TE Vwgh Erkenntnis 1999/3/25 98/07/0187

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Veröffentlicht am 25.03.1999
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Index

L66107 Einforstung Wald- und Weideservituten Felddienstbarkeit Tirol;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
40/01 Verwaltungsverfahren;
80/06 Bodenreform;

Norm

ABGB §552;
ABGB §861;
ABGB §897;
AVG §8;
B-VG Art131 Abs1 Z1;
VwGG §21 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;
WWSGG §33 Abs2;
WWSLG Tir 1952 §38 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Bumberger, Dr. Pallitsch und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hofmann, über die Beschwerde des A G in Ö, vertreten durch Dr. Andreas Brugger, Rechtsanwalt in Innsbruck, Salurnerstraße 16, gegen den Bescheid des Landesagrarsenates beim Amt der Tiroler Landesregierung vom 22. Oktober 1998, Zl. LAS-125/73-80, betreffend Zurückweisung eines Antrages, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Der Antrag des W S in H, vertreten durch Dr. Peter Greil, Rechtsanwalt in Innsbruck, Südtiroler Platz 8/IV, auf Beiziehung als Mitbeteiligter des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens wird abgewiesen.

Begründung

Mit Eingabe vom 2. Juni 1997 beantragte der Vater des Beschwerdeführers (vertreten durch den Beschwerdeführer), das Amt der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde erster Instanz (AB) möge einem am 21. Oktober 1983 zwischen den Eltern des Beschwerdeführers und W S abgeschlossenen Tauschvertrag die agrarbehördliche Genehmigung nach den Bestimmungen des Tiroler Flurverfassungslandesgesetzes und des Wald- und Weideservitutengesetzes versagen, in eventu feststellen "daß das G.St. 3193/2 (vor Durchführung des Kaufvertrages vom 30. November 1983) zum Zeitpunkt 21. Oktober 1983 und früher kein agrargemeinschaftliches Grundstück im Sinne des Tiroler Flurverfassungslandesgesetzes 1978 war und daß auf diesem Grundstück kein Nutzungsrecht im Sinne des Wald- und Weideservitutengesetzes bestanden hat."

In der Begründung zu diesen Anträgen wurde ausgeführt, mit Tauschvertrag vom 21. Oktober 1983 seien von den Eltern des Beschwerdeführers die in einem Plan dargestellten Teilflächen Nr. 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7 und 8 des Grundstückes 3193/2 GB H an W S abgegeben worden. Im Gegenzug sei von W S das "Holz- und Streunutzungsrecht" auf den Teilflächen Nr. 9, 10 und 11 desselben Lageplanes (an die Eltern des Beschwerdeführers) abgegeben worden. Über dieses Rechtsgeschäft sei am 30. November 1983 hinsichtlich des Grundeigentumes ein (Schein-)Kaufvertrag - wohl im Wissen über den Nichtbestand von Teilwaldrechten - abgeschlossen worden, welcher schließlich auch grundbücherlich durchgeführt worden sei. Nach den Regeln über das Scheingeschäft wäre das eigentlich beabsichtigte Rechtsgeschäft, nämlich der Tauschvertrag, der Behördenerledigung zugrunde zu legen gewesen. Es werde daher der Antrag gestellt, dem zitierten Tauschvertrag die agrarbehördliche Genehmigung zu versagen, hilfsweise festzustellen, daß eine Zuständigkeit der Agrarbehörde nicht vorliege. Das Grundstück 3193/2 sei kein agrargemeinschaftliches Grundstück und sei es auch niemals gewesen; auch ein Nutzungsrecht im Sinne des § 1 des Wald- und Weideservitutengesetzes sei niemals vorgelegen. Es werde auf den Bescheid der AB IIIb 1-942 R/314 und auf den Bescheid der belangten Behörde vom 6. Februar 1997 hingewiesen. Mit diesen Bescheiden sei rechtskräftig ausgesprochen worden, daß auf einer (anderen) Teilfläche des Grundstückes 3193/2 ein Teilwaldrecht nicht bestehe.

Mit Bescheid vom 24. Oktober 1997 wies die AB die Anträge zurück.

