Entscheidungsdatum
13.02.2019Norm
AsylG 2005 §15b Abs1Spruch
L527 2176224-2/7E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter MMag. Christian AUFREITER, LL.B. als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX alias XXXX, geb. XXXX, Staatsangehörigkeit Bangladesch, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.01.2019, Zl. XXXX:
A) In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid
behoben und die Angelegenheit gemäß § 21 Abs 3 BFA-VG zur Erlassung eines neuen Bescheids an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer stellte am 16.11.2015 den ersten Antrag auf internationalen Schutz, welchen das Bundesverwaltungsgericht im Rechtsmittelweg mit Erkenntnis vom 20.03.2018 hinsichtlich der Zuerkennung des Status sowohl eines Asylberechtigten als auch eines subsidiär Schutzberechtigten abwies. Das Bundesverwaltungsgericht bestätigte auch im Übrigen den in diesem Verfahren angefochtenen Bescheid (kein Aufenthaltstitel nach § 57 AsylG 2005;
Rückkehrentscheidung; Zulässigkeit der Abschiebung nach Bangladesch;
14 Tage Frist für die freiwillige Ausreise) und wies den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach §§ 55, 56 AsylG 2005 zurück. Die gegen das Erkenntnis erhobene Revision wies der Verwaltungsgerichtshof zurück.
Am 25.09.2018 stellte der Beschwerdeführer einen weiteren - den gegenständlichen - Antrag auf internationalen Schutz. Am selben Tag fand die Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes statt, am 08.10.2018 eine Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: belangte Behörde). Das Verfahren wurde nicht zugelassen.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 24.01.2019 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers vom 25.09.2018 auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status des Asylberechtigten und hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 Abs 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück (Spruchpunkte I und II). Die belangte Behörde erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III), erließ eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV) und sprach aus, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Bangladesch zulässig sei (Spruchpunkt V). Unter Spruchpunkt VI sprach die Behörde aus, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe, und unter Spruchpunkt VII sprach sie über eine Anordnung zur Unterkunftnahme ab.
Mit Schriftsatz vom 04.02.2019 erhob der Beschwerdeführer dagegen die vorliegende Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.
Die Beschwerde langte - ohne Akt zum Verfahren zum ersten Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz (kurz: Vorakt) - am 06.02.2019 beim Bundesverwaltungsgericht und am 07.02.2019 bei der Gerichtsabteilung L527 ein. Das Bundesverwaltungsgericht forderte den Akt zum ersten Verfahren, auf den im angefochtenen Bescheid Bezug genommen wird, noch am 07.02.2019 bei der belangten Behörde an. Trotz mehrfacher Nachfragen und Urgenzen legte die belangte Behörde den Vorakt bis zum Datum der gegenständlichen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nicht vor.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Der Beschwerdeführer ist ein erwachsener männlicher Drittstaatsangehöriger, konkret: bangladeschischer Staatsangehöriger. Seine Identität steht nicht fest.
1.2. Das Bundesverwaltungsgericht wies im Rechtsmittelweg den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 16.11.2015 rechtskräftig ab und bestätigte auch im Übrigen den in diesem Verfahren angefochtenen Bescheid (kein Aufenthaltstitel nach § 57 AsylG 2005; Rückkehrentscheidung; Zulässigkeit der Abschiebung nach Bangladesch; 14 Tage Frist für die freiwillige Ausreise) (L508 2176224-1/6E). Das Bundesverwaltungsgericht erachtete den vom Beschwerdeführer vorgebrachten Fluchtgrund, er werde wegen des Interesses seiner Familie an der Bangladesh Nationalist Party (BNP) von Anhängern der Awami League (AL) bzw. anderen Dorfbewohnern verfolgt und bedroht, für nicht glaubhaft (L508 2176224-1/6E, S 10). Es gelangte jedoch nicht zu dem Ergebnis, dass die Familie des Beschwerdeführers der BNP überhaupt nicht zugeneigt sei oder keinerlei Interesse an der Partei habe. Das Bundesverwaltungsgericht ging vielmehr jedenfalls von einem gewissen Engagement des Vaters des Beschwerdeführers für die BNP aus (L508 2176224-1/6E, S 31).
1.3. Am 25.09.2018 stellte der Beschwerdeführer den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Das Verfahren wurde nicht zugelassen (AS 91 ff).
