TE Vwgh Erkenntnis 2019/4/8 Ro 2018/03/0058

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Veröffentlicht am 08.04.2019
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren
93 Eisenbahn

Norm

AVG §52
EisbKrV 1961 §6
EisbKrV 2012 §102
EisbKrV 2012 §103
EisbKrV 2012 §103 Abs1
EisbKrV 2012 §5 Abs1
EisenbahnG 1957 §49 Abs2
VwGG §26 Abs1
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Handstanger, Dr. Lehofer, Mag. Nedwed und Mag. Samm als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision der Partei Ö Aktiengesellschaft in W, vertreten durch Walch/Zehetbauer/Motter Rechtsanwälte OG in 1010 Wien, Biberstraße 11, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 23. September 2018, Zl. LVwG-AV-1349/001- 2017, betreffend Sicherung einer Eisenbahnkreuzung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptfrau von Niederösterreich), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Die Revisionsbeantwortung der Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Bescheid vom 12. Oktober 2017 ordnete die Landeshauptfrau von Niederösterreich gemäß § 49 Abs. 2 Eisenbahngesetz 1957 (EisbG) an, dass die Eisenbahnkreuzung in km 56,386 der ÖBB-Strecke Wien Praterstern-Rennweg - Wolfsthal mit der Gemeindestraße "B" gemäß § 4 Abs. 1 Z 5 Eisenbahnkreuzungsverordnung 2012 (EisbKrV) durch Bewachung mittels Armzeichen eines Bewachungsorgans unter Zuhilfenahme eines Schrankens beidseits der Bahn zu sichern sei.

2 Dagegen erhob (unter anderem) die revisionswerbende Partei, die Eigentümerin und Betreiberin der gegenständlichen Schieneninfrastruktur ist, Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (LVwG).

3 Darin brachte sie zusammengefasst vor, die gegenständliche Eisenbahnkreuzung betreffe ein Abstellgleis des Bahnhofes W, das von einer Gemeindestraße gekreuzt werde. Auf dem Gleis fänden täglich bloß zwei Verschubfahrten statt, die Straße werde täglich von weniger als 500 Fahrzeugen befahren. Bislang sei die Eisenbahnkreuzung durch Andreaskreuze und die Abgabe akustischer Signale vom Schienenfahrzeug aus gesichert worden. Diese Sicherung reiche auch nach den Vorschriften der EisbKrV aus. Eine Bewachung der Kreuzung sei eisenbahnbetrieblich nicht durchführbar, weil dazu - wie näher dargestellt wurde - weder der Triebfahrzeugführer noch der Zugbegleiter herangezogen werden könnten. Die Einstellung von Bewachungspersonal eigens für die beiden Verschubfahrten sei im Hinblick auf die gegebenen Schienenverkehrsverhältnisse unverhältnismäßig.

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis bestätigte das LVwG den Bescheid der Landeshauptfrau von Niederösterreich mit der Maßgabe, dass die angeordnete neue Sicherung mit 1. Oktober 2019 in Wirksamkeit trete, und erklärte die Revision für zulässig.

5 In der Begründung seiner Entscheidung stellte das LVwG fest, dass sich die gegenständliche Eisenbahnkreuzung östlich des Bahnhofes W befinde, wo eine Gemeindestraße das nach etwa 200 m (ab der Kreuzung) endende Abstellgleis quere. Bei der Gemeindestraße handle es sich um eine im Ortsgebiet gelegene Straße ohne Durchzugsverkehr, die täglich von weniger als 500 Fahrzeugen befahren werde. Auf der Bahnstrecke werde die Kreuzung lediglich für Verschubfahrten unter Einhaltung der betriebsbedingt festgelegten zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 25 km/h befahren, wobei diese Fahrten zum Zweck des Abstellens eines Zuges über Nacht dienten. Nach dem derzeit gültigen Fahrplan werde der um 18.35 Uhr planmäßig in W ankommende Zug gegen