In der Begründung heißt es, es verstoße nach Ansicht der Behörde gegen Treu und Glauben, einen Antrag zu stellen, dem Tauschvertrag die agrarbehördliche Genehmigung zu versagen, da Vertragspartner verpflichtet seien, alles zu unternehmen, damit das abgeschlossene Rechtsgeschäft genehmigt werde und alles zu unterlassen, was zu einer Störung bzw. Vereitelung des abgeschlossenen Rechtsgeschäftes führen könne. Das Tiroler Flurverfassungslandesgesetz sehe zudem eine Entscheidung über einen Antrag, einem Rechtsgeschäft die agrarbehördliche Genehmigung zu versagen, in dieser Form nicht vor, weshalb sich der Antrag auch aus diesem Grund als unzulässig erweise. Auch für die begehrte Feststellung, daß das Grundstück 3193/2 am 21. Oktober 1983 und früher kein agrargemeinschaftliches Grundstück gewesen sei und daß dieses Grundstück auch nicht mit Nutzungsrechten im Sinne des Wald- und Weideservitutengesetzes belastet gewesen sei, finde sich keine gesetzliche Grundlage.

Der Vater des Beschwerdeführers berief. Er machte geltend, es sei zynisch, wenn ihm ein Verstoß gegen Treu und Glauben vorgeworfen werde. Tatsache sei, daß er und seine Ehegattin bei der Unterfertigung des Tauschvertrages einem folgenschweren Irrtum insoweit erlegen seien, als sie davon ausgegangen seien, daß das Grundstück 3193/2 ein agrargemeinschaftliches sei. Dieses Rechtsgeschäft nunmehr nach den Grundsätzen von Treu und Glauben zu beurteilen, stelle eine Rechtsverweigerung der Behörde dar. Es sei offenkundig, daß das Eigentum des W S an den nunmehrigen Grundstücken 3193/9, /10 und /11 bestritten werde. Das rechtliche Interesse an der beantragten Entscheidung sei offenkundig: Der Vater des Beschwerdeführers sei nach wie vor als Eigentümer der zitierten (vom Tauschvertrag erfaßten) Grundstücke anzusehen.

Mit Bescheid vom 29. Jänner 1998 wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Sie begründete diese Entscheidung damit, ein Antrag, einem Rechtsgeschäft die agrarbehördliche Genehmigung zu versagen, sei im Gesetz nicht vorgesehen. Auch für den Eventualantrag gebe es keine gesetzliche Grundlage. Ein rechtliches Interesse des Vaters des Beschwerdeführers an einer solchen Feststellung gebe es nicht, da er nicht Eigentümer der betroffenen Grundstücke sei.

Daraufhin beantragte der Beschwerdeführer mit Eingabe vom 12. Februar 1998 bei der AB "die bescheidmäßige Feststellung über Bestand und allenfalls Umfang von Nutzungsrechten auf den im vorbezeichneten Lageplan als Teilflächen 9, 10 und 11 angeführten Teilflächen, soweit sie sich heute in meinem Eigentum befinden."

Mit Bescheid vom 14. Juli 1998 wies die AB diesen Antrag gemäß § 73 lit. d und § 74 Abs. 4 des Tiroler Flurverfassungslandesgesetzes 1996, LGBl. Nr. 74 (TFLG) und § 38 Abs. 2 des Wald- und Weideservitutengesetzes 1952, LGBl. Nr. 21 (WWSG) zurück. Begründet wurde diese Entscheidung damit, es fehlten die Voraussetzungen für die Erlassung eines Feststellungsbescheides.

Der Beschwerdeführer berief. Er machte geltend, er habe als Eigentümer des belasteten Grundstückes ein Interesse daran, zu wissen, ob dieses mit Nutzungsrechten belastet sei. Er stehe in Verhandlungen über eine Veräußerung von Teilen des in Rede stehenden Grundstückes. Schon für die Bestimmung des Verkehrswertes sei es interessant zu wissen, ob ein Grundstück mit einem Nutzungsrecht belastet sei oder nicht.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 22. Oktober 1998 wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab.

In der Begründung wird ausgeführt, der vom Beschwerdeführer als Berufungsgegner namhaft gemachte W S habe eine Stellungnahme abgegeben, in welcher er im wesentlichen ausführe, er nehme an den verfahrensgegenständlichen Flächen keine Nutzungsrechte mehr in Anspruch, weil er die ihm ehemals zukommenden Rechte bereits an den Rechtsvorgänger des Beschwerdeführers abgegeben habe. Im übrigen vertrete der Berufungsgegner die Meinung, dem Beschwerdeführer komme kein Feststellungsinteresse zu; dies schon deshalb, weil es dem Beschwerdeführer offenstünde, ein Genehmigungsverfahren bei der AB und somit die Erlassung eines Leistungsbescheides anzustreben. Zum Vorbringen des Beschwerdeführers werde seitens der belangten Behörde auf das Erkenntnis derselben vom 29. Jänner 1998 verwiesen, in welchem in Entsprechung der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ausgeführt werde, daß die rechtliche Qualifikation eines Sachverhaltes nicht Gegenstand eines Feststellungsbescheides sein könne. Wenn der Beschwerdeführer sich in seiner Eingabe auf § 33 TFLG berufe, so werde neuerlich festgestellt, daß der Begriff des Teilwaldrechtes unvereinbar mit einem im Privateigentum stehenden Grundstück sei. Die Ausführungen des Beschwerdeführers, es gehe in diesem Zusammenhang nicht bloß um die rechtliche Qualifikation eines Sachverhaltes, erwiesen sich insofern als verfehlt, als die Tatsache des Vorliegens eines Privatgrundstückes den Bestimmungen des TFLG zu subsumieren sei. Eine Feststellung im Sinne des § 38 Abs. 1 TFLG sei nicht beantragt worden. Im übrigen dürfte der Beschwerdeführer wohl kaum die Meinung verteten, die in seinem bücherlichen Eigentum befindlichen Grundstücke seien agrargemeinschaftliche; dies würde implizit bedeuten, daß die Grundstücke einer Agrargemeinschaft oder der Gemeinde gehörten.

