TE Bvwg Erkenntnis 2018/11/14 L502 2131275-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.11.2018
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Entscheidungsdatum

14.11.2018

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs2
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

L502 2131275-1/14E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Nikolas BRACHER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , staatenlos, vertreten durch ARGE-Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.06.2016, FZ. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 09.03.2018 zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (BF) stellte nach seiner unrechtmäßigen Einreise in das Bundesgebiet am 07.06.2015 vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Am gleichen Tag fand die Erstbefragung des BF statt.

In weiterer Folge wurde das Verfahren zugelassen.

3. Der BF wurde am 02.05.2016 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA), Regionaldirektion Niederösterreich, einvernommen.

4. Er legte einen Reisepass, ausgestellt von der palästinensischen Autonomiebehörde in Ramallah, ein Flüchtlingszertifikat des UNHCR-Büros in Bagdad, ein Foto eines Drohbriefes, eine Kopie des Reisepasses seiner Ehegattin, eine Kopie seiner Heiratsurkunde, eine Anfrage seiner Schwiegermutter zum Aufenthalt des Schwiegervaters und ein sonstiges Schreiben vor.

5. Mit dem im Spruch genannten Bescheid des BFA wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 Z. 1 AsylG wurde ihm jedoch der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und gemäß § 8 Abs. 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt (Spruchpunkt III.).

6. Mit Verfahrensanordnung des BFA vom 14.06.2016 wurde dem BF gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren beigegeben.

7. Gegen den Spruchpunkt I des durch Hinterlegung am Postamt mit 01.07.2016 rechtswirksam zugestellten Bescheides wurde vom BF mit Schriftsatz vom 21.07.2016 innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben.

8. Am 28.07.2016 langte die Beschwerdevorlage beim Bundesverwaltungsgericht (BVwG) ein und wurde das Beschwerdeverfahren nach einer Unzuständigkeitseinrede mit 02.08.2016 der nun zuständigen Gerichtabteilung zur Entscheidung zugewiesen.

9. Mit Schreiben vom 15.12.2016 wurde das bisherige Vollmachtsverhältnis zum MigrantInnenverein St. Marx aufgelöst, mit 30.06.2017 eine Verfahrensvollmacht für die ARGE-Rechtsberatung vorgelegt.

10. Das BVwG führte am 09.03.2018 eine mündliche Verhandlung in der Sache des BF durch.

Als ergänzende länderkundliche Beweismittel führte das BVwG aktuelle Informationen zur allgemeinen Lage im Irak und zur Lage von Angehörigen der palästinensischen Volksgruppe im Irak ins Verfahren ein.

11. Zuletzt veranlasste das BVwG die Erstellung von Auszügen des Zentralen Melderegisters, des Grundversorgung-Betreuungsinformationssystems, des Informationssystems Zentrales Fremdenregister und des Strafregisters den BF betreffend und aktualisierte nochmals seine Informationen zur allgemeinen Lage im Irak.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Die Identität des BF steht fest. Er ist staatenloser Angehöriger der palästinensischen Volksgruppe, sein Herkunftsstaat ist der Irak und er ist Moslem der sunnitischen Glaubensrichtung.

Er wurde in XXXX geboren, wo er von 1973 bis 1979 die Schule besuchte und ab 1976 bei seinen Eltern und seinen Geschwistern im Stadtteil XXXX im Haus der Familie aufwuchs. Er betrieb bis Ende 2012 eine illegale KFZ-Werkstätte, in der er lediglich Reifenreparaturen durchführte, und war in der Folge bis zu einem nicht genau feststellbaren Zeitpunkt als selbständiger Taxifahrer erwerbstätig. Vor seiner Ausreise lebte er mit Gattin und Kindern für fünf bis sechs Monate bei seiner Schwiegermutter in XXXX im Stadtteil XXXX .

Er ist seit 1997 mit einer irakischen Staatsangehörigen verheiratet, der Ehe entstammen fünf Kinder, zwei Töchter und drei Söhne. Diese Angehörigen halten sich in der Türkei auf. Die Mutter, zwei Brüder, von denen einer erblindet und verheiratet und der zweite behindert ist, und eine verwitwete Schwester des BF mit einer Tochter leben in vom UNHCR zur Verfügung gestellten Wohnungen in XXXX , zwei Brüder leben in den USA.

Er verfügt über einen von der palästinensischen Autonomiebehörde in Ramallah am 07.05.2014 ausgestellten Reisepass und ein Flüchtlings-Zertifikat des UNHCR XXXX aus 2013.

Er reiste ausgehend von XXXX am 19.06.2014 gemeinsam mit seinen Angehörigen auf dem Landweg auf legale Weise aus dem Irak in die Türkei aus und gelangte von dort nach einem ca. zehnmonatigen Aufenthalt alleine schlepperunterstützt auf dem Landweg auf illegale Weise nach Österreich, wo er am 07.06.2015 den gg. Antrag auf internationalen Schutz stellte und sich seither aufhält. In Griechenland wurde er am 28.04.2015 erkennungsdienstlich behandelt.

