TE Bvwg Erkenntnis 2019/2/15 G307 2187492-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.02.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

15.02.2019

Norm

B-VG Art.133 Abs4
FPG §67 Abs1
FPG §70 Abs3

Spruch

G307 2187492-1/14E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Markus MAYRHOLD als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, geb. am XXXX, StA: Polen, vertreten durch die Diakonie, gemeinnützige Flüchtlingsgesellschaft mbH - ARGE Rechtsberatung in 1170 Wien gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 01.02.2018, Zahl XXXX nach öffentlicher mündlicher Verhandlung zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde als unbegründet a b g e w i e s e n.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Schreiben vom 11.11.2016 forderte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien (im Folgenden: BFA, RD Wien) den Beschwerdeführer auf, zur beabsichtigten Erlassung eines Aufenthaltsverbotes binnen 10 Tagen ab Erhalt dieses Schreibens Stellung zu nehmen.

2. Am 01.12.2016 wurde der BF vor dem BFA zu seinen persönlichen Verhältnissen und der in Aussicht genommenen Erlassung eines Aufenthaltsverbotes einvernommen.

3. Mit dem im Spruch angeführten Bescheid vom 01.02.2018, dem BF persönlich zugestellt am 08.02.2018, wurde gegen diesen gemäß § 67 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG ein auf die Dauer von 5 Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.), ihm gemäß § 70 Abs. 3 kein Durchsetzungsaufschub erteilt (Spruchpunkt II.) und einer Beschwerde gegen diesen Bescheid die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG aberkannt (Spruchpunkt III.).

3. Mit Schreiben vom 27.02.2018, beim BFA eingebracht am selben Tag, erhob der BF durch die im Spruch angeführte Rechtsvertretung (im Folgenden: RV) Beschwerde gegen den angeführten Bescheid.

Darin wurde beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit zu beheben, in eventu das Aufenthaltsverbot (gemeint wohl dessen Dauer) wesentlich zu verkürzen, in eventu den bekämpften Bescheid zu beheben und zur Verfahrensergänzung an die Behörde erster Instanz zurückzuverweisen.

4. Die Beschwerde und der dazugehörige Verwaltungsakt wurden vom BFA dem Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) am 28.02.2018 vorgelegt und langten dort am selben Tag ein.

5. Am 11.12.2018 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht, Außenstelle Graz, eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, an welcher der BF und seine Rechtsvertretung teilnahmen sowie seine Lebensgefährtin als Zeugin vernommen wurden.

6. Am 15.01.2019 legte der BF dem BVwG seinen Versicherungsdatenauszug vor.

7. Am 17.01.2019 legte der BF durch seine RV zwei dem Inhalt nach idente Patientenbriefe des XXXX in XXXX hinsichtlich seines stationären Aufenhalts vor.

8. Am XXXX.2019 legte der BF eine Bestätigung über seine ambulante Nachbetreuung vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der BF führt die im Spruch angegebene Identität (Name und Geburtsdatum), ist polnischer Staatsbürger, ledig, hat keine Sorgepflichten, hält sich seit Mai 2007 im Bundesgebiet auf und führt mit der polnischen Staatsbürgerin XXXX, geb. am XXXX, eine Beziehung. Der BF lernte XXXX im Jahr 2016 über einen Freund näher kennen. Zuvor war sie ihm von Begegnungen schon seit dem Jahr 2014 bekannt. Letztere geht derzeit keiner Beschäftigung nach. Der BF wohnte bis dato mit seiner Lebensgefährtin (LG) 5 Monate im gemeinsamen Haushalt.

Abgesehen davon verfügt der BF im Bundesgebiet über keine familiären oder sozialen Bindungen und ist nicht Mitglied in einem Verein oder einer sonstigen Einrichtung. Die Mutter und der Bruder des BF leben in Polen.

1.2. Der BF geht momentan keiner Beschäftigung nach. Er ist im Besitz einer Einstellungszusage der XXXX. Bis dato war der BF ab 07.05.2007 bei 5 Arbeitgeberin in insgesamt 9 Arbeitsverhältnissen legal unselbständig beschäftigt. Daneben weist er vom XXXX.2010 bis XXXX.2010 auch eine legale selbständige Tätigkeit auf. Der BF finanzierte seinen Aufenthalt ferner durch seine gewerblich selbständige Tätigkeit, welche er von XXXX.2010 bis XXXX.2011 ausübte und durch "Schwarzarbeit".