1.3.1. Im Verfahren vor der belangten Behörde machte der Beschwerdeführer zu seinem Gesundheitszustand unterschiedliche Angaben (AS 105). Er gab einerseits an, er fühle sich sehr schlecht und sei ständig unter ärztlicher Beobachtung. Andererseits sagte er, es gehe ihm gut, er sei gesund und nicht in ärztlicher Behandlung. Die belangte Behörde stellte keine weiteren Ermittlungen an, sie richtete nicht einmal weitere Fragen an den Beschwerdeführer, um den tatsächlichen Gesundheitszustand zu ergründen und die Widersprüche aufzuklären.
Im angefochtenen Bescheid stellte sie zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers fest: "Im Zuge der Erstbefragung und Einvernahmen ergab sich weder eine schwere körperliche oder ansteckende Krankheit, noch ergab sich eine schwere psychische Störung, die bei einer Abschiebung nach Bangladesch eine unzumutbare Verschlechterung Ihres Gesundheitszustands bewirken würde." (AS 141 f) In der Beweiswürdigung findet sich dazu lediglich folgender Satz "Die Feststellung zu Ihrem Gesundheitszustand ergibt sich aus Ihren eigenen Angaben in der niederschriftlichen Einvernahme am 08.10.2018." (AS 183)
1.3.2. Seinen Antrag auf internationalen Schutz begründete der Beschwerdeführer damit, dass er und seine Familie als Befürworter der BNP Probleme mit der Regierungspartei AL haben (AS 17, 105 f). Wegen der anstehenden Wahlen werde es in seiner Heimat gefährlich (AS 17). Derzeit sei die Situation sehr schwierig (AS 107). Seine Familie werde andauernd belästigt, weil sie bzw. der Beschwerdeführer Befürworter der BNP sei, und habe deswegen das Haus verlassen müssen (AS 17, 107). Die belangte Behörde stellte keine weiteren Ermittlungen an, um das Vorbringen des Beschwerdeführers zu prüfen. Sie forderte den Beschwerdeführer nicht auf, seine Angaben zu vervollständigen. Sie fragte nicht einmal, wann, weshalb und unter welchen konkreten Umständen - nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers - seine Familie das Haus habe verlassen müssen (AS 107). Die Behörde fragte den Beschwerdeführer allerdings mehrfach und mit unterschiedlichen Formulierungen, ob sich an seinen Fluchtgründen etwas geändert habe. Sie stellte dabei auch eine Suggestivfrage: "Das sind also dieselben Fluchtgründe [sic] die sie [sic] vorweisen?" Die belangte Behörde unterließ es gänzlich, den Beschwerdeführer inhaltlich zu seinem Vorbringen zu befragen.
Im angefochtenen Bescheid stellte sie fest, dass sich der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt seit Rechtskraft des ersten Asylverfahrens nicht geändert habe. Der Beschwerdeführer habe im gegenständlichen Verfahren keine neuen entscheidungsrelevanten Fluchtgründe vorgebracht; er habe sich auf die bereits im ersten Verfahren behauptete Verfolgungssituation gestützt. Der Beschwerdeführer habe keine neuen oder aussagekräftigen Beweismittel vorgelegt. Die Behörde gehe vom selben bzw. unveränderten Sachverhalt aus. (AS 142) In der Beweiswürdigung (AS 182 ff) hat sich die belangte Behörde nicht mit dem konkreten Vorbringen des Beschwerdeführers auseinandergesetzt. Sie hat im angefochtenen Bescheid nicht konkret dargelegt, wieso die Behauptung des Beschwerdeführers, seine Familie habe wegen politischer Probleme das Haus verlassen müssen, selbst für den Fall der Glaubhaftigkeit keine entscheidungsrelevante Sachverhaltsänderung sein könnte. Sie hat auch nicht konkret begründet, weshalb dieses Vorbringen keinen glaubhaften Kern aufweise. Die Behörde vertrat im Wesentlichen den Standpunkt, dass aus den angeblichen Folgebehauptungen, die auf die als nicht glaubhaft erachteten Fluchtgründe aufbauen bzw. diese bekräftigen sollen, nichts zu gewinnen sei. Da schon den ursprünglich vorgebrachten Fluchtgründen keine Glaubhaftigkeit bzw. Asylrelevanz zugekommen sei, entbehre auch das im gegenständlichen Verfahren Vorgebrachte jeglicher Grundlage. Daher könne dem Gesamtvorbringen weiterhin keine Glaubhaftigkeit oder Asylrelevanz zukommen. Die Behörde könne daher nur "zum zwingenden Schluss" kommen, dass der objektive und entscheidungsrelevante Sachverhalt unverändert sei. In der Beweiswürdigung zu den Feststellungen zu den Gründen für den neuen Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz (AS 183 bis 186) ist die belangte Behörde mit keinem Wort konkret auf die Behauptung des Beschwerdeführers, seine Familie habe wegen politischer Probleme das Haus verlassen müssen, eingegangen. Zu Fragen des Vorliegens einer innerstaatlichen Schutzalternative oder von staatlichen Schutzmöglichkeiten, wie sie noch vom Bundesverwaltungsgericht in seinem Erkenntnis vom L508 2176224-1/6E thematisiert wurden, hat die Behörde den Beschwerdeführer nicht befragt.
