TE Bvwg Erkenntnis 2019/2/20 W168 2185207-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.02.2019
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Entscheidungsdatum

20.02.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52
FPG §55

Spruch

W168 2185207-1/17E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter MMag. Dr. Bernhard MACALKA als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.12.2017, Zahl 1097136501/151882785, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 30.10.2018, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß den §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 57 AsylG 2005,

§ 9 BFA-VG, und §§ 52, 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (BF) stellte nach unrechtmäßiger Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 27.11.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 24/2016BF.

2. Bei der mit einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes durchgeführten Erstbefragung des Beschwerdeführers am selben Tag führte dieser zu seinem Fluchtgrund befragt zusammenfassend aus, dass er eine Affäre mit einem Mädchen gehabt habe und dieses heiraten habe wollen. Aus diesem Grund habe er seiner Braut eine Uhr gekauft, im Zuge dessen sei der BF jedoch vom Bruder seiner Freundin erwischt worden und sei von diesem unter Drohungen angeschossen worden. Sein Onkel habe dem BF in weiterer Folge durch finanzielle Hilfe unterstützt, das Land schnellstmöglich verlassen zu können. Bei einer Rückkehr in den Heimatstaat habe der BF Angst, vom Bruder seiner ehemaligen Freundin erschossen zu werden.

3. Das Alter des Beschwerdeführers wurde durch das BFA angezweifelt. Aus diesem Grund wurde eine multifaktorielle Altersfeststellung in Auftrag gegeben. Mit einer durchgeführten Untersuchung der Medizinischen Universität Wien wurde das Vorliegen einer Volljährigkeit festgestellt. Der BF erreichte mit Datum 30.11.2015 die Volljährigkeit.

4. Am 28.07.2017 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: "BFA" genannt), im Asylverfahren niederschriftlich einvernommen. Dabei führte er zusammenfassend aus, dass er gesund sei und keine Medikamente einnehme. Auf Vorhalt, den vorgelegten Befunden zufolge an latenter Tuberkulose zu leiden, entgegnete der BF, dass diese Krankheit in Österreich festgestellt worden sei. Er habe über einen bestimmten Zeitraum hinweg dreimal am Tag Tabletten einnehmen müssen.

Zu seinen Lebensumständen im Herkunftsstaat befragt, führte der BF aus, dass er aus dem Distrikt Sange-e-Masha, Provinz Ghazni, stamme. Auf Vorhalt, dass er im Rahmen der Erstbefragung nur angegeben habe, dass sich seine Heimatadresse in Jaghori befinde, erwiderte der BF, dass Jaghori und Sange-e-Masha dasselbe sei. Die Hauptstädte der Distrikte Jaghori oder Sange-e-Masha könne der BF jedoch nicht nennen. Neben dem Fluss Sange-e-Masha könne der BF keine Berge oder Straßen aufzählen. Den genauen Weg von seinem Dorf in die Stadt Sange-e-Masha wisse der BF ebenfalls nicht. Der BF habe in Afghanistan mit seiner jüngeren Schwester gelebt, da seine Eltern bereits verstorben seien. Seine Schwester lebe nunmehr bei seinem Onkel im Iran, daher habe der BF keine weiteren Familienangehörigen in Afghanistan. Befragt, wie er seinen Lebensunterhalt bestritten habe, erklärte der BF, dass er bis zum Tod seines Vaters von den Einnahmen eines Lebensmittelgeschäftes gelebt habe. Nach dessen Tod sei der BF als Landwirt tätig gewesen. Ihr Onkel habe dem BF und dessen Schwester zwar ab und zu geholfen, aufgrund der Verwaltung ihrer Grundstücke sei der BF gemeinsam mit seiner Schwester jedoch an der ursprünglichen Wohnadresse geblieben. Die Grundstücke seien nach dem Tod der Eltern vom Onkel des BF verpachtet worden. Der BF könne keine identitätsbezeugenden Dokumente zur Vorlage bringen und habe niemals einen Reisepass besessen. Er sei schiitischer Hazara, habe von 2006 bis 2012 sechs Jahre lang die Schule besucht und anschließend als Landwirt gearbeitet. Die wirtschaftliche Situation seiner Familie sei gut gewesen, da Erbe vorhanden gewesen sei. Die Frage, ob er noch Kontakt zu seinem Onkel im Iran habe, wurde vom BF bejaht. Die Schlepperkosten seien mithilfe des Erbes seines Vaters beglichen worden. Die Fragen, ob er im Herkunftsland Straftaten begangen habe oder gegen ihn im Heimatland ein Haftbefehl vorliege, wurden vom BF verneint.

Zum Fluchtgrund befragt, gab der BF an, dass er in Afghanistan eine Freundin gehabt und diese geliebt habe. Sie hätten sich öfters geheim bei einer Quelle getroffen, eines Tages sei jedoch der Bruder des Mädchens beim vereinbarten Treffpunkt erschienen und habe auf den BF geschossen, weshalb er gemeinsam mit seiner Schwester zu seinem Onkel geflüchtet sei. Dieser habe dem BF die Ausreise aus Afghanistan nahegelegt und ihm versprochen, die Obsorge für seine Schwester zu übernehmen. Anschließend habe sich der BF über den Iran nach Europa begeben. Auf Aufforderung, nähere Angaben zu seiner Beziehung zu machen, brachte der BF vor, dass er seine Freundin bei einem Englischkurs kennengelernt habe und seit seiner Kindheit befreundet gewesen sei. Nach dem Tod seines Vaters habe er sich öfters mit dieser getroffen und sie hätten eine Beziehung begonnen. Befragt, wie der Bruder des Mädchens erfahren habe, dass sich seine Schwester mit ihrem Freund an der Quelle treffe, erklärte der BF, dass sie sich an diesem Ort oft getroffen hätten und er wisse, wieso sie gerade in dieser Nacht beobachtet worden seien. Der BF selbst habe den besagten Bruder jedenfalls nicht gesehen, sei von seiner Freundin jedoch vor einem möglichen Angriff ihres Bruders gewarnt worden, da sie zuvor mit ihrer Schwester telefoniert habe. Die Quelle sei nur fünf Minuten vom Elternhaus des Mädchens entfernt gewesen, da sich seine Freundin meistens bei ihrer Familie aufgehalten habe. Zur Frage, was für ihn der ausschlaggebende Grund gewesen sei, zu flüchten, entgegnete der BF, dass er Angst um sein Leben gehabt habe. Befragt, wie es seinem Onkel möglich gewesen sei, die Ausreise so zeitnah zu organisieren, erklärte der BF, dass er zu diesem nach dem geschilderten Vorfall gefahren sei und alles erzählt habe, woraufhin dieser einen Schlepper für die Weiterreise des BF beauftragt habe. Der Onkel des BF lebe aus medizinischen Gründen mit seiner Ehefrau und seinen Kindern in Teheran, da er Behandlungen benötige. Befragt, weshalb er nicht im Iran geblieben sei, erwiderte der BF, dass er mit seinem Onkel in Afghanistan Kontakt aufgenommen habe, der ihn darüber informiert habe, dass seine Affäre bei den Dorfbewohnern sowie beim Mullah bekannt sei. Bei einer Rückkehr würde der BF daher von den Familienangehörigen seiner Freundin oder von den Dorfbewohnern getötet werden. Die Frage, ob er in Erwägung gezogen habe, sich in einen anderen Teil seines Heimatlandes zu begeben, um sich den angegebenen Schwierigkeiten zu entziehen, wurde vom BF verneint. Er habe auch keine persönlichen Probleme aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit oder Religionszugehörigkeit gehabt. Erst nach Gewährung einer Überlebensgarantie würde er wieder in sein Heimatland zurückkehren.

Zu seinen Lebensumständen in Österreich befragt, führte der Beschwerdeführer aus, dass er nie von einer gerichtlichen Verfügung oder einem Gerichtsverfahren betroffen gewesen sei und von der Grundversorgung lebe. Er habe im Bundesgebiet keine Verwandten und besuche in seinem Asylheim einen Deutschkurs. Der BF sei zwar kein Mitglied in einem Verein oder einer sonstigen Organisation, habe jedoch bereits österreichische Freunde.

Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme wurden vom BF eine Bestätigung über die Teilnahme an einem Deutschkurs vom 06.02.2016- 31.05.2016, eine Teilnahmebestätigung an einem Werte-und Orientierungskurs vom 15.11.2016, Schriftstücke der Bezirkshauptmannschaft Amstetten über die Verpflichtung zur Vorlage eines lungenfachärztlichen Befundes, ein Schreiben der Radiologie über ein durchgeführtes Thoraxröntgen mit dem Ergebnis kleiner verkalkter Primärkomplex rechts, verkalktes Granulom links, fachärztlicher Befunde vom 01.02.2017 sowie vom 28.06.2017 mit der Diagnose "latente Tuberkuloseinfektion" übermittelt, als Therapievorschlag wurden regelmäßige Kontrollen empfohlen.

5. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Dem Beschwerdeführer wurde gemäß §§ 57 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei. Weiters wurde innerhalb des Spruches ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.

Zusammenfassend führte das BFA aus, dass die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz damit im Wesentlichen zu begründen sei, dass die Identität des Beschwerdeführers mangels Vorlage eines Identitätsdokumentes nicht feststehe. Der Gesundheitszustand des BF ergebe sich aus den vorgelegten Arztbriefen. Es sei widersprüchlich, dass der BF einerseits erwähnt habe, sofort nach Entdecken des Bruders seiner Freundin weggelaufen zu sein, andererseits aber zuvor einen Warnanruf der Schwester seiner Freundin erhalten zu haben. Hätte der BF tatsächlich einen Warnanruf der Schwester seiner Freundin erhalten, hätte sich der BF rechtzeitig von dort entfernen können und hätte nicht erst beim Entdecken des Bruders davonlaufen müssen. Weiters sei befremdlich, dass er in seiner Einvernahme seine Heiratsabsichten bezüglich seiner Freundin nicht mit einem Wort erwähne. Die zum Zwecke der Verlobung mit seiner Freundin eingekaufte Uhr habe der BF ebenfalls während seiner Einvernahme unerwähnt gelassen, obwohl er sich in seiner Erstbefragung noch explizit darauf berufen habe. In Anbetracht der Verhältnisse in Afghanistan sei nicht einmal ansatzweise nachvollziehbar und glaubhaft, dass das besagte Mädchen riskiert hätte, sich mit dem BF heimlich bei einer Quelle zu treffen. Die Angaben zur Fluchtbegründung seien somit widersprüchlich und unglaubwürdig. Aufgrund seiner wenig substantiierten Darstellungsweise und den entstandenen Widersprüchen sei es dem BF nicht gelungen, eine Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention darzutun. Da es auch sonst keinerlei Anhaltspunkte gebe, die auf eine Verfolgungsgefahr im gegenständlichen Fall-etwa aus Gründen seiner persönlichen Merkmale-hindeuten würde, sei sein Asylantrag aufgrund des Fehlens der Flüchtlingseigenschaft seiner Person abzuweisen. Es würden sich keine Anhaltspunkte ergeben, dass er nicht in der Lage wäre, seine Grundbedürfnisse-erforderlichenfalls unter Inanspruchnahme von humanitärer Hilfe und der Unterstützung von Verwandten-zu decken. Der BF sei ein junger, gesunder, arbeitsfähiger Mann mit Berufserfahrung. Er sei vor seiner Ausreise jahrelang in der Landwirtschaft tätig. Sein Onkel mütterlicherseits habe ihm Geld für die Ausreise bereitgestellt. Eine Unterstützung durch ihn im Falle seiner Rückkehr könne angenommen werden, da dieser über finanzielle Einkünfte verfüge. Er könne den BF auch vom Iran aus unterstützen. Aufgrund seiner Berufserfahrung, Arbeitsfähigkeit und der Unterstützung seiner Verwandten, sei es ihm möglich und zumutbar, seinen Lebensmittelpunkt in Afghanistan zu setzen. Weiters würden sich auch aus der allgemeinen politischen und menschenrechtlichen Situation sowie der allgemeinen Sicherheitslage in Afghanistan keine Anhaltspunkte für die Annahme ableiten würden, dass im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan von einer realen Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention oder für den BF als Zivilperson von einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts auszugehen sei. Der BF sei im November 2015 in das Bundesgebiet eingereist und sei kein Opfer von Gewalt. Die Voraussetzung für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß § 57 AsylG seien nicht gegeben. Daher sei ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG nicht zu erteilen. Der BF sei erst vor kurzer Zeit in Österreich eingereist und besuche einen Deutschkurs. Er habe keine besonderen Bindungen zu Österreich und lebe von der Grundversorgung. Es seien im Verfahren keine Ansatzpunkte hervorgetreten, die die Vermutung einer besonderen Integration in Österreich rechtfertigen würden. Demgegenüber stehe das Interesse der Öffentlichkeit an einem geordneten Vollzug des Fremdenwesens. Aufgrund dieser Gesamtabwägung der Interessen und unter Beachtung aller bekannten Umstände ergebe sich, dass die Abschiebung zur Erreichung des in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zieles gerechtfertigt sei.

6. Gegen den oben genannten Bescheid richtet sich die erhobene Beschwerde, welche fristgerecht beim BFA einlangte. In dieser wird zusammenfassend insbesondere ausgeführt, dass sich die im angefochtenen Bescheid getroffenen Länderfeststellungen als veraltet und unzureichend erweisen würden. Aus der Rechtsprechung des Vw6GH gehe hervor, dass der Entscheidung zum Entscheidungszeitpunkt aktuelle Länderberichte zugrunde gelegt werden müssten. Es wurde auf Berichte verschiedener Quellen verwiesen und angemerkt, dass sich die Sicherheitslage in ganz Afghanistan zuletzt wieder derart verschlechtert habe, dass auch Kabul oder andere Großstädte nicht als ausreichend sichere Orte für eine Neuansiedelung betrachtet werden könnten. Insoweit die Behörde eine vermeintliche innerstaatliche Fluchtalternative in Kabul annehme, müsse auch ausgeführt werden, dass Kabul vom starken Anstieg der Zahl der RückkehrerInnen aus Pakistan betroffen sei. Die Aufnahmekapazitäten Kabuls seien aufgrund dieser begrenzten Möglichkeiten der Existenzsicherung, Marktliquidität, der fehlenden Verfügbarkeit angemessener Unterbringung sowie des mangelnden Zugangs zu grundlegenden Versorgungsleistungen äußerst eingeschränkt. Dies habe unmittelbare Auswirkungen auf die Prüfung, ob Kabul als innerstaatliche Fluchtalternative vorgeschlagen werden könne, insbesondere mit Blick auf die Zumutbarkeit. Die belangte Behörde habe es verabsäumt, eine ordnungsgemäße Einzelfallprüfung vorzunehmen. Ergänzend werde auf den Artikel von Friederike Stahlmann "Überleben in Afghanistan" verwiesen. Hinsichtlich der Wirtschaftslage in Afghanistan werde hier zunächst festgestellt, dass der Grund für den dortigen wirtschaftlichen Einbruch neben dem Abzug der internationalen Truppen auch die sich konstant verschlechternde Sicherheitslage sowie fehlende Rechtsstaatlichkeit und weit verbreitete Korruption sei. Die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid angeführte angebliche innerstaatliche Fluchtalternative in Kabul bestehe nicht, da Kabul mittlerweile die gefährlichste Stadt Afghanistans sei. Hätte das BFA die hier angeführten Berichte und Entscheidungen berücksichtigt, hätte es zum Schluss kommen müssen, dass dem BF im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan asylrelevante Verfolgung drohe und dass im gegenständlichen Fall keine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung stehe. Eine Niederlassung in Afghanistan sei dem BF außerdem nicht zumutbar, da ein wirtschaftliches Überleben des BF unter menschenwürdigen Bedingungen mangels sozialen Netzwerkes in Afghanistan ausgeschlossen werden könne. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan drohe dem BF eine reale Gefahr der Verletzung in seinen in Art. 2, 3 EMRK festgeschriebenen Rechten. Die Behörde habe durch das mangelhafte Ermittlungsverfahren ihren Bescheid mit wesentlichen Mängeln behaftet. Entgegen der Ansicht der Behörde scheine es nicht unlogisch, dass sich der BF und seine Freundin in der Nähe ihres Hauses getroffen hätten, da sie jung und ineinander verliebt gewesen seien, weswegen sie das Risiko, entdeckt zu werden, in Kauf genommen hätten, auch wenn es rational keinen Sinn ergeben habe. Das Bundesamt gehe davon aus, dass Tuberkulose in Afghanistan gratis behandelt werden könne, da dies aus einer Anfragebeantwortung hervorgehe. Wie jedoch auch aus der Anfrage hervorgehe, seien auch nicht jegliche Medikamente, die zur Behandlung der Krankheit benötigt werden würden, gratis erhältlich. Die belangte Behörde gehe davon aus, dass der Onkel des BF in der Lage wäre, ihn finanziell zu unterstützen. Dieser wäre jedoch nicht in der Lage, den BF finanziell zu unterstützen, da er bereits der Schwester des BF ein Leben bei ihm ermögliche und damit nach Ansicht des Onkels genügend getan werde. Eine vor-bzw. außereheliche Beziehung zwischen einem jungen Mann und einer jungen Frau stelle eine ernste Verletzung der Familienehre, insbesondere der Ehre der Familie der Frau, dar. Die Familie der Frau könne damit drohen, sowohl ihre eigene Tochter als auch den Mann und seine Familie zu töten, unabhängig davon, ob es sich bei der vor-bzw. außerehelichen Beziehung um eine sexuelle oder rein freundschaftliche gehandelt habe. Aufgrund der allgemeinen Sicherheitslage sei auch nicht davon auszugehen, dass von staatlichen Stellen in Afghanistan Schutz geboten werden könne. Eine Schutzunfähigkeit des afghanischen Staates in Bezug auf den Schutz vor Verfolgungshandlungen von nichtstaatlichen Akteuren werde demnach eindeutig bejaht. Die Schutzunfähigkeit sei auf die bestehende Situation in Afghanistan zurückzuführen und müsse der Zweck des Asylrechts auch dahingehend gesehen werden, einen fehlenden staatlichen Schutz auszugleichen. Beantragt wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