1.3. Die BF ist arbeitsfähig. Es konnte nicht festgestellt werden, dass der BF über Deutschkenntnisse eines bestimmten Niveaus verfügt.

1.4. Dem BF liegen folgende Verurteilungen zur Last:

1. BG XXXX, in Rechtskraft erwachsen am XXXX.2014, wegen versuchten Diebstahls, Diebstahls, Verleumdung und vorsätzlicher Körperverletzung gemäß §§ 15, 127, 127, 287 und 83 StGB, Geldstrafe € 400,00, im Nichteinbringungsfall Ersatzfreiheitsstrafe 50 Tage.

2. BG XXXX zu XXXX, in Rechtskraft erwachsen am XXXX.2014 wegen versuchten Diebstahls gemäß §§ 15, 127 StGB zu einer bedingte Freiheitsstrafe von einem Monat unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren.

3. LG für Strafsachen XXXX zu XXXX, in Rechtskraft erwachsen am XXXX.2016 wegen versuchte Einbruchsdiebstahls und Urkundenfälschung gemäß §§ 15, 127, 129 Abs. 1 Z1, 223 Abs. 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von insgesamt 12 Monaten, davon 8 Monate bedingt unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren sowie

4. LG für Strafsachen XXXX zu XXXX, in Rechtskraft erwachsen am 09.01.2018 wegen versuchten, gewerbsmäßigen Einbruchsdiebstahls, versuchter Nötigung sowie Körperverletzung gemäß §§ 15, 127, 130 Abs. 1, 1. Fall, 15, 105 Abs. 1 und 83 Abs. 1 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 12 Monaten.

Im Zuge der zuletzt genannten Verurteilung wurde der BF für schuldig befunden, er habe versucht, Verfügungsberechtigten der XXXX eine Jacke im Wert von € 129,99 wegzunehmen, indem er vier Jacken in eine Umkleidekabine gebracht gehabt, von einer der vier Jacken die Diebstahlsicherung mit einem Seitenschneider entfernt und diese Jacke in seinem mitgebrachten Rucksack verstaut habe, während er die anderen Jacken zurückgehängt habe, wobei er vom Ladendetektiv dabei beobachtet worden sei. Ferner wurde dem BF darin angelastet, er habe den Ladendetektiv zur Abstandnahme der Durchsetzung seines Anhalterechts zu nötigen versucht, indem er ihm einen Stoß sowie einen Faustschlag ins Gesicht gegen die rechte Gesichtshälfte versetzt habe.

Als mildernd wurden hiebei das Geständnis sowie der Umstand, dass es beim Versuch geblieben sei, als erschwerend das Zusammentreffen von drei Vergehen, die Vorstrafen und der rasche Rückfall während der Probezeit gewertet.

Festgestellt wird, dass der BF das darin beschriebene Verhalten gesetzt und die angeführten Straftaten begangen hat.

Der BF absolvierte von XXXX2015 bis XXXX.2016 eine Alkoholentzugstherapie im XXXX in XXXX, während derer auch eine psychische Verhaltensstörung durch Alkohol, sowie spezielle epileptische Syndrome festgestellt wurden. In der Zeit zwischen XXXX.2016 und XXXX.2017 suchte er im Rahmen der ambulanten Nachbetreuung das XXXX insgesamt 18 Mal auf.

Der BF wurde am XXXX.2017 festgenommen und befindet sich derzeit in der Justizanstalt XXXX in Haft

1.5. Der BF wurde mit Schreiben des BFA vom XXXX.2016 unter Hinweis auf seine damals jüngste Verurteilung ermahnt, dass er im Falle eines weiteren Fehlverhaltens mit Erlassung einer aufenthaltsbeenden Maßnahme rechnen müsse. Damals wurde jedoch von einer solchen Abstand genommen.

2. Beweiswürdigung

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl sowie des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

Der BF legte einen auf seinen Namen ausgestellten polnischen Reisepass vor, an dessen Echtheit und Richtigkeit keine Zweifel aufgekommen sind.

