TE Bvwg Erkenntnis 2019/2/28 W168 2184601-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.02.2019
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Entscheidungsdatum

28.02.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52
FPG §55

Spruch

W168 2184601-1/22E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Bernhard MACALKA als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.12.2017, Zahl 1094715402-151763552, nach Durchführung von mündlichen Verhandlungen am 06.11.2018 und 04.12.2018, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 57 AsylG 2005, § 9 BFA-VG, und §§ 52, 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) stellte nach unrechtmäßiger Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 13.11.2015 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 24/2016BF.

2. Am 13.11.2015 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des Beschwerdeführers statt, bei der dieser zu seinem Fluchtgrund befragt vorbrachte, dass er im Herkunftsstaat in einer Schule geputzt habe und dort einen Schüler geohrfeigt habe. Daraufhin sei der BF vom Bruder des Schülers ebenfalls geschlagen worden, der ein Kommandant des Mudschahedin gewesen sei. Der BF wäre daraufhin nach Hause gelaufen, hätte seine Pistole geholt und auf diesen geschossen. Ob er getroffen hat, würde er nicht wissen. Da er jedoch kein gutes Gefühl hätte, hätte er sich entschlossen aus Afghanistan zu fliehen. Seine Frau hätte der BF zurückgelassen; er hätte jedoch Angst um sie. Sonst hätte der BF keine Ängste und auch keine weiteren Angaben. Bei einer Rückkehr befürchte der BF, dass sich der Mann, auf den er geschossen habe, rächen werde. Zu seinen persönlichen Angaben brachte der BF vor, dass er sunnitischer Moslem sowie Analphabet sei und vor seiner Ausreise als Reinigungskraft gearbeitet habe.

3. Am 05.12.2017 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: "BFA"), im Asylverfahren niederschriftlich einvernommen. Dabei führte er zunächst an, dass er keine identitätsbezeugenden Dokumente vorlegen könne. Er sei sunnitischer Moslem, gehöre der Volksgruppe der Tadschiken an und sei in der Provinz Parwan geboren und aufgewachsen. Er habe dort sechs Jahre die Schule besucht und in der Landwirtschaft sowie als Koch gearbeitet. Der BF habe zwei Brüder sowie drei Schwestern und sein Vater sei arbeitslos. Seine Mutter sei bereits verstorben. Im Herkunftsstaat würden nach wie vor seine Ehefrau, sein Vater und seine Geschwister leben, ihre finanzielle Lage sei als mittelmäßig einzustufen. Der BF habe in seiner Jugend bereits zwei Jahre im Iran gearbeitet, sei jedoch wieder nach Afghanistan abgeschoben worden und habe anschließend geheiratet. Er gab weiters zu Protokoll, dass er sein Heimatland vor etwa fünf Jahren verlassen habe, bzw. korrigierte diese Angabe in Laufe des Verfahrens auf zwei Jahre. Der BF stehe nach wie vor in telefonischen Kontakt mit seiner Familie. Er führte ergänzend aus, dass er seine Frau jedoch bereits seit über zwei Jahren nicht mehr gesehen habe.

Zu seinen Lebensumständen im Herkunftsstaat befragt, gab der BF an, dass er in der Heimat vorbestraft und inhaftiert gewesen sei, wohingegen auf Fragen, ob er vorbestraft gewesen sei, gegen ihn staatliche Fahndungsmaßnahmen bestehen würden oder ob er politisch tätig gewesen sei, vom BF verneint wurden. Der BF gab an kein Mitglied einer Partei gewesen zu sein, als auch habe er aufgrund seines Religionsbekenntnisses bzw. seiner Volksgruppenzugehörigkeit keine Probleme gehabt. Er habe auch keine gröberen Probleme mit Privatpersonen gehabt und an keinen bewaffneten oder gewalttätigen Auseinandersetzungen teilgenommen, sondern nur eine Jagdwaffe besessen.

Zum Fluchtgrund befragt, führte der BF aus, dass er gegen einen Mitschüler aufgrund dessen Nebentätigkeit für die Regierung interveniert habe, der in weiterer Folge seinen Vater, einen einflussreichen Kommandanten, über die Handlungen des BF informiert. Dieser hätte daraufhin seine Handlanger beauftragt den BF zu verprügeln. Im Zuge einer darauffolgenden Auseinandersetzung habe der BF auf die Männer geschossen und habe in Folge im Unwissen, ob er jemanden verletzt habe, das Land in Richtung Iran verlassen. Zuvor habe er in Afghanistan erfolglos versucht, sich seinen verletzten Arm behandeln zu lassen, der ihm bei der geschilderten Prügelei gebrochen worden sei. Nach zwei Jahren sei er erneut in den Herkunftsstaat abgeschoben worden. Er habe dann in Afghanistan geheiratet. Bei einer Einladung zu einer Hochzeitsfeier habe es wieder einen Streit zwischen dem BF und dem genannten Kommandanten gegeben. Hieraufhin hätte dieser den BF wenige Wochen später fälschlicherweise die Ermordung seines Cousins unterstellt. Der Schwager des BF habe ihm deswegen finanzielle Unterstützung zugesichert, um ihm die Flucht zu ermöglichen. Nach einem kurzen Aufenthalt im Iran und in Pakistan sei er schlepperunterstützt nach Europa gelangt.

Auf Aufforderung des BFA auszuführen, wie es zum Streit mit dem besagten Mitschüler gekommen sei, führte der BF aus, dass dieser negativ aufgefallen und alle belästigt habe. Aus diesem Grund hätte der BF ein Treffen organisiert, im Zuge dessen vereinbart und veranlasst worden sei, den erwähnten Mitschüler von seinen Regierungsaufgaben zu suspendieren. In der Schule sei es anschließend zum Streit gekommen und der BF hätte seinen Mitschüler daraufhin geohrfeigt. Auf weitere Aufforderung, genau auszuführen, wie es zur Prügelei gekommen sei, entgegnete der BF, dass ihm der besagte Mitschüler mit seinem Bruder am Heimweg aufgelauert, verprügelt und im Zuge dessen vorgeworfen habe, aufgrund seiner Intervention seine Arbeitstätigkeit verloren zu haben. Auf Nachfrage führte der BF aus, dass die Gewalttaten jedoch nicht auf der Straße, sondern in einer Gefängniszelle stattgefunden hätten. Dies, da die Beiden den BF zu einer Haftstation gebracht hätten. Nachdem die Männer den BF mittels Elektroschock misshandelt hätten, sei er in einem Krankenhaus behandelt und anschließend inhaftiert worden. Er sei jedoch durch die Unterstützung seiner Familie, die ihm zur endgültigen Ausreise geraten habe, letztlich freigelassen worden. Anschließend habe der BF zwei Jahre lang im Iran gearbeitet, wäre von dort jedoch letztlich wieder nach Afghanistan abgeschoben worden. Auf Vorhalt, dass er zuvor widersprüchlich angegeben habe, nach der Prügelei sein Jagdgewehr geholt und auf die Männer geschossen zu haben, entgegnete der BF, dass er die Waffe erst nach der Prügelei geholt habe und es zu zwei weiteren Vorfällen mit den genannten Männern gekommen sei, bei denen der BF auf diese geschossen habe. Auf Aufforderung, den ersten Vorfall mit den Männern zu beschreiben, erklärte der BF, dass er seinem Mitschüler eine Ohrfeige gegeben habe, weshalb ihn zwei Handlanger des Kommandanten geschlagen hätten und er in weiterer Folge sein Gewehr geholt und auf diese geschossen habe. Beim zweiten Vorfall nach etwa drei oder vier Tagen hätten ihn die Männer mit einem Haftbefehl aufgesucht und zu einer Polizeistation gebracht, da er seinen Mitschüler geschlagen und auf die Männer geschossen habe. Zum Vorhalt, wie er in diesem kurzen Zeitraum ein Gewehr holen und auf die Männer schießen habe können, erwiderte der BF, dass er die Waffe nicht in seinem Wohnhaus, sondern in der Nähe seiner Landwirtschaft aufbewahrt habe. Er habe zudem auch erst beim zweiten Vorfall auf diese geschossen. Befragt, wie lange er sich nach dem geschilderten letzten Vorfall noch in Afghanistan aufgehalten habe, entgegnete der BF, dass er im Herkunftsstaat noch ungefähr 25 Tage oder einen Monat aufhältig gewesen sei, da er eine Woche davon inhaftiert und aufgrund seiner Verletzung nicht zur Schule gehen habe können. Nach seiner Abschiebung aus dem Iran sei er wieder in sein Elternhaus zurückgekehrt. Auf Aufforderung, den Streit mit dem Kommandanten auf der Hochzeitsfeiert detailliert zu beschreiben, erwiderte der BF, dass er sich mit seinem Mitschüler unterhalten habe, der ihm Vorhaltungen gemacht habe, woraufhin es zu einem Streit gekommen, der jedoch nach kurzer Zeit beigelegt worden sei. Auf Vorhalt, dass er zuvor angegeben habe, mit dem Kommandanten einen Streit gehabt zu haben, erklärte der BF, dass er mit seinem Mitschüler gestritten habe, der ihm in weiterer Folge auch den Mord an seinem Cousin unterstellt habe. Da ihm bewusst gewesen sei, dass seinem Mitschüler aufgrund Geld, Macht und Einfluss eine größere Glaubwürdigkeit als ihm zukomme, habe er sich zur sofortigen Ausreise entschlossen. In einem anderen Landesteil Afghanistans hätte ihn der Kommandant aufgrund seiner Kontakte finden können.