1.3.4. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 24.01.2019 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers vom 25.09.2018 hinsichtlich des Status des Asylberechtigten und hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 Abs 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück (Spruchpunkte I und II). Die belangte Behörde erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III), erließ eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV) und sprach aus, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Bangladesch zulässig sei (Spruchpunkt V). Unter Spruchpunkt VI sprach die Behörde aus, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe, und unter Spruchpunkt VII sprach sie über eine Anordnung zur Unterkunftnahme ab.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers ergeben sich aus dessen Angaben und den Ausführungen im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 20.03.2018, L508 2176224-1/6E. Da der Beschwerdeführer auch zwischenzeitlich keine unbedenklichen Identitätsdokumente vorgelegt hat, steht seine Identität nach wie vor nicht fest.
2.2. Die Feststellungen zum Inhalt des Erkenntnisses vom 20.03.2018, L508 2176224-1/6E, waren auf Grundlage desselben zu treffen. Erkenntnisse von Verwaltungsgerichten werden zum Zeitpunkt ihrer Erlassung rechtskräftig; vgl. mwN Götzl § 7 VwGVG Rz 1, in:
Götzl/Gruber/Reisner/Winkler, Das neue Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte2 (2017). Aus den im Akt des Bundesverwaltungsgerichts zur Zahl 2176224-1 enthaltenen Protokollen ergibt sich, dass das Erkenntnis L508 2176224-1/6E zugestellt wurde und damit rechtkräftig ist. Dies folgt im Übrigen auch aus dem Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 03.09.2018, Ra 2018/20/0238, womit dieser die gegen das Erkenntnis erhobene Revision als unzulässig zurückwies. Die Revision habe nämlich entgegen der Anordnung des § 28 Abs 3 VwGG keine gesonderte Darstellung der Gründe enthalten, aus denen die Revision entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichts für zulässig erachtet wird. Diese Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs setzte freilich die ordnungsgemäße Zustellung des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts voraus.
2.3. Die Feststellungen unter Punkt 1.3. (wozu auch die Unterpunkte 1.3.1. bis 1.3.4. zählen) basieren auf dem von der belangten Behörde vorgelegten und unverdächtigen Verwaltungsverfahrensakt sowie auf dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichts zur Zahl 2176224-2. Die Feststellungen, welche Angaben der Beschwerdeführer im gegenständlichen Verfahren gemacht hat, welche Ermittlungen die Behörde durchgeführt hat, welche Fragen sie gestellt und welche Fragen sie nicht gestellt hat, ergeben sich konkret aus den im Akt enthaltenen Niederschriften. Die Feststellungen zum Inhalt des Bescheids konnten ohne Weiteres anhand desselben getroffen werden.
Die relevanten Aktenseiten (AS) sind bei den jeweiligen Feststellungen angegeben.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
3.1. Aufhebung des angefochtenen Bescheids und Zurückverweisung:
3.1.1. Gemäß § 21 Abs 3 Satz 2 BFA-VG ist der Beschwerde gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren auch stattzugeben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint. Ist der Beschwerde gegen die Entscheidung des Bundesamtes im Zulassungsverfahren stattzugeben, ist das Verfahren zugelassen (Satz 1 leg cit). Vgl. näher zu § 21 Abs 3 BFA-VG z. B. VwGH 30.05.2017, Ra 2017/19/0017, VwGH 21.03.2018, Ro 2018/18/0001, VwGH 18.10.2018, Ra 2018/19/0356. Da das Verfahren des Beschwerdeführers nicht zugelassen wurde, ist § 21 Abs 3 BFA-VG grundsätzlich anwendbar.
