TE Bvwg Erkenntnis 2019/2/6 I403 2214003-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.02.2019
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Entscheidungsdatum

06.02.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs2
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs2
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
EMRK Art.2
EMRK Art.3
EMRK Art.8
FPG §46
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I403 2214003-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin MMag. Birgit ERTL als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Tunesien, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 09.01.2019, Zl. 1085605908/180887956/BMI-BFA, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer reiste in das Bundesgebiet ein und meldete am 10.02.2016 einen Wohnsitz an. Am 18.02.2016 wurde dem Beschwerdeführer seitens der Magistratsabteilung 35 des Amtes der Wiener Landesregierung ein Aufenthaltstitel nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz für den Zweck "Studierende" ausgestellt, welcher letztmalig bis zum 12.10.2018 verlängert worden war.

Zuletzt brachte der Beschwerdeführer am 12.12.2017 einen Antrag auf Verlängerung seines Aufenthaltstitels nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz für den Zweck "Studierende" ein, welcher mit Bescheid der Magistratsabteilung 35 des Amtes der Wiener Landesregierung vom 04.06.2018 abgewiesen wurde, da der Beschwerdeführer den hierfür erforderlichen Studienerfolg nicht erbracht hatte. Der Bescheid erwuchs am 06.08.2018 unangefochten in Rechtskraft.

Am 18.10.2018 wurde der Beschwerdeführer zur Klärung seines Aufenthaltes in Österreich sowie hinsichtlich der etwaigen Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme niederschriftlich vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA; belangte Behörde) einvernommen. Hierbei gab er an, zuletzt am 26.07.2018 mit dem Flugzeug von Tunesien nach Österreich eingereist zu sein. Er würde in Österreich studieren sowie im Ausmaß von 13 Stunden pro Woche arbeiten. Überdies werde er von seinem Onkel, welcher mit seiner Familie in Österreich lebe, finanziell unterstützt. Zudem habe der Beschwerdeführer eine Lebensgefährtin in Österreich. Seine Kernfamilie, insbesondere seine Eltern und Geschwister, würden in Tunesien leben. Ein Reisedokument könne der Beschwerdeführer aktuell nicht vorweisen, da sein Reisepass beschädigt worden sei, jedoch habe er bereits die Ausstellung eines neuen Reisepasses bei der tunesischen Botschaft in Wien beantragt.

Mit dem angefochtenen Bescheid des BFA vom 09.01.2019 wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel "aus berücksichtigungswürdigen Gründen" gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt I.). Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt II.). Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Tunesien zulässig ist (Spruchpunkt III.). Eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.).

Gegen den angefochtenen Bescheid wurde am 28.01.2019 fristgerecht Beschwerde erhoben. Hierbei wurde vorgebracht, dass der Beschwerdeführer nach wie vor keinen neuen Reisepass von der tunesischen Botschaft in Österreich erhalten habe. Aufgrund dessen habe er noch keinen Termin beim Standesamt beantragen können, um seine Freundin in Österreich zu heiraten.

Beschwerde und Bezug habender Akt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 04.02.2019 vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers sowie zu seinem Aufenthalt in Österreich:

Der Beschwerdeführer ist volljährig, ledig und Staatsangehöriger von Tunesien. Seine Identität steht fest. Er ist gesund und erwerbsfähig.

Er reiste spätestens am 10.02.2016 in das Bundesgebiet ein, befand sich seitdem jedoch nicht durchgehend in Österreich.

Der Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich fußte auf einem Aufenthaltstitel nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz für den Zweck "Studierende", dessen Gültigkeit mit 12.10.2018 abgelaufen ist. Seitdem befindet sich der Beschwerdeführer unrechtmäßig im Bundesgebiet.

Der Beschwerdeführer gibt an, eine Lebensgefährtin in Österreich zu haben, welche er heiraten wolle, sobald er einen neuen Reisepass ausgestellt bekomme. Überdies habe er im Rahmen seines Studiums viele Freundschaften in Österreich geschlossen.

Ein Onkel des Beschwerdeführers lebt mit seiner Familie in Österreich und unterstützt diesen finanziell. Die Kernfamilie des Beschwerdeführers, insbesondere seine Eltern und Geschwister, lebt in Tunesien.