18.45 Uhr auf das Abstellgleis gestellt, wobei die Eisenbahnkreuzung überquert werde. Am Morgen des Folgetags verlasse dieser Zug wiederum kurz vor seiner planmäßigen Abfahrt um 5.25 Uhr das Abstellgleis, um sodann im Bahnhof Passagiere aufzunehmen. Die bisherige Sicherung mittels Abgabe akustischer Signale existiere seit mehreren Jahrzehnten, wobei es in der Vergangenheit zu Änderungen im Fahrplan bzw. der Zugsintervalle gekommen sei. Der Bahnhof W und die in Rede stehende Eisenbahnkreuzung befänden sich inmitten des Ortsgebiets von W und seien von Wohngebäuden umgeben. Durch die Abgabe von Schallzeichen, zumal in der Zeit vor 5.25 Uhr, könne es zu einer Belästigung der Wohnbevölkerung kommen; eine Gesundheitsgefährdung sei hingegen nicht zu befürchten. Unter Berücksichtigung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 25 km/h und der anzunehmenden Beschleunigungswerte von Schienenfahrzeugen sei es möglich, dass das Schienenfahrzeug die Eisenbahnkreuzung erreiche, bevor die die Eisenbahnkreuzung querenden Straßenverkehrsteilnehmer diese verlassen hätten. Die Sicherung der Eisenbahnkreuzung mittels Abgabe akustischer Signale bedinge das Vorhandensein des Verkehrszeichens "Halt", welches bei Sicherung durch Bewachung entfallen könne. Angesichts des Missverhältnisses von Fahrzeugverkehr auf Schiene (zweimal täglich) und Straße (maximal 500 Fahrzeuge täglich) bestehe die Gefahr sinkender Akzeptanz des Haltegebots und Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit in Folge dessen möglicher Missachtung. Eine den Verkehrserfordernissen entsprechende Sicherung mittels Bewachung könne sowohl mittels eigenen Personals (gemeint: der revisionswerbenden Partei) als auch unter Heranziehung des Triebwagenführers oder anderer beim Eisenbahnbetrieb beschäftigter Personen mit Hilfe eines ortsbedienten Schrankens erfolgen. In letzterem Fall würde die Eisenbahnkreuzung täglich zweimal für einige Minuten gesperrt sein, eine wesentliche Beeinträchtigung der Leichtigkeit, Sicherheit und Flüssigkeit des Verkehrs sei dadurch nicht zu erkennen.

6 In der Beweiswürdigung führte das LVwG aus, dass die Gefahr eines nicht rechtzeitigen Räumens der Eisenbahnkreuzung bei Beibehaltung der derzeitigen Sicherungsart nicht auszuschließen sei. Der eisenbahntechnische Sachverständige habe in seinem überarbeiteten Ergänzungsgutachten nämlich vorgerechnet, dass die Annäherungszeit des Schienenfahrzeugs bei einer fallbezogen vorgegebenen Strecke von 83 Metern 12 Sekunden betrage und somit unterhalb der erforderlichen Annäherungszeit von 16 Sekunden zur gefahrlosen Räumung der Kreuzung liege. Dies werde von der revisionswerbenden Partei nicht in Abrede gestellt. Auch die Folgen eines "unnötigen" Haltegebots für Straßenverkehrsteilnehmer (gemeint: deren herabgesetzte Bereitschaft, dem Haltegebot tatsächlich Folge zu leisten) habe der Amtssachverständige plausibel dargelegt.

7 Rechtlich folgerte das LVwG, im vorliegenden Fall stehe außer Frage, dass die Voraussetzungen für die Sicherungsart nach § 4 Abs. 1 Z 5 EisbKrV (Bewachung) vorlägen. Die revisionswerbende Partei meine jedoch, dass auch die Sicherung nach § 4 Abs. 1 Z 2 EisbKrV (Abgabe akustischer Signale vom Schienenfahrzeug aus) in Betracht komme. Nach den Feststellungen des Gerichtes sei dies jedoch im Hinblick auf das nicht gewährleistete sichere Räumen der Eisenbahnkreuzung unter Zugrundelegung der in Betracht kommenden Höchstgeschwindigkeit nicht gegeben. Doch selbst wenn man annehmen würde, dass ein sicheres Räumen der Kreuzung durch eine entsprechende Gestaltung der Annäherungsgeschwindigkeit des Schienenfahrzeugs möglich wäre, sei die Entscheidung der Landeshauptfrau von Niederösterreich im konkreten Fall nicht als rechtswidrig zu erkennen. Die Sicherung durch Bewachung biete den Vorteil, dass es künftig des Vorschriftzeichens "Halt" nicht mehr bedürfe, sodass Fahrzeuge bei Überqueren der Gleise nicht mehr jedenfalls anhalten müssten. Dadurch werde die Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs auf der Straße erhöht. Hinzu komme, dass es für die Verkehrssicherheit abträglich sei, wenn die Akzeptanz des Haltegebots - wegen aus Sicht der Straßenverkehrsteilnehmer oftmals "unnötigen" Anhaltens - in Frage gestellt sei. Allfällige längere Wartezeiten, die durch die nunmehr angeordnete Bewachung entstehen können, würden durch die Vorteile der neuen Sicherungsart aufgewogen. Es obliege auch der revisionswerbenden Partei, bei der Bewachung ihren Gestaltungsspielraum auszunützen und effiziente Mittel einzusetzen. Als zusätzliches, wenn auch nicht ausschlaggebendes Argument für die Wahl der neuen Sicherungsart könne die Vermeidung von Lärmbelästigungen der Wohnbevölkerung (durch die akustischen Signale des Schienenfahrzeugs) herangezogen werden.

8 Die ordentliche Revision sei zuzulassen, weil keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dazu vorliege, ob bei der Entscheidung über die Art der Sicherung die Kosten bzw. der Personalaufwand für das Eisenbahninfrastrukturunternehmen sowie Aspekte der Lärmbelästigung von Nachbarn zu berücksichtigen seien. Weiters sei nicht geklärt, ob bei einer Sicherung durch Bewachung als Hilfsmittel auch Schranken vorgeschrieben werden dürften.

9 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende ordentliche Revision, in der als Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung geltend gemacht wird, es liege noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor, nach welchen Kriterien eine bestimmte Art der Sicherung anzuordnen sei, wenn potentiell mehrere Sicherungsarten in Frage kämen.

10 In der Sache macht die Revision zusammengefasst geltend, dass - entgegen den Annahmen des LVwG - ein sicheres Räumen der Kreuzung auch bei Beibehaltung der bisherigen, seit Jahrzehnten betriebenen Sicherung gewährleistet sei. Die Sicherung durch die Abgabe akustischer Signale vom Schienenfahrzeug aus sei daher möglich, wie die revisionswerbende Partei mit ihrer Stellungnahme im Verfahren vom 30. Mai 2018 samt Beilagen aufgezeigt habe. Insbesondere betrage die Annäherungszeit des Schienenfahrzeuges nicht wie vom LVwG angenommen 12 Sekunden, sondern - je nach Triebfahrzeug - mindestens 15 bis 18 Sekunden. Die derzeitige Sicherungsart stehe unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls der Leichtigkeit, Flüssigkeit und Sicherheit des Verkehrs auf der Straße nicht entgegen. Das LVwG habe sich mit dem diesbezüglichen Vorbringen der revisionswerbenden Partei in ihrem Schriftsatz vom 30. Mai 2018 zu Unrecht nicht auseinandergesetzt. Ebenfalls sei nicht erörtert worden, ob auch eine Sicherung durch Gewährleisten des erforderlichen Sichtraums gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 EisbKrV möglich sei. In diesem Fall würde eine Lärmbelästigung gänzlich ausscheiden. Auch deshalb sei der Sachverhalt ergänzungsbedürftig. In Abwägung der Verhältnismäßigkeit der angeordneten Maßnahmen spreche gegen die angeordnete Sicherungsart, dass die revisionswerbende Partei für die Bewachung eigenes Personal anstellen müsse, insbesondere, weil dem Triebfahrzeugführer das Aussteigen während der Fahrt nicht gestattet sei. Er sei auch kein Mitarbeiter der revisionswerbenden Partei und somit zur Erledigung dieser Tätigkeit nicht verpflichtet. Auch die Beiziehung eines Zugbegleiters zur Bewachung sei - aus näher dargestellten Gründen - betrieblich nicht möglich. Eine Sicherung durch Bewachung sei daher jedenfalls untunlich. Die allfällige Belästigung der im Nahbereich lebenden Wohnbevölkerung durch Lärm reiche nicht aus, um eine Sicherung der Eisenbahnkreuzung durch akustische Signale auszuschließen (Hinweis auf VwGH 2.10.1991, 90/03/0130). Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Eisenbahnkreuzung auch schon bisher durch akustische Signale von Schienenfahrzeugen gesichert wurde und im Bereich des Bahnhofes W liege, sodass der seitens der Eisenbahn verursachte Lärm als ortsüblich anzusehen sei.

11 Die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz, der das angefochtene Erkenntnis am 1. Oktober 2018 zugestellt worden ist, hat am 28. November 2018 (Postaufgabe 27. November 2018) eine Revisionsbeantwortung erstattet, in der sie der Revision beipflichtet, diese aber um zusätzliche Argumente ergänzt.

12 Die Landeshauptfrau von Niederösterreich als belangte Behörde vor dem LVwG hat von der Erstattung einer Revisionsbeantwortung abgesehen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

     13 Die Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig;

sie ist auch begründet.

     14 Gemäß § 49 Abs. 1 EisbG hat der Bundesminister für

Verkehr, Innovation und Technologie durch Verordnung festzusetzen, in welcher Weise schienengleiche Eisenbahnübergänge nach dem jeweiligen Stand der Technik einerseits und nach den Bedürfnissen des Verkehrs andererseits entsprechend zu sichern sind und inwieweit bestehende Sicherungseinrichtungen an schienengleichen Eisenbahnübergängen weiterbelassen werden dürfen. Über die im Einzelfall zur Anwendung kommende Sicherung hat die Behörde gemäß § 49 Abs. 2 EisbG nach Maßgabe der örtlichen Verhältnisse und Verkehrserfordernisse zu entscheiden.

15 § 4 EisbKrV regelt, auf welche Art eine Eisenbahnkreuzung gesichert werden kann, ohne dabei einer bestimmten Sicherungsart den Vorrang gegenüber einer anderen einzuräumen. Unter anderem wird vorgesehen, dass die Sicherung einer Eisenbahnkreuzung durch Gewährleisten des erforderlichen Sichtraumes (§ 4 Abs. 1 Z 1 EisbKrV), durch Abgabe akustischer Signale vom Schienenfahrzeug aus (§ 4 Abs. 1 Z 2 EisbKrV) oder durch Bewachung (§ 4 Abs. 1 Z 5 EisbKrV) erfolgen kann.

16 Über die zur Anwendung kommende Sicherung einer Eisenbahnkreuzung hat die Behörde gemäß § 5 Abs. 1 EisbKrV im Einzelfall nach Maßgabe der Zulässigkeit der einzelnen Arten der Sicherung gemäß den §§ 35 bis 39 EisbKrV sowie nach Maßgabe der örtlichen Verhältnisse und Verkehrserfordernisse zu entscheiden. Hierbei ist insbesondere auf die Sicherheit und Ordnung des Eisenbahnbetriebes und Eisenbahnverkehrs einerseits und auf die Leichtigkeit, Flüssigkeit und Sicherheit des Verkehrs auf der Straße andererseits Bedacht zu nehmen. Bei der Entscheidung ist auf den festgestellten Zustand und auf die absehbare Entwicklung des Verkehrs auf der Bahn und auf der Straße abzustellen.

17 Die §§ 35 bis 39 EisbKrV sehen nähere Vorschriften für die einzelnen Sicherungsarten vor, nach denen zu beurteilen ist, ob diese Sicherungsart im Einzelfall zulässig ist. Für den Revisionsfall maßgeblich sind in diesem Zusammenhang lediglich die § 35 EisbKrV (Sicherung durch Gewährleisten des erforderlichen Sichtraumes), § 36 EisbKrV (Sicherung durch Abgabe akustischer Signale vom Schienenfahrzeug aus) und § 39 EisbKrV (Sicherung durch Bewachung).

18 Das LVwG vertritt im angefochtenen Erkenntnis vorrangig die Auffassung, im gegenständlichen Fall sei nur die Sicherung durch Bewachung zulässig. Gegen die von der revisionswerbenden Partei gewünschte Beibehaltung der bisherigen Sicherung durch Abgabe akustischer Signale vom Schienenfahrzeug aus führt das LVwG ins Treffen, dass nach den Berechnungen des eisenbahntechnischen Sachverständigen eine verlässliche Räumung der Kreuzung bei Annäherung des Schienenfahrzeuges und gleichzeitiger Abgabe von akustischen Signalen nicht gewährleistet sei.

19 Träfe diese Erwägung des Verwaltungsgerichts zu, so würden sich weitere rechtliche Überlegungen, welche Sicherungsart zu wählen ist, wenn mehrere gleichwertige Sicherungsmöglichkeiten gegeben sind, erübrigen. Es stünde dann nämlich nur eine Sicherungsart zur Verfügung, die unter dem wesentlichen Blickwinkel der Sicherheit des Eisenbahnbetriebs und der Verkehrsteilnehmer in Betracht gezogen werden kann. Der Verwaltungsgerichtshof hat diesbezüglich ausgesprochen, dass der Einschätzung eines Amtssachverständigen, der die Beibehaltung einer bestehenden Sicherungsart aus Gründen der Verkehrssicherheit für nicht mehr vertretbar ansieht, große Bedeutung zukommt (vgl. VwGH 29.5.2018, Ra 2018/03/0037).

20 Die Revision tritt allerdings den Annahmen des LVwG, im vorliegenden Fall käme nur eine Sicherung durch Bewachung in Betracht, entgegen.

21 Soweit sie nach der Aktenlage erstmals geltend macht, es käme fallbezogen auch eine Sicherung durch Gewährleisten des erforderlichen Sichtraumes nach § 4 Abs. 1 Z 1 EisbKrV in Frage, ist sie allerdings darauf zu verweisen, dass dieses Vorbringen dem Neuerungsverbot im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof unterliegt und daher unbeachtet bleiben muss.

22 Zu Recht rügt die Revision aber, dass sie den Ausführungen des eisenbahntechnischen Sachverständigen zur Unzulässigkeit einer Sicherung durch Abgabe akustischer Signale vom Schienenfahrzeug aus, auf die sich das LVwG in seiner Begründung tragend stützt, (unter anderem) in ihrer Stellungnahme vom 30. Mai 2018 an das LVwG substantiiert entgegengetreten ist. Auf diese Einwände ging das LVwG in seiner Entscheidung nicht näher ein, womit es sein Erkenntnis mit einem Begründungsmangel belastet hat.

23 Es ist auch nicht auszuschließen, dass das LVwG bei Vermeidung dieses Verfahrensfehlers zu einem anderen Ergebnis gelangen hätte können:

Unstrittig wurde im gegenständlichen Fall davon ausgegangen, dass das Schienenfahrzeug aufgrund der Vorschriften zum Verschub in einer Entfernung von 83 Metern zur Eisenbahnkreuzung anhalten muss, ehe es sich in Richtung der Kreuzung weiterbewegen darf. Gleichzeitig wurde angenommen, dass erst ab der Weiterfahrt akustische Signale vom Schienenfahrzeug zur Warnung anderer Verkehrsteilnehmer abgegeben werden müssen. Auf dieser Grundlage führte der eisenbahntechnische Sachverständige in seinem Ergänzungsgutachten aus, dass das Schienenfahrzeug für die Strecke von 83 Metern bis zur Kreuzung lediglich eine Annäherungszeit von 12 Sekunden benötige, während für die gefahrlose Räumung der Eisenbahnkreuzung durch andere Verkehrsteilnehmer ein Zeitbedarf von 16 Sekunden bestehe.

Dem hielt die revisionswerbende Partei in ihrer Stellungnahme zum Gutachten vom 30. Mai 2018 entgegen, dass der Sachverständige bei der errechneten Annäherungszeit von 12 Sekunden eine gleichbleibende Geschwindigkeit des Schienenfahrzeuges von 25 km/h für die gesamte Strecke von 83 Metern unterstellt habe. Das Schienenfahrzeug werde aber aus dem Stillstand beschleunigt, wodurch sich auch bei maximaler Beschleunigung - je nach Triebfahrzeug - Annäherungszeiten von 15 bis 18 Sekunden ergäben. Zudem müsse beim Verschub auf Sicht gefahren werden, weshalb die Geschwindigkeit so zu bemessen sei, dass vor Hindernissen angehalten werden könne. Die Geschwindigkeit von 25 km/h werde daher nicht auf der gesamten Länge von 83 Metern erreicht. Deshalb sei im gegenständlichen Fall ein sicheres Räumen der Kreuzung durch andere Verkehrsteilnehmer möglich.

Mit diesem Vorbringen hat sich das LVwG nicht auseinandergesetzt. Es hat insbesondere nicht überprüft, ob die Berechnungen des Amtssachverständigen tatsächlich auf unrichtigen Annahmen über die Annäherungsgeschwindigkeit eines Schienenfahrzeuges beruhten bzw. welche Annäherungszeiten richtigerweise heranzuziehen gewesen wären. Der Verfahrensmangel erweist sich somit als relevant.

24 Hilfsweise hat das LVwG damit argumentiert, dass auch unter der Annahme, eine Sicherung der Eisenbahnkreuzung sei durch Abgabe akustischer Signale vom Schienenfahrzeug aus zulässig, der ebenfalls zulässigen Sicherungsart der Bewachung der Vorzug zu geben sei. Die dafür ins Treffen geführten Argumente des LVwG vermögen allerdings nicht zu überzeugen.

25 Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die gegenständliche Eisenbahnkreuzung bereits seit vielen Jahrzehnten - gestützt auf einen Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 12. September 1978 gemäß § 6 EisKrV 1961 - durch Andreaskreuze und Abgabe akustischer Signale vom Schienenfahrzeug aus gesichert worden ist und noch gesichert wird. Wie sich dem Verwaltungsakt entnehmen lässt, gehört zum Bestand auch, dass die Eisenbahnkreuzung bereits mit vier Vorschriftszeichen "Halt" mit den Zusatztafeln "auf Pfeifsignal achten" versehen ist.

26 Nach der Aktenlage liegen auch keine Hinweise dafür vor, dass diese Sicherungsart bislang zu Problemen geführt hat, insbesondere, dass es an dieser Eisenbahnkreuzung zu einer Gefährdung der Verkehrssicherheit gekommen wäre. Auch Beschwerden von Anrainern über Lärmbelästigung sind nicht bekannt. Im Gegenteil: Der Vertreter der Gemeinde W hat sich in der Verhandlung der Verwaltungsbehörde am 31. August 2017 ausdrücklich dafür ausgesprochen, dass die Kreuzung weiterhin durch Abgabe von Signalen vom Schienenfahrzeug aus gesichert werden soll und eine Sicherung durch Bewachung nicht befürwortet werde.

27 In rechtlicher Hinsicht ist zu beachten, dass fallbezogen keine Neuerrichtung einer Eisenbahnkreuzung in Rede steht, bei der anhand der vorgegebenen Rechtslage die Vor- und Nachteile verschiedener zulässiger Sicherungsarten gegeneinander abzuwägen wären. Vielmehr geht es um die Beurteilung, ob es erforderlich ist, für eine bereits bestehende Eisenbahnkreuzung eine geänderte Art der Sicherung anzuordnen.

28 Der Verwaltungsgerichtshof hat in Bezug auf die Übergangsbestimmung des § 102 EisbKrV ausgesprochen, dass das Eisenbahnunternehmen nach dieser Norm einen Rechtsanspruch auf Beibehaltung der bestehenden Sicherung nach Maßgabe der einschlägigen Rechtsvorschriften der EisbKrV hat (VwGH 5.9.2018, Ro 2018/03/0017, RNr. 30). Diese Vorschrift bezieht sich freilich nur auf bestehende Schranken- und Lichtzeichenanlagen nach der EisbKrV 1961 und ist für den vorliegenden Fall, in dem keine solche Anlagen existieren, nicht maßgeblich.

29 Einschlägig ist vielmehr § 103 Abs. 1 EisbKrV, wonach Eisenbahnkreuzungen, die auf der Grundlage einer behördlichen Entscheidung gemäß § 49 Abs. 2 EisbG in Verbindung mit (u.a.) § 6 EisbKrV 1961 durch Andreaskreuze und Abgabe akustischer Signale vom Schienenfahrzeug aus gesichert sind, innerhalb von 12 Jahren ab Inkrafttreten der EisbKrV von der Behörde gemäß § 49 Abs. 2 EisbG zu überprüfen sind. Diese hat über die erforderliche Art der Sicherung gemäß der (neuen) Verordnung unter Festsetzung einer angemessenen Ausführungsfrist, die spätestens 17 Jahre ab Inkrafttreten der Verordnung endet, zu entscheiden.

30 Anders als § 102 EisbKrV sieht § 103 Abs. 1 EisbKrV keine Entscheidung der Behörde darüber vor, ob (und unter welchen Bedingungen) die bestehende Art der Sicherung beibehalten werden kann. Insofern lässt sich - anders als im Zusammenhang mit § 102 EisbKrV - ein Rechtsanspruch auf Beibehaltung der bestehenden (weiterhin zulässigen) Sicherungsart für das Eisenbahnunternehmen in den Fällen des § 103 EisbKrV aus der Verordnung nicht ableiten.

31 Ungeachtet dessen wird vom Erfordernis einer (geänderten) Art der Sicherung, das dem § 103 EisbKrV zugrundeliegt, regelmäßig nur dann ausgegangen werden können, wenn die bestehende Art der Sicherung den Anforderungen des § 49 Abs. 2 EisbG und den näheren Präzisierungen der EisbKrV nicht mehr entspricht oder eine andere Art der Sicherung gegenüber dem Bestand nach den maßgeblichen Kriterien des § 49 Abs. 2 EisbG und § 5 Abs. 1 EisbKrV relevante Vorteile aufweisen würde.

32 Derartiges vermag das LVwG in Bezug auf die in Rede stehende Eisenbahnkreuzung (unter der noch nicht abschließend beurteilten Annahme, dass die bestehende Sicherungsart bei ausreichender Annäherungszeit zur sicheren Räumung der Kreuzung überhaupt zulässigerweise beibehalten werden dürfte) nicht aufzuzeigen:

33 Das LVwG führt diesbezüglich an, dass die bestehenden Vorschriftszeichen "Halt" bei Realisierung der Sicherungsart der Bewachung entfernt werden könnten, sodass Fahrzeuge - außerhalb der Zeiten, in denen die Schranken geschlossen seien - ohne anhalten zu müssen die Kreuzung überqueren könnten. Das trifft zwar zu, vermag aber angesichts der kurzen Zeiträume, die das Anhalten vor dem Vorschriftszeichen "Halt" erforderlich macht, und der geringen Frequenz von Fahrzeugen, die täglich die Kreuzung auf der Straße passieren, kein relevantes Entscheidungskriterium für eine geänderte Sicherungsart zu begründen.

34 Nichts anderes gilt für die Erwägung des Verwaltungsgerichts, das bestehende Vorschriftszeichen "Halt" werde von den Fahrern im Straßenverkehr als "unnötig" empfunden, weil nur zweimal täglich Schienenfahrzeuge die Kreuzung passieren würden. Dem durch das Vorschriftszeichen festgelegten Haltegebot ist nach der klaren Rechtslage unbedingt zu entsprechen. Es kann daher bei der Festlegung der Sicherungsart nicht davon ausgegangen werden, dass die Lenker im Straßenverkehr dieses gesetzliche Gebot missachten.

35 Dass die Sicherungsart der Bewachung im Vergleich zu akustischen Signalen des Schienenfahrzeugs aus Gründen der Lärmbelästigung der Anrainer gewählt werden müsste, hat das LVwG nicht tragend angenommen, sondern die mögliche Lärmreduktion bloß ergänzend erwähnt. Diesbezüglich reicht ein Hinweis darauf, dass fallbezogen nur von zwei Verschubfahrten täglich auszugehen ist, bei denen - wie schon seit vielen Jahren - akustische Signale vom Schienenfahrzeug aus abgegeben werden. Auch liegen - wie oben angesprochen - keine Anhaltspunkte dafür vor, dass diese Geräusche von den Anrainern als Belästigung empfunden werden. Schon deshalb vermag dieses Argument das Erfordernis einer geänderten Sicherungsart nicht zu rechtfertigen und braucht auf die Frage, ob es rechtlich geeignet wäre, im Kriterienkatalog des § 49 Abs. 2 EisbG und § 5 Abs. 1 EisbKrV Beachtung zu finden, nicht näher eingegangen zu werden.

36 Das angefochtene Erkenntnis kann daher auch mit seiner Alternativbegründung aus rechtlichen Erwägungen keinen Bestand haben.

37 Es war deshalb vorrangig wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

38 Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG Abstand genommen werden, da das Verwaltungsgericht, ein Tribunal im Sinne der EMRK bzw. ein Gericht im Sinne des Art. 47 GRC, eine mündliche Verhandlung durchgeführt hat.

39 Die Revisionsbeantwortung der Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz war zurückzuweisen, weil das VwGG keinen Eintritt als mitbeteiligte Partei auf Seiten der revisionswerbenden Partei kennt, um deren Argumente zu ergänzen. Die "Revisionsbeantwortung" war daher der Sache nach als Revision der Bundesministerin anzusehen, die jedoch verspätet erhoben worden ist (vgl. dazu etwa VwGH 26.2.2019, Ra 2018/03/0071, mwN).

40 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 20

14.

Wien, am 8. April 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RO2018030058.J00

Im RIS seit

25.06.2019

Zuletzt aktualisiert am

25.06.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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