Am 14.05.2018, beim Bundesverwaltungsgericht am 16.05.2018 eingelangt, wurde vom bevollmächtigten Vertreter des BF ein ÖSD Zertifikat vorgelegt, wonach der BF eine Prüfung auf dem Niveau A1 gut bestanden habe.

Am 21.09.2018, beim Bundesverwaltungsgericht am 26.09.2018 eingelangt, wurde vom bevollmächtigten Vertreter des BF ein ÖSD Zertifikat vorgelegt, wonach der BF eine Prüfung auf dem Niveau A2 gut bestanden habe.

7. Die gegenständliche Beschwerde und die bezughabenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 29.01.2018 vom BFA vorgelegt.

8. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 30.10.2018 in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Farsi und im Beisein des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in der der Beschwerdeführer ausführlich zu seinen persönlichen Umständen und seinen Fluchtgründen befragt wurde. Zur Frage, weshalb er gegen den Bescheid des Bundesamtes Beschwerde erhoben habe, erklärte der BF, dass die Familienmitglieder seiner Freundin Mullahs aus seiner Schule gewesen seien und ihn in Afghanistan überall finden hätten können. Neben seiner im Iran lebenden Schwester und seinem Onkel habe der BF keine weiteren Familienangehörigen im Herkunftsstaat. Sein Onkel verdiene den Lebensunterhalt als Bauer oder Bauarbeiter. Der BF habe in Afghanistan seine Grundstücke verwaltet und davon Einnahmen in Höhe von 1000-12000 Afghani im Monat erhalten. Der Familie des BF sei es in Afghanistan wirtschaftlich gut gegangen.

Zum Fluchtgrund befragt, führte der BF aus, dass er mit seiner Schwester ein normales, ruhiges Leben geführt habe. Er habe sich oftmals mit einem Mädchen an einer Wasserstelle verabredet und dieses zu heiraten beabsichtigt. Beim letzten Treffen habe seine Freundin jedoch einen Anruf von ihrer Schwester erhalten, die ihr mitgeteilt habe, dass der gemeinsame Bruder sie und den BF suche. Aus diesem Grund habe sich der BF auf die andere Seite der Wasserquelle begeben, der Bruder seiner Freundin habe ihn dennoch entdeckt und mehrere Male auf ihn geschossen. In weiterer Folge sei der BF auf dem Motorrad mit seiner Schwester zu seinem Onkel gefahren, der ihm versichert habe, sich um seine Schwester zu kümmern, ihm jedoch keine weitere Unterstützung bieten könne. Zur Frage, wie er seine Freundin kennengelernt habe, erwiderte der BF, dass sie sich bei einem Englischkurs als Teenager näher kennengelernt hätten. Auf Vorhalt, dass es in Afghanistan unüblich sei, dass Frauen und Männer zusammen einen Englischkurs besuchen, entgegnete der BF, dass Hazara diese Möglichkeiten hätten, ein Mädchen sich jedoch keinen Mann auswählen könne. Der BF habe vor seiner Ausreise insgesamt vier-bis fünfmal intimen Kontakt mit seiner Freundin gehabt und seit der Absolvierung des besagten Englischkurses nach sieben Monaten eine intime Beziehung geführt. Den weiteren Vorhalt, dass er im Rahmen der Befragung vor dem BFA angegeben habe, das Mädchen bei einem Brunnen getroffen zu haben, bestätigte der BF. Sie hätten sich an jener Stelle getroffen, wo sie niemand sehen habe können. Befragt, welche besonderen Eigenschaften dieses Mädchen gehabt habe, erklärte der BF, dass sie Verständnis für seine Situation als Waise gezeigt habe. Andere hätten ihn lediglich herablassend behandelt. Zur Frage, welche Erwerbstätigkeit der Vater seiner Freundin gehabt habe, erwiderte der BF, dass dieser als Polizist tätig gewesen sei. Befragt, ob er offiziell um die Hand seiner Freundin angesucht habe, brachte der BF vor, dass die Eltern deren Beziehung nicht ernst genommen hätten. Der BF sei zudem nicht davon ausgegangen, eine reale Chance auf eine Heirat zu bekommen, weshalb er geplant habe, mit seiner Freundin zu fliehen und sie erst später zu ehelichen. Auf Vorhalt, dass er durch eine Eheschließung die Ehre des Mädchens wiederherstellen hätten können, entgegnete der BF, dass es diese Möglichkeit nicht gegeben habe, da der Bruder und die restlichen Familienmitglieder seiner Freundin ihn mitsamt seiner Schwester misshandelt und hingerichtet hätten. Derselbe Regelbruch sei zuvor bereits von anderen Männern begangen worden. Auf weiteren Vorhalt, wieso er sich bei solchen negativen Konsequenzen dann freiwillig auf das Mädchen eingelassen habe, gab der BF zu Protokoll, dass er darauf keine Antwort geben könne. Zum Vorhalt, dass ein Mullah wissen müsse, dass die Ehre mit einer Heirat wiederhergestellt sei, erklärte der BF, dass er dieses Recht auf Heirat nicht einfordern habe können. Dem Mullah sei es zudem wichtig, dass es für diese schändliche Tat keine Nachahmer gebe. Zum Vorhalt, dass sich auch ein Mullah nicht grundlegende Prinzipien des Koran verletzen könne, gab der BF zu Protokoll, dass er aufgrund des Schusses Angst bekommen habe. Zur Frage, wie ihn der Bruder des Mädchens gefunden habe, entgegnete der BF, dass der vereinbarte Treffpunkt bei der Wasserstelle nur wenige Gehminuten vom Haus seiner Freundin entfernt gewesen sei. Aufgrund der vorherrschenden Dunkelheit sei der BF vom Schuss nicht getroffen worden und wie seine Freundin in weiterer Folge verblieben sei und wie ihr Bruder sie aufspüren habe könne, wisse er nicht. Befragt, ob er den Mordversuch zur Anzeige gebracht habe, erwiderte der BF, dass bei Anzeigeeinbringung auch die illegitime außereheliche Beziehung eingestehen hätte müssen. Über den weiteren Verbleib seiner Freundin wisse der BF jedenfalls nicht Bescheid, er könne sich jedoch vorstellen, dass sie aufgrund der Vorkommnisse nicht geehelicht werde. Bei einer Rückkehr in den Heimatstaat würde er höchstwahrscheinlich von den Mullahs gesteinigt werden. Zum Vorhalt, dass er eine intime Beziehung zu einem Mädchen begonnen habe, sich dann in weiterer Folge aber nicht mehr um diese gekümmert habe, obwohl Töchter nach einer Ehrverletzung bestraft werden würden, brachte der BF vor, dass sein Problem gewesen sei, dass er zuvor gegen die Regeln gehandelt habe. Zur Frage, ob er vor Ausreise in Erwägung gezogen habe, sich in andere Provinzen oder Städte Afghanistans wie Mazar-e Sharif oder Kabul zu begeben, gab der BF an, dass er zu jung gewesen sei und mit seiner Schwester auf Grundstücken gearbeitet habe.