Zu den Lebensumständen in Österreich befragt, führte der BF aus, dass er in Österreich keine familiären Anknüpfungspunkte habe, einen Deutschkurs besuche und freiwillige Tätigkeiten verrichte. Er sei im österreichischen Bundesgebiet noch nie von einer gerichtlichen Untersuchung oder einem Gerichtverfahren betroffen gewesen.

Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme wurden vom Beschwerdeführer mehrere Empfehlungsschreiben, Teilnahmebestätigungen über die Absolvierung mehrerer Deutschkurse sowie eine Bestätigung über die Absolvierung eines Knödelkochkurses vom 12.04.2016, drei Fotos und eine Patientenkarte vom 03.07.2017 zur Vorlage gebracht.

4. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Dem Beschwerdeführer wurde gemäß §§ 57 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei. Weiters wurde ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.

Die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz begründete das BFA im Wesentlichen damit, dass der Beschwerdeführer bereits widersprüchlichen Angaben bezüglich des Zeitpunktes des Verlassens seines Heimatlandes erstattet habe, die insgesamt nicht nachvollziehbar seien. Anfänglich habe der BF keinerlei konkrete Angaben zu machen vermocht, auf Nachfrage hin habe sich der BF dahingehend geäußert, Afghanistan vor ca. fünf Jahren verlassen zu haben. Erst nach Vorhalt seiner angeblichen Reiseroute sowie der Aufenthaltszeiten und auf Nachfrage, wo er sich die restlichen Jahre aufgehalten habe, habe er lediglich angegeben, doch vor zwei Jahren und zwei Monaten ausgereist zu sein. Des Weiteren habe sich der BF in seiner Einvernahme in derartige Widersprüche bezüglich seines Bedrohungsszenariums verwickelt. Vorweg habe es sich nun bei dem besagten Jungen um einen Mitschüler gehandelt und nicht wie in der Erstbefragung angegeben, um einen Schüler, in dessen Schule er als Reinigungskraft tätig gewesen sei. Weiters habe er-widersprüchlich zu seinen Angaben in der Erstbefragung- vorgebracht, dass dessen Vater ein Kommandant gewesen sei und der BF nach dem Streit mit dem Jungen von diesem sowie zwei weiteren Männern verprügelt worden sei. Nach erfolgter Rückübersetzung habe der BF das Vorbringen nunmehr dahingehend korrigiert, dass es sich um den Bruder des Jungen gehandelt habe. Anfänglich habe der BF geschildert, dass er von dem Vater des Jungen und zwei weiteren Männern verprügelt worden sei. In weiterer Folge habe der BF jedoch vorgebracht, dass es sich um den Bruder des Jungen gehandelt hätte und die Prügelei auf dem Nachhauseweg von der Schule stattgefunden hätte. Nachgefragt habe er jedoch angegeben, dass sich alles auf einer Polizeistation zugetragen habe, in welchen ihn die Männer in Haft gebracht hätten. Es könne daher auch nicht nachvollzogen werden, wann er auf die besagten Personen geschossen habe. Auch habe er anfänglich vorgebracht, keine medizinische Unterstützung bezüglich seines verletzten Arms bekommen zu haben, in weiterer Folge habe er jedoch angegeben, dass er in einer Art Krankenhaus zur Behandlung gewesen sei. Zudem habe sich der BF auch bezüglich des Streites auf der Hochzeitsfeier widersprochen, da er anfänglich angeführt habe, den Streit mit dem Kommandanten gehabt zu haben, jedoch in weiterer Folge angegeben habe, dass es sich um den Mitschüler gehandelt habe. Dieser habe versucht, dem BF den Mord seines Cousins in die Schuhe zu schieben, weshalb er bei einer Rückkehr als Schuldiger angesehen und aufgehängt werden würde. Da sich der BF bereits bei der Angabe der betreffenden Person in derartige Widersprüche verwickelt habe, werde diesem Vorbringen die Glaubhaftigkeit abgesprochen. Dazu hinzugefügt werde, dass der BF bislang keinerlei Beweismittel zur Begründung seines Antrages auf internationalen Schutz beigebracht habe, das Verfahren ausschließlich auf den-sehr widersprüchlichen-Angaben beruhe, geführt und letztlich zu entscheiden sei. Aufgrund seiner widersprüchlichen, nicht nachvollziehbaren und nicht logischen Angaben zum Fluchtgrund habe nicht davon ausgegangen werden können, dass die von ihm vorgebrachten Fluchtgründe der Wahrheit entsprechen würden. Unter Zugrundelegung der Erwägungen habe dem Vorbringen im Rahmen einer Gesamtbetrachtung daher die Glaubhaftigkeit zum fluchtauslösenden Ereignis abgesprochen werden müssen.

5. Mit Verfahrensanordnung vom 21.12.2017 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG die ARGE-Rechtsberatung-Diakonie und Volkshilfe als Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Seite gestellt.

6. Gegen den oben genannten Bescheid richtet sich die im Wege seiner Rechtsvertretung am 22.01.2018 erhobene Beschwerde, welche fristgerecht beim BFA einlangte. In dieser wird u.a. ausgeführt, dass die belangte Behörde das Vorbringen des BF als unglaubwürdig und nicht asylrelevant beurteile. Dem sei entgegenzuhalten, dass es die Behörde unterlassen habe, in den wesentlichen Punkten ordentlich zu ermitteln und die Umstände des Vorbringens ordentlich zu würdigen. Die Feststellung der Behörde basiere auf einer mangelhaften Sachverhaltsermittlung und einer unschlüssigen Beweiswürdigung und verletze § 60 AVG. Bei gesetzmäßiger Führung des Ermittlungsverfahrens hätte sie das Vorbringen zu entscheidungsrelevanten Tatsachen erheben und ihm nach einer mängelfreien Beweiswürdigung die Flüchtlingseigenschaft zuerkennen müssen. Aufgrund des mangelhaften Ermittlungsverfahrens habe das BFA jedenfalls eine solche ganzheitliche Würdigung des individuellen Vorbringens nicht vorgenommen. Die belangte Behörde unterstelle dem BF widersprüchliche Angaben, sie habe es jedoch völlig unterlassen, etwaige Missverständnisse aufzuklären, indem sie ihrer Obliegenheit der ordentlichen Ermittlung des relevanten Sachverhalts nicht nachgegangen sei. Die Behörde habe das Vorbringen, dass der BF im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan in eine ausweglose Situation geraten würde, nicht gewürdigt. Darüber hinaus verkenne die belangte Behörde die tatsächlich sehr prekäre Sicherheitslage in Afghanistan, insbesondere jene in Kabul, völlig. Bei ordentlicher Würdigung und richtiger rechtlicher Beurteilung des vom BF erstatteten Fluchtvorbringens hätte die Erstbehörde dem BF zumindest wegen der prekären Sicherheitslage in ganz Afghanistan- den Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan zuerkennen müssen. Auch die Feststellung der nicht ausreichenden Integration des BF basiere auf einer mangelhaften Sachverhaltsermittlung und einer unschlüssigen Beweiswürdigung und verletze § 60 AVG. Der BF sei gut integriert, spreche gut Deutsch, engagiere sich ehrenamtlich und helfe, wo er könne. Er habe viele österreichische Freunde, mit denen er Fußball spiele und sich verabrede. Eine Rückkehrentscheidung im Fall des BF sei ein unzulässiger Eingriff in seine Rechte auf Achtung des Privat-und Familienlebens und verstoße gegen Art. 8 EMRK. Die Begründung der Behörde sei nicht nachvollziehbar und entspreche keinesfalls den gebotenen Voraussetzungen der §§ 58 Abs. 2 iVm § 60 AVG. Beantragt wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