Er ist gesund und arbeitsfähig, ist in Österreich jedoch noch keiner sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgegangen. Er bezieht für seinen Lebensunterhalt seit der Einreise bis dato Leistungen der Grundversorgung für Asylwerber und ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

1.2. Es war nicht feststellbar, dass der BF vor der Ausreise aus dem Irak wegen seiner Zugehörigkeit zur palästinensischen Volksgruppe oder aus anderen in seiner Person gelegenen Gründen einer individuellen Verfolgung durch staatliche Organe oder durch Dritte ausgesetzt war oder bei einer Rückkehr der Gefahr einer solchen ausgesetzt wäre.

1.3.1. Die allgemeine Sicherheitslage im Irak war ab Oktober 2016 von bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen den irakischen Sicherheitskräften und ihren Verbündeten, im Genaueren nichtstaatlichen bewaffneten Milizen, den sogen. Peshmerga der kurdischen Regionalregierung sowie ausländischen Militärkräften, auf der einen Seite und den bewaffneten Milizen der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) auf der anderen Seite um die Kontrolle der - im Zentrum des seit Sommer 2014 bestehenden Machtbereichs des IS gelegenen - Hauptstadt Mosul der Provinz Ninava gekennzeichnet. Diesen Kämpfen ging die sukzessive Zurückdrängung des IS aus den zuvor ebenfalls von ihm kontrollierten Gebieten innerhalb der Provinzen Anbar, Diyala und Salah al-Din im Zentral- und Südirak voraus. Die kriegerischen Ereignisse im Irak seit 2014 brachten umfangreiche Flüchtlingsbewegungen aus den umkämpften Gebieten in andere Landesteile sowie umgekehrt Rückkehrbewegungen in befreite Landesteile mit sich. Zahlreiche nationale und internationale Hilfsorganisationen unter der Ägide des UNHCR versorgen diese Binnenvertriebenen in Lagern und Durchgangszentren, mit Schwerpunkten in den drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion des Nordiraks, in sowie um Bagdad sowie im Umkreis von Kirkuk, im Hinblick auf ihre elementaren Lebensbedürfnisse sowie deren Dokumentation und Relokation, ein geringer Anteil der Vertriebenen sorgt für sich selbst in gemieteten Unterkünften und bei Verwandten und Bekannten. Vor dem Hintergrund einer langfristigen Tendenz unter den Binnenvertriebenen zur Rückkehr in ihre Herkunftsgebiete waren mit 31.05.2018 noch ca. 2 Mio. (seit 2014) Binnenvertriebene innerhalb des Iraks registriert, diesen standen wiederum ca. 3,8 Mio. Zurückgekehrte gegenüber. 83 % der im März und April 2018 in ihre Herkunftsregion zurückgekehrten ca. 119.000 Binnenvertriebenen stammten alleine aus der Provinz Ninava, weitere Schwerpunkte für Rückkehrende sind Anbar mit den Bezirken Fallujah, Ramadi und Heet, Salah al-Din mit den Bezirken Tikrit und Al Shirqat und Kirkuk.

Nachdem es den irakischen Sicherheitskräften (ISF) gemeinsam mit schiitischen Milizen, den sogen. Popular Mobilisation Forces (PMF), sowie mit Unterstützung alliierter ausländischer Militärkräfte im Laufe des Jahres 2016 gelungen war, die Einheiten der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) sowohl aus den von ihr besetzten Teilen der südwestlichen Provinz Al Anbar bzw. deren Metropolen Fallouja und Ramadi als auch aus den nördlich an Bagdad anschließenden Provinzen Diyala und Salah al Din zu verdrängen, beschränkte sich dessen Herrschaftsgebiet in der Folge auf den Sitz seiner irakischen Kommandozentrale bzw. seines "Kalifats" in der Stadt Mosul, Provinz Ninava, sowie deren Umgebung bis hin zur irakisch-syrischen Grenze westlich von Mosul. Ab November 2016 wurden sukzessive die Umgebung von Mosul sowie der Ostteil der Stadt bis zum Ufer des Tigris wieder unter die Kontrolle staatlicher Sicherheitskräfte gebracht, im Westteil wurde der IS von den irakischen Sicherheitskräften und ihren Verbündeten, die aus dem Süden, Norden und Westen in das Zentrum der Stadt vordrangen, in der Altstadt von Mosul eingekesselt. Der IS wiederum versuchte parallel zu diesen Geschehnissen durch vereinzelte Selbstmordanschläge in Bagdad und anderen Städten im Süd- sowie Zentralirak seine wenn auch mittlerweile stark eingeschränkte Fähigkeit, die allgemeine Sicherheitslage zu destabilisieren, zu demonstrieren. Anfang Juli 2017 erklärte der irakische Premier Abadi Mosul für vom IS befreit. In der Folge wurden auch frühere Bastionen des IS westlich von Mosul in Richtung der irakisch-syrischen Grenze wie die Stadt Tel Afar durch die Militärallianz vom IS zurückerobert. Zuletzt richteten sich die Operationen der Militärallianz gegen den IS auf letzte Überreste seines früheren Herrschaftsgebiets im äußersten Westen der Provinz Anbar sowie eine Enklave um Hawija südwestlich von Kirkuk. Mit Beginn des Dezember 2017 mußte der IS seine letzten territorialen Ansprüche innerhalb des Iraks aufgeben, am 01.12.2017 erklärte Premier Abadi den gesamtem Irak für vom IS befreit.