3.1.2. Die Frage, in welchem Gesundheitszustand sich ein Antragsteller - so auch der Beschwerdeführer - befindet, ist grundsätzlich entscheidungsrelevant. Z. B. kann die Erkrankung eines Fremden - bei Vorliegen weiterer Voraussetzungen - ein reales Risiko bedeuten, einer dem Art 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden. Insofern ist der Gesundheitszustand im Lichte des § 8 Abs 1 AsylG 2005 und der Beurteilung der Zulässigkeit der Abschiebung (§ 46 iVm § 50 Abs 1 FPG) beachtlich. Vgl. mwN VwGH 06.11.2018, Ra 2018/01/0106. Auch unter dem Gesichtspunkt des Privatlebens, auf das bei der Rückkehrentscheidung gemäß § 9 BFA-VG umfassend Bedacht zu nehmen ist, ist ein Interesse eines Fremden zu berücksichtigten, dass in Österreich eine medizinische Behandlung vorgenommen werde; vgl. mwN VwGH 28.04.2015, Ra 2014/18/0146.
Es ist (für den Fall der Glaubhaftigkeit) ferner keineswegs kategorisch ausgeschlossen, dass dem Vorbringen des Beschwerdeführers, seine Familie habe wegen politischer Probleme das Haus verlassen müssen, Entscheidungsrelevanz zukommen kann. Ein derartiges Vorbringen wäre im Lichte von § 3 AsylG 2005 (wohlbegründete Furcht, aus Gründen der politischen Gesinnung verfolgt zu werden), subsidiär auch im Lichte des § 8 Abs 1 AsylG und des § 46 iVm § 50 Abs 1 FPG (insbesondere im Hinblick auf das Fehlen der Lebensgrundlage) zu prüfen.
Damit ist freilich keineswegs gesagt, dass dem Beschwerdeführer tatsächlich der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zu zuerkennen (gewesen) wäre oder dass die Rückkehrentscheidung (dauerhaft) unzulässig wäre oder dass die Abschiebung in seinen Herkunftsstaat unzulässig wäre. Abgesehen davon, dass einige dieser Fragen von der Entscheidungsbefugnis des Bundesverwaltungsgerichts in diesem Verfahren nicht gedeckt sind, kann das Bundesverwaltungsgericht an dieser Stelle auch deshalb nicht darüber absprechen, weil der Sachverhalt infolge der mangelhaften Ermittlungen durch die belangte Behörde eben nicht feststeht.
3.1.3. Das gegenständlich zu beurteilende Verfahren ist als Verfahren über einen Folgeantrag zu qualifizieren, da ihm ein Antrag zugrunde liegt, der nach einem bereits rechtskräftig erledigten Antrag gestellt worden ist (§ 2 Abs 1 Z 23 AsylG 2005).
Gemäß § 68 Abs 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs 2 bis 4 AVG findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs können im Folgeantragsverfahren - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - nur neu entstandene Tatsachen, die einen im Vergleich zum rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren geänderten Sachverhalt begründen, zu einer neuen Sachentscheidung führen, nicht aber solche, die bereits vor Abschluss des vorangegangenen Asylverfahrens bestanden haben; vgl. VwGH 08.09.2015, Ra 2014/18/0089. Im Hinblick auf wiederholte Anträge auf internationalen Schutz kann nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen - berechtigen und verpflichten, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtlich Relevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein. Die behauptete Sachverhaltsänderung muss zumindest einen "glaubhaften Kern" aufweisen, dem Relevanz zukommt; vgl. VwGH 09.03.2015, Ra 2015/19/0048. Die Prüfung der Zulässigkeit eines Folgeantrages aufgrund geänderten Sachverhalts hat nur anhand der Gründe, die von der Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens vorgebracht wurden, zu erfolgen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Behörde (auch gänzlich) davon entbunden wäre, zu den von der Partei vorgebrachten Gründen Ermittlungen anzustellen. Der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs ist auch nicht zu entnehmen, dass die Behörde in Folgeantragsverfahren nicht darauf hinzuwirken hätte, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt werden; vgl. VwGH 15.12.2015, Ra 2015/18/0100 sowie § 18 AsylG 2005. Im Rechtsmittelverfahren ist ausschließlich zu prüfen, ob die Behörde erster Instanz zu Recht zum Ergebnis gelangt ist, dass keine wesentliche Sachverhaltsänderung eingetreten ist. Neues Sachverhaltsvorbringen in der Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Bescheid nach § 68 AVG ist von der "Sache" des Beschwerdeverfahrens vor dem BVwG nicht umfasst und daher unbeachtlich; vgl. VwGH 29.06.2015, Ra 2015/18/0122.