7. Aus einer vom BFA übermittelten Strafkarte vom 20.11.2018 sowie einem am 29.11.2018 übermittelten Urteil vom 14.11.2018 und einem Protokollvermerk und einer gekürzten Urteilsausfertigung vom 13.11.2018 geht hervor, dass der BF wegen § 207 a Abs. 1 Z2 2. Fall StGB sowie § 207a Abs. 3 2. Satz StGB zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt worden sei, die unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen worden sei.

Weiters wurden den BF betreffend mehrere Empfehlungsschreiben übermittelt.

8. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 06.11.2018 in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Dari und im Beisein der Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in der der Beschwerdeführer ausführlich zu seinen persönlichen Umständen und seinen Fluchtgründen befragt wurde. Ein Vertreter des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl hat an der Verhandlung nicht teilgenommen; die Verhandlungsschrift wurde der Erstbehörde übermittelt. Mit dem Beschwerdeführer wurden die Situation aufgrund der vorliegenden Länderfeststellungen besprochen und ihm ausführlich Gelegenheit eingeräumt, hierzu Stellung zu nehmen.

Zu seinen Familienangehörigen befragt, führte der BF aus, dass er mit seiner Ehefrau in regelmäßigen Kontakt stehe. Seine gesamte Familie sei nach wie vor in Afghanistan und der BF stehe mit dieser in unregelmäßigen telefonischen Kontakt. Alle würden in der Provinz Parwan wohnhaft sein. Der BF sei im Heimatland Schüler gewesen und habe nebenbei in einem Kochhaus gearbeitet.

Zu seinen Fluchtgründen befragt, gab der BF zu Protokoll, dass er im Herkunftsstaat Probleme mit einem Jugendlichen gehabt habe, da dieser Mädchen belästigt und auch sonst negativ aufgefallen sei. Neben der Schule hätte der Junge seinem Bruder bei der Tätigkeit als Kommandant geholfen. Der BF hätte mit mehreren anderen Personen einen Klagebrief eingebracht und darin festgehalten, dass der erwähnte Junge seine Schuluniform missbrauche. Daraufhin wäre dieser Schüler aus dem Dienst entlassen worden, währenddessen sein Bruder aber weiterhin Kommandant geblieben sei. Die beiden hätten in weiterer Folge großen Hass gegen den BF entwickelt und ihn bei mehreren Gelegenheiten schikaniert. Dies, da diese dem BF unterstellt hätten, dass dieser zahlreiche Leute motiviert hätte, das genannte Schreiben gegen den Jungen einzubringen. Im Zuge einer Auseinandersetzung dieses mit dem BF hätte der BF den Jugendlichen geohrfeigt. In Folge hätte ihn dieser gemeinsam mit seinem Bruder aufgesucht. Drei Männer hätten den BF anschließend zusammengeschlagen, er habe sich jedoch mit einem Jagdgewehr, welches er bei einer Holzstelle aufbewahrt habe, verteidigt. In weiterer Folge sei gegen den BF ein Haftbefehl erlassen worden. Dieser hätte den Männern alle Möglichkeiten eröffnet gegen den BF vorzugehen.

Aufgrund von, auch durch den BF monierten, Verständigungsproblemen musste die Verhandlung vertagt und mit einem anderen Dolmetscher fortgesetzt werden.

9. In einer Stellungnahme des bevollmächtigten Vertreters des BF vom 29.11.2018 wurde ausgeführt, dass dem BF im Falle der Rückkehr nach Afghanistan Verfolgung von Seiten einer Familie drohe, welche in der afghanischen Regierung tätig sei und an Macht und Einfluss verfüge. Der afghanische Staat sei weder schutzfähig noch schutzwillig, den BF vor dieser Verfolgung zu schützen. Laut UNHCR Richtlinien würden Personen, die in Blutfehden verwickelt seien, eine eigene Risikogruppe darstellen. Bezüglich der prekären Lage in Afghanistan wurde auch auf Gutachten von Friederike Stahlmann sowie Dr. Sarajuddin Rasuly verwiesen.