Die Sicherheitslage innerhalb der drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion des Nordiraks, nämlich Dohuk, Erbil und Suleimaniya, ist angesichts der Maßnahmen der regionalen Sicherheitskräfte wie Grenzkontrollen und innerregionale Aufenthaltsbestimmungen als stabil anzusehen. Am 25.09.2017 hielt die kurdische Regionalregierung ein Referendum für eine mögliche Unabhängigkeitserklärung der Autonomieregion mit zustimmendem Ausgang ab. Seit Oktober 2017 befindet sich die kurdische Regionalregierung in Konflikt mit der irakischen Zentralregierung in der Frage der Kontrolle über die von kurdischen Sicherheitskräften bislang besetzt gehaltenen Grenzregionen südlich der Binnengrenze der Autonomieregion zum übrigen irakischen Staatsgebiet, insbesondere die Region um die Stadt Kirkuk. Am 15.10.2017 wurden die in Kirkuk stationierten kurdischen Sicherheitskräfte von Einheiten der irakischen Armee und der Polizei sowie der sogen. der Zentralregierung nahestehenden Volksmobilisierungseinheiten angegriffen, die sich in der Folge aus Kirkuk zurückzogen. Zuletzt kam es zur Besetzung weiterer Landstriche entlang der Binnengrenze sowie von Grenzübergängen an der irakisch-syrischen Grenze durch die irakische Armee und die Volksmobilisierungseinheiten, während sich die kurdischen Sicherheitskräfte aus diesen Bereichen zurückzogen. Eine Einreise in die Provinzen der kurdischen Autonomieregion ist aktuell aus Österreich auf dem Luftweg ausgehend vom Flughafen Wien via Amman und via Dubai nach Erbil und auf indirektem Weg via Bagdad möglich.

Die Sicherheitslage in den südirakischen Provinzen, insbesondere in der Provinz Basra, war, als Folge einer Sicherheitsoffensive staatlicher Militärkräfte im Gefolge interkonfessioneller Gewalt im Jahr 2007, ab 2008 stark verbessert und bis 2014 insgesamt stabil. Auch war die Region nicht unmittelbar von der Invasion der Truppen des IS im Irak in 2013 und 2014 betroffen. Die Gegenoffensive staatlicher Sicherheitskräfte und deren Verbündeter gegen den IS in Anbar und den nördlicher gelegenen Provinzen bedingte vorerst eine Verlagerung von Militär- und Polizeikräften in den Norden, die wiederum eine größere Instabilität im Süden verbunden vor allem mit einem Anstieg an krimineller Gewalt mit sich brachte. Aktuell sind im Gefolge der Vertreibung des IS aus seinem früheren Herrschaftsgebiet im Irak keine maßgeblichen sicherheitsrelevanten Ereignisse bzw. Entwicklungen für die Region bekannt geworden.

Die Sicherheitslage im Großraum Bagdad war im Wesentlichen ebenfalls nicht unmittelbar beeinträchtigt durch die oben genannten Ereignisse im Zusammenhang mit der Bekämpfung des IS im Zentralirak. Seit 2016 kam es jedoch im Stadtgebiet von Bagdad zu mehreren Anschlägen bzw. Selbstmordattentaten auf öffentliche Einrichtungen oder Plätze mit einer teils erheblichen Zahl an zivilen Opfern, die sich, ausgehend vom Bekenntnis des - als sunnitisch zu bezeichnenden - IS, gegen staatliche Sicherheitsorgane oder gegen schiitische Wohnviertel und Städte richteten um dort ein Klima der Angst sowie religiöse Ressentiments zu erzeugen und staatliche Sicherheitskräfte vor Ort zu binden. So wurden am 13. und 15. Jänner 2018 von Selbstmordattentätern zwei Sprengstoffanschläge auf öffentliche Plätze in Bagdad verübt, deren genaue Urheber nicht bekannt wurden. Für den Großraum Bagdad sind im Gefolge der nunmehrigen Vertreibung des IS aus seinem früheren Herrschaftsgebiet nur mehr wenige sicherheitsrelevante Ereignisse bzw. Entwicklungen bekannt geworden. Zuletzt kam es am 06.06.2018 im Stadtteil Sadr-City zu einem Anschlag unbekannter Täter auf eine Moschee, bei dem 18 Menschen starben und 90 verletzt wurden.

1.3.2. Auch unter der Regierung von Saddam Hussein wurden palästinensische Flüchtlinge im Irak nicht formal als "Flüchtlinge" anerkannt, sie standen aber aufgrund des sogen.

Casablanca-Protokolls aus 1965 und anderer Resolutionen der Arabischen Liga unter dem besonderen Schutz der irakischen Behörden. Sie erhielten bereits damals Aufenthaltstitel mit fünfjähriger Dauer und Reisedokumente und hatten Zugang zu sozialen Leistungen und staatlichen Wohnungen bzw. staatlich subventionierten Privatwohnungen. Ihnen kam seit 2001 - mit Ausnahme der irakischen Staatsangehörigkeit und dem damit zusammenhängenden Wahlrecht - die gleiche Rechtsstellung zu wie irakischen Staatsangehörigen, diese Rechtsstellung dauerte über den Fall der Regierung von Saddam hinaus weiter an.