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zu Identität, Familienstand, Bestand von Verwandten in der Heimat und dem Freisein von Obsorgepflichten auf Seiten des BF getroffen wurden, beruhen diese auf den im angefochtenen Bescheid getätigten Feststellungen, denen in der gegenständlichen Beschwerde nicht entgegengetreten wurde, den Ausführungen in der Beschwerde und dem Vorbringen in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG.

Die bisher rechtmäßig wie unrechtmäßig ausgeübten Beschäftigungen folgen den Angaben des BF in dessen Einvernahme vor dem BFA, jenen in der mündlichen Verhandlung sowie dem Inhalt des auf seine Person lautenden Auszuges aus dem Zentralen Melderegister (ZMR) und der Sozialversicherung. Dass der BF bereits seit 2007 in Österreich aufhältig ist, hat er in der mündlichen Verhandlung glaubhaft versichert, zumal er bereits seit 2007 legal (und auch illegal) im Bundesgebiet gearbeitet (laut Sozialversicherungsdatenauszug) und er angegeben hat, ohne Anmeldung in Österreich Unterkunft genommen zu haben.

Die Wahrnehmung einer Entzugstherapie ergibt sich aus den nach der mündlichen Verhandlung am 17.01.2019 vorgelegten Bestätigungen.

Der Bestand der Beziehung mit XXXX ab dem Jahr 2016 sowie deren Beschäftigungslosigkeit ergeben sich aus den Ausführungen in der Beschwerde, denen in der mündlichen Verhandlung wie deren dort getätigten Aussagen. Dass dieser mit seiner LG rund 5 Monate zusammen gewohnt hat, ist mit seinem Wissen um die genaue Anschrift in der XXXX und dem Vorbringen in Einklang zu bringen, sein Vermieter habe nicht gewollt, dass sie dort gemeldet ist.

Die Verurteilungen samt Entscheidungsgründen zur jüngsten Entscheidung des LG XXXX folgen den im Akt einliegenden Urteilsausfertigungen wie dem Amtswissen des erkennenden Gerichtes durch Einsichtnahme in das Strafregister der Republik Österreich.

Der BF hat in der mündlichen Verhandlung zwar Grundkenntnisse der deutschen Sprache vermittelt, ein bestimmtes Niveau konnte jedoch in Ermangelung der Vorlage eines dahingehenden Sprachzertifikats nicht festgestellt werden.

Der BF hat zwar selbst ausgeführt, gesund und arbeitsfähig zu sein und deuten auch die bisher verübten Erwerbstätigkeiten darauf hin, doch sind den vorgelegten Patientenbriefen des Anton-Proksch-Instituts die dort angeführten Abhängigkeiten zu entnehmen.

Der Zeitpunkt der jüngsten Festnahme wie jener des aktuellen Aufenthaltes in Haft ergeben sich aus dem ZMR sowie der Vollzugsdateninformation der Justizanstalt XXXX.

Die Ermahnung an den BF, er müsse im Falle der Setzung eines weiteren Fehlverhaltens mit dem Ausspruch einer aufenthaltsbeenden Maßnahme rechnen ist dem diesbezüglichen Schriftstück im Akt zu entnehmen.

Die Einstellungszusage folgt der Einstellungszusage der XXXX vom XXXX.2018

Anhaltspunkte für das Vorliegen sonstiger intensiver sozialer Kontakte oder der Mitgliedschaft in Vereinen hat der BF nicht dargetan.

Wenn in der Beschwerde vermeint wird, der BF habe lange unbescholten im Bundesgebiet gelebt, so hat sich das Blatt mittlerweile gewendet. Dem BF liegen 4 Verurteilungen zur Last und wiegt dieses Fehlverhalten daher umso mehr, als der BF - wie noch in der rechtlichen Beurteilung zu zeigen sein wird - offenbar keine Einsicht in sein unrechtmäßiges Handeln hat. Die Umstände der Beziehung mit seiner Lebensgefährtin, die Einstellungszusage und die Gesamtaufenthaltsdauer im Bundesgebiet wurden nun - vermittelt durch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung - in die Beurteilung miteinbezogen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Der mit "Aufenthaltsverbot" betitelte § 67 FPG lautet:

"(1) Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

(2) Ein Aufenthaltsverbot kann, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.

(3) Ein Aufenthaltsverbot kann unbefristet erlassen werden, wenn insbesondere

1. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;

2. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB);

3. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder

4. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.

