Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr.
Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragstellerin H*****, vertreten durch Eckert Fries Prokopp Rechtsanwälte GmbH in Baden, gegen sämtliche Mit- und Wohnungseigentümer der Liegenschaft EZ *****, als Antragsgegner, wegen § 52 Abs 1 Z 4 WEG iVm § 24 Abs 6 WEG, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Rekursgericht vom 24. September 2018, GZ 19 R 49/18v-10, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 52 Abs 2 WEG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Gegenstand des Verfahrens ist die auf § 24 Abs 6 WEG gestützte Anfechtung eines Beschlusses der Eigentümergemeinschaft über die Abberufung des bisherigen und Bestellung eines neuen Verwalters.
Das Erstgericht wies den Antrag mangels konkreter Behauptungen, aus welchen Gründen die angefochtene Beschlussfassung mit Formmängeln behaftet sein solle, ab.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 10.000 EUR übersteige und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu.
Rechtliche Beurteilung
Der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragstellerin zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf.
1. Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass die Beschlussanfechtung nach den § 24 Abs 6, § 29 WEG grundsätzlich von der Dispositionsmaxime des anfechtenden Miteigentümers getragen ist und dem Gericht dabei keine Regelungsfunktion zukommt. Es ist vielmehr an den Sachantrag insoweit gebunden, als es ihm stattgeben oder ihn abweisen kann, ohne eine allenfalls billige Lösung für alle Beteiligten zu finden. Da sich die (eingeschränkte) Amtswegigkeit im wohnrechtlichen Außerstreitverfahren demnach nur auf den geltend gemachten Beschlussanfechtungsgrund erstreckt, hat sich das Gericht auf diesen zu beschränken (RIS-Justiz RS0108151; RS0124149 [T3]; 5 Ob 112/15d = wobl 2016/61). Konkretes Vorbringen, aus welchen Gründen die Beschlussfassung formell mangelhaft sein soll, ist innerhalb der Frist des § 24 Abs 6 WEG zu erstatten. Ein späteres Vorbringen, der Beschluss sei auch oder aus anderen formellen Gründen mangelhaft, ist verfristet und unbeachtlich (5 Ob 197/97z; 5 Ob 315/03i; 5 Ob 112/15d). Die Auffassung der Vorinstanzen, die Antragstellerin hätte binnen Monatsfrist ab Hausanschlag konkretes Vorbringen zum Beschlussanfechtungsgrund erstatten müssen, folgt dieser Rechtsprechung.
2. Die Vorinstanzen haben das Parteivorbringen der Antragstellerin zu formellen Mängeln der Beschlussanfechtung als unzureichend beurteilt. Der Auslegung des Parteivorbringens auf seine Behauptungstauglichkeit für den geltend gemachten Anspruch kommt aber keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu, es sei denn, die Auslegung des Parteivorbringens wäre mit seinem Wortlaut unvereinbar oder verstieße gegen die Denkgesetze (RIS-Justiz RS0042828 [T6, T7]; 5 Ob 112/15d). Ein derartiger Fall liegt hier nicht vor.
3. Die Antragstellerin führte in ihrem Antrag vom 23. 10. 2017 lediglich an, sie könne mangels Reaktion des Initiators der Beschlussfassung nicht beurteilen, ob die Willensbildung und Beschlussfassung den Anforderungen des § 24 WEG genüge. Bis zum Beweis des Gegenteils müsse davon ausgegangen werden, dass nicht allen Wohnungseigentümern Gelegenheit zur Äußerung gegeben worden sei. Darin kein ausreichend konkretes Vorbringen zu einem bestimmten formellen Beschlussanfechtungsgrund zu sehen, verstößt weder gegen die Denkgesetze noch ist dies mit seinem Wortlaut unvereinbar; hervorgehoben sei dabei insbesondere, dass die Antragstellerin nicht einmal in Bezug auf ihre eigene Person behauptet, sie habe keine Gelegenheit zur Äußerung gehabt oder ein Schriftstück sei nicht an ihre korrekte Adresse verschickt worden. Die konkrete Behauptung, in vier Fällen hätten anstelle der stimmberechtigten Fruchtgenussberechtigten die grundbücherlichen Eigentümer abgestimmt, fand sich erstmals im Schriftsatz vom 10. 1. 2018 und damit weit nach Ablauf der Frist des § 24 Abs 6 WEG, zumal nach dem Vorbringen der Antragstellerin selbst der Anschlag des von ihr angegriffenen Beschlusses bereits am 2. 10. 2017 erfolgt war.
4. Die angebliche Verletzung der Anleitungs- und Erörterungspflicht nach §§ 182, 182a ZPO iVm § 14 AußStrG hat die Antragstellerin nicht zum Gegenstand ihres Rekurses gemacht, im Revisionsrekurs kann sie dies nicht nachtragen (RIS-Justiz RS0043111). Schon deshalb kann darin keine Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens gelegen sein. Die behauptete Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes durch das Erstgericht hat das Rekursgericht verneint, auch im wohnrechtlichen Außerstreitverfahren können in zweiter Instanz verneinte Mängel des Verfahrens erster Instanz nicht mehr an die dritte Instanz herangetragen werden (RIS-Justiz RS0042963 [T41]).
5. Die im außerordentlichen Revisionsrekurs erörterten Fragen des „Transparenzgebots“ betreffend das Abstimmungsverhalten der Mit- und Wohnungseigentümer und der Modalitäten des Abstimmungsvorgangs sind hier nicht zu beantworten. Nach dem Antragsvorbringen hat zwar der Initiator der Beschlussfassung auf die Aufforderung, die Abstimmungsunterlagen und seine Vollmacht zu übersenden, nicht reagiert. Dass er die Transparenz verweigert oder die Anonymität der Beschlussfassung bereits im Vorfeld zugesagt hätte, was allenfalls zur Gesetzwidrigkeit des Abstimmungsvorgangs führen hätte können (vgl RIS-Justiz RS0124191), ergibt sich daraus nicht. Dazu kommt, dass das Antragsvorbringen gar nicht erkennen lässt, dass der Initiator der Abstimmung überhaupt als Vertreter eines Wohnungseigentümers gehandelt hat und für wen er aufgetreten sein soll. Die Verpflichtung zur Transparenz trifft gemäß § 20 Abs 7 WEG 2002 primär den Verwalter, der auf Verlangen jedes Wohnungseigentümers im Fall einer schriftlichen Willensbildung (§ 24 Abs 1 WEG) über das Stimmverhalten der anderen Wohnungseigentümer Auskunft zu geben hat. Dass es der Antragstellerin nicht gelungen wäre, entweder bei der abberufenen oder aber der neu bestellten Hausverwaltung Abstimmungsunterlagen zu erhalten, behauptet sie in ihrem Antrag nicht. Dass die Vorgangsweise des Initiators der Abstimmung der angeblich überstimmten Minderheit von vornherein die Möglichkeit genommen hätte, den ihr zustehenden Informationsanspruch durchzusetzen, ist daher nicht ersichtlich. Die im Revisionsrekurs angesprochene Beweislastverteilung ist mangels ausreichenden Vorbringens nicht zu erörtern.
6. Damit war der außerordentliche Revisionsrekurs zurückzuweisen, ohne dass dies einer weiteren Begründung bedürfte (§ 71 Abs 3 AußStrG).
Textnummer
E124639European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2019:0050OB00230.18M.0117.000Im RIS seit
26.04.2019Zuletzt aktualisiert am
02.07.2019