Der Beschwerdeführer geht in Österreich seit dem 01.01.2019 keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nach. Zuvor war er zeitweise, vorwiegend geringfügig, als Arbeiter in einem Gastronomie-Unternehmen beschäftigt.

Er ist strafrechtlich unbescholten.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger und dem Zentralen Melderegister (ZMR) wurden ergänzend zum vorliegenden Akt eingeholt.

2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Identität des Beschwerdeführers steht aufgrund seines der Meldebehörde im Zuge der Anmeldung seines Wohnsitzes vorgelegten gültigen tunesischen Reisepasses fest.

Die Feststellungen zu seinen Lebensumständen, seinem Gesundheitszustand sowie zum Familien- und Privatleben des Beschwerdeführers beruhen auf seinen diesbezüglichen Angaben in der Einvernahme vor der belangten Behörde am 30.10.2017 sowie im Beschwerdeschriftsatz vom 28.01.2019.

Die Feststellung, dass ein Onkel des Beschwerdeführers diesen in Österreich finanziell unterstützt, ergibt sich aus einer vorgelegten Haftungserklärung vom 21.04.2015.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer seit 01.01.2019 in Österreich keiner legalen Beschäftigung nachgeht, ergibt sich aus einer Abfrage im Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger vom 05.02.2019.

Die strafgerichtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus einer Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich vom 05.02.2019.

3. Rechtliche Beurteilung

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

3.1. Zur Nichtzuerkennung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

Vorab ist darauf hinzuweisen, dass die belangte Behörde unter Zitierung des § 57 AsylG 2005 zwar ausgesprochen hat, dass ein Aufenthaltstitel "aus berücksichtigungswürdigen Gründen" gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt werde, dass sich aus der Begründung des angefochtenen Bescheides jedoch unzweifelhaft ergibt, dass die belangte Behörde tatsächlich rechtsrichtig über eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" gemäß § 57 AsylG 2005 abgesprochen und eine solche nicht erteilt hat.

Das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß § 57 AsylG wurde vom Beschwerdeführer nicht behauptet und auch aus dem Verwaltungsakt ergeben sich keinerlei Hinweise, die nahe legen würden, dass die Erteilung einer solchen Aufenthaltsberechtigung in Betracht kommt.

Da somit die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG nicht gegeben sind, war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG als unbegründet abzuweisen.

3.2. Zur Rückkehrentscheidung sowie zur Zulässigkeit der Abschiebung nach Tunesien (Spruchpunkte II. und III. des angefochtenen Bescheides):

Da sich der Beschwerdeführer allseits unbestritten nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, hat sich die belangte Behörde zutreffend auf § 52 Abs. 1 Z 1 FPG 2005 gestützt und eine Rückkehrentscheidung erlassen

Gemäß § 58 Abs. 2 AsylG 2005 hat das Bundesamt einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG 2005 von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig auf Dauer für unzulässig erklärt wurde. Es ist daher zu prüfen, ob eine Rückkehrentscheidung auf Basis des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG für unzulässig zu erklären ist.

Der mit "Schutz des Privat- und Familienlebens" betitelte § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet wie folgt:

"§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre."

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) ist das nach Art. 8 EMRK geschützte Familienleben nicht auf durch Heirat rechtlich formalisierte Bindungen ("marriage-based relationships") beschränkt, sondern erfasst auch andere faktische Familienbindungen ("de facto family ties"), bei denen die Partner außerhalb des Ehestandes zusammenleben (vgl. etwa VwGH, 28.06.2011, 2008/01/0527 oder VwGH, 08.09.2010, Zl. 2008/01/0551, mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des EGMR). Zur Frage, ob eine nichteheliche Lebensgemeinschaft ein Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK begründet, stellt der EGMR auf das Bestehen enger persönlicher Bindungen ab, die sich in einer Reihe von Umständen - etwa dem Zusammenleben, der Länge der Beziehung oder der Geburt gemeinsamer Kinder - äußern können (vgl. dazu etwa das Urteil des EGMR vom 2. November 2010, Serife Yigit gegen die Türkei (Große Kammer), Beschwerde Nr. 3976/05, Rdnr. 93 und 96).