(4) Bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes ist auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Die Frist beginnt mit Eintritt der Durchsetzbarkeit zu laufen.

(5) (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 87/2012)"

Der mit "Schutz des Privat- und Familienlebens" betitelte § 9 BFA-VG lautet:

"§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 Abs. 1a FPG nicht erlassen werden, wenn

1. ihm vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG), BGBl. Nr. 311, verliehen hätte werden können, oder

2. er von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen ist.

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.

(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt."

3.1.2. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens war die Beschwerde als unbegründet abzuweisen, dies aus folgenden Gründen:

Für den BF, der aufgrund seiner polnischen Staatsangehörigkeit in den persönlichen Anwendungsbereich von § 67 FPG fällt, kommt der Prüfungsmaßstab des § 67 Abs. 1., 5. Satz FPG für Unionsbürger zur Anwendung, weil sie sich seit mehr als 10 Jahre in Österreich aufhält.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährdungsprognose das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils anzuwendende Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist (vgl dazu etwa VwGH 25.04.2014, Ro 2014/21/0039).

Bei der vom BF zu erstellenden Gefährdungsprognose stehen die 4 Verurteilungen, hier insbesondere die aktuellste im Fokus der Betrachtung. Der BF wurde zuletzt unbestritten vom Wien rechtskräftig wegen versuchten Diebstahls, gewerbsmäßigen Diebstahls, versuchter Nötigung und Körperverletzung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 12 Monaten verurteilt. Er befindet sich noch immer in Haft. Zudem umfassten die Verurteilungen zuvor Tatbestände ebenso wegen Diebstahls, Einbruchsdiebstahls, Verleumdung, Körperverletzung und Urkundenfälschung auf. Insgesamt befand er sich bis zu seiner dritten Verurteilung 4 Monate in Haft und steigerte sein strafbares Verhalten, was in der - von Verurteilung zu Verurteilung - immer höheren Strafe Ausdruck fand.

Dieses Handeln stellt jedenfalls ein die öffentliche Sicherheit auf dem Gebiet des Fremdenwesens besonders schwer gefährdendes und beeinträchtigendes Fehlverhalten dar (vgl. VwGH 22.09.2011, GZ 2008/18/0508).

Was die vom BF verübten Diebstähle, seien sie in Form der Gewerbsmäßigkeit, des Einbruchs oder ohne Qualifikation sowie eine Urkundenfälschung begangen worden, betrifft, so sprach sich der VwGH in solchen Fällen immer wieder von einer Gefährdung maßgeblicher öffentlicher Interessen (vgl. etwa VwGH vom 22.09.2011, Zahl 2008/18/0508, VwGH 04.08.2016, Zahl Ra 2016/21/0207, VwGH 19.12.2012 Zahl 2012/22/0215). Auch eine Körperverletzung sieht der VwGH als ein dem Aufenthaltsverbot zugänglichen Tatbestand an (siehe 23.02.2016, Ra 2015/01/0249).

Der BF beging seine Delikte auch über einen Zeitraum von 5 Jahren und zeigte keine Einsicht in sein Fehlverhalten, welches weitestgehend von seiner Alkoholsucht geprägt war.

Der Gesinnungswandel eines Straftäters ist grundsätzlich daran zu prüfen, ob und wie lange er sich in Freiheit wohlverhalten hat (zu all dem vgl. etwa das Erkenntnis vom 21. Februar 2013, Zl. 2011/23/0192). Die aktuelle Verurteilung liegt erst rund etwas mehr als 1 zurück und befindet sich die BF noch immer in Haft.

Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zeigt sich vorliegend somit als verhältnismäßig.

Zu beurteilen bleibt schließlich noch die Frage der Gegenwärtigkeit der Gefahr im Sinne des § 67 FPG, welche kumulativ mit der Erheblichkeit und der Tatsächlichkeit vorliegen muss. Wegen der langen Aufenthaltsdauer des BF ist sein Handeln im Lichte des § 67 Abs. 1, 5. Satz FPG zu betrachten, also zu prüfen, ob dieses die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährden würde.