Sofern sich der Beschwerdeführer auf die Bestimmung des § 38 Abs. 2 WWSG beziehe, sei ihm entgegenzuhalten, daß diese Bestimmung nicht auf die Erlassung eines Feststellungsbescheides abziele, sondern vielmehr auf die Entscheidung über strittige Rechte. Aber auch für die Erlassung eines Feststellungsbescheides bestehe im Hinblick auf allfällige Nutzungsrechte im Sinne des WWSG kein Anlaß, setze doch auch ein Feststellungsbescheid ein strittiges Rechtsverhältnis voraus. Dies sei insbesondere deswegen von Bedeutung, weil der Verfahrensgegner ausdrücklich erklärt habe, er nehme an den antragsgegenständlichen Flächen keine Nutzungsrechte in Anspruch. Auch aus dem Auszug aus dem Teilwaldbuch der Gemeinde H ergebe sich kein Hinweis auf ein allfälliges Nutzungsrecht des Antragsgegners. Die Voraussetzungen für die Erlassung eines Feststellungsbescheides seien nicht gegeben. Ein Anlaßfall, welcher die Möglichkeit einer Verletzung von Rechten des Beschwerdeführers in sich berge, liege nicht vor. Wie der Beschwerdeführer selbst ausführe, sei auf den in seinem Eigentum stehenden Grundstücken seit Menschengedenken keine agrarische Nutzung mehr getätigt worden. Der Antragsgegner behaupte kein Nutzungsrecht auf der gegenständlichen Grundfläche. Es könne nicht Zweck eines Feststellungsbescheides sein, dem Beschwerdeführer eine (gegenüber jedermann wirkende) "Bescheinigung" auszustellen, daß auf seinen Grundstücken keine agrarischen Anteilsrechte lasteten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Der Beschwerdeführer bringt vor, entgegen der Meinung der belangten Behörde sei diese schon deswegen verpflichtet gewesen, einen Feststellungsbescheid zu erlassen, weil ein solcher im § 38 Abs. 2 WWSG ausdrücklich vorgesehen sei. Auf diese Bestimmung könne er sich berufen, da er Eigentümer eines Grundstückes sei, das nach einer Eintragung im Waldbuch als belastet aufscheine. Die Strittigkeit dieses Rechtes setze § 38 Abs. 2 WWSG nicht voraus. Erforderlich sei nur ein Bedürfnis nach einer behördlichen Klarstellung. Dieses bestehe. Abgesehen davon lägen auch die allgemeinen Voraussetzungen für die Erlassung eines Feststellungsbescheides vor. Ohne Belang sei, daß der Antragsgegner ausdrücklich erklärt habe, an den gegenständlichen Flächen keine Nutzungsrechte in Anspruch zu nehmen. Diese Erklärung sei rechtlich nicht erheblich. Sie sei nur deswegen abgegeben worden, weil der Antragsgegner sein Nutzungsrecht nur deswegen nicht geltend mache, weil er an der Tauschvereinbarung aus dem Jahr 1983 festhalten möchte. Ansonsten behaupte der Antragsgegner sehr wohl den Bestand von Nutzungsrechten, hätte er doch andernfalls im Tauschwege Grundstücke im Wert von mehreren Millionen Schilling ohne irgendeine Gegenleistung erhalten. Da der Tausch aus dem Jahr 1983 nie agrarbehördlich genehmigt worden sei, habe dieser Vertrag auch allenfalls bestehende Teilwald- oder Nutzungsrechte nicht zum Erlöschen bringen können. Schon auf Grund der nach wie vor aufrechten Eintragung im Waldbuch lägen daher jedenfalls unklare Rechtsverhältnisse vor, die es rechtfertigten, daß der Beschwerdeführer die AB wegen einer klärenden Feststellung betreffend Bestand und Umfang von Nutzungsrechten anrufe. Eine Klärung dieser unklaren Rechtsverhältnisse durch einen Antrag auf Genehmigung der Tauschvereinbarung sei unzumutbar, da der Beschwerdeführer deren Gültigkeit in Zweifel ziehe. Da unklar sei, ob auf den antragsgegenständlichen Flächen überhaupt jemals agrarische Nutzungsrechte bestanden hätten (seien es Teilwaldrechte oder dem WWSG unterliegende Rechte), stehe die Gültigkeit der seinerzeitigen Tauschvereinbarung in Frage. Sollten nämlich die fraglichen Rechte nie bestanden haben, hätte der Beschwerdeführer bzw. dessen Rechtsvorgänger für die Hingabe von Grundflächen im Wert von vielen Millionen Schilling keine Gegenleistung erhalten. Die Frage, ob derzeit auf den antragsgegenständlichen Flächen agrarische Nutzungsrechte lasteten, inkludiere die Entscheidung über die Frage, ob zum Zeitpunkt der Tauschvereinbarung überhaupt agrarische Rechte auf diesen Flächen bestanden hätten. Diese Frage würde in einem erst auszutragenden Zivilprozeß, in welchem der Beschwerdeführer die Rückstellung der im Tauschweg hingegeben Grundfläche verlangen würde, eine Vorfrage bilden. Diese Frage sei alles andere als leicht zu klären. So schienen im Waldbuch der Gemeinde H die Flächen als mit einem Teilwaldrecht belastet auf. Der äußere Anschein spreche daher eindeutig für den Bestand derartiger Rechte. Andererseits stünden diese Flächen im Privateigentum. Um diesen Widerspruch aufzuklären, werde zu ermitteln sein, warum es zu der Eintragung im Waldbuch gekommen sei und ob diese Teilwaldrechte nunmehr gemäß § 40 Abs. 3 TFLG 1996 als Nutzungsrechte im Sinne des WWSG zu betrachten seien

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 38 Abs. 2 zweiter Satz WWSG entscheiden die Agrarbehörden auch außerhalb eines Regulierungs- oder Ablösungsverfahrens mit Ausschluß des Rechtsweges über Bestand und Umfang von Nutzungsrechten, über die Frage, welche Liegenschaften berechtigt und welche verpflichtet sind, sowie über Streitigkeiten hinsichtlich der Ausübung von Nutzungsrechten, insbesondere auch über Einwendungen gegen einen Nutzungsplan für belastete Grundstücke nach § 33, und über Beschwerden wegen Nichteinhaltung derselben.

Wenn § 38 Abs. 2 zweiter Satz WWSG die Agrarbehörde zur Entscheidung über Bestand und Umfang von Nutzungsrechten ermächtigt, dann umfaßt diese Ermächtigung auch die Befugnis zur Erlassung von Feststellungsbescheiden über Bestand und Umfang von Nutzungsrechten. Die gegenteilige Auffassung der belangten Behörde erweist sich als unzutreffend. Alle Ausführungen im angefochtenen Bescheid, die sich auf die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze für die Zulässigkeit eines Feststellungsbescheides für den Fall, daß keine gesetzliche Grundlage zur Erlassung eines Feststellungsbescheides besteht, beziehen, gehen daher ins Leere.

§ 38 Abs. 2 WWSG enthält allerdings keine Bestimmungen darüber, unter welchen Voraussetzungen die Agrarbehörde von der ihr eingeräumten Entscheidungskompetenz Gebrauch machen kann.

Eine Entscheidung nach § 38 Abs. 2 WWSG hat nicht zwingend zur Voraussetzung, daß Bestand und Umfang von Nutzungsrechten zwischen zwei (oder mehreren) konkreten Personen strittig sind. Dies ergibt sich schon daraus, daß § 38 Abs. 2 leg.cit. von Streitigkeiten nur im Zusammenhang mit der Ausübung von Nutzungsrechten spricht.

Dem Gesetzgeber kann allerdings auch nicht unterstellt werden, er habe die Behörde zur Erlassung eines Bescheides nach § 38 Abs. 2 WWSG ohne entsprechenden Anlaß verpflichten wollen. Ein Antragsteller muß daher ein berechtigtes Interesse an einer Entscheidung haben. Ein solches berechtigtes Interesse ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn Unklarheit über Bestand und/oder Umfang von Nutzungsrechten besteht.

Daß unklar ist, ob die in Rede stehende Liegenschaft mit Nutzungsrechten belastet ist, ergibt sich schon daraus, daß bei Abschluß des Tauschvertrages im Jahr 1983 vom Bestand solcher Nutzungsrechte ausgegangen wurde, während nunmehr der Beschwerdeführer solche Nutzungsrechte in Abrede stellt. Daß der als "Antragsgegner" bezeichnete W S erklärt hat, keine Nutzungsrechte in Anspruch zu nehmen, steht einem rechtlich erheblichen Interesse des Beschwerdeführers an einer Klärung der Frage des Bestandes und Umfanges von Nutzungsrechten an seiner Liegenschaft nicht entgegen.

W S war Vertragspartei des Tauschvertrages aus dem Jahr 1983, in welchem die Vertragsparteien vom Bestand von Nutzungsrechten ausgegangen sind. Sollte seine nunmehrige Erklärung dahin zu verstehen sein, daß seiner Meinung nach derzeit keine Nutzungsrechte bestehen, dann spräche dies nicht gegen, sondern für ein Interesse des Beschwerdeführers an der Erlassung eines Bescheides nach § 38 Abs.2 WWSG, wäre dann doch klärungsbedürftig, warum 1983 Nutzungsrechte bestanden haben sollten, die jetzt nicht mehr existierten; dies umso mehr, als Nutzungsrechte nicht allein durch privatrechtliche Willenserklärungen wie Verträge oder einen Verzicht erlöschen; hiezu bedarf es nach § 2 Abs. 4 WWSG vielmehr einer Bewilligung der Behörde.

Auch mit seinem Hinweis auf eine unklare Eintragung im Teilwaldbuch vermag der Beschwerdeführer ein Interesse an einem Bescheid über Bestand und Umfang von Nutzungsrechten zu begründen. Ob diese Eintragung ein Nutzungsrecht dokumentiert oder nicht, berührt nicht die Zulässigkeit eines Verfahrens nach § 38 Abs. 2 WWSG; diese Frage ist erst im Verfahren zu klären.