Zur Reiseroute befragt, gab der BF zu Protokoll, dass er sich eines Schleppers bedient habe, den sein Onkel ausfindig gemacht habe. Die Schleppung habe insgesamt etwa 5000 Dollar gekostet, die er von seinem verstorbenen Vater und aus Verkaufserlösen zur Verfügung gehabt habe. Zum Vorhalt, dass in Afghanistan kein Meldewesen bestehe und er daher die Möglichkeit gehabt habe, in eine größere Stadt Afghanistans zu ziehen, um dort eine neue Lebensgrundlage aufzubauen, erklärte der BF, dass er in Afghanistan neben seiner Schwester keine weiteren Anknüpfungspunkte gehabt habe, man jedoch in diesem Land den Schutz einer sozialen Gruppe benötige. In Griechenland oder Serbien und Montenegro sei der BF aufgrund der schlechten Betreuung nicht geblieben und da Asylwerber trotz Kälte in einem Zelt hätten schlafen müssen.

Zu seinen Lebensumständen in Österreich befragt, gab der BF zu Protokoll, dass er gelegentlich bei der Gemeinde ausgeholfen habe, jedoch weiterhin in der Grundversorgung sei. Befragt, ob es in Österreich Personen gebe, zu denen der BF ein besonderes Nahe-oder Abhängigkeitsverhältnis habe, erklärte der BF, dass er zu einer Österreicherin ein mütterliches Verhältnis pflege. Er besuche zudem im Bundesgebiet an jedem Sonntag die Kirche, einen Taufkurs sowie einen Deutschkurs. Befragt, wieso er sonntags immer die Kirche besuche, entgegnete der BF, dass er seit seiner Ankunft Nächstenliebe spüre und ihm in der Kirche ein bestimmter Weg aufgezeigt worden sei. Das wohlgesonnene Verhalten seiner Mitmenschen habe dazu geführt, dass er nunmehr beabsichtige, Christ zu werden, um durch diese Religion Erfüllung zu finden. Das Christentum würde bestimmte Freiheiten gewähren, währenddessen in der islamischen Religion Tötung und Vergeltung vorherrschen würden. Zur Frage, weshalb er sich für das Christentum und nicht für andere Religionen interessiere, gab der BF zu Protokoll, dass er in der Bibel gelesen habe, durch Nächstenliebe das ewige Leben zu erlangen. Befragt, was für ihn die zentrale Glaubensaussage des Christentums sei, erwiderte der BF, dass dies für ihn Werte wie Zuneigung, Liebe und Akzeptanz des Anderen wären. Im Gegensatz dazu gebe es im Islam nur Mord und Intoleranz. Auf die Frage, wie er im Alltag seinen Glauben auslebe, brachte der BF vor, dass ihm missionarische Tätigkeiten wichtig seien und ihn sein Glaube grundlegend verändert habe. Zur Frage, was man unter Dreifaltigkeit verstehe, entgegnete der BF, dass diese Konstellation Gott und drei weitere Personen, nämlich den Vater, den Sohn und den heiligen Geist repräsentiere. Das innere Wesen des Christentums stelle für den BF die Tatsache dar, dass Jesus Christus der einzige Sohn Gottes sei, der durch seine Kreuzigung die Sünden der Menschen getilgt habe. Es gebe niemanden, der nicht gesündigt habe. Befragt, wieso der Sohn Gottes für die Menschheit sterben müsse, damit diese erlöst sei, entgegnete der BF, dass sein Tod ein Akt aus Liebe gewesen sei. Auf Vorhalt, dass auch der Islam eine Erlösungsreligion sei, brachte der BF vor, dass im Christentum für Andersgläubige gebetet werde und nicht -wie im Islam- deren Niedergang prophezeit werde. Die Baptisten würden dem BF zudem ermöglichen, in seiner Sprache zu beten. Zur Frage, wie er mit der Baptistengemeinde in Kontakt gekommen sei, erklärte der BF, dass ein Freund vor eineinhalb Jahren bereits konvertiert sei und sein Interesse geweckt habe.

Ein Vertreter des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl nahm an der Verhandlung nicht teil; die Verhandlungsschrift wurde der Erstbehörde übermittelt.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung wurden vom BF eine Bestätigung über die Absolvierung eines "Al Massira" Kurses (Glaubenskurses) vom 04.10.2018-07.02.2019, eine Teilnahmebestätigung über die Absolvierung mehrerer Integrationsprogramme vom 12.10.2018, eine Bestätigung über die Absolvierung gemeinnütziger Tätigkeiten für eine Gemeinde vom 15.10.2018, ein Zertifikat über die Absolvierung einer Prüfung auf dem Niveau A2 vom 04.09.2018, ein fachärztlicher Befund mit der Diagnose "latente Tuberkuloseinfektion", eine Bestätigung über die Teilnahme an Gottesdiensten der Baptistengemeinde Linz vom 25.10.2018 sowie eine Bestätigung vom 23.10.2018, wonach der BF kein Mitglied der Islamischen Glaubensgemeinschaft sei, in Vorlage gebracht.

9. In einer Stellungnahme vom 23.10.2018, beim Bundesverwaltungsgericht am 29.10.2018 eingelangt, wurde vom bevollmächtigten Vertreter des BF ausgeführt, dass aus der vorliegenden Berichtslage hervorgehe, dass ein Abfall vom Islam bzw. eine Konversion zum Christentum in Afghanistan mit Verfolgungsgefahr von asylrelevanter Bedeutung verbunden sei und gerade für abgefallene gebürtige Muslime ein Praktizieren des christlichen Glaubens in Afghanistan unmöglich sei. Dem gegenständlich angefochtenen Bescheid sei noch die Berichtslage des Länderinformationsblattes März 2017 zu Grunde gelegt worden, welche jedoch zum derzeitigen Entscheidungszeitpunkt nicht mehr haltbar sein könne. Die signifikante Verschlechterung der Lage in Afghanistan werde in den UNHCR Richtlinien vom 30.08.2018 dokumentiert. Aufgrund der gegenwärtig menschenrechtlichen und humanitären Lage in Kabul sei eine innerstaatliche Flucht-oder Ansiedelungsalternative in Kabul nicht möglich oder zumutbar. Zur ohnehin schon schweren humanitären Krise in Afghanistan aufgrund des anhaltenden schweren innerstaatlichen Konflikts und der immensen Masse an Binnenvertriebenen und der erzwungenen Rückkehrer aus dem Ausland sei zudem noch die anhaltende Dürre zu berücksichtigen. Der BF stamme aus der volatilen Provinz Ghazni, gehöre der religiösen und gleichzeitig ethischen Minderheit der schiitischen Hazara an und verfüge in Afghanistan über keinerlei familiäre Anknüpfungspunkte, die ihm im Falle einer Rückkehr stützend behilflich sein könnten. Seine Eltern seien bereits verstorben, seine Schwester sowie sein Onkel würden im Iran leben und er sei als Apostat vom islamischen Glauben abgefallen, um zum Christentum zu konvertieren. In der Zusammenschau der persönlichen Lebensumstände des BF mit der letztaktuellen Lage in Afghanistan erscheine seine Rückkehr nach Afghanistan nicht zumutbar. Der Stellungnahme wurden die bereits im Rahmen der mündlichen Verhandlung übermittelten Unterlagen angeschlossen.