10. Bei der fortgesetzten mündlichen Verhandlung am 04.12.2018 in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Dari und Farsi, sowie im Beisein einer Rechtsvertreterin brachte der Beschwerdeführer zu seinen bisherigen Angaben, bzw. zur Fluchtgeschichte ergänzend vor, dass er aufgrund eines Haftbefehlsbriefs zum örtlichen Gemeindezentrum gegangen sei, jedoch noch vor der Einvernahme verprügelt worden sei. In weiterer Folge wäre dieser von seinem Vater und seinem Bruder im Krankenhaus besucht worden. Diese hätten zwar versucht, den BF freizubekommen, er sei nach seinem Spitalsaufenthalt vorerst zum Gemeindezentrum gebracht worden, schlussendlich jedoch entlassen worden und habe sich anschließend 25 Tage zuhause aufgehalten. Letztendlich habe ihm seine Familie jedoch zur Ausreise geraten, da er ansonsten weiterhin Probleme mit dem genannten Jugendlichen haben würde. Nach einem zweijährigen Aufenthalt im Iran sei der BF erneut nach Afghanistan abgeschoben worden und habe dort geheiratet. Einige Zeit später sei er selbst zu einer Hochzeit eingeladen worden und habe dort den erwähnten Jungen wiedergetroffen, und es hätte mit diesem wieder eine mündliche Auseinandersetzung gegeben. Zwei Wochen später habe der BF über seinen Bruder erfahren, dass ihn der Junge des Mordes an seinem Cousin bezichtige, woraufhin seine Familie ihm ein weiteres Mal zur Flucht geraten habe, da man ihn andernfalls erneut verhaften werde. Sein Schwager habe ihm finanzielle Unterstützung zugesichert, woraufhin er nach Pakistan, in den Iran, in die Türkei und anschließend mittels verschiedener Verkehrsmittel nach Österreich gelangt sei. Befragt, wer ihn im Zuge der dem Krankenhausaufenthalt vorangegangenen Auseinandersetzung geschlagen habe, antwortete der BF, dass es sich um die Leute " XXXX " gehandelt habe, da er dessen Bruder geohrfeigt habe. Auf Vorhalt, dass er zuvor erwähnt habe, zum Gemeindezentrum gegangen zu sein, da er mit einem Jagdgewehr auf seine Angreifer geschossen habe, entgegnete der BF, dass diese Angaben stimmen würden und er sich nur vor den Männern, die ihn fast zu Tode geprügelt hätten, zur Wehr gesetzt habe. Zum weiteren Vorhalt, dass im Rahmen seiner Einvernahme vor dem BFA zu Protokoll gegeben habe, dass er wegen seiner Hand keine medizinische Versorgung erhalten habe, währenddessen er nunmehr einen Krankenhausaufenthalt erwähne, erklärte der BF, dass er nicht richtig behandelt worden sei, da seine linke Hand nach wie vor verdreht sei. Nach der Betreuung im Spital sei der BF nur nach Hause entlassen worden, da seine Familie zugesichert habe, ihn nach seiner Genesung wieder an die Behörden auszuliefern. Der BF wisse nicht, ob gegen ihn tatsächlich ein Strafverfahren eingeleitet worden sei. Auf Nachfrage, wie es für ihn möglich gewesen sei, nach seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat seine Frau kennenzulernen und zu heiraten, obwohl gegen ihn ein Haftbefehl vorgelegen sei, brachte der BF vor, dass er in Afghanistan eine Familie gründen habe wollen, dort jedoch nicht in Ruhe gelassen worden sei. Auf Vorhalt, dass seinen eigenen Angaben damit zu entnehmen wäre, dass er sich bewusst einem Strafverfahren entzogen habe, im Zuge dessen er aussagen hätte sollen, gab der BF an, dass er im Gefängnis gestorben wäre, wenn er seine Unschuld beweisen hätte sollen. Zum weiteren Vorhalt, dass nicht logisch nachvollziehbar sei, dass die Männer, die ihn töten hätten wollen, ihn ins Krankenhaus gebracht hätten, entgegnete der BF, dass die Angreifer sich nicht getraut hätten, ihn in aller Öffentlichkeit umzubringen. Auf Nachfrage, wieso er an denselben Ort innerhalb Afghanistans zurückgekehrt sei, an dem er bereits zuvor bedroht worden sei, erklärte der BF, dass die vorhergegangenen Ereignisse bis zu dem besagten Tod des Cousins des Kommandanten nicht mehr aktuell gewesen seien. Befragt, wieso man ihm lediglich aufgrund seines Aufenthaltes im Iran unterstellen sollte, den Cousin des Kommandanten getötet zu haben, erklärte der BF, dass in Afghanistan täglich zahlreiche Menschen getötet werden würden und er nur ein kleiner Prozentsatz davon aufgeklärt werden würde, weshalb er seine Unschuld nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit hätte beweisen können. Es gebe in afghanischen Gefängnisse zahlreiche unschuldige Insassen. Zur Frage, wieso er keinen Rechtsbeistand beauftragt habe, um seine Unschuld zu beweisen, entgegnete der BF, dass seine Gegner mächtiger als er gewesen seien und seine Familie nach Kabul habe ziehen müssen, um der drohenden Gefahr zu entgehen. Die Ehefrau des BF lebe ebenfalls bei ihren Eltern in Kabul und ihr Bruder unterstütze sie finanziell. Durch den telefonischen Kontakt mit seiner Familie habe der BF auch erfahren, dass gegen ihn nach wie vor ein Haftbefehl bestehe, da der gesuchte Mörder noch nicht ausgeforscht worden sei. Zur Frage, wieso er nicht ebenfalls wie seiner Familie nach Kabul gegangen sei, entgegnete der BF, dass sie nur ihn gesucht hätten und nicht seine Familie. Der Kommandant mache den BF für den Mord an seinem Cousin verantwortlich, da er zuvor bereits seinen Bruder geohrfeigt habe und im Iran zudem aus Rache über die Angriffe eine Waffe hätte erwerben können. Auf Vorhalt, dass nicht logisch nachvollziehbar sei, weshalb er nur wegen örtlicher Nähe für den Tod des Cousins verantwortlich gemacht worden sei, gab der BF an, dass er die wahren Gründe für die Verdächtigungen nicht kenne. Er habe wegen großer Angst jedenfalls nicht einmal versucht, die falschen Anschuldigungen durch die Aufnahme eines Gesprächs aufzuklären, seine Familie habe jedoch darauf hingewiesen, dass sie nichts über den Verbleib des BF wisse. Zur Frage, weshalb die Familie nicht versucht habe, die Unschuld des BF aufzuzeigen, entgegnete der BF, dass seine Familie den Kommandanten eingeladen habe, jedoch nur dessen Vater der Einladung gefolgt sei. Der erwähnte Kommandant sei in der afghanischen Verteidigung tätig und zudem auch Oberbefehlshaber, seinen genauen Rang wisse der BF jedoch nicht. Die Fragen, ob er auch im Iran oder in Pakistan bedroht worden sei, wurden vom BF verneint, da er Angst gehabt habe, dass er dort ebenfalls gefunden werden könnte, sei er jedoch nach Österreich weitergereist. Beweismittel, wie einen Haftbefehl, die seine Aussagen belegen würden, könne er nicht vorlegen. Auf Nachfrage, weshalb er gemeinsam mit dem Kommandanten zu einer Hochzeitsfeier eingeladen worden sei, obwohl dieser die Ursache für seine vorangegangene Flucht gewesen sei, brachte der BF vor, dass er den ersten Vorfall vor zwei Jahren bereits vergessen habe.

Zum Vorhalt, dass sich Anschläge insbesondere in den Großstädten Afghanistans wie in Masar-e-Sharif, Herat oder Kabul auf sogenannte "high profile" Ziele richten würden und der BF bei einer Rückkehr nicht in eine existenzbedrohende Lage geraten würde, erwiderte der BF, dass es dennoch jede Sekunde Bombenangriffe geben könne. Im Gegensatz zu anderen jungen Männern in Afghanistan habe er Feinde, die nach wie vor nach ihm suchen würden.

Zur Schleppung befragt, gab der BF zu Protokoll, dass er dafür insgesamt 2000,- US-Dollar aufgewendet habe. Seine Ehefrau habe ihm Geld geschickt, das sie für den Verkauf ihrer Juwelen bekommen habe. Zum Vorhalt, dass er sich in Afghanistan mit dieser Summe einen guten Anwalt hätte leisten können, erwiderte der BF, dass seine Gegner stärker als er seien.

Zu seinen Lebensumständen in Österreich befragt, brachte der BF vor, dass er noch keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen sei und von staatlicher Unterstützung lebe. Er sei aufgrund von § 207 a StGB bereits verurteilt worden. Mit dem Beschwerdeführer wurden die Situation aufgrund der vorliegenden Länderfeststellungen besprochen und ihm ausführlich Gelegenheit eingeräumt, hierzu Stellung zu nehmen.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung wurde eine Arbeitsbestätigung vom 24.10.2018 übermittelt, wonach der BF verschiedene Hilfsdienste und unregelmäßige Reinigungsarbeiten für die Gemeinde XXXX verrichtet habe.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1 Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer wurde am XXXX in Parwan geboren. Er ist afghanischer Staatsangehöriger und gehört der Religionszugehörigkeit der Sunniten und der Volksgruppe der Tadschiken an. Der Beschwerdeführer beherrscht die Sprachen Dari, Farsi und Paschtu. Er besuchte sechs Jahre die Schule und arbeitete in der Landwirtschaft, bzw. hat der BF angegeben auch als Reinigungskraft gearbeitet zu haben. Die Familie des Beschwerdeführers (Vater, zwei Brüder und eine Schwester, sowie seine Ehefrau) lebt nach Angaben des BF derzeit in Kabul. Der Beschwerdeführer steht mit seiner Familie in telefonischen Kontakt.

Der Beschwerdeführer hat mehrere Deutschkurse absolviert, bzw. anderweitige Kurse besucht und hat temporäre Hilfsdienste und Reinigungsarbeiten für eine Gemeinde verrichtet.

Der BF ist strafrechtlich nicht unbescholten und wurde mit Urteil des Landesgerichtes Wels vom 14.11.2018 wegen §207a StGB (Pornografische Darstellung Minderjähriger) zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt, die unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.

Der BF bestreitet seinen Lebensunterhalt aus Leistungen der Grundversorgung.

Der Beschwerdeführer verfügt in Österreich über keine Verwandte und keine sonstigen engen sozialen Bindungen. Das Vorliegen eines besonders zu berücksichtigenden Nahe - bzw. Abhängigkeitsverhältnisses zu Personen im Bundesgebiet sind dem vorliegenden Verwaltungsakt nicht zu entnehmen.

Der Beschwerdeführer leidet gegenwärtig nicht unter akut lebensbedrohlich schweren körperlichen oder psychischen Erkrankungen und befindet sich nicht in einer durchgehenden stationären Behandlung.

Bei dem Beschwerdeführer handelt es sich um einen jungen gesunden Mann im arbeitsfähigen Alter, dem eine grundsätzliche Teilnahme am Erwerbsleben zuzumuten ist.

1.2 Zu den Beschwerdegründen

Es kann nicht festgestellt werden und der Beschwerdeführer hat insgesamt glaubhaft nicht dargetan, dass dieser seinen Herkunftsstaat aus wohlbegründeter Furcht vor einer ihm treffenden konkreten individuellen Verfolgung aus asylrelevanten Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verlassen hat.