Aus den bereits oben angeführten Umständen ergibt sich jedenfalls eine gegenwärtige, erhebliche und Tatsächliche Gefahr seitens des BF-Verhaltens. So liegt das zuletzt gesetzte strafbare Verhalten des BF noch nicht lange zurück, weist dieser 4 Verurteilungen innerhalb kurzer Zeitspannen auf, die in Bezug auf das Gewicht der Taten auch als erheblich erscheinen. Das Verhalten des BF kann auch nicht als einmalige Verfehlung gewertet werden, weshalb die Gefahr auch tatsächlich gegeben ist.

Durch die immer wieder kehrende Strafbarkeit verwirklichte der BF auch eine nachhaltige Gefahr, die er vermittelt durch die Diversität und Intensität auch maßgeblich in die Tat umsetzte. Verschärft wird diese Gefahr auch durch die Alkoholsucht des BF, die zwar therapeutisch behandelt wurde.

Der VwGH hat jedoch schon vermehrt ausgesprochen, dass auch eine (erfolgreich absolvierte) Therapie nicht selbstredend zu einem Wegfall dieser Gefahr führt (17.11.2016, Ra 2016/21/0193).

Wie ferner bereits hervorgehoben, erweist sich die bis dato verstrichene Zeitspanne als zu kurz, um eine Gegenwärtigkeit der Gefahr im Sinne des § 67 FPG ausschließen zu können.

Ferner konnte im Lichte der im Sinne des § 9 BFA-VG gebotenen Abwägung der privaten und familiären Interessen der BF mit den entgegenstehenden öffentlichen Interessen nicht zu einer Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes führen. Der BF lernte seine LG erst im Jahr 2016 kennen und befindet sich noch immer in Haft. Angesichts der 2016 ausgesprochenen Ermahnung musste dem BF bereits damals die Unsicherheit seines Aufenthalts bewusst gewesen sein, den er durch eine weitere Verurteilung umso mehr aufs Spiel gesetzt hat. Der alleinige Umstand, dass die BF sich seit langer Zeit im Bundesgebiet aufhält, kann zudem einen weiteren Verbleib im Bundesgebiet angesichts des sonst gesetzten Verhaltens nicht rechtfertigen.

Nach dem besagten und in seiner Gesamtheit gravierenden Fehlverhalten der BF ist davon auszugehen, dass das gegen sie erlassene Aufenthaltsverbot gemäß § 9 BFA-VG zulässig ist, ist es doch zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, Verhinderung von weiteren strafbaren Handlungen im Umgang mit Suchtmitteln) dringend geboten.

Die öffentlichen Interessen an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes sind demnach höher zu gewichten als die gegenläufigen, privaten und familiären Interessen der BF. Unter diesen Umständen ist die Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung nach § 9 BFA-VG als zulässig zu werten (vgl etwa VwGH 20.08.2013, 2013/22/0097).

3.2. Auch die Dauer des Aufenthaltsverbotes erscheint als angemessen. Der scheinbar unbelehrbare BF ging mehrere Male über 5 Jahre hinweg deliktischem Verhalten nach und ignorierte dadurch die gesetzlichen Vorschriften im Bereich des Eigentums- Urkunden- und körperlichen Integritätsrechts. Auch das restliche Gesamtverhalten des BF kann nicht zu einer Reduktion der Aufenthaltsverbotsdauer führen, zumal dieser zwar immer wieder beschäftigt war, aber dieser Umstand ihn nicht davon abgehalten, wieder straffällig zu werden. Die Wahl einer 5jährigen Aufenthaltsverbotsdauer ist somit als verhältnismäßig anzusehen.

3.3. Zu den Spruchpunkten II. und III. des bekämpften Bescheides

Gemäß § 70 Abs. 3 FPG ist EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen ist bei der Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.

Mangels widerstreitender Angaben und fassbarer entgegenstehender Momente war dem BF - rechtsrichtig - ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat einzuräumen.

Gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG kann bei EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden, wenn deren sofortige Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist.

Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom BFA aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Gemäß § 18 Abs. 6 BFA-VG steht ein Ablauf der Frist nach Abs. 5 der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht entgegen.

Wegen des massiv strafbaren Verhaltens des BF ist dessen sofortige Ausreise bzw. Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich und erfolgte die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung des BFA zu Recht.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Aufenthaltsverbot, Durchsetzungsaufschub, Interessenabwägung,
öffentliche Interessen, strafrechtliche Verurteilung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:G307.2187492.1.00

Zuletzt aktualisiert am

26.04.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten