die stark genug wären, das staatliche Gewaltmonopol herauszufordern. Alle bedeutenden politischen Akteure bekennen sich zur Demokratie. Eine geringe Zahl antidemokratischer Akteure wie hypernationalistische Parteien oder Banden haben keinen Einfluss auf die Öffentlichkeit oder die Regierung und werden ausgegrenzt. Die Armee hatte in der Vergangenheit kein Interesse, politische Kontrolle zu übernehmen und es gibt keine Hinweise, dass sie es derzeit hätte (Bertelsmann 2018). Es gibt keine Berichte über terroristische Angriffe oder aktive terroristische Gruppen in der Mongolei (USDOS 10.7.2018).
Es kommt selten zu Unruhen oder politischer Gewalt. In Folge umstrittener Parlamentswahlen im Juli 2008 wurden Proteste, bei denen fünf Personen ums Leben kamen, rasch unter Kontrolle gebracht und die Ordnung wieder hergestellt. Seither kam es zu keinen Vorfällen ähnlichen Ausmaßes mehr (USDOS 19.7.2018). Sozioökonomische Konflikte - primär zwischen der städtischen und ländlichen Bevölkerung - eskalieren nicht, sind jedoch aufgrund einer instabilen politischen Umgebung, angeheizt durch Populismus und Kampagnen in den sozialen Medien, im Ansteigen begriffen (Bertelsmann 2018).
In den vergangenen drei Jahren kam es zu vermehrten Anfeindungen chinesischer, koreanischer und vietnamesischer Staatsbürger, die in der Mongolei leben (USDOS 19.7.2018) und es kam zu einzelnen gewalttätigen Übergriffen durch Ultranationalisten gegen diese Personen (USDOS 19.7.2018; vgl. ÖB Peking 12.2017) sowie gegen LGBTI-Personen (ÖB Peking 12.2017).
Die Binnenlage des Flächenstaates zwischen Russland und China bestimmt die mongolische Außenpolitik, die sich daher um ein gutes, ausgewogenes Verhältnis zu diesen beiden Nachbarn bemüht. So verfolgt die Mongolei eine Politik der Bündnisfreiheit und hat sich 1992 zur kernwaffenfreien Zone erklärt. Gleichzeitig sucht das Land internationale Absicherung, die es in einer immer aktiveren Mitarbeit in internationalen Organisationen, vor allem den Vereinten Nationen, sowie in einer stärkeren Zusammenarbeit mit den USA, Japan und der Europäischen Union (insbesondere Deutschland) zu finden hofft ("Politik des Dritten Nachbarn") (AA 3.2018c).
Quellen:
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-AA - Auswärtiges Amt (3.2018c): Mongolei, Außenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/mongolei-node/-/222880, Zugriff 18.9.2018
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-Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2016, Mongolia Country Report; https://www.ecoi.net/en/file/local/1427464/488348_en.pdf, Zugriff 13.9.2018
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-BMZ - Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (o.D.): Mongolei, Situation und Zusammenarbeit, http://www.bmz.de/de/laender_regionen/asien/mongolei/zusammenarbeit/index.html, Zugriff 13.9.2018
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-USDOS - U.S. Department of State (19.7.2018): Investment Climate Statements for 2018,
https://www.state.gov/e/eb/rls/othr/ics/investmentclimatestatements/index.htm?year=2018&dlid=281519#wrapper, Zugriff 13.9.2018
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-USDOS - U.S. Department of State, Bureau of Diplomatic Security (10.7.2018): Mongolia 2018 Crime & Safety Report, https://www.osac.gov/pages/ContentReportDetails.aspx?cid=24452, Zugriff 18.9.2018
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-ÖB Peking (12.2017): Asylländerbericht 2017 Mongolei.