10. Mit Datum 04.12.2018 wurde ein Empfehlungsscheiben der Baptistengemeinde Linz betreffend des BF in Vorlage gebracht, dem zu entnehmen ist, dass der BF Gottesdienste besucht und sich um Integration bemühen würde. Auch hätte der BF mehrfach sein Interesse an einer Taufe und einen Übertritt zum christlichen Glauben bekundet. Ab Februar würde der BF einen mehrmonatigen Taufkurs besuchen.

11. Mit Datum 06.02.2019 wurde eine Bestätigung an der Teilnahme eines Kurses Al Massira (die Reise) an das BVwG übermittelt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers

Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsangehöriger, schiitischer Moslem und gehört der Volksgruppe der Hazara an. Der Beschwerdeführer beherrscht die Sprache Farsi. Der Beschwerdeführer ist in Afghanistan aufgewachsen. Die Eltern des BF besaßen Grundstücke in der Provinz Ghazni und sind den Angaben des BF nach bereits verstorben. Die Schwester des BF lebt bei einem Onkel im Iran. Mit diesen beiden Familienangehörigen steht der Beschwerdeführer mittels Telefon in Kontakt. Mit sich in Afghanistan aufhältigen Personen hat der BF keinen Konktakt. Der Beschwerdeführer hält sich seit November 2015 im Bundesgebiet auf. Bei dem Beschwerdeführer handelt es sich um einen jungen gesunden Mann im arbeitsfähigen Alter.

Der Beschwerdeführer leidet gegenwärtig an keinen lebensbedrohlichen körperlichen oder psychischen Erkrankungen und steht gegenwärtig in keiner durchgehenden medizinischen Behandlung.

Der Beschwerdeführer ist strafgerichtlich unbescholten.

1.2. Zu den Beschwerdegründen:

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer Afghanistan aufgrund einer glaubwürdigen ihn persönlich betreffenden unmittelbaren Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verlassen hat.

Die angegebenen Gründe für das Verlassen Afghanistans sind unglaubwürdig.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Ansichten von staatlicher Seite oder von Seiten Dritter bedroht wäre.

Nicht festgestellt werden kann, dass dem Beschwerdeführer wegen seiner Zugehörigkeit zur Religionsgemeinschaft der Schiiten oder zur Volksgruppe der Hazara Verfolgung in Afghanistan droht.

Der Beschwerdeführer besucht seit August 2018 die Gottesdienste der Baptistengemeinde Linz und trat am 23.10.2018 aus der islamischen Glaubensgemeinschaft aus.

Der BF hat die Taufe noch nicht empfangen, bzw. beabsichtigt ab Februar 2019 einen Taufkurs zu besuchen.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr nach Afghanistan seinem Interesse am christlichen Glauben weiter nachgehen würde, bzw. diesen Glauben dort ausleben würde. Es kann nicht festgestellt werden, dass er einen christlichen Glauben verinnerlicht hat oder, dass ein christlicher Glaube bereit eine integraler Bestandteil der Persönlichkeit des BF geworden ist. Es kann nicht festgestellt werden, dass ein christlicher Glaube nach außen in Erscheinung tritt und, dass der Beschwerdeführer alleine aufgrund dieses Merkmales einer Verfolgung ausgesetzt wäre. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer sein behauptetes Interesse für den christlichen Glauben im Falle der Rückkehr nach Afghanistan äußerlich zur Schau tragen würde.

Es kann nicht festgestellt werden, dass das Interesse des Beschwerdeführers in Österreich am christlichen Glauben sich gegenwärtig in Afghanistan aufhältigen Familienmitgliedern des Beschwerdeführers oder etwa anderen Personen in Afghanistan bekannt ist.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer aufgrund seines Interesses für den christlichen Glauben bei einer Rückkehr nach Afghanistan einer asylrelevanten Bedrohung bzw. Verfolgung in Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgesetzt wäre.

Bei einer Rückkehr nach Afghanistan und einer Niederlassung in einer der größeren Städte von Afghanistan wie Masar -e Sharif oder Herat, die über internationale Flughäfen erreichbar sind, besteht für den Beschwerdeführer als arbeitsfähigen Mann im berufsfähigen Alter ohne festgestellten besonderen Schutzbedarf keine berücksichtigungswürdige Bedrohungssituation, bzw. läuft dieser dort auch nicht in Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.

Der strafrechtlich unbescholtene Beschwerdeführer ist seit seiner Antragstellung durchgehend ausschließlich nur auf Grund des vorläufigen Aufenthaltsrechts während des Asylverfahrens rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig. Der Beschwerdeführer hat an einem Integrationsprogramm sowie einem Glaubenskurs teilgenommen und verfügt über Deutschkenntnisse; er hat in Österreich Deutschkurse bzw. gemeinnützige Arbeiten für eine Gemeinde verrichtet und Zertifikate über abgelegte Prüfungen auf dem Niveau A1 und A2 vorgelegt. Er verfügt in Österreich über keine Verwandten, hat keine sonstigen engen familienähnlichen Bindungen zu sich in Österreich aufhältigen Personen, bzw. ist das Vorliegen eines besonders zu berücksichtigenden Nahe - bzw. Abhängigkeitsverhältnisses zu Personen im Bundesgebiet nicht dargelegt worden. Der Beschwerdeführer lebt von der Grundversorgung und ist nicht selbsterhaltungsfähig.

Das Vorliegen einer insgesamt besonders berücksichtigungswürdigen Integration in Österreich kann in casu nicht festgestellt werden.

Das Bestehen von besonderen Gründen die für ein Verbleiben der beschwerdeführenden Partei im Bundesgebiet sprechen sind dem vorliegenden Verwaltungsakt nicht zu entnehmen.

1.3. Zur Situation im Herkunftsstaat wird Folgendes festgestellt:

(gekürzt und zusammengefasst durch das BVwG)

KI vom 29.10.2018, Parlamentswahlen und UNAMA-Update zu zivilen Opfern (relevant für Abschnitt 3/Sicherheitslage und Abschnitt 2/Politische Lage)

Am 20. und am 21.10.2018 fand in Afghanistan die Wahl für das Unterhaus (Wolesi Jirga, Anm.) in 32 der 34 Provinzen statt (AAN 21.10.2018b; vgl. LS 21.10.2018). In der Provinz Ghazni wurde die Parlamentswahl verschoben, voraussichtlich auf den 20.4.2019, wenn u. a. auch die Präsidentschafts- und Distriktwahlen stattfinden sollen (siehe hierzu KI der Staatendokumentation vom 19.10.2018). In der Provinz Kandahar fand die Wahl am 27.10.2018 mit Ausnahme der Distrikte Nesh und Maruf statt (AAN 26.10.2018; vgl. CNN 27.10.2018). Grund für die Verzögerung war die Ermordung u.a. des lokalen Polizeichefs General Abdul Raziq am 18.10.2018 (AJ 19.10.2018; vgl. LS 21.10.2018). Während der Wahl in der Provinz Kandahar wurden keine sicherheitsrelevanten Vorfälle gemeldet (CNN 27.10.2018). Die Wahl, die für den 20.10.2018 geplant war, wurde um einen Tag verlängert, weil die Wähler aus sicherheits- und technischen Gründen in zahlreichen Provinzen nicht wählen konnten:

Lange Wartezeiten vor den Wahllokalen sowie verspätete Öffnungszeiten, Mangel an Wahlunterlagen, Probleme bei der biometrischen Verifizierung der Wähler, sicherheitsrelevante Vorfälle usw. waren die Hauptprobleme während der beiden Wahltage (AAN 20.10.2018; vgl. AAN 21.10.2018a). Von den ca. neun Milionen Afghanen und Afghaninnen, die sich für die Wahl registriert hatten, wählten laut Schätzungen der Independent Election Commission (IEC) zwischen drei und vier Milionen (CNN 27.10.2018; vgl. RN 21.10.2018, AAN 21.10.2018b). In den Städten und Gebieten, die als sicherer gelten, war der Wahlandrang höher als in den ländlichen Gegenden, in denen die Taliban Einfluss ausüben (AAN 20.10.2018; vgl. RN 21.10.2018, AAN 21.10.2018a).

Während der beiden Wahltage fanden Quellen zufolge landesweit ca. 200 sicherheitsrelevante Vorfälle statt und ca. 170 Zivilsten kamen während des ersten Wahltages ums Leben bzw. wurden verwundet: In Kabul wurden 15 Tote, in Baghlan 12, in Nangarhar 11 und in Kunduz 3 Tote verzeichnet. Auch Mitglieder der afghanischen Sicherheitskräfte befanden sich unter den Opfern (vgl. AAN 21.10.2018a, RN 21.10.2018, AFP 20.10.2018).

Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte zwischen 1.1.2018 und 30.9.2018 im Zusammenhang mit den Parlamentswahlen insgesamt 366 zivile Opfer (126 Tote und 240 Verletzte) (UNAMA 10.10.2018).

Anmerkung: Weiterführende Informationen über den Wahlprozess in Afghanistan können der KI der Staatendokumentation vom 19.10.2018 entnommen werden.

Zivile Opfer

Insgesamt wurden im selben Berichtszeitraum 8.050 zivile Opfer (2.798 Tote und 5.252 Verletzte) verzeichnet. Die meisten zivilen Opfer wurden durch Selbstmord- und Nicht-Selbstmord-IED

Zivilisten in den Provinzen Nangarhar, Kabul, Helmand, Ghazni und Faryab waren am stärksten betroffen. In Nangarhar wurde bis 30.9.2018 die höchste Zahl an zivilen Opfern (1.494) registriert:

davon 554 Tote und 940 Verletzte (UNAMA 10.10.2018).

Regierungsfeindliche Gruppierungen verursachten 65% der zivilen Opfer (5.243): davon 1.743 Tote und 3.500 Verletze. 35% der Opfer wurden den Taliban, 25% dem Islamic State Khorasan Province (ISKP) und 5% unidentifizierten regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben (darunter 1% selbsternannten Mitgliedern des ISKP) (UNAMA 10.10.2018).

Regierungfreundliche Gruppierungen waren für 1.753 (761 Tote und 992 Verletzte) zivile Opfer verantwortlich: 16% wurden durch die afghanischen, 5% durch die internationalen Sicherheitskräfte und 1% durch regierungfreundliche bewaffnete Gruppierungen verursacht (UNAMA 10.10.2018).

Quellen:

AAN - Afghanistan Analysts Network (26.10.2018): Before Election Day

Three: Looking at Kandahar's upcoming vote, https://www.afghanistan-analysts.org/before-election-day-threelooking-at-kandahars-upcoming-vote/, Zugriff 29.10.2018, ua.

KI vom 19.10.2018, Aktualisierung: Sicherheitslage in Afghanistan - Q3.2018 (relevant für Abschnitt 3 / Sicherheitslage)

Allgemeine Sicherheitslage und sicherheitsrelevante Vorfälle

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt volatil (UNGASC 10.9.2018). Am 19.8.2018 kündigte der afghanische Präsident Ashraf Ghani einen dreimonatigen Waffenstillstand mit den Taliban vom 20.8.2018 bis 19.11.2018 an, der von diesen jedoch nicht angenommen wurde (UNGASC 10.9.2018; vgl. Tolonews 19.8.2018, TG 19.8.2018, AJ 19.8.2018). Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum (15.5.2018 - 15.8.2018) 5.800 sicherheitsrelevante Vorfälle, was einen Rückgang von 10% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres bedeutet. Bewaffnete Zusammenstöße gingen um 14% zurück, machten aber weiterhin den Großteil der sicherheitsrelevanten Vorfälle (61%) aus. Selbstmordanschläge nahmen um 38% zu, Luftangriffe durch die afghanische Luftwaffe (AAF) sowie internationale Kräfte stiegen um 46%. Die am stärksten betroffenen Regionen waren der Süden, der Osten und der Süd-Osten, wo insgesamt 67% der Vorfälle stattfanden. Es gibt weiterhin Bedenken bezüglich sich verschlechternder Sicherheitsbedingungen im Norden des Landes:

Eine große Zahl von Kampfhandlungen am Boden wurde in den Provinzen Balkh, Faryab und Jawzjan registriert, und Vorfälle entlang der Ring Road beeinträchtigten die Bewegungsfreiheit zwischen den Hauptstädten der drei Provinzen (UNGASC 10.9.2018).

Zum ersten Mal seit 2016 wurden wieder Provinzhauptädte von den Taliban angegriffen: Farah- Stadt im Mai, Ghazni-Stadt im August und Sar-e Pul im September (UNGASC 10.9.2018; vgl. Kapitel 1., KI 11.9.2018, SIGAR 30.7.2018, UNGASC 6.6.2018). Bei den Angriffen kam es zu heftigen Kämpfen, aber die afghanischen Sicherheitskräfte konnten u.a. durch Unterstützung der internationalen Kräfte die Oberhand gewinnen (UNGASC 10.9.2018; vgl. UNGASC 6.6.2018, GT 12.9.2018). Auch verübten die Taliban Angriffe in den Provinzen Baghlan, Logar und Zabul (UNGASC 10.9.2018). Im Laufe verschiedener Kampfoperationen wurden sowohl Taliban- als auch ISKP-Kämpfer (ISKP, Islamic State Khorasan Province, Anm.) getötet (SIGAR 30.7.2018).

Sowohl die Aufständischen als auch die afghanischen Sicherheitskräfte verzeichneten hohe Verluste, wobei die Zahl der Opfer auf Seite der ANDSF im August und September 2018 deutlich gestiegen ist (Tolonews 23.9.2018; vgl. NYT 21.9.2018, ANSA 13.8.2018, CBS 14.8.2018).

Trotzdem gab es bei der Kontrolle des Territoriums durch Regierung oder Taliban keine signifikante Veränderung (UNGASC 10.9.2018; vgl. UNGASC 6.6.2018). Die Regierung kontrollierte - laut Angaben der Resolute Support (RS) Mission - mit Stand 15.5.2018 56,3% der Distrikte, was einen leichten Rückgang gegenüber dem Vergleichszeitraum 2017 (57%) bedeutet. 30% der Distrikte waren umkämpft und 14% befanden sich unter Einfluss oder Kontrolle von Aufständischen. Ca. 67% der Bevölkerung lebten in Gebieten, die sich unter Regierungskontrolle oder -einfluss befanden, 12% in Gegenden unter Einfluss bzw. Kontrolle der Aufständischen und 23% lebten in umkämpften Gebieten (SIGAR 30.7.2018).

Der Islamische Staat - Provinz Khorasan (ISKP) ist weiterhin in den Provinzen Nangarhar, Kunar und Jawzjan aktiv (USGASC 6.6.2018; vgl. UNGASC 10.9.2018). Auch war die terroristische Gruppierung im August und im September für öffentlichkeitswirksame Angriffe auf die schiitische Glaubensgemeinschaft in Kabul und Paktia verantwortlich (UNGASC 10.9.2018; vgl. KI vom 11.9.2018, KI vom 22.8.2018). Anfang August besiegten die Taliban den in den Distrikten Qush Tepa und Darzab (Provinz Jawzjan) aktiven "selbsternannten" ISKP (dessen Verbindung mit dem ISKP in Nangarhar nicht bewiesen sein soll) und wurden zur dominanten Macht in diesen beiden Distrikten (AAN 4.8.2018; vgl. UNGASC 10.9.2018).