UNHCR unterhält seit 2009 eine Vertretung im "palästinensischen Viertel" von Bagdad. In Zusammenarbeit von UNHCR und irakischem Innenministerium wurden zu diesem Zeitpunkt im Irak lebende PalästinenserInnen behördlich (neu) registriert und mit (roten) Ausweiskarten ausgestattet. Nach Vorlage der alten aus der Zeit von Saddam stammenden Ausweise und einem Unterstützungsschreiben des irakischen Ministeriums für Migration und Vertriebene wurde diesen eine (weitere) Aufenthaltserlaubnis in der Dauer von 5 Jahren erteilt. Unter Vorlage ihrer (neuen) Ausweiskarte haben PalästinenserInnen Zugang zu öffentlichen Schulen und Gesundheitseinrichtungen sowie staatlichen Lebensmittelrationen (public food distribution system, PDS). Auf Antrag werden ihnen weiterhin spezielle Reisedokumente ausgestellt. Die palästinensische Befreiungsorganisation PLO unterhält eine Vertretung in Bagdad.

Während vor 2003 ca. 34.000 palästinensische Flüchtlinge im Irak lebten, waren es im Jänner 2015 ca. 12.000. Nach dem Fall des Regimes von Saddam in 2003 wurden viele palästinensische Familien von ihren Vermietern delogiert oder von Milizen aus ihrem Wohnsitz vertrieben, auch in den Jahren 2006/2007 kam es zu gezielten Übergriffen Dritter auf palästinensische Flüchtlinge, seither hat sich deren Sicherheitslage wieder verbessert. Ca. 4000 PalästinenserInnen wohnen aktuell im Stadtteil Baladiyat in Bagdad in 16 dreistöckigen Wohnhäusern, mehrere Tausend in umliegenden Stadtteilen wie Dora oder Karrada. Der Wohnraum in Baladiyat ist für palästinensische Flüchtlinge in den genannten staatlichen Unterkünften kostenlos, in privaten Unterkünften von UNHCR und dem Migrationsministerium subventioniert. Der Standard der Wohnungen ist im Hinblick auf die Versorgung mit Wasser und Elektrizität allgemein sehr niedrig und der Wohnraum beengt, unterscheidet sich aber nicht wesentlich vom allgemeinen Standard im Irak. Die Arbeitslosenrate ist unter PalästinenserInnen generell hoch bzw. höher als allgemein im Irak aufgrund von Diskriminierungen am Arbeitsmarkt. Bei grundsätzlich gleichem Zugang zum öffentlichen Gesundheitswesen gibt es vereinzelte Berichte von PalästinenserInnen über Diskriminierungen geringen Ausmaßes durch medizinisches Personal, ihre schwierige wirtschaftliche Lage kann die Finanzierung teurer Behandlungen oder Medikamente maßgeblich erschweren.

In Baladyiat kam es im Juli 2015 im Zuge einer Razzia irakischer Sicherheitskräfte zur Festnahme mehrerer junger Palästinenser, deren Verbleib seither ungeklärt ist. Menschenrechtsorganisationen berichteten in den Jahren 2013 bis 2015 von Defiziten für PalästinenserInnen im Zusammenhang mit staatlichem Schutz vor Übergriffen und Diskriminierungen durch Private, die sich mutmaßlich auf eine PalästinenserInnen unterstellte frühere Nähe zum Regime von Saddam gründeten. Aktuell patrouilliert die irakische Polizei in Baladiyat und nimmt Hinweise der Einwohner auf Straftaten entgegen.

Von ursprünglich ca. 1000 in der Stadt Mosul lebenden PalästinenserInnen flohen 120 Familien vor der drohenden Einnahme durch den IS im Juni 2014 in die kurdische Autonomieregion.

Aus dem Ausland in den Irak zurückkehrenden PalästinenserInnen drohen theoretisch strafrechtliche Sanktionen für illegale Ausreisen oder die Verwendung gefälschter Dokumente, sie sind von diesen Regelungen jedoch nicht stärker betroffen als irakische Staatsbürger. Unter Vorlage ihrer originalen Dokumente können PalästinenserInnen ohne Probleme in den Irak zurückkehren.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Beweis erhoben wurde im gegenständlichen Beschwerdeverfahren durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt des Bundesamtes unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des BF, der von ihm vorgelegten Beweismittel, des bekämpften Bescheides und des Beschwerdeschriftsatzes, die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem BVwG, die Einsichtnahme in die vom Bundesverwaltungsgericht in das Verfahren eingebrachten länderkundlichen Informationen sowie durch die amtswegige Einholung von Auskünften des Zentralen Melderegisters, des Strafregisters und des Grundversorgungsdatensystems den BF betreffend.

Auf der Grundlage dieses Beweisverfahrens gelangte das BVwG nach Maßgabe unten dargelegter Erwägungen zu den entscheidungswesentlichen Feststellungen.

2.2. Die Identität, Staatenlosigkeit, regionale Herkunft, Volksgruppenzugehörigkeit sowie Religionszugehörigkeit des Beschwerdeführers konnten angesichts der diesbezüglich durchgehend gleichbleibenden und daher insoweit glaubhaften Angaben des BF in Verbindung mit dem diese Angaben bestätigenden Inhalt der von ihm vorgelegten Personaldokumente und der dem Verfahren zugrunde gelegten länderkundlichen Informationen zur palästinensischen Volksgruppe im Irak festgestellt werden.

Die Feststellungen zum Lebenswandel und den familiären Verhältnissen des BF im Irak vor der Ausreise sowie seit der Einreise nach Österreich bis dato resultierten aus der Zusammenschau der verschiedenen, in sich stimmigen und plausiblen Aussagen des BF dazu im Zuge des erstinstanzlichen Verfahrens und in der Beschwerdeverhandlung in Verbindung mit den dem Verfahren zugrunde gelegten länderkundlichen Informationen zur palästinensischen Volksgruppe im Irak.

2.3.1. Im Zuge seiner Erstbefragung gab der BF zu seinen Antragsgründen befragt an, er sei Palästinenser sunnitischer Glaubenszugehörigkeit, weshalb er und seine Familie von bewaffneten schiitischen Milizen verfolgt werden. Diese Milizen hätten bereits einige Familienmitglieder getötet, am Tag vor der Befragung sei ein Bruder im Zuge einer Explosion im Irak umgekommen. Er habe Angst um sein Leben und deshalb den Irak verlassen.

In seiner erstinstanzlichen Einvernahme legte er im Wesentlichen dar, dass mehrere seiner Familienangehörigen vor dem Hintergrund eines Konflikts zwischen Sunniten und Schiiten entführt oder ermordet worden seien. Zuletzt sei ein Neffe von der Miliz Asaib Ahl Al Haq (idF: AAH) entführt worden und seien Mitglieder der AAH bei ihm zu Hause erschienen um Lösegeld zu erpressen. Der BF habe daraufhin Anzeige bei der Polizei erstattet. Die Polizei habe zwei namentlich genannte Personen (idF: A und B), führende Mitglieder der AAH, über die Anzeige informiert. A und B hätten den BF im Februar 2014 aufgesucht und sowohl den BF als auch seine Tochter geschlagen und dem BF erklärt, dass er "verschwinden" soll. Zusätzlich habe man ihm ein Drohschreiben überreicht. In der Folge sei er mit seiner Familie zu seiner Schwiegermutter innerhalb XXXX umgezogen, wo er ca. fünf Monate bis zur Ausreise aufhältig gewesen sei.

Die belangte Behörde würdigte dieses Vorbringen des BF zu einer gezielten Bedrohung durch schiitische Milizen als nicht glaubhaft, da es zum Teil widersprüchlich und nicht plausibel gewesen sei.

2.3.2. Auch aus Sicht des BVwG stellte sich dieses Vorbringen zu seinen Ausreisegründen aus nachfolgenden Gründen nicht als glaubhaft dar.

Zu seinen Rückkehrbefürchtungen in der mündlichen Verhandlung vom 09.03.2018 nochmals ausführlich befragt legte der BF einleitend dar, er habe sich in den letzten fünf bis sechs der Ausreise vorangegangenen Monaten bei seinen Schwiegereltern versteckt gehalten, weil ihn Angehörige der AAH gesucht hätten um ihn zu töten. Als Hintergrund dafür gab er an, es sei einer seiner Neffen Ende des Jahres 2013 entführt worden und habe er die Lösegeldverhandlungen zu führen gehabt bzw. habe man von ihm eine hohe Lösegeldsumme verlangt, weil der Vater des Entführten, einer der Brüder des BF, aus gesundheitlichen Gründen nicht dazu imstande gewesen sei. Er habe seinerzeit wegen der Entführung eine Anzeige bei der Polizei erstattet, auch die Lösegeldforderung habe er angezeigt. Daraufhin sei er von zwei angesehenen Mitgliedern der AAH aufgesucht und geschlagen worden, weil er bei der Polizei gewesen sei. Zudem sei er in einem Drohschreiben aufgefordert worden mit seiner Familie sein Haus zu verlassen, andernfalls sie getötet worden wären. Die Miliz habe im Übrigen später eine schiitische Familie in diesem Haus untergebracht. Der Verbleib des Neffen sei nach wie vor unbekannt.

Auf Nachfrage, weshalb von ihm eine so hohe Lösegeldsumme verlangt worden sei, zumal er seinen sonstigen Schilderungen folgend eben gerade nicht wohlhabend gewesen sei, erwiderte er, das eigentliche Ziel der Erpresser sei nicht Geld gewesen, sondern ihn aus seinem Haus zu vertreiben. Der Gegenfrage, weshalb dann überhaupt Lösegeld verlangt worden sei, wenn man ihn und seine Angehörigen, im Wissen um ihre Vermögenslosigkeit, ohnehin nur aus ihrem Haus vertreiben habe wollen, begegnete er mit dem unplausiblen Einwand, dass man zuerst Lösegeld verlangt habe in der Erwartung, dass er solches gar nicht bezahlen könne, um ihm daraufhin sein Haus wegzunehmen, seine Verfolger aber im Gefolge seiner Anzeige ihn aus Wut darüber mit Gewalt zum Verlassen der Wohnung gezwungen hätten, woraus nicht erhellte, weshalb man überhaupt zuerst versucht habe aus genanntem Grunde Lösegeld von ihm zu erpressen, wenn man ihn seiner weiteren Darstellung folgend in späterer Folge ohnehin ganz unabhängig davon aus seinem Haus vertrieben habe.

Auf die Frage, was diese Miliz angesichts des Verlassens seines Hauses, also nach Erreichen ihres Zieles, dann noch von ihm wollte, erwiderte der BF, die Milz habe ihn wegen seiner Anzeige gehasst und ihn deshalb töten wollen. Auf die Gegenfrage, weshalb man ihn dann nicht getötet habe, als man ihn gleich nach der Anzeige zu Hause aufgesucht habe, vermeinte er vorerst, er habe nur eine schriftliche Drohung (Anm.: das von ihm als Beweismittel vorgelegte Drohschreiben) erhalten, in dem ihm seine Ermordung angedroht und er zum Verlassen des Hauses aufgefordert worden sei, woraus ein weiterer offenkundiger Widerspruch zwischen einer Tötungsabsicht als solche wegen seiner Anzeige bei der Polizei und der bloßen Aufforderung sein Haus zu verlassen resultierte.

Diesem begegnete er wiederum mit dem Hinweis darauf, dass es "üblicher Weise" nicht zur Ermordung durch Milizangehörige im Beisein von Kindern komme, man hätte ihn ja auch am Folgetag töten können. Auch dieser, im Lichte der sonstigen Darstellung des BF, dass seine Verfolger vor keiner Handlung zurückschreckten, per se schon wenig plausible Einwand überzeugte darüber hinaus nicht angesichts dessen, dass diese ihn ja auch in weiterer Folge über mehrere Monate hinweg nicht belangten. Denn auf Nachfrage, ob im Lichte dieser Aussagen seine Verfolger ihn, wenn schon nicht am besagten Tag vor seinen Kindern, bei nächster Gelegenheit töten hätten wollen, bejahte der BF, dass ihn diese überall, egal ob auf der Straße oder anderswo, "bestimmt" getötet hätten.

Dass sie ihn aber trotz dieses Interesses über einen Zeitraum von fünf bis sechs Monaten nicht erwischten, sei wiederum daran gelegen, dass diese nicht wussten, dass er sich bei seinen Schwiegereltern aufgehalten habe und dieser Ort niemandem in seinem bisherigen Umfeld, zu dem auch seine Verfolger gehörten, bekannt gewesen sei. Um nicht gefunden zu werden, habe er auch die Kennzeichen seines PKW entfernt, denn dies wäre eine Möglichkeit gewesen ihn ausfindig zu machen. Der Wohnsitz seiner Schwiegereltern sei 25 km von seinem eigenen früheren Wohnsitz entfernt gewesen und es habe in seinem früheren Umfeld niemand gewusst, dass er eine irakische Staatsangehörige geheiratet habe.

Auf die Gegenfrage, wenn seine Verfolger also genau darüber informiert waren, dass er eine Anzeige erstattet hatte, was ja auch zum Besuch an seinem früheren Wohnsitz geführt habe, weshalb diese dann keine Ahnung davon gehabt hätten, mit wem er verheiratet war, was andernfalls bedeutet hätte, dass sie ihn allenfalls auch bei seinen Schwiegereltern suchen hätten können, erwiderte er wiederum ausweichend, dass es Ziel der Milizen gewesen sei, ihm und anderen ihre Wohnungen wegzunehmen um schiitische Familien dort unterzubringen, und hätten sie sich um derlei Informationen nicht gekümmert. Diese Replik vermittelte jedoch neuerlich den schon zuvor entstandenen Eindruck, dass der BF in seiner Darstellung der Ereignisse je nach Erfordernis zwischen einer angeblichen Tötungsabsicht seiner Verfolger und deren (bloßen) Bestreben ihn zu vertreiben wechselte.

Dass seine vermeintlichen Verfolger im Gefolge des Verlassens seines Hauses bei entsprechendem Interesse seiner habhaft hätten werden können, war für das Gericht auch daraus abzuleiten, dass der BF schon vor dem BFA dargelegt hatte, diese von ihm namentlich genannten Personen seien ihm schon seit Langem persönlich bekannt gewesen, weil aus seinem früheren Umfeld stammend, weshalb diesen wohl auch die Tatsache seiner Verheiratung bzw. die Identität seiner Gattin bekannt gewesen sei, was implizierte, dass auch deren familiärer Hintergrund feststellbar gewesen wäre. Dem entsprechenden Vorhalt versuchte er damit zu begegnen, dass er vermeinte, seine Verfolger seien "nicht zu ihm nach Hause gekommen" (gemeint: um näheres über seine Gattin zu erfahren), ja sei es diesen Fremden auch "nicht zugestanden zu fragen wo die Familie seiner Gattin lebt", denn dies seien "private Angelegenheiten". Dieser Einwand entbehrte aber jeder Sinnhaftigkeit, hält man sich vor Augen, dass die Verfolger seiner Darstellung nach ohne jeden Skrupel in sein Haus eingedrungen waren, ihn und seine Tochter geschlagen und ihn mit dem Tod bedroht hatten.

Im Übrigen übertrieb der BF in seiner Darstellung auch insofern, als die beiden Stadtteile XXXX und XXXX jeweils zum inneren Stadtgebiet von XXXX gehören und nicht wie von ihm behauptet 25 Km voneinander entfernt liegen , sondern nur wenige Km (vgl. die im Akt einliegende Karte).

War sohin das vom BF in den Raum gestellte Geschehen schon aus eben dargestellten Gründen als nicht plausibel anzusehen, so bestätigte sich dies auch durch die Replik des BF auf die Frage, ob er davon ausgehe, dass ihn seine früheren Verfolger bei einer Rückkehr verfolgen würden. Diesbezüglich erwiderte er, diese würden ihn "natürlich finden, egal wo er sich im Irak aufhalten würde", und ihn töten. Dem Vorhalt, dass im Lichte dessen nicht erhellt, weshalb er dann in den fünf bis sechs Monaten vor der Ausreise nicht bei seinen Schwiegereltern innerhalb von XXXX zu finden war, vermochte er lediglich entgegen zu halten, dass er sich dort "wie in einem Gefängnis nicht frei bewegen" habe können. Demgegenüber musste er aber auf entsprechenden Vorhalt bestätigen, dass ihm dem Inhalt seines Reisepasses folgend am 02.06.2014, also kurze Zeit vor der Ausreise Mitte Juni 2014, an der türkischen Botschaft in XXXX ein Einreisevisum ausgestellt worden war. Dass er demgemäß also doch innerhalb der Stadt unterwegs sein konnte, versuchte er bloß damit zu erklären, dass er "anders ausgesehen" habe, weil er einen Bart getragen habe. Dieser Umstand stellte sich, unabhängig davon, ob dies auch zutraf, aus Sicht des Gerichts jedoch nicht als potentielles Hindernis für eine individuelle Verfolgung des BF dar, sofern tatsächlich ein Interesse daran bestanden hätte.

In einer Gesamtsicht dieses Verlaufs der mündlichen Verhandlung ergab sich für das erkennende Gericht, dass es als nicht plausibel anzusehen war, dass dieser tatsächlich wie von ihm behauptet wurde von Angehörigen einer Miliz mit der Absicht ihn zu töten verfolgt wurde, sondern dies, über den bloßen Umstand hinaus, dass er aus nicht genau feststellbaren Gründen seinen vormaligen Wohnsitz im Stadtteil XXXX verlassen hatte, ein bloßes gedankliches Konstrukt ohne Tatsachengrundlage darstellte.

An dieser Einschätzung vermochte auch das von ihm vorgelegte Drohschreiben nichts zu ändern, kommt solchen Beweismitteln angesichts ihres fehlenden Urkundencharakters und der simplen Fälschbarkeit kein maßgeblicher Beweiswert zu.

Schließlich bleibt noch zu erwähnen, dass Mutter wie Geschwister des BF nach wie vor in der engeren Heimat im Irak leben und es daher nicht erhellte, weshalb er seiner Aussage nach schon alleine aufgrund seiner Zugehörigkeit zur palästinensischen Volksgruppe einer Verfolgung im Irak durch schiitische Milizen ausgesetzt sei.

2.3.3. Auch aus den in der Verhandlung herangezogenen länderkundlichen Informationen zur allgemeinen Lage von Angehörigen der im Irak lebenden palästinensischen Volksgruppe, die der Entscheidung des BVwG zugrunde gelegt werden, ließen sich keine stichhaltigen Hinweise darauf entnehmen, dass der BF schon alleine wegen seiner Zugehörigkeit zu dieser Bevölkerungsgruppe bei einer Rückkehr der Gefahr einer Verfolgung durch staatliche Organe oder Dritte ausgesetzt wäre. Aus dem Beschwerdeschriftsatz ließ sich diesbezüglich ebenfalls nichts Stichhaltiges gewinnen.

Hinsichtlich der Behauptung des BF, als Angehöriger einer Minderheit bzw. als Palästinenser verfolgt zu sein, ist ergänzend darauf hinzuweisen, dass die Zugehörigkeit eines Asylwerbers zu einer ethnischen oder religiösen Volksgruppe allein sowie deren schlechte allgemeine Situation nicht geeignet ist, eine Asylgewährung zu rechtfertigen (VwGH vom 23.05.1995, Zl.: 94/20/0816). Von einer extremen Gefährdungslage im Irak, dass gleichsam jeder Palästinenser, der sich dort aufhält oder dorthin zurückkehrt, allein aufgrund der Volksgruppenzugehörigkeit einer Verfolgung aus Gründen der GFK ausgesetzt ist, kann aber aufgrund der Länderfeststellungen zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht gesprochen werden. Die für die Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft vorauszusetzende Glaubhaftmachung einer konkret gegen den BF gerichteten drohenden Verfolgung kann sohin nicht allein durch seine Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Palästinenser ersetzt werden.