Die seitens des Beschwerdeführers zu Protokoll gegebenen Gründe für das Verlassen Afghanistans sind unglaubwürdig.

Es kann nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer wegen seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Tadschiken konkret und individuell physische oder psychische Gewalt in Afghanistan droht, bzw. einer solchen ausgesetzt gewesen ist. Ebenso wenig konnte festgestellt werden, dass Angehörige der Volksgruppe der Tadschiken in Afghanistan allein aufgrund der Volksgruppenzugehörigkeit physischer oder psychischer Gewalt ausgesetzt sind.

Es kann weiters nicht festgestellt werden und es ist nicht glaubhaft, dass der Beschwerdeführer bei einer allfälligen Rückkehr nach insbesondere Herat oder Mazar-e Sharif, bzw. in casu auch Kabul mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer ihn konkret betreffenden asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt sein würde, bzw. in eine existenzbedrohende Notlage geraten würde.

Bei einer Rückkehr nach Afghanistan und einer Niederlassung insbesondere in den Städten Herat oder in Masar -e Sharif, in casu auch Kabul, besteht für den Beschwerdeführer als jungen gesunden und arbeitsfähigen Mann im berufsfähigen Alter ohne festgestellten besonderen Schutzbedarf, jedoch mit mehreren familiären Anknüpfungspunkten in Afghanistan, keine berücksichtigungswürdige Bedrohungssituation, bzw. läuft dieser dort auch nicht in Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Der BF steht mit seiner Familie bzw. auch mit seiner Ehefrau, die sich nach eigenen Angaben des BF gegenwärtig in Kabul aufhalten, in ständiger Verbindung.

Die Städte Mazar-e Sharif, Herat und in casu auch Kabul sind von Österreich aus sicher mit dem Flugzeug über internationale Flughäfen zu erreichen.

Der Beschwerdeführer ist seit seiner Antragstellung im November 2015 durchgehend ausschließlich nur auf Grund des vorläufigen Aufenthaltsrechts während des Asylverfahrens rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig. Der Beschwerdeführer bestreitet seinen Lebensunterhalt ausschließlich aus Mitteln der Grundversorgung. Der Beschwerdeführer hat an mehreren Kursen (insb. Deutschkursen) teilgenommen und bisher lediglich Hilfsarbeiten absolviert. Der BF ist bereits strafffällig geworden und verfügt in Österreich über keine Verwandten und keine sonstigen engen familienähnlichen Bindungen. Das Vorliegen einer insgesamt besonders berücksichtigungswürdigen Integration in Österreich kann in casu nicht festgestellt werden.

Das BFA hat ein insgesamt mängelfreies Verfahren durchgeführt. Die belangte Behörde ist im gegenständlichen Verfahren ihrer Ermittlungspflicht durch die Vornahme einer detaillierten Befragung nachgekommen und dem angefochtenen Bescheid ist ein im vorliegenden Verwaltungsakt dokumentiert umfassendes Ermittlungsverfahren vorangegangen. Der Sachverhalt wurde bereits unter schlüssiger Beweiswürdigung des Bundesamtes festgestellt und rechtlich korrekt durch das BFA gewürdigt.

In der Beschwerde, als auch in der Verhandlung vor dem BVwG, sowie auch durch die Stellungnahmen und Ausführungen der Vertretung konnten glaubhaft keine wesentlichen, bzw. verfahrensrelevant neuen Sachverhaltselemente glaubhaft bzw. substantiiert begründet dargelegt werden, welche geeignet wären, die von der belangten Behörde getroffenen Entscheidungen grundlegend in Frage zu stellen.

Das Vorliegen einer insgesamt besonders berücksichtigungswürdigen Integration in Österreich kann in Zusammenschau sämtlichen integrativen Schritten des BF insbesondere in Zusammenschau mit der erfolgten strafrechtlichen Verurteilung des BF in Österreich in casu nicht festgestellt werden.

Das Bestehen von besonderen Gründen, die für ein Verbleiben des BF im Bundesgebiet sprechen, sind dem vorliegenden Verwaltungsakt nicht zu entnehmen.

1.3. Zur Situation im Herkunftsstaat wird Folgendes festgestellt:

(gekürzt durch das BVwG aus den aktuellen Länderfeststellungen des BFA zu Afghanistan)

Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen: KI vom 23.11.2018, Anschläge in Kabul (relevant für Abschnitt 3/Sicherheitslage)

Bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt kamen am 20.11.2018 ca. 55 Menschen ums Leben und ca. 94 weitere wurden verletzt (AJ 21.11.2018; vgl. NYT 20.11.2018, TS 21.11.2018, LE 21.11.2018). Der Anschlag fand in der Hochzeitshalle "Uranus" statt, wo sich Islamgelehrte aus ganz Afghanistan anlässlich des Nationalfeiertages zu Maulid an-Nabi, dem Geburtstag des Propheten Mohammed, versammelt hatten (AJ 21.11.2018; vgl. TS 21.11.2018, TNAE 21.11.2018, IFQ 20.11.2018, Tolonews 20.11.2018). Quellen zufolge befanden sich zum Zeitpunkt der Explosion zwischen 1.000 und 2.000 Personen, darunter hauptsächlich Islamgelehrte und Mitglieder des Ulemarates, aber auch Mitglieder der afghanischen Sufi-Gemeinschaft und andere Zivilisten, in der Hochzeitshalle (AJ 21.11.2018; vgl. LE 21.11.2018, NYT 20.11.2018, DZ 20.11.2018, IFQ 20.11.2018). Gemäß einer Quelle fand die Detonation im ersten Stock der Hochzeitshalle statt, wo sich zahlreiche Geistliche der afghanischen Sufi-Gemeinschaft versammelt hatten. Es ist nicht klar, ob das Ziel des Anschlags das Treffen der sufistischen Gemeinschaft oder das im Erdgeschoss stattfindende Treffen der Ulema und anderer Islamgelehrten war (LE 21.11.2018; vgl. TNAE 21.11.2018). Weder die Taliban noch der Islamische Staat (IS) bekannten sich zum Angriff, der dennoch von den Taliban offiziell verurteilt wurde (LE 21.11.2018; vgl. AJ 21.11.2018, IFQ 20.11.2018).

Am 12.11.2018 kamen bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt ca. sechs Personen ums Leben und 20 weitere wurden verletzt (Tolonews 12.11.2018; vgl. DZ 12.11.2018, ANSA 12.11.2018). Anlass dafür war eine Demonstration in der Nähe des "Pashtunistan Square" im Stadtzentrum, an der hunderte von Besuchern, darunter hauptsächlich Mitglieder und Unterstützer der Hazara-Gemeinschaft, teilnahmen, um gegen die während des Berichtszeitraums anhaltenden Kämpfe in den Provinzen Ghazni und Uruzgan zu demonstrieren (Tolonews 12.11.2018; vgl. DZ 12.11.2018, KP 12.11.2018). Der IS bekannte sich zum Anschlag (DZ 12.11.2018; vgl. AJ 12.11.2018).

Bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt kamen am 31.10.2018 ca. sieben Personen ums Leben und weitere acht wurden verletzt (Dawn 1.11.20181; vgl. 1TV 31.10.2018, Pajhwok 31.10.2018). Unter den Opfern befanden sich auch Zivilisten (Pajhwok 31.10.2018; vgl. 1TV 31.10.2018). Die Explosion fand in der Nähe des Kabuler Gefägnisses Pul-i-Charkhi statt und hatte dessen Mitarbeiter zum Ziel (Dawn 1.11.2018; vgl. 1TV 31.10.2018, Pajhwok 31.10.2018). Der IS bekannte sich zum Anschlag (Dawn 1.11.2018, vgl. 1TV 31.10.2018).

KI vom 29.10.2018, Parlamentswahlen und UNAMA-Update zu zivilen Opfern (relevant für Abschnitt 3/Sicherheitslage und Abschnitt 2/Politische Lage)

Am 20. und am 21.10.2018 fand in Afghanistan die Wahl für das Unterhaus (Wolesi Jirga, Anm.) in 32 der 34 Provinzen statt (AAN 21.10.2018b; vgl. LS 21.10.2018). In der Provinz Ghazni wurde die Parlamentswahl verschoben, voraussichtlich auf den 20.4.2019, wenn u. a. auch die Präsidentschafts- und Distriktwahlen stattfinden sollen (siehe hierzu KI der Staatendokumentation vom 19.10.2018). In der Provinz Kandahar fand die Wahl am 27.10.2018 mit Ausnahme der Distrikte Nesh und Maruf statt (AAN 26.10.2018; vgl. CNN 27.10.2018). Grund für die Verzögerung war die Ermordung u.a. des lokalen Polizeichefs General Abdul Raziq am 18.10.2018 (AJ 19.10.2018; vgl. LS 21.10.2018). Während der Wahl in der Provinz Kandahar wurden keine sicherheitsrelevanten Vorfälle gemeldet (CNN 27.10.2018). Die Wahl, die für den 20.10.2018 geplant war, wurde um einen Tag verlängert, weil die Wähler aus sicherheits- und technischen Gründen in zahlreichen Provinzen nicht wählen konnten:

Lange Wartezeiten vor den Wahllokalen sowie verspätete Öffnungszeiten, Mangel an Wahlunterlagen, Probleme bei der biometrischen Verifizierung der Wähler, sicherheitsrelevante Vorfälle usw. waren die Hauptprobleme während der beiden Wahltage (AAN 20.10.2018; vgl. AAN 21.10.2018a). Von den ca. neun Milionen Afghanen und Afghaninnen, die sich für die Wahl registriert hatten, wählten laut Schätzungen der Independent Election Commission (IEC) zwischen drei und vier Milionen (CNN 27.10.2018; vgl. RN 21.10.2018, AAN 21.10.2018b). In den Städten und Gebieten, die als sicherer gelten, war der Wahlandrang höher als in den ländlichen Gegenden, in denen die Taliban Einfluss ausüben (AAN 20.10.2018; vgl. RN 21.10.2018, AAN 21.10.2018a).

Während der beiden Wahltage fanden Quellen zufolge landesweit ca. 200 sicherheitsrelevante Vorfälle statt und ca. 170 Zivilsten kamen während des ersten Wahltages ums Leben bzw. wurden verwundet: In Kabul wurden 15 Tote, in Baghlan 12, in Nangarhar 11 und in Kunduz 3 Tote verzeichnet. Auch Mitglieder der afghanischen Sicherheitskräfte befanden sich unter den Opfern (vgl. AAN 21.10.2018a, RN 21.10.2018, AFP 20.10.2018).

Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte zwischen 1.1.2018 und 30.9.2018 im Zusammenhang mit den Parlamentswahlen insgesamt 366 zivile Opfer (126 Tote und 240 Verletzte) (UNAMA 10.10.2018).

Anmerkung: Weiterführende Informationen über den Wahlprozess in Afghanistan können der KI der Staatendokumentation vom 19.10.2018 entnommen werden.

Zivile Opfer

Insgesamt wurden im selben Berichtszeitraum 8.050 zivile Opfer (2.798 Tote und 5.252 Verletzte) verzeichnet. Die meisten zivilen Opfer wurden durch Selbstmord- und Nicht-Selbstmord-IED

[Improvisierte Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen, Anm.] regierungsfeindlicher Gruppierungen verursacht. Zusammenstöße am Boden, gezielte Tötungen, Luftangriffe und explosive Kampfmittelrückstände waren weitere Ursachen für zivile Opfer (UNAMA 10.10.2018).

KI vom 19.10.2018, Aktualisierung: Sicherheitslage in Afghanistan - Q3.2018 (relevant für Abschnitt 3 / Sicherheitslage)

Allgemeine Sicherheitslage und sicherheitsrelevante Vorfälle

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt volatil (UNGASC 10.9.2018). Am 19.8.2018 kündigte der afghanische Präsident Ashraf Ghani einen dreimonatigen Waffenstillstand mit den Taliban vom 20.8.2018 bis 19.11.2018 an, der von diesen jedoch nicht angenommen wurde (UNGASC 10.9.2018; vgl. Tolonews 19.8.2018, TG 19.8.2018, AJ 19.8.2018). Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum (15.5.2018 - 15.8.2018) 5.800 sicherheitsrelevante Vorfälle, was einen Rückgang von 10% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres bedeutet. Bewaffnete Zusammenstöße gingen um 14% zurück, machten aber weiterhin den Großteil der sicherheitsrelevanten Vorfälle (61%) aus. Selbstmordanschläge nahmen um 38% zu, Luftangriffe durch die afghanische Luftwaffe (AAF) sowie internationale Kräfte stiegen um 46%. Die am stärksten betroffenen Regionen waren der Süden, der Osten und der Süd-Osten, wo insgesamt 67% der Vorfälle stattfanden. Es gibt weiterhin Bedenken bezüglich sich verschlechternder Sicherheitsbedingungen im Norden des Landes:

Eine große Zahl von Kampfhandlungen am Boden wurde in den Provinzen Balkh, Faryab und Jawzjan registriert, und Vorfälle entlang der Ring Road beeinträchtigten die Bewegungsfreiheit zwischen den Hauptstädten der drei Provinzen (UNGASC 10.9.2018).

Zum ersten Mal seit 2016 wurden wieder Provinzhauptädte von den Taliban angegriffen: Farah- Stadt im Mai, Ghazni-Stadt im August und Sar-e Pul im September (UNGASC 10.9.2018; vgl. Kapitel 1., KI 11.9.2018, SIGAR 30.7.2018, UNGASC 6.6.2018). Bei den Angriffen kam es zu heftigen Kämpfen, aber die afghanischen Sicherheitskräfte konnten u.a. durch Unterstützung der internationalen Kräfte die Oberhand gewinnen (UNGASC 10.9.2018; vgl. UNGASC 6.6.2018, GT 12.9.2018). Auch verübten die Taliban Angriffe in den Provinzen Baghlan, Logar und Zabul (UNGASC 10.9.2018). Im Laufe verschiedener Kampfoperationen wurden sowohl Taliban- als auch ISKP-Kämpfer (ISKP, Islamic State Khorasan Province, Anm.) getötet (SIGAR 30.7.2018).

Sowohl die Aufständischen als auch die afghanischen Sicherheitskräfte verzeichneten hohe Verluste, wobei die Zahl der Opfer auf Seite der ANDSF im August und September 2018 deutlich gestiegen ist (Tolonews 23.9.2018; vgl. NYT 21.9.2018, ANSA 13.8.2018, CBS 14.8.2018).

Trotzdem gab es bei der Kontrolle des Territoriums durch Regierung oder Taliban keine signifikante Veränderung (UNGASC 10.9.2018; vgl. UNGASC 6.6.2018). Die Regierung kontrollierte - laut Angaben der Resolute Support (RS) Mission - mit Stand 15.5.2018 56,3% der Distrikte, was einen leichten Rückgang gegenüber dem Vergleichszeitraum 2017 (57%) bedeutet. 30% der Distrikte waren umkämpft und 14% befanden sich unter Einfluss oder Kontrolle von Aufständischen. Ca. 67% der Bevölkerung lebten in Gebieten, die sich unter Regierungskontrolle oder -einfluss befanden, 12% in Gegenden unter Einfluss bzw. Kontrolle der Aufständischen und 23% lebten in umkämpften Gebieten (SIGAR 30.7.2018).

Der Islamische Staat - Provinz Khorasan (ISKP) ist weiterhin in den Provinzen Nangarhar, Kunar und Jawzjan aktiv (USGASC 6.6.2018; vgl. UNGASC 10.9.2018). Auch war die terroristische Gruppierung im August und im September für öffentlichkeitswirksame Angriffe auf die schiitische Glaubensgemeinschaft in Kabul und Paktia verantwortlich (UNGASC 10.9.2018; vgl. KI vom 11.9.2018, KI vom 22.8.2018). Anfang August besiegten die Taliban den in den Distrikten Qush Tepa und Darzab (Provinz Jawzjan) aktiven "selbsternannten" ISKP (dessen Verbindung mit dem ISKP in Nangarhar nicht bewiesen sein soll) und wurden zur dominanten Macht in diesen beiden Distrikten (AAN 4.8.2018; vgl. UNGASC 10.9.2018).

KI vom 11.9.2018, Angriffe des Islamischen Staates (IS/ISKP) in Kabul, Anschläge in Nangarhar und Aktivitäten der Taliban in den Provinzen Sar-i Pul und Jawzjan (relevant für Abschnitt 3 / Sicherheitslage)

Anschläge in Nangarhar 11.9.2018

Am 11.9.2018 kamen nach einem Selbstmordanschlag während einer Demostration im Distrikt Mohamad Dara der Provinz Nangarhar mindestens acht Menschen ums Leben und weitere 35 wurden verletzt (Tolonews 11.9.2018; vgl. TWP 11.9.2018, RFE/RL 11.9.2018). Kurz zuvor wurde am Vormittag des 11.9.2018 ein Anschlag mit zwei Bomben vor der Mädchenschule "Malika Omaira" in Jalalabad verübt, bei dem ein Schüler einer nahegelegenen Jungenschule ums Leben kam und weitere vier Schüler verletzt wurden, statt (RFE/RL 11.9.2018; AFP 11.9.2018). Davor gab es vor der Mädchenschule "Biba Hawa" im naheligenden Distrikt Behsud eine weitere Explosion, die keine Opfer forderte, weil die Schülerinnen noch nicht zum Unterricht erschienen waren (AFP 11.9.2018). Weder die Taliban noch der IS/ISKP bekannten sich zu den Anschlägen, obwohl beide Gruppierungen in der Provinz Nangarhar aktiv sind (AFP 11.9.2018; vgl. RFE/RL 11.9.2018, TWP 11.9.2018).

Kämpfe in den Provinzen Sar-e Pul und Jawzjan 11.9.2018

Am Montag, dem 10.9.2018, eroberten die Taliban die Hauptstadt des Kham Aab Distrikts in der Provinz Jawzjan nachdem es zu schweren Zusammenstößen zwischen den Taliban und den afghanischen Sicherheitskräften gekommen war (Tolonews 10.9.2018a; Tolonews 10.9.2018b). Sowohl die afghanischen Streitkräfte als auch die Taliban erlitten Verluste (Khaama Press 10.9.2018a).

Am Sonntag, dem 9.9.2018, starteten die Taliban eine Offensive zur Eroberung der Hauptstadt der Provinz Sar-i Pul, wo nach wie vor u.a. mit Einsatz der Luftwaffe gekämpft wird (Tolonews 10.9.2018b; vgl. FAZ 10.9.2018). Quellen zufolge haben die Taliban das Gebiet Balghali im Zentrum der Provinzhauptstadt eingenommen und unter ihre Kontrolle gebracht (FAZ 10.9.2018). Sar-i-Pul-Stadt gehört zu den zehn Provinzhauptstädten, die Quellen zufolge das höchste Risiko tragen, von den Taliban eingenommen zu werden. Dazu zählen auch Farah-Stadt, Faizabad in Badakhshan, Ghazni-Stadt, Tarinkot in Uruzgan, Kunduz-Stadt, Maimana in Faryab und Pul-i- Khumri in Baghlan (LWJ 10.9.2018; vgl. LWJ 30.8.2018). Weiteren Quellen zufolge sind auch die Städte Lashkar Gar in Helmand und Gardez in Paktia von einer Kontrollübernahme durch die Taliban bedroht (LWJ 10.9.2018).

IS-Angriff während Massoud-Festzug in Kabul 9.9.2018

Bei einem Selbstmordanschlag im Kabuler Stadtteil Taimani kamen am 9.9.2018 mindestens sieben Menschen ums Leben und ungefähr 24 weitere wurden verletzt. Der Anschlag, zu dem sich der Islamische Staat (IS/ISKP) bekannte, fand während eines Festzugs zu Ehren des verstorbenen Mudschahedin-Kämpfers Ahmad Shah Massoud statt (AJ 10.9.2018; vgl. Khaama Press 10.9.2018b).

IS-Angriff auf Sportverein in Kabul 5.9.2018

Am Mittwoch, dem 5.9.2018, kamen bei einem Doppelanschlag auf einen Wrestling-Klub im Kabuler Distrikt Dasht-e Barchi mindestens 20 Personen ums Leben und ungefähr 70 weitere wurden verletzt (AJ 6.9.2018; vgl. CNN 6.9.2018, TG 5.9.2018). Zuerst sprengte sich innerhalb des Sportvereins ein Attentäter in die Luft, kurz darauf explodierte eine Autobombe in der sich vor dem Klub versammelnden Menge (SO 5.9.2018) Der Islamische Staat (IS/ISKP) bekannte sich zum Anschlag (RFE/RL 5.9.2018).

Politische Lage

Nach dem Sturz des Taliban-Regimes im Jahr 2001 wurde eine neue Verfassung ausgearbeitet und im Jahr 2004 angenommen (BFA Staatendokumentation 7.2016; vgl. Casolino 2011). Sie basiert auf der Verfassung aus dem Jahr 1964. Bei der Ratifizierung sah diese Verfassung vor, dass kein Gesetz gegen die Grundsätze und Bestimmungen des Islam verstoßen darf und alle Bürger Afghanistans, Mann wie Frau, gleiche Rechte und Pflichten vor dem Gesetz haben (BFA Staatendokumentation 3.2014; vgl. Casolino 2011, MPI 27.1.2004).

Die Verfassung der islamischen Republik Afghanistan sieht vor, dass der Präsident der Republik direkt vom Volk gewählt wird und sein Mandat fünf Jahre beträgt (Casolino 2011). Implizit schreibt die Verfassung dem Präsidenten auch die Führung der Exekutive zu (AAN 13.2.2015).

Nach den Präsidentschaftswahlen im Jahr 2014 einigten sich die beiden Kandidaten Ashraf Ghani und Abdullah Abdullah Mitte 2014 auf eine Regierung der Nationalen Einheit (RNE) (AM 2015; vgl. DW 30.9.2014). Mit dem RNE-Abkommen vom 21.9.2014 wurde neben dem Amt des Präsidenten der Posten des CEO (Chief Executive Officer) eingeführt, dessen Befugnisse jenen eines Premierministers entsprechen. Über die genaue Gestalt und Institutionalisierung des Postens des CEO muss noch eine loya jirga [Anm.: größte nationale Versammlung zur Klärung von wichtigen politischen bzw. verfassungsrelevanten Fragen] entscheiden (AAN 13.2.2015; vgl. AAN o. D.), doch die Einberufung einer loya jirga hängt von der Abhaltung von Wahlen ab (CRS 13.12.2017).

Die afghanische Innenpolitik war daraufhin von langwierigen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Regierungslagern unter Führung von Präsident Ashraf Ghani und dem Regierungsvorsitzenden (Chief Executive Officer, CEO) Abdullah Abdullah geprägt. Kurz vor dem Warschauer NATO-Gipfel im Juli 2016 wurden schließlich alle Ministerämter besetzt (AA 9.2016).

Parlament und Parlamentswahlen

Die afghanische Nationalversammlung ist die höchste legislative Institution des Landes und agiert im Namen des gesamten afghanischen Volkes (Casolino 2011). Sie besteht aus dem Unterhaus, auch wolesi jirga, "Kammer des Volkes", genannt, und dem Oberhaus, meshrano jirga auch

"Ältestenrat" oder "Senat" genannt. Das Unterhaus hat 250 Sitze, die sich proportional zur Bevölkerungszahl auf die 34 Provinzen verteilen. Verfassungsgemäß sind für Frauen 68 Sitze, für die Minderheit der Kutschi zehn Sitze und für Vertreter der Hindu- bzw. Sikh-Gemeinschaft ein Sitz im Unterhaus reserviert (AAN 22.1.2017; vgl. USDOS 20.4.2018, USDOS 15.8.2017, CRS 13.12.2017, Casolino 2011). Die Mitglieder des Unterhauses haben ein Mandat von fünf Jahren (Casolino 2011). Die verfassungsmäßigen Quoten gewährleisten einen Frauenanteil von ca. 25% im Unterhaus (AAN 22.1.2017).

Das Oberhaus umfasst 102 Sitze (IPU 27.2.2018). Zwei Drittel von diesen werden von den gewählten Provinzräten vergeben. Das verbleibende Drittel, wovon 50% mit Frauen besetzt werden müssen, vergibt der Präsident selbst. Zwei der vom Präsidenten zu vergebenden Sitze sind verfassungsgemäß für die Kutschi-Minderheit und zwei weitere für behinderte Personen bestimmt. Auch ist de facto ein Sitz für einen Vertreter der Hindu- bzw. Sikh-Gemeinschaft reserviert (USDOS 20.4.2018; vgl. USDOS 15.8.2017).

Die Rolle des Parlaments bleibt begrenzt. Zwar beweisen die Abgeordneten mit kritischen Anhörungen und Abänderungen von Gesetzentwürfen in teils wichtigen Punkten, dass das Parlament grundsätzlich funktionsfähig ist. Zugleich nutzt das Parlament seine verfassungsmäßigen Rechte, um die Arbeit der Regierung destruktiv zu behindern, Personalvorschläge der Regierung z. T. über längere Zeiträume zu blockieren und sich Zugeständnisse wohl auch durch finanzielle Zuwendungen an einzelne Abgeordnete abkaufen zu lassen. Insbesondere das Unterhaus hat sich dadurch sowohl die RNE als auch die Zivilgesellschaft zum Gegner gemacht. Generell leider die Legislative unter einem kaum entwickelten Parteiensystem und mangelnder Rechenschaft der Parlamentarier gegenüber ihren Wählern (AA 5.2018).

Die für Oktober 2016 angekündigten Parlamentswahlen konnten wegen ausstehender Wahlrechtsreformen nicht am geplanten Termin abgehalten werden. Daher bleibt das bestehende Parlament weiterhin im Amt (AA 9.2016; vgl. CRS 12.1.2017). Im September 2016 wurde das neue Wahlgesetz verabschiedet und Anfang April 2018 wurde von der unabhängigen Wahlkommission (IEC) der 20. Oktober 2018 als neuer Wahltermin festgelegt. Gleichzeitig sollen auch die Distriktwahlen stattfinden (AAN 12.4.2018; vgl. AAN 22.1.2017, AAN 18.12.2016).

Parteien

Die afghanische Verfassung erlaubt die Gründung politischer Parteien, solange deren Programm nicht im Widerspruch zu den Prinzipien des Islam steht (USDOS 15.8.2017). Um den Parteien einen allgemeinen und nationalen Charakter zu verleihen, verbietet die Verfassung jeglichen Zusammenschluss in politischen Organisationen, der aufgrund von ethnischer, sprachlicher oder konfessioneller Zugehörigkeit erfolgt (Casolino 2011). Auch darf keine rechtmäßig zustande gekommene Partei oder Organisation ohne rechtliche Begründung und ohne richterlichen Beschluss aufgelöst werden (AE o. D.). Der Terminus "Partei" umfasst gegenwärtig eine Reihe von Organisationen mit sehr unterschiedlichen organisatorischen und politischen Hintergründen. Trotzdem existieren Ähnlichkeiten in ihrer Arbeitsweise. Einer Anzahl von ihnen war es möglich, die Exekutive und Legislative der Regierung zu beeinflussen (USIP 3.2015).

Die meisten dieser Gruppierungen erscheinen jedoch mehr als Machtvehikel ihrer Führungsfiguren, denn als politisch-programmatisch gefestigte Parteien. Ethnischer Proporz, persönliche Beziehungen und ad hoc geformte Koalitionen genießen traditionell mehr Einfluss als politische Organisationen. Die Schwäche des sich noch entwickelnden Parteiensystems ist auf strukturelle Elemente (wie z.B. das Fehlen eines Parteienfinanzierungsgesetzes) zurückzuführen sowie auf eine allgemeine Skepsis der Bevölkerung und der Medien. Reformversuche sind im Gange, werden aber durch die unterschiedlichen Interessenlagen immer wieder gestört, etwa durch das Unterhaus selbst (AA 9.2016). Ein hoher Grad an Fragmentierung sowie eine Ausrichtung auf Führungspersönlichkeiten sind charakteristische Merkmale der afghanischen Parteienlandschaft (AAN 6.5.2018).

Mit Stand Mai 2018 waren 74 Parteien beim Justizministerium (MoJ) registriert (AAN 6.5.2018).

Parteienlandschaft und Opposition

Nach zweijährigen Verhandlungen unterzeichneten im September 2016 Vertreter der afghanischen Regierung und der Hezb-e Islami ein Abkommen (CRS 12.1.2017), das letzterer Immunität für "vergangene politische und militärische" Taten zusichert. Dafür verpflichtete sich die Gruppe, alle militärischen Aktivitäten einzustellen (DW 29.9.2016). Das Abkommen beinhaltete unter anderem die Möglichkeit eines Regierungspostens für den historischen Anführer der Hezb-e-Islami, Gulbuddin Hekmatyar; auch soll sich die afghanische Regierung bemühen, internationale Sanktionen gegen Hekmatyar aufheben zu lassen (CRS 12.1.2017). Tatsächlich wurde dieser im Februar 2017 von der Sanktionsliste des UN-Sicherheitsrates gestrichen (AAN 3.5.2017). Am 4.5.2017 kehrte Hekmatyar nach Kabul zurück (AAN 4.5.2017). Die Rückkehr Hekmatyars führte

u. a. zu parteiinternen Spannungen, da nicht alle Fraktionen innerhalb der Hezb-e Islami mit der aus dem Friedensabkommen von 2016 erwachsenen Verpflichtung sich unter Hekmatyars Führung wiederzuvereinigen, einverstanden sind (AAN 25.11.2017; vgl. Tolonews 19.12.2017, AAN 6.5.2018). Der innerparteiliche Konflikt dauert weiter an (Tolonews 14.3.2018).

Ende Juni 2017 gründeten Vertreter der Jamiat-e Islami-Partei unter Salahuddin Rabbani und Atta Muhammad Noor, der Jombesh-e Melli-ye Islami-Partei unter Abdul Rashid Dostum und der Hezb- e Wahdat-e Mardom-Partei unter Mardom Muhammad Mohaqeq die semi-oppositionelle "Coalition for the Salvation of Afghanistan", auch "Ankara Coalition" genannt. Diese Koalition besteht aus drei großen politischen Parteien mit starker ethnischer Unterstützung (jeweils Tadschiken, Usbeken und Hazara) (AB 18.11.2017; vgl. AAN 6.5.2018).

Unterstützer des weiterhin politisch tätigen ehemaligen Präsidenten Hamid Karzai gründeten im Oktober 2017 eine neue politische Bewegung, die Mehwar-e Mardom-e Afghanistan (The People's Axis of Afghanistan), unter der inoffiziellen Führung von Rahmatullah Nabil, des ehemaligen Chefs des afghanischen Geheimdienstes (NDS). Später distanzierten sich die Mitglieder der Bewegung von den politischen Ansichten Hamid Karzais (AAN 6.5.2018; vgl. AAN 11.10.2017).

Anwarul Haq Ahadi, der langjährige Anführer der Afghan Mellat, eine der ältesten Parteien Afghanistans, verbündete sich mit der ehemaligen Mujahedin-Partei Harakat-e Enqilab-e Eslami-e Afghanistan. Gemeinsam nehmen diese beiden Parteien am New National Front of Afghanistan teil (NNF), eine der kritischsten Oppositionsgruppierungen in Afghanistan (AAN 6.5.2018; vgl. AB 29.5.2017).

Eine weitere Oppositionspartei ist die Hezb-e Kongara-ya Melli-ye Afghanistan (The National Congress Party of Afghanistan) unter der Führung von Abdul Latif Pedram (AB 15.1.2016; vgl. AB 29.5.2017).

Auch wurde die linksorientierte Hezb-e-Watan-Partei (The Fatherland Party) wieder ins Leben gerufen, mit der Absicht, ein wichtiges Segment der ehemaligen linken Kräfte in Afghanistan zusammenzubringen (AAN 6.5.2018; vgl. AAN 21.8.2017).

Sicherheitslage

Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausge

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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