Es begründete auch ein rechtliches Interesse des Beschwerdeführers an einer Entscheidung nach § 38 Abs. 2 WWSG, wenn diese Entscheidung für ihn auch in bezug auf die Frage von Bedeutung wäre, ob die Tauschvereinbarung aus dem Jahr 1983 gültig ist oder nicht. Zwar hat der Verwaltungsgerichtshof mehrfach ausgesprochen, daß Vorschriften des öffentlichen Rechts nicht dazu dienen, die Einhaltung zivilrechtlicher Vereinbarungen zu hintertreiben (vgl. das hg. Erkenntnis vom 2. Juli 1998, 98/07/0049 und die dort angeführte Vorjudikatur); um ein solches Hintertreiben geht es aber im Beschwerdefall nicht. Im Beschwerdefall geht es darum, den Nachweis zu erbringen, daß eine geschlossene Vereinbarung allenfalls zivilrechtlich ungültig ist.

Die belangte Behörde hat daher dem Beschwerdeführer zu Unrecht eine Entscheidung über Bestand und Umfang von Nutzungsrechten verweigert.

Aus den dargestellten Erwägungen erweist sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. W S hat beantragt, im verwaltungsgerichtlichen als mitbeteiligte Partei beigezogen zu werden. Er hat dies damit begründet, er werde durch einen allfälligen Erfolg der Anfechtung des Bescheides der belangten Behörde in seinen rechtlichen Interessen berührt. Es bestehe kein Zweifel, daß er im bisher abgeführten Verfahren Partei gewesen sei, weil er Vertragspartner der Tauschvereinbarung aus dem Jahr 1983 sei und in dieser Eigenschaft auch die Zurückweisung des Feststellungsantrages des Beschwerdeführers beantragt habe. Durch eine allfällige Stattgebung der Beschwerde werde seine durch die bisherigen behördlichen Entscheidungen geschaffene Interessenlage nachteilig verändert. Durch eine Stattgebung der Beschwerde würden die Verwaltungsbehörden zur Neudurchführung von Verfahren veranlaßt werden, in denen der Antragsteller als Partei um seine Rechte kämpfen müßte.

Nach § 21 Abs. 1 VwGG sind Parteien im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof der Beschwerdeführer, die belangte Behörde und die Personen, die durch den Erfolg der Anfechtung des Verwaltungsaktes in ihren rechtlichen Interessen berührt werden (Mitbeteiligte).

Der Sinn der Mitbeteiligtenstellung liegt darin, den Personen, für welche die Aufhebung des angefochtenen Bescheides einen Rechtsnachteil bedeuten würde, eine kontradiktorische Einflußmöglichkeit im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu verschaffen. Als mitbeteiligte Parteien können demnach nur Personen angesehen werden, die schon Rechte erlangt haben, welche durch die Aufhebung des angefochtenen Bescheides verletzt werden könnten (vgl. den hg. Beschluß vom 21. September 1993, 92/08/0259 und die dort angeführte Vorjudikatur). Hinsichtlich der Parteistellung im Bescheidbeschwerdeverfahren hat der Verwaltungsgerichtshof im Zweifel nur solche Interessen zu berücksichtigen, die nach den jeweils in Betracht kommenden Verwaltungsvorschriften bei Erfüllung seiner Kontrollaufgabe rechtlich bedeutsam sein können (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. September 1997, 96/17/0461).

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Erlassung eines Bescheides über Bestand und Umfang von Nutzungsrechten zurückgewiesen. Es ist nicht zu ersehen, welche Rechte des W S durch diese Entscheidung begründet worden sein könnten, die durch eine Aufhebung des angefochtenen Bescheides berührt werden könnten. Ihm kommt daher im verwaltungsgerichtlichen Verfahren die Stellung als Mitbeteiligter nicht zu, weshalb sein Antrag auf Beiziehung zum verwaltungsgerichtlichen Verfahren abzuweisen war.

Wien, am 25. März 1999

Schlagworte

Verfahrensrecht VwGG B-VGParteibegriff Parteistellung strittige Rechtsnachfolger ZustellungOrganisationsrecht Justiz - Verwaltung Verweisung auf den Zivilrechtsweg VwRallg5/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1998070187.X00

Im RIS seit

31.01.2002

Zuletzt aktualisiert am

01.07.2014
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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