Soweit in der Beschwerde auf ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom 29.06.2013, U 674/2012, verwiesen wurde, in dem unter Verweis auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union klargestellt worden sei, dass einem Betroffenen Asyl zu gewähren sei, wenn die UNRWA (Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten ) Angehörigen der Volksgruppe der Palästinenser aus "irgendeinem Grund" keinen Beistand mehr leisten könne, ist festzuhalten, dass der BF im Asylverfahren keine auf ihn ausgestellte Registrierungskarte der UNRWA in Vorlage brachte, sondern lediglich ein Refugee Certificate des UNHCR vorlegte. Diese Anerkennung als UNHCR-Mandatsflüchtling ist für Aufnahmestaaten auch nicht unmittelbar rechtlich verbindlich. Der BF wurde im Irak geboren und zählt dieser nicht zum Einsatzgebiet der UNRWA. Deren Einsatzgebiet beschränkt sich auf Jordanien, den Libanon, den Gaza-Streifen, die Syrische Arabische Republik und das Westjordanland einschließlich Ost-Jerusalem. Insoweit entfaltete dieser Einwand im gegenständlichen Fall keine Relevanz.

2.4. Die länderkundlichen Feststellungen des BVwG zur Lage der palästinensischen Flüchtlinge im Irak stützen sich auf die im Verfahrensakt einliegenden und dem BF in der Verhandlung zur Kenntnis gebrachten Informationen, die ihrerseits den dort genannten Quellen entnommen wurden. Diesen ist der BF nicht stichhaltig entgegengetreten und stehen diese insbesondere auch der Aussage des BF, er würde als staatenloser Palästinenser gar nicht mehr in den Irak einreisen dürfen, entgegen.

Die länderkundlichen Feststellungen des BVwG zur allgemeinen Lage im Irak stützen sich auf das Amtswissen des erkennenden Gerichtes um die als notorisch zu qualifizierenden jüngsten Ereignisse im Irak in Verbindung mit zuletzt ergänzend eingesehenen aktuellen länderkundlichen Informationen.

Im Hinblick auf diese jüngsten Informationen, zum Teil datierend aus dem Zeitraum nach der mündlichen Verhandlung, die dem BF daher nicht mehr im Rahmen eines Parteigehörs zur Kenntnis gebracht wurden, ist anzumerken, dass diesen für die gg. Entscheidungsfindung nur insofern Relevanz zukam, als auch diesen länderkundlichen Informationen keine stichhaltigen Hinweise auf ein dem BF allenfalls drohendes und von Amts wegen wahrzunehmendes Verfolgungsrisiko aus sonstigen Gründen zu entnehmen gewesen wären, weshalb sie in dieser Form auch ohne weiteres Parteigehör der Entscheidung zugrunde gelegt werden konnten.

III. Rechtliche Beurteilung:

Mit Art. 129 B-VG idF BGBl. I 51/2012 wurde ein als Bundesverwaltungsgericht (BVwG) zu bezeichnendes Verwaltungsgericht des Bundes eingerichtet.

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 1 B-VG erkennt das BVwG über Beschwerden gegen einen Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG erkennt das BVwG über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 in Rechtssachen in den Angelegenheiten der Vollziehung des Bundes, die unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden.

Gemäß Art. 132 Abs. 1 Z. 1 B-VG kann gegen einen Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet.

Gemäß Art. 135 Abs. 1 B-VG iVm § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG) idF BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß Art. 151 Abs. 51 Z. 7 B-VG wurde der Asylgerichtshof mit 1.1.2014 zum Bundesverwaltungsgericht, die Mitglieder des AsylGH wurden zu Mitgliedern des BVwG.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Mit dem BFA-Einrichtungsgesetz (BFA-G) idF BGBl. I Nr. 68/2013, in Kraft getreten mit 1.1.2014, wurde das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) als Rechtsnachfolger des vormaligen Bundesasylamtes eingerichtet. Gemäß § 3 Abs. 1 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) obliegt dem BFA u.a. die Vollziehung des BFA-VG und des AsylG 2005 idgF.

Mit Datum 1.1.2006 ist das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 56/2018.

Gemäß § 7 Abs. 1 Z. 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes.

Zu A)

1.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG hat die Behörde einem Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, den Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK droht. Darüber hinaus darf keiner der in § 6 Abs. 1 AsylG genannten Ausschlussgründe vorliegen, andernfalls der Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ohne weitere Prüfung abgewiesen werden kann.

Nach Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Gemäß § 3 Abs. 2 AsylG kann die Verfolgung auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe).

Im Hinblick auf die Neufassung des § 3 AsylG 2005 im Vergleich zu § 7 AsylG 1997 wird festgehalten, dass die bisherige höchstgerichtliche Judikatur zu den Kriterien für die Asylgewährung in Anbetracht der identen Festlegung, dass als Maßstab die Feststellung einer Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK gilt, nunmehr grundsätzlich auch auf § 3 Abs. 1 AsylG 2005 anzuwenden ist.

Zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung (vgl. VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334). Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen (vgl. VwGH 21.09.2000, Zl. 2000/20/0241; VwGH 14.11.1999, Zl. 99/01/0280). Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 19.04.2001, Zl. 99/20/0273; VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334). Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 19.10.2000, Zl. 98/20/0233; VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0318).

1.2. Der Beschwerdeführer war nicht in der Lage, mit seinem Vorbringen glaubhaft darzulegen, dass er aus den von ihm behaupteten Gründen seinen Herkunftsstaat verlassen hat oder bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat aus diesen Gründen mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit der Gefahr einer individuellen Verfolgung unterliegen würde.

2. Vor diesem Hintergrund war daher die Beschwerde gegen Spruchteil

I des angefochtenen Bescheides spruchgemäß