In Bezug auf die Spruchpunkte I und II des angefochtenen Bescheids hat das Bundesverwaltungsgericht also zu prüfen, ob die Behörde aufgrund des von ihr zu berücksichtigenden Sachverhalts zu Recht zum Ergebnis gelangt ist, dass im Vergleich zum rechtskräftig entschiedenen ersten Asylverfahren (Vergleichsmaßstab: Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 20.03.2018, L508 2176224-1/6E) keine wesentliche Änderung der maßgeblichen Umstände eingetreten ist; vgl. VwGH 25.04.2017, Ra 2016/01/0307.
3.1.4. Wie das Bundesverwaltungsgericht festgestellt hat, hat es die belangte Behörde unterlassen, sich mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers, seine Familie habe wegen politischer Probleme das Haus verlassen müssen, näher zu befassen. Die Behörde hat weder die notwendigen Ermittlungen vorgenommen, noch hat es sich in der Beweiswürdigung hinreichend mit dem Vorbringen auseinandergesetzt.
Die Behörde hat insbesondere überhaupt nicht darauf hingewirkt, dass der Beschwerdeführer sein Vorbringen u. a. insoweit vervollständige, wann und unter welchen Umständen die behaupteten Tatsachen stattgefunden haben sollen. Dies wäre aber entscheidend gewesen, um beurteilen zu können, ob der Beschwerdeführer behauptet habe, dass und inwieweit sich der Sachverhalt nach Eintritt der Rechtskraft des Erkenntnisses L508 2176224-1/6E geändert habe. Die Behörde hat sich damit begnügt, dem Beschwerdeführer (Suggestiv-)Fragen zu stellen, ob er neue Fluchtgründe habe, anstatt ordnungsgemäß zu prüfen, ob der Beschwerdeführer mit seinem Vorbringen neue Tatsachen behauptet hat. Damit ist sie den an sie gestellten Anforderungen nicht gerecht geworden.
Im Anschluss an die erforderlichen Ermittlungen wäre (allenfalls) zu prüfen gewesen, ob der behaupteten Sachverhaltsänderung für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen - im konkreten Fall - rechtlich Relevanz zukommt. In der - aus den unzureichenden Ermittlungen durch die Behörde - resultierenden Unkenntnis der etwaigen Sachverhaltsänderung kann dem Vorbringen des Beschwerdeführers nicht von Vornherein die Entscheidungsrelevanz abgesprochen werden; vgl. VwGH 4.11.2004, 2002/20/0391.
Die Behörde beschränkt sich in der Begründung des angefochtenen Bescheids (siehe insbesondere die Feststellungen unter Punkt 1.3.2.) neben allgemeinen Ausführungen zusammengefasst im Wesentlichen auf die Argumentation, wonach der Beschwerdeführer seine Fluchtgründe in modifizierter Form auf ein Vorbringen stütze, das er bereits im Vorverfahren erstattet habe und über welches bereits entschieden worden sei. Diese Auffassung kann das Bundesverwaltungsgericht auf der Grundlage des von der belangten Behörde geführten Verfahrens nicht teilen.