Im gegenständlichen Fall gibt der Beschwerdeführer an, in Österreich eine Lebensgefährtin zu haben. Erstmalig im Beschwerdeschriftsatz bringt er überdies vor, diese heiraten zu wollen, sobald ihm die tunesische Botschaft in Wien einen gültigen Reisepass ausstelle. Der Beschwerdeführer hält sich seit rund drei Jahren im Bundesgebiet auf; seine Beziehung kann daher nicht länger als drei Jahre andauern. Diesbezüglich ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer seit dem 10.10.2017 an seiner derzeitigen Wohnadresse in Wien aufrecht gemeldet ist. In besagtem Haushalt sind insgesamt 6 Personen, allesamt relativ kurz sowie zeitlich gestaffelt, gemeldet, wobei sich darunter keine Person mit österreichischer Staatsbürgerschaft befindet.

Selbst wenn man davon ausginge, dass der Beschwerdeführer und seine Freundin als Lebensgefährten ein Familienleben im Sinne obiger Begriffsauslegung führen, ist für den Beschwerdeführer nichts gewonnen:

Als die Beziehung eingegangen wurde, mussten sich sowohl der Beschwerdeführer als auch (grundsätzlich) seine Lebensgefährtin, des im hohen Maße unsicheren Aufenthaltsstatuts des Beschwerdeführers bewusst sein. Der Beschwerdeführer hatte nur eine Aufenthaltsberechtigung für Studierende, welche jedenfalls zeitlich befristet war. Dass diese bereits vor Beendigung des Studiums nicht mehr verlängert wurde, ist dem mangelndem Studienerfolg des Beschwerdeführers geschuldet. Aufgrund des Eingehens eines Familienlebens trotz prekären Aufenthaltsstatus kann eine Verletzung des Familienlebens nur mehr in außergewöhnlichen Umständen bejaht werden (vgl. etwa EGMR 28.6.2011, Nunez v Norwegen, Rs 55597/09, Rz 70). Das vor diesem Hintergrund begründete Familienleben genießt sohin nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte eine verminderte Schutzwürdigkeit.

Vor dem Hintergrund der zitierten höchstgerichtlichen Rechtsprechung kann für den vorliegenden Beschwerdefall - in Zusammenschau mit dem Nichtvorliegen darüberhinausgehender maßgeblicher Integrationsaspekte (siehe dazu sogleich) - nichts anderes gelten und geht mit der Nichterteilung eines Aufenthaltstitels in Verbindung mit der verfügten Rückkehrentscheidung sohin kein ungerechtfertigter Eingriff in die Rechte nach Art. 8 EMRK beziehungsweise in das Recht auf Achtung des Familienlebens des Beschwerdeführers einher. Aufgrund des erhobenen Sachverhaltes ist nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht davon auszugehen, dass zwischen dem Beschwerdeführer und seiner derzeitigen Partnerin in Österreich eine Beziehung von derartiger Intensität besteht, dass durch die gegenständliche Rückkehrentscheidung und die damit gegebenenfalls verbundene Trennung ein unverhältnismäßiger Eingriff in das Familienleben und Privatleben des Beschwerdeführers erfolgen würde.

Festzuhalten ist auch, dass dem Beschwerdeführer und seiner Lebensgefährtin die Aufrechterhaltung des Kontaktes auch im Falle einer Rückkehr des Beschwerdeführers nach Tunesien über Telefon und elektronische Medien, gegebenenfalls auch durch gegenseitige Besuche, möglich sein wird. Ein wie auch immer geartetes Abhängigkeitsverhältnis zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Lebensgefährtin wurde zudem nicht vorgebracht.

Ergänzend wird seitens des Bundesverwaltungsgerichtes erwähnt, dass es dem Beschwerdeführer freisteht, in einem gesonderten Verfahren einen Antrag auf eine "Niederlassungsbewilligung - Angehöriger" iSd § 47 NAG einzubringen, sollte er tatsächlich zu einem späteren Zeitpunkt eine Österreicherin, EWR-Bürgerin oder Schweizer Bürgerin, die in Österreich dauernd wohnhaft ist, ehelichen.