Zivile Opfer

Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte im Berichtszeitraum (1.1.2018 - 30.6.2018) 5.122 zivile Opfer (1.692 Tote und 3.430 Verletzte), ein Rückgang von 3% gegenüber dem Vorjahreswert. 45% der zivilen Opfer wurden durch IED [Improvisierte Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen, aber auch Selbstmordanschläge, Anm.] regierungsfeindlicher Gruppierungen verursacht. Zusammenstöße am Boden, gezielte Tötungen, Luftangriffe und explosive Kampfmittelrückstände waren weitere Ursachen für zivile Opfer. Zivilisten in den Provinzen Kabul, Nangarhar, Faryab, Helmand und Kandahar waren am stärksten betroffen. Wobei die Zahl der durch Zusammenstöße am Boden verursachten zivilen Opfer um 18% und die Zahl der gezielten Tötungen deutlich zurückging. Jedoch ist die Opferzahl bei komplexen und Selbstmordangriffen durch regierungsfeindliche Gruppierungen gestiegen (um 22% verglichen mit 2017), wobei 52% der Opfer dem ISKP, 40% den Taliban und der Rest anderen regierungsfeindlichen Gruppierungen zuzuschreiben ist (UNAMA 15.7.2018).

Regierungsfeindliche Gruppierungen waren im UNAMA-Berichtszeitraum (1.1.2018 - 30.6.2018) für 3.413 (1.127 Tote und 2.286 Verletzte) zivile Opfer verantwortlich (67%): 42% der Opfer wurden den Taliban, 18% dem IS und 7% undefinierten regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben. Im Vergleich mit dem ersten Halbjahr 2017 stieg die Anzahl ziviler Opfer von gezielten Angriffen auf Zivilisten um 28%, was hauptsächlich auf Angriffe auf die öffentliche Verwaltung und Vorfälle mit Bezug auf die Wahlen zurückzuführen ist (UNAMA 15.7.2018).

Ungefähr 1.047 (20%) der verzeichneten zivilen Opfer wurden regierungsfreundlichen Gruppierungen zugeschrieben: 17% wurden von den afghanischen Sicherheitskräften, 2% durch die internationalen Streitkräfte und 1% von regierungsfreundlichen bewaffneten Gruppierungen verursacht. Gegenüber 2017 sank die den regierungstreuen Gruppen zugerechnete Zahl ziviler Opfer von Zusammenstößen am Boden um 21%. Gleichzeitig kam es jedoch zu einem Anstieg der Opfer von Luftangriffen um 52% (Kunduz, Kapisa und Maidan Wardak) (UNAMA 15.7.2018; vgl. UNAMA 25.9.2018a, UNAMA 25.9.2018b).

Auch wurden von UNAMA zivile Opfer durch Fahndungsaktionen, hauptsächlich durch die Spezialkräfte des National Directorate of Security (NDS) und regierungsfreundliche bewaffnete Gruppierungen wie die Khost Protection Force (KPF) verzeichnet (UNAMA 15.7.2018).

Dennoch unternahm die afghanische Regierung weiterhin Anstrengungen zur Reduzierung der Zahl ziviler Opfer, was hauptsächlich während Bodenoperationen einen diesbezüglichen Rückgang zur Folge hatte. Die Regierung verfolgt eine "nationale Politik für zivile Schadensminimierung und - prävention" und das Protokol V der "Konvention über bestimmte konventionelle Waffen in Bezug auf explosive Kriegsmunitionsrückstände", welche am 9.2.2018 in Kraft getreten ist. Bei Bodenoperationen regierungfeindlicher Gruppierungen (hauptsächlich Taliban) wurde ein Rückgang der zivilen Opfer um 23% im Vergleich zu 2017 verzeichnet. So sank etwa die Zahl der zivilen Opfer der hauptsächlich von den Taliban eingesetzten Druckplatten-IEDs um 43% (UNAMA 15.7.2018).

Wahlen

Zwischen 14.04.2018 und 27.7.2018 fand die Wählerregistrierung für die Parlaments- sowie Distriktwahlen statt. Offiziellen Angaben zufolge haben sich im genannten Zeitraum 9,5 Millionen Wähler registriert, davon 34% Frauen (UNGASC 10.9.2018). Die Registrierung der Kandidaten für die Parlaments- sowie Distriktwahlen endete am 12.6.2018 bzw. 14.6.2018 und die Kandidatenliste für die Parlamentswahlen wurde am 2.7.2018 veröffentlicht (UNGASC 10.9.2018). Am 25.9.2018 wurde vom Sprecher der Independent Electoral Commission (IEC) verkündet, dass die landesweiten Distriktwahlen sowie die Parlamentswahlen in der Provinz Ghazni am 20.10.2018 nicht stattfinden werden (im Rest des Landes hingegen schon).

Begründet wurde dies mit der niedrigen Anzahl registrierter Kandidaten für die Distriktwahlen (nur in 40 von 387 Distrikten wurden Kandidaten gestellt) sowie mit der "ernst zu nehmenden Sicherheitslage und anderen Problematiken". Damit wurden beide Wahlen (Distriktwahlen landesweit und Parlamentswahlen in Ghazni) de facto für 2018 abgesagt. Obwohl noch nicht feststeht, wann diese nachgeholt werden sollen, ist der 20.4.2019, an dem u.a. die Präsidentschafts- sowie Provinzwahlen stattfinden sollen, als neuer Termin wahrscheinlich (AAN 26.9.2018). Die Registrierung der Kandidaten für die Präsidentschaftswahl ist für den Zeitraum 11.11.2018 - 25.11.2018 vorgesehen; die vorläufige Kandidatenliste soll am 10.12.2018 bereitstehen, während die endgültige Aufstellung am 16.1.2019 veröffentlicht werden soll (AAN 9.10.2018). Ohne die Provinz Ghazni sank die Zahl der registrierten Wähler mit Stand Oktober 2018 auf ungefähr 8.8 Milionen (AAN 9.10.2018; vgl. IEC o. D.). Die Verkündung der ersten Wahlergebnisse für die Parlamentswahlen (ohne Provinz Ghazni) ist für den 10.11.2018 vorgesehen, während das Endergebnis voraussichtlich am 20.12.2018 veröffentlicht werden soll (AAN 9.10.2018).

Im April und Oktober 2018 erklärten die Taliban in zwei Stellungnahmen, dass sie die Wahl boykottieren würden (AAN 9.10.2018). Angriffe auf mit der Ausstellung von Tazkiras sowie mit der Wahlregistrierung betraute Behörden wurden berichtet. Sowohl am Wahlprozess beteiligtes Personal als auch Kandidaten und deren Unterstützer wurden von regierungsfeindlichen Gruppierungen angegriffen. Zwischen 1.1.2018 und 30.6.2018 wurden 341 zivile Opfer (117 Tote und 224 Verletzte) mit Bezug auf die Wahlen verzeichet, wobei mehr als 250 dieser Opfer den Anschlägen Ende April und Anfang Mai in Kabul und Khost zuzuschreiben sind. Auch wurden während des Wahlregistrierungsprozesses vermehrt Schulen, in denen Zentren zur Wahlregistrierung eingerichtet worden waren, angegriffen (39 Angriffe zwischen April und Juni 2018), was negative Auswirkungen auf die Bildungsmöglichkeiten von Kindern hatte (UNAMA 15.7.2018). Seit dem Beginn der Wählerregistrierung Mitte April 2018 wurden neun Kandidaten ermordet (AAN 9.10.2018).

Von den insgesamt 7.366 Wahllokalen werden aus Sicherheitsgründen letztendlich am Tag der Wahl 5.100 geöffnet sein (AAN 9.10.2018; vgl. UNAMA 17.9.2018, Tolonews 29.9.2018). Diese sollen während der fünf Tage vor der Wahl von 54.776 Mitgliedern der Afghan National Security Forces (ANSF) bewacht werden; 9.540 weitere stehen als Reserven zur Verfügung (Tolonews 29.9.2018; vgl. AAN 9.10.2018).

KI vom 11.9.2018, Angriffe des Islamischen Staates (IS/ISKP) in Kabul, Anschläge in Nangarhar und Aktivitäten der Taliban in den Provinzen Sar-i Pul und Jawzjan (relevant für Abschnitt 3 / Sicherheitslage)

Anschläge in Nangarhar 11.9.2018

Am 11.9.2018 kamen nach einem Selbstmordanschlag während einer Demostration im Distrikt Mohamad Dara der Provinz Nangarhar mindestens acht Menschen ums Leben und weitere 35 wurden verletzt (Tolonews 11.9.2018; vgl. TWP 11.9.2018, RFE/RL 11.9.2018). Kurz zuvor wurde am Vormittag des 11.9.2018 ein Anschlag mit zwei Bomben vor der Mädchenschule "Malika Omaira" in Jalalabad verübt, bei dem ein Schüler einer nahegelegenen Jungenschule ums Leben kam und weitere vier Schüler verletzt wurden, statt (RFE/RL 11.9.2018; AFP 11.9.2018). Davor gab es vor der Mädchenschule "Biba Hawa" im naheligenden Distrikt Behsud eine weitere Explosion, die keine Opfer forderte, weil die Schülerinnen noch nicht zum Unterricht erschienen waren (AFP 11.9.2018).