Wie das Bundesverwaltungsgericht festgestellt hat, führte die Behörde aus, dass das im gegenständlichen Verfahren Vorgebrachte jeglicher Grundlage entbehre, da schon den ursprünglich vorgebrachten Fluchtgründen keine Glaubhaftigkeit bzw. Asylrelevanz zugekommen sei. Derartige Ausführungen legen den Schluss nahe, die Behörde sei durchaus davon ausgegangen, der Beschwerdeführer habe etwas Neues behauptet. Davon ausgehend erweist sich die Beweiswürdigung im angefochtenen Bescheid als mangelhaft. Die belangte Behörde unterließ nämlich eine individuelle beweiswürdigende Auseinandersetzung mit dem konkreten vom Beschwerdeführer behaupteten Ereignis. Die Behörde hätte das Vorbringen im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs daraufhin überprüfen müssen, ob es einen "glaubhaften Kern" aufweise oder nicht. Dass das neue Vorbringen dabei in einem inhaltlichen Zusammenhang mit den im Erstverfahren nicht geglaubten Behauptungen stand, ändert an diesem Umstand nichts. Ein solcher Zusammenhang kann für die Beweiswürdigung der behaupteten neuen Tatsachen argumentativ von Bedeutung sein, macht eine Beweiswürdigung des neuen Vorbringens aber nicht von Vornherein entbehrlich; vgl. VwGH 13.11.2014, Ra 2014/18/0025.
Der angefochtene Bescheid erweist sich aus den dargelegten Gründen als rechtswidrig.
3.1.5. Die unter Punkt 3.1.4. angestellten Erwägungen gelten grundsätzlich auch im Hinblick auf den Gesundheitszustand des Beschwerdeführers. Auch insofern ist die belangte Behörde den Anforderungen an ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren (im Folgeantragsverfahren) und an die Beweiswürdigung nicht gerecht geworden. Die Behörde hat nicht einmal versucht, den Beschwerdeführer zur Aufklärung seiner innerhalb einer Befragung gemachten widersprüchlichen Angaben zu seinem Gesundheitszustand zu verhalten. In der Beweiswürdigung ist sie auf die widersprüchlichen Aussagen des Beschwerdeführers überhaupt nicht eingegangen. Wie die Behörde - ohne weitere Ermittlung und Begründung - zu dem Schluss kommen konnte, es habe sich weder eine schwere körperliche oder ansteckende Krankheit noch eine schwere psychische Störung ergeben, ist nicht nachvollziehbar. Auf Grundlage der Ausführungen und (unzureichenden) Ermittlungen der Behörde scheint nicht von Vornherein ausgeschlossen, dass die widersprüchlichen Angaben z. B. aus einer schweren psychischen Störung resultieren könnten. Der angefochtene Bescheid ist daher auch deshalb rechtswidrig, weil sich die belangte Behörde mit dem Gesundheitszustand des Beschwerdeführers unzureichend auseinandergesetzt hat.
3.1.6. Aus den bisherigen Ausführungen folgt, dass die belangte Behörde jedenfalls den für die Beurteilung des Antrags auf internationalen Schutz relevanten Sachverhalt so mangelhaft ermittelt hat, dass die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, insbesondere zur weiteren Befragung des Beschwerdeführers, unvermeidlich erscheint. Das Bundesverwaltungsgericht kann und darf die notwendigen Ermittlungen nicht selbst vornehmen. Im Beschwerdeverfahren gegen Bescheide, mit denen die belangte Behörde Anträge auf internationalen Schutz gemäß § 68 Abs 1 AVG zurückweist, hat das Bundesverwaltungsgericht nämlich ausschließlich auf Grundlage des von Behörde geführten Verfahrens und ermittelten Sachverhalts zu prüfen, ob diese zu Recht zum Ergebnis gelangt ist, dass keine wesentliche Sachverhaltsänderung eingetreten ist. Vgl. abermals VwGH 29.06.2015, Ra 2015/18/0122. Auch ist das Bundesverwaltungsgericht nicht berechtigt, jene ordnungsgemäße Prüfung des Vorbringens des Beschwerdeführers auf das Vorliegen eines "glaubhaften Kerns" nachzuholen, die die belangte Behörde unterlassen hat; vgl. VwGH 13.11.2014, Ra 2014/18/0025.
Es kommt daher § 21 Abs 3 BFA-VG zur Anwendung. Da sich die Zurückweisung des Antrags auf internationalen Schutz als rechtswidrig erweist und aufzuheben ist, liegen die gesetzlichen Voraussetzungen für die Spruchpunkte III bis VI des angefochtenen Bescheids auch nicht mehr vor (vgl. § 57 iVm § 58 AsylG 2005; § 10 Abs 1 Z 3 AsylG 2005; § 52 FPG; § 55 FPG). Daher sind auch diese Spruchpunkte aufzuheben.