Ebenso ist von keinerlei wechselseitigem Abhängigkeitsverhältnis zu seinem in Österreich lebenden Onkel und dessen Familie auszugehen, auch wenn der Beschwerdeführer angibt, während seines Aufenthaltes in Österreich durch seinen Onkel gelegentlich finanziell unterstützt worden zu sein. Dies reicht aber nicht aus, um ein schützenswertes Familienleben besonderer Intensität in Bezug auf den Onkel annehmen zu lassen.

Mit der erlassenen Rückkehrentscheidung geht sohin kein unverhältnismäßiger Eingriff in das Recht auf Familienleben des Beschwerdeführers einher.

Zu prüfen ist überdies ein etwaiger Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers.

Unter "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. Sisojeva ua gg Lettland, EuGRZ 2006, 554).

Unter Berücksichtigung der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa Erkenntnis vom 26.06.2007, 2007/01/0479 zu einem dreijährigen Aufenthalt im Bundesgebiet oder auch Erkenntnis vom 15.12.2015, Ra 2015/19/0247 zu einem zweijährigem Aufenthalt in Verbindung mit dem Umstand, dass der Beschwerdeführer mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet war), des Verfassungsgerichtshofes (29.11.2007, B 1958/07-9, wonach im Fall eines sich seit zwei Jahren im Bundesgebiet aufhältigen Berufungswerbers die Behandlung der Beschwerde wegen Verletzung des Art. 8 EMRK abgelehnt wurde; ebenso 26.04.2010, U 493/10-5 im Falle eines fünfjährigen Aufenthaltes) und des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (siehe etwa EGMR, 08.04.2008, Nnyanzi v. UK, 21878/06) muss angesichts der kurzen Dauer des Inlandsaufenthaltes von insgesamt etwa drei Jahren, mit Unterbrechungen, davon ausgegangen werden, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthaltes des Beschwerdeführers das Interesse an der Achtung seines Privatlebens überwiegt.

Es liegen auch keine Aspekte einer außerordentlichen Integration vor; der Beschwerdeführer ging in Österreich zeitweise einer legalen, zumeist geringfügigen Beschäftigung in einem Gastronomie-Unternehmen nach und wird von seinem Onkel finanziell unterstützt. Sein jüngster Verlängerungsantrag auf einen Aufenthaltstitel nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz für den Zweck "Studierende" wurde aufgrund seines mangelnden Studienerfolges abgewiesen. Eine nachhaltige Aufenthaltsverfestigung kann daraus nicht geschlossen werden.

Es sind - unter der Schwelle des Art. 2 und 3 EMRK - aber auch die Verhältnisse im Herkunftsstaat unter dem Gesichtspunkt des Privatlebens zu berücksichtigen, so sind etwa Schwierigkeiten beim Beschäftigungszugang oder auch Behandlungsmöglichkeiten bei medizinischen Problemen bzw. eine etwaigen wegen der dort herrschenden Verhältnisse bewirkte maßgebliche Verschlechterung psychischer Probleme auch in die bei der Erlassung der Rückkehrentscheidung vorzunehmende Interessensabwägung nach § 9 BFA-VG miteinzubeziehen (vgl. dazu VwGH, 16.12.2015, Ra 2015/21/0119). Eine diesbezüglich besonders zu berücksichtigende Situation liegt gegenständlich aber nicht vor bzw. wurde von ihm nicht vorgebracht; der Beschwerdeführer hat in Tunesien familiäre Unterstützung zu erwarten und ist bei ihm keine besondere Vulnerabilität, etwa im Sinne einer Erkrankung, gegeben.

Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich daher, dass die im angefochtenen Bescheid angeordnete Rückkehrentscheidung keinen ungerechtfertigten Eingriff in das durch Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Privat- und Familienleben darstellt.

Eine reale Gefahr einer gegen Art. 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung für den Fall einer Rückkehr nach Tunesien wurde nicht vorgebracht, vielmehr begab sich der Beschwerdeführer auch in der Vergangenheit freiwillig in seinen Herkunftsstaat.

Die Beschwerde war daher auch hinsichtlich der Spruchpunkte II. und III. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abzuweisen.