Weder die Taliban noch der IS/ISKP bekannten sich zu den Anschlägen, obwohl beide Gruppierungen in der Provinz Nangarhar aktiv sind (AFP 11.9.2018; vgl. RFE/RL 11.9.2018, TWP 11.9.2018).

Kämpfe in den Provinzen Sar-e Pul und Jawzjan 11.9.2018

Am Montag, dem 10.9.2018, eroberten die Taliban die Hauptstadt des Kham Aab Distrikts in der Provinz Jawzjan nachdem es zu schweren Zusammenstößen zwischen den Taliban und den afghanischen Sicherheitskräften gekommen war (Tolonews 10.9.2018a; Tolonews 10.9.2018b). Sowohl die afghanischen Streitkräfte als auch die Taliban erlitten Verluste (Khaama Press 10.9.2018a).

Am Sonntag, dem 9.9.2018, starteten die Taliban eine Offensive zur Eroberung der Hauptstadt der Provinz Sar-i Pul, wo nach wie vor u.a. mit Einsatz der Luftwaffe gekämpft wird (Tolonews 10.9.2018b; vgl. FAZ 10.9.2018). Quellen zufolge haben die Taliban das Gebiet Balghali im Zentrum der Provinzhauptstadt eingenommen und unter ihre Kontrolle gebracht (FAZ 10.9.2018). Sar-i-Pul-Stadt gehört zu den zehn Provinzhauptstädten, die Quellen zufolge das höchste Risiko tragen, von den Taliban eingenommen zu werden. Dazu zählen auch Farah-Stadt, Faizabad in Badakhshan, Ghazni-Stadt, Tarinkot in Uruzgan, Kunduz-Stadt, Maimana in Faryab und Pul-i- Khumri in Baghlan (LWJ 10.9.2018; vgl. LWJ 30.8.2018). Weiteren Quellen zufolge sind auch die Städte Lashkar Gar in Helmand und Gardez in Paktia von einer Kontrollübernahme durch die Taliban bedroht (LWJ 10.9.2018).

IS-Angriff während Massoud-Festzug in Kabul 9.9.2018

Bei einem Selbstmordanschlag im Kabuler Stadtteil Taimani kamen am 9.9.2018 mindestens sieben Menschen ums Leben und ungefähr 24 weitere wurden verletzt. Der Anschlag, zu dem sich der Islamische Staat (IS/ISKP) bekannte, fand während eines Festzugs zu Ehren des verstorbenen Mudschahedin-Kämpfers Ahmad Shah Massoud statt (AJ 10.9.2018; vgl. Khaama Press 10.9.2018b).

IS-Angriff auf Sportverein in Kabul 5.9.2018

Am Mittwoch, dem 5.9.2018, kamen bei einem Doppelanschlag auf einen Wrestling-Klub im Kabuler Distrikt Dasht-e Barchi mindestens 20 Personen ums Leben und ungefähr 70 weitere wurden verletzt (AJ 6.9.2018; vgl. CNN 6.9.2018, TG 5.9.2018). Zuerst sprengte sich innerhalb des Sportvereins ein Attentäter in die Luft, kurz darauf explodierte eine Autobombe in der sich vor dem Klub versammelnden Menge (SO 5.9.2018) Der Islamische Staat (IS/ISKP) bekannte sich zum Anschlag (RFE/RL 5.9.2018).

Quellen: AFP - Agence France-Presse (11.9.2018): Student killed in twin bomb attack near Afghan girls' school, https://www.afp.com/en/news/23/student-killed-twin-bomb-attack-near-afghan-girls-schooldoc-1904hc1, Zugriff 11.9.2018, ua.

KI vom 22.08.2018, Angriffe des Islamischen Staates (IS/ISKP) in Kabul und Paktia und Aktivitäten der Taliban in Ghazni, Baghlan, Faryab und Kunduz zwischen 22.7.2018 und 20.8.2018; (relevant für Abschnitt 3 / Sicherheitslage)

Entführung auf der Takhar-Kunduz-Autobahn 20.8.2018

Am 20.8.2018 entführten die Taliban 170 Passagiere dreier Busse, die über die Takhar-Kunduz- Autobahn auf der Reise nach Kabul waren (Tolonews 20.8.2018; vgl. IFQ 20.8.2018). Quellen zufolge wurden die Entführten in das Dorf Nikpe der Provinz Kunduz gebracht, wo es zu Kämpfen zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Aufständischen kam. Es wurden insgesamt 149 Personen freigelassen, während sich die restlichen 21 weiterhin in der Gewalt der Taliban befinden (IFQ 20.8.2018). Grund für die Entführung war die Suche nach Mitgliedern der afghanischen Sicherheitskräfte bzw. Beamten (IFQ 20.8.2018; vgl. BBC 20.8.2018). Die Entführung erfolgte nach dem von Präsident Ashraf Ghani angekündigten Waffenstillstand, der vom 20.8.2018 bis 19.11.2018 gehen sollte und jedoch von den Taliban zurückgewiesen wurde (Reuters 20.8.2018; vgl. Tolonews 19.8.2018).

IS-Angriff auf die Mawoud Akademie in Kabul 15.8.2018

Ein Selbstmordattentäter sprengte sich am Nachmittag des 15.8.2018 in einem privaten Bildungszentrum im Kabuler Distrikt Dasht-e Barchi, dessen Bewohner mehrheitlich Schiiten sind, in die Luft (NZZ 16.8.2018; vgl. BBC 15.8.2018, Repubblica 15.8.2018). Die Detonation hatte 34 Tote und 56 Verletzte zur Folge (Reuters 16.8.2018a; vgl. NZZ 16.8.2018, Repubblica 15.8.2018). Die Mehrheit der Opfer waren Studentinnen und Studenten, die sich an der Mawoud Akademie für die Universitätsaufnahmeprüfungen vorbereiteten (Reuters 16.8.2018b; vgl. RFE/RL 17.8.2018). Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Vorfall (RFE/RL 17.8.2018; vgl. Reuters 16.8.2018b).

Kämpfe in den Provinzen Ghazni, Baghlan und Faryab

Am Donnerstag, dem 9.8.2018, starteten die Taliban eine Offensive zur Eroberung der Hauptstadt Ghaznis, einer strategisch bedeutenden Provinz, die sich auf der Achse Kabul-Kandahar befindet (Repubblica 13.8.2018; vgl. ANSA 13.8.2018, CBS 14.8.2018). Nach fünftägigen Zusammenstößen zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Aufständischen konnten letztere zurückgedrängt werden (AB 15.8.2018; vgl. Xinhua 15.8.2018). Während der Kämpfe kamen ca. 100 Mitglieder der Sicherheitskräfte ums Leben und eine unbekannte Anzahl Zivilisten und Taliban (DS 13.8.2018; vgl. ANSA 13.8.2018).

Am 15.8.2018 verübten die Taliban einen Angriff auf einen Militärposten in der nördlichen Provinz Baghlan, wobei ca. 40 Sicherheitskräfte getötet wurden (AJ 15.8.2018; vgl. Repubblica 15.8.2018, BZ 15.8.2018).

Auch im Distrikt Ghormach der Provinz Faryab wurde gekämpft: Die Taliban griffen zwischen 12.8.2018 und 13.8.2018 einen Stützpunkt des afghanischen Militärs, bekannt als Camp Chinaya, an und töteten ca. 17 Mitglieder der Sicherheitskräfte (ANSA 14.8.2018; vgl. CBS 14.8.2018, Tolonews 12.8.2018). Quellen zufolge kapitulierten die Sicherheitskräfte nach dreitägigen Kämpfen und ergaben sich de

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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