Gemäß § 15b Abs 1 AsylG 2005 kann einem Asylwerber mittels Verfahrensanordnung des Bundesamts aus Gründen des öffentlichen Interesses, der öffentlichen Ordnung oder aus Gründen der zügigen Bearbeitung und wirksamen Überwachung des Antrags auf internationalen Schutz aufgetragen werden, in einem von der für die Grundversorgung zuständigen Gebietskörperschaft zur Verfügung gestellten Quartier durchgängig Unterkunft zu nehmen. Über die Verfahrensanordnung ist im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen. Der verfahrensabschließende Bescheid (Spruchpunkte I bis VI) ist, wie eben ausgeführt, rechtswidrig und aufzuheben. Wenngleich Spruchpunkt VII mit den übrigen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheids in keinem untrennbaren Zusammenhang zu stehen scheint, geht das Bundesverwaltungsgericht angesichts des klaren Gesetzeswortlauts davon aus, dass mit der Aufhebung des verfahrensabschließenden Bescheids iSd § 15 Abs 1 AsylG 2005 auch die gesetzliche Voraussetzung für den bescheidmäßigen Abspruch über die Unterkunftnahme wegfällt. Die vorliegende auf § 21 Abs 3 BFA-VG gestützte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ist keinesfalls als das Verfahren zum Antrag auf internationalen Schutz abschließende Entscheidung zu qualifizieren. Folglich ist auch Spruchpunkt VII aufzuheben.
Im Ergebnis war deshalb, wie in Spruchpunkt A) der vorliegenden Entscheidung ersichtlich, in Erledigung der Beschwerde der angefochtene Bescheid zu beheben und die Angelegenheit war gemäß § 21 Abs 3 BFA-VG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückzuverweisen. Das Verfahren ist somit zugelassen (§ 21 Abs 3 Satz 1 BFA-VG).
3.1.7. Die belangte Behörde wird sich im fortzusetzenden Verfahren mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers, seine Familie habe aus politischen Gründen das Haus verlassen müssen, und seinem Gesundheitszustand näher auseinandersetzen müssen. Die Behörde muss allfällig zwischenzeitig vorgelegte Beweismittel berücksichtigen und gemäß § 18 Abs 1 AsylG 2005 gegebenenfalls darauf hinwirken, dass getätigte Angaben ergänzt bzw. vervollständigt werden. Die belangte Behörde wird nach den dazu zweckmäßigen Ermittlungsschritten das Ermittlungsergebnis unter Berücksichtigung sämtlicher bekannter Bescheinigungsmittel einer - schlüssigen und individuellen - Beweiswürdigung zu unterziehen und individuelle Feststellungen zu treffen zu haben, wobei vom Beschwerdeführer dabei neu behauptete Geschehnisse - und auch seine Rechtfertigung für den Zeitpunkt seines Vorbringens - von der Behörde individuell und schlüssig daraufhin zu überprüfen sein werden, ob diese einen "glaubhaften Kern" aufweisen oder nicht.
3.1.8. Nach den bisherigen Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts erübrigt es sich, auf das weitere Vorbringen im Beschwerdeschriftsatz, das teilweise verfehlt erscheint (z. B.: Antrag auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten; die Familie des Beschwerdeführers sei "BND" Parteianhänger) und einen Bezug zum konkreten Fall vermissen lässt (z. B. wenn stellenweise von einem "BF1" zu lesen ist), einzugehen.
3.2. Entfall der mündlichen Verhandlung
Wegen der Behebung des angefochtenen Bescheides konnte eine Verhandlung gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG entfallen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, da die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die gegenständliche Entscheidung weicht nicht von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ab; vgl. die oben zitierten Entscheidungen. Darüber hinaus liegt bei Fehlen einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor, wenn die Rechtslage eindeutig ist (VwGH 28.05.2014, Ro 2014/07/0053). Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Abschiebung, Asylverfahren, Aufenthaltstitel, Behebung derEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:L527.2176224.2.00Zuletzt aktualisiert am
26.04.2019