3.3. Zur Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides):

Im angefochtenen Bescheid wurde eine vierzehntägige Frist zur freiwilligen Ausreise festgelegt. Dass besondere Umstände, die der Beschwerdeführer bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hätte, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen würden, wurde nicht vorgebracht.

Somit war die Beschwerde auch hinsichtlich des Spruchpunktes IV. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abzuweisen.

4. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.

Eine mündliche Verhandlung kann unterbleiben, wenn der für die rechtliche Beurteilung entscheidungsrelevante Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist. Ferner muss die Verwaltungsbehörde die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht diese tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung in seiner Entscheidung teilen. Auch darf im Rahmen der Beschwerde kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten ebenso außer Betracht zu bleiben hat, wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt (VwGH 28.05.2014, 2014/20/0017). Eine mündliche Verhandlung ist bei konkretem sachverhaltsbezogenem Vorbringen des Revisionswerbers vor dem VwG durchzuführen (VwGH 30.06.2015, Ra 2015/06/0050, mwN). Eine mündliche Verhandlung ist ebenfalls durchzuführen zur mündlichen Erörterung von nach der Aktenlage strittigen Rechtsfragen zwischen den Parteien und dem Gericht (VwGH 30.09.2015, Ra 2015/06/0007, mwN) sowie auch vor einer ergänzenden Beweiswürdigung durch das VwG (VwGH 16.02.2017, Ra 2016/05/0038). § 21 Abs 7 BFA-VG 2014 erlaubt andererseits das Unterbleiben einer Verhandlung, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint (VwGH 23.11.2016, Ra 2016/04/0085; 22.01.2015, Ra 2014/21/0052 ua). Diese Regelung steht im Einklang mit Art 47 Abs 2 GRC (VwGH 25.02.2016, Ra 2016/21/0022).

Wie in der Beweiswürdigung dargelegt, sind die oben genannten Kriterien im vorliegenden Fall erfüllt, da der Sachverhalt durch die belangte Behörde vollständig erhoben wurde und nach wie vor die gebotene Aktualität aufweist (der angefochtene Bescheid wurde am 09.01.2019 erlassen, wobei sich aus dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes keine Hinweise auf eine Änderung der entscheidungsmaßgeblichen Situation ergeben). Die Beweiswürdigung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde seitens des Bundesverwaltungsgerichtes in ihren entscheidungsmaßgeblichen Punkten bestätigt. Was das Vorbringen in der Beschwerde betrifft, so findet sich in dieser insbesondere kein neues Tatsachenvorbringen hinsichtlich allfälliger sonstiger für die Vornahme der Interessensabwägung, konkret die Beurteilung des Privat- und Familienlebens des Beschwerdeführers beachtlicher Aspekte und wird den beweiswürdigenden Ausführungen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl in den entscheidungswesentlichen Aspekten nicht entgegengetreten. Den in der Beschwerde angesprochenen Umständen, nämlich dass der Beschwerdeführer seine Freundin noch nicht heiraten habe können, da er auf die Ausstellung seines Reisepasses warte, kommt keine besondere Relevanz zu, da die Lebensgemeinschaft ohnehin im Rahmen des Familienlebens berücksichtigt wurde und sich durch eine beabsichtigte Eheschließung kein neuer Sachverhalt ergibt. Im Übrigen lagen im gegenständlichen Verfahren keine strittigen Tatsachen vor, welche allenfalls im Rahmen einer mündlichen Beschwerdeverhandlung einer Klärung zuzuführen gewesen wären.

Damit ist der maßgebliche Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde als geklärt anzusehen (vgl. dazu auch § 27 VwGVG), wobei eine mündliche Erörterung auch keine weitere Klärung der Rechtssache erwarten lässt. Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte sohin gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben.

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Schlagworte

Abschiebung, Aufenthaltstitel, berücksichtigungswürdige Gründe,
freiwillige Ausreise, Frist, Interessenabwägung, öffentliche
Interessen, Privat- und Familienleben, private Interessen,
Rückkehrentscheidung, Studienerfolg, Studierender, Studium

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:I403.2214003.1.00

Zuletzt aktualisiert am

26.04.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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