3. Rechtsschutz / Justizwesen
Das mongolische Rechtssystem orientiert sich am römisch-germanischen System und kennt eine Unterscheidung zwischen Verwaltungs- und Zivilrecht (ÖB Peking 12.2017). Die Verfassung der Mongolei sieht eine Gewaltenteilung vor, die Justiz ist formell unabhängig. Diese Unabhängigkeit wird jedoch durch systemimmanente Korruption geschwächt (ÖB Peking 12.2017; vgl. FH 2018, USDOS 20.4.2018).
Soum-, Intersoum- und Bezirksgerichte sind Gerichte 1. Instanz und für kleinere Verbrechen sowie für Zivilverfahren unter einem Streitwert von zehn Millionen Tögrök (MNT) zuständig. Aimag-Gerichte sind die Erstinstanz für schwerwiegendere Verbrechen und Zivilverfahren mit einem Streitwert von über zehn Millionen MNT, sowie die Berufungsgerichte für die unteren Gerichte. Der Oberste Gerichtshof ist für alle anderen Verfahren zuständig. Der Verfassungsgerichtshof (Tsets) kann vom Parlament, dem Staatspräsidenten, dem Premier, dem Obersten Staatsanwalt, auf Eigentinitative oder durch Petitionen durch Bürger befasst werden. Die neun Richter werden durch das Parlament für sechs Jahre ernannt. (ÖB Peking 12.2017).
Der Präsident ernennt die Richter des Obersten Gerichtshofes. Der Judicial General Council (JGC) ist für die Nominierung sowie die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit von Richtern verantwortlich. Er ist jedoch politisch abhängig und hat nicht die Befugnis, bei Vorwürfen von richterlichem Fehlverhalten zu ermitteln (Bertelsmann 2018). Die unabhängige Gerichtsbarkeit sowie das Recht auf ein faires, öffentliches Verfahren ohne Verzögerungen wird in der Regel durchgesetzt. Für Angeklagte gilt die Unschuldsvermutung und sie haben das Recht, über die Vorwürfe gegen sie in Kenntnis gesetzt zu werden. Angeklagte können einen Rechtsbeistand selbst auswählen oder erhalten auf Staatskosten einen solchen gestellt (USDOS 20.4.2018).
NGOs und Privatunternehmen berichten, dass Korruption und Einflussnahme im Justizsystem stattfindet (USDOS 20.4.2018; vgl. Bertelsmann 2018). Die Rechte von Angeklagten wie die Befragung und Einberufung von Zeugen würden in manchen Fällen missachtet. NGOs berichten weiters über Einschüchterung von Zeugen und mangelnde Transparenz bei der Urteilsfindung (USDOS 20.4.2018). Jedoch wurde in der Justice Integrity Study 2016 der Mongolei deutliche Fortschritte bei der Verbesserung der Transparenz der Urteilsfindung attestiert (Bertelsmann 2018).
Gerichte verhängen nur selten Freisprüche oder stellen das Verfahren ein, auch wenn es keine substanziellen Beweise für einen Schuldspruch gibt. Gerichte spielen Fälle häufig an die Staatsanwaltschaft zurück, obwohl ein Freispruch angemessen erscheint. Dadurch wechseln auch einzelne prominente Kriminalfälle jahrelang zwischen Staatsanwaltschaft und Gericht hin und her, ohne dass diese abgeschlossen werden (USDOS 20.4.2018). Haftstrafen sind in der Mongolei schon für kleine Delikte aus generalpräventiven Gründen sehr hoch. Sie reichen für Gewalt-, Raub- und Sexualdelikte deutlich über Strafmaße europäischer Rechtsordnungen hinaus. Die Möglichkeit der vorzeitigen Entlassungen oder der Strafaussetzungen zur Bewährung ist formal vorhanden, aber es wird davon wenig Gebrauch gemacht (ÖB Peking 12.2017).
Quellen:
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-Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018, Mongolia Country Report; https://www.ecoi.net/en/file/local/1427464/488348_en.pdf, Zugriff 13.9.2018
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-FH - Freedom House (2018): Freedom in the world 2018, Mongolia, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2018/mongolia, Zugriff 13.9.2018
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-ÖB Peking (12.2017): Asylländerbericht 2017 Mongolei
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