TE Vwgh Erkenntnis 2019/3/27 Ra 2018/10/0129

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Veröffentlicht am 27.03.2019
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Index

L92009 Sozialhilfe Grundsicherung Mindestsicherung Wien
001 Verwaltungsrecht allgemein
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §56
MSG Wr 2010 §24a
MSG Wr 2010 §44 Abs3
MSG Wr 2010 §44 Abs7
VwGVG 2014 §17
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Lukasser, Dr. Hofbauer, Dr. Fasching und die Hofrätin Dr. Leonhartsberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Bleiweiss, über die Revision des S C in W, vertreten durch Dr. Thomas Neugschwendtner, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Schleifmühlgasse 5/8, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 6. Juni 2018, Zl. VGW-141/021/3498/2018/E-7, betreffend Mindestsicherung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1 Mit Bescheid des Magistrats der Stadt Wien vom 18. November 2015 wurde der Revisionswerber verpflichtet, die für den Zeitraum vom 29. August 2013 bis zum 31. Mai 2014 aufgewendeten Kosten für Leistungen der Mindestsicherung in der Höhe von EUR 6.353,56 gemäß § 24 Wiener Mindestsicherungsgesetz (WMG) zu ersetzen.

2 Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 2. März 2016 wurde eine dagegen vom Revisionswerber erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

3 Zur Begründung führte das Verwaltungsgericht nach Darstellung des Verfahrensganges und der maßgeblichen Rechtsvorschriften im Wesentlichen aus, der Revisionswerber habe im November 2015 einen Betrag in der Höhe von EUR 6.353,56 ausbezahlt erhalten, dies als Nachzahlung durch die Pensionsversicherungsanstalt laut deren Bescheid vom 13. November 2015. Der Bedarfsgemeinschaft des Revisionswerbers seien insgesamt EUR 7.129,66 an Leistungen der Mindestsicherung für den Zeitraum vom 29. August 2013 bis zum 31. Mai 2014 zuerkannt und ausbezahlt worden.

4 Dieses Erkenntnis wurde mit hg. Erkenntnis vom 28. Februar 2018, Ra 2016/10/0055, wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben.

5 Begründend führte der Verwaltungsgerichtshof aus, im vorliegenden Fall sei unstrittig, dass dem Revisionswerber im November 2015 - sohin nach Empfang der Leistungen aus der Mindestsicherung für den Zeitraum vom 29. August 2013 bis zum 31. Mai 2014 - eine Pensionsnachzahlung in der Höhe von EUR 6.353,56 ausbezahlt worden sei. Der Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass diese Nachzahlung im November 2015 ein Einkommen, das nicht aus eigener Erwerbstätigkeit stamme, dargestellt habe, das - zur Gänze - einem Ersatzanspruch nach § 24 Abs. 2 WMG zugrunde zu legen sei, sei nicht beizupflichten. Zugeflossene Geldmittel infolge einer Nachzahlung von Pension seien als "Vermögen" im Sinne des § 24 Abs. 2 WMG anzusehen, die nur insoweit, als es sich um "verwertbares Vermögen" im Sinne des § 12 Abs. 2 WMG - sohin unter Berücksichtigung des Vermögensfreibetrages gemäß § 12 Abs. 3 Z 5 leg. cit. - handle, der Ersatzpflicht unterliegen.

6 Mit dem vorliegenden Erkenntnis vom 6. Juni 2018 wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde neuerlich ab und bestätigte den Bescheid der belangten Behörde vom 18. November 2015 mit der Maßgabe, dass als Rechtsgrundlage "zusätzlich" § 24a WMG idF LGBl. Nr. 2/2018 heranzuziehen sei (I.). Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde für unzulässig erklärt (II).

7 Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, gemäß § 24a WMG bestehe grundsätzlich der Kostenersatzanspruch aufgrund des vom Revisionswerber durch die Nachzahlung der Pensionsversicherungsanstalt lukrierten Vermögens. Der Kostenersatzanspruch bestehe in voller Höhe, ohne Berücksichtigung eines Vermögensfreibetrages und unabhängig davon, ob Einkommen oder Vermögen vorhanden sei oder weiterhin eine Notlage bestehe. Entgegen der Auffassung des Revisionswerbers, es könne eine Anrechnung der Pensionszahlung allenfalls für den Zeitraum des Mindestsicherungsbezuges (29. August 2013 bis 31. Mai 2014) erfolgen, sei nach dem klaren Wortlaut des § 24a WMG sowie den unmissverständlichen Gesetzeserläuterungen davon auszugehen, dass bei rückwirkender Zuerkennung von Ansprüchen eine hilfesuchende Person zum vollen Ersatz der Kosten verpflichtet sei, die durch Gewährung von Leistungen nach dem WMG "in dieser Zeit", entstanden seien, dh. in der Zeit, in der Mindestsicherung bezogen worden sei.

8 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision, die zur Zulässigkeit vorbringt, es sei unstrittig, dass der Revisionswerber eine Versicherungsleistung nach dem ASVG erhalten habe, weshalb § 24a WMG grundsätzlich Anwendung finde. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts normiere die Bestimmung allerdings, dass Ersatz nur "für eine Zeit", für die ein Anspruch auf Versicherungsleistungen bestanden habe, zustehe. Damit habe der Gesetzgeber klargestellt, dass nur jene Versicherungsleistungen anzurechnen seien, bei denen der Anspruchszeitraum und der Gewährungszeitraum deckungsgleich seien. Dies bedeute im konkreten Fall, dass nicht die gesamte Nachzahlung in Höhe von EUR 6.353,56 vom Kostenersatz erfasst sei, sondern nur jener Betrag, der für den Zeitraum des Mindestsicherungsbezuges vom 29. August 2013 bis 31. Mai 2014 geleistet worden sei. Zur Auslegung der Wortfolge "für eine Zeit" in § 24a WMG bestehe keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, diese Rechtsfrage habe auch über den Einzelfall hinaus grundsätzliche Bedeutung.

9 Der Verwaltungsgerichtshof hat - nach Durchführung des Vorverfahrens, in dem die belangte Behörde von der Erstattung einer Revisionsbeantwortung abgesehen hat - erwogen:

10 Die Revision ist zulässig; sie ist aber nicht begründet. 11 § 24a Wiener Mindestsicherungsgesetz, LGBl. Nr. 38/2010,

in der hier maßgeblichen Fassung LGBl. Nr. 2/2018 (WMG), lautet:

"Kostenersatz bei rückwirkender Zuerkennung von Ansprüchen

§ 24a. Unterstützt das Land Wien als Träger der Mindestsicherung eine Bedarfsgemeinschaft für eine Zeit, in der eine oder mehrere Personen einen Anspruch auf Versicherungsleistungen nach dem ASVG oder dem AlVG oder auf Leistungen nach dem KBGG haben, so sind alle anspruchsberechtigten Personen der Bedarfsgemeinschaft solidarisch zum Ersatz der Kosten verpflichtet, die durch die Gewährung von Leistungen nach diesem Gesetz in dieser Zeit entstanden sind. Der Kostenersatzanspruch besteht in voller Höhe der entstandenen Kosten, ohne Berücksichtigung eines Vermögensfreibetrages und unabhängig davon, ob Einkommen oder Vermögen vorhanden ist oder weiterhin eine Notlage besteht. Die Bestimmung des § 24 Abs. 3 ist sinngemäß anzuwenden."

12 Gemäß § 44 Abs. 3 WMG trat die Bestimmung am 1. Februar 2018 in Kraft. Gemäß Abs.  7 leg. cit. ist die Bestimmung im Falle von Kostenersatzansprüchen des Trägers der Wiener Mindestsicherung unabhängig davon, in welchem Zeitraum die Kosten entstanden sind, anzuwenden.

13 Die Gesetzesmaterialien (BlgNr. 23/2017, LG-02972- 2017/0001, S. 11) führen zu § 24a WMG aus:

"Zu 40. (§ 24a):

Die Bestimmung des § 24a ermöglicht dem Träger der Wiener Mindestsicherung einen Kostenersatz in vollem Umfang, wenn Ansprüche auf Leistungen, die zur Deckung des Lebensunterhalts und Wohnbedarfs dienen, aber von anderen Stellen gewährt werden, rückwirkend zuerkannt und ausbezahlt werden. Das Land Wien als Träger der Mindestsicherung tritt in diesen Fällen für eine andere Stelle in Vorleistung, damit die Existenz von Hilfe suchenden Personen bis zur rückwirkenden Zuerkennung von Ansprüchen auf Arbeitslosengeld, Pension, Kinderbetreuungsgeld, usw. gesichert bleibt. Die Bestimmung stellt sicher, dass dem Träger der Mindestsicherung die vollen Kosten ersetzt werden, die mit der Vorleistung verbunden waren."

14 Vorweg ist (neuerlich) darauf zu verweisen, dass für die hier relevante Frage des nachträglichen Kostenersatzes aus verwertbarem Vermögen die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Entscheidung maßgeblich ist, zumal es nicht um den Abspruch geht, was zu einem bestimmten Zeitpunkt (etwa jenem der Erlassung des verwaltungsbehördlichen Bescheides) oder in einem bestimmten Zeitraum rechtens war, sondern um die aktuelle Begründung einer Zahlungsverpflichtung des Revisionswerbers (vgl. das zit. Vorerkenntnis VwGH Ra 2016/10/0055, mwN).

15 Das Verwaltungsgericht hat demnach den - im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses bereits in Kraft stehenden - § 24a (iVm § 44a Abs. 7) WMG zu Recht als Entscheidungsgrundlage herangezogen.

16 § 24a WMG sieht einen Kostenersatz für an Bedarfsgemeinschaften geleistete Mindestsicherung für den Fall vor, dass einer oder mehreren Personen der Bedarfsgemeinschaft rückwirkend Versicherungsleistungen aufgrund eines Anspruchs nach dem ASVG oder AlVG bzw. Leistungen nach dem KBGG (bzw. seit der Novelle LGBl. Nr. 49/2018 auch Leistungen nach dem UVG, Unterhaltsleistungen und Leistungen nach dem WWFSG 1989)) gewährt werden.

17 Nach dem Wortlaut der Bestimmung - der insoweit in den Gesetzesmaterialien seine Entsprechung findet - besteht der Kostenersatzanspruch für Aufwendungen, die durch die Gewährung von Mindestsicherungsleistungen in einer Zeit entstanden sind, in der auch ein Anspruch auf die genannten Versicherungsleistungen bestand. Die Wortfolge "für eine Zeit" bzw. "in dieser Zeit" bezieht sich auf den Zeitraum, in dem Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung gewährt wurden. Die in diesem Zeitraum dem Träger der Mindestsicherung entstandenen Kosten sind in "voller Höhe" (bzw. "in vollem Umfang"), dh. im Umfang der tatsächlich gewährten Mindestsicherungsleistungen, bis zur Höhe der lukrierten Versicherungsleistungen, zu ersetzen.

18 Die Auffassung des Revisionswerbers, wonach die in Rede stehenden Mindestsicherungskosten lediglich in jener Höhe rückzuerstatten seien, die dem auf den Bezugszeitraum entfallenden Anteil der Versicherungsleistungen entspräche, findet im Gesetz keine Stütze. Diese Auffassung würde im Ergebnis eine - an einer (fiktiven) Aliquotierung der ausbezahlten Versicherungssumme orientierte - Begrenzung der Höhe des Rückersatzanspruches bewirken, die weder mit dem Wortlaut noch dem Zweck der Norm, den Ersatz von Mindestsicherungsleistungen "in vollem Umfang" sicherzustellen, vereinbar ist.

19 Für den vorliegenden Fall ergibt sich daraus, dass der Revisionswerber (der unstrittig einer Bedarfsgemeinschaft im Sinne des WMG) angehörte, gemäß § 24a WMG zu Recht zur Rückerstattung der von der Bedarfsgemeinschaft im genannten Zeitraum bezogenen Mindestsicherungsleistung im vollen Umfang der in Rede stehenden Pensionsleistung verpflichtet wurde.

20 Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 27. März 2019

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018100129.L00

Im RIS seit

18.07.2019

Zuletzt aktualisiert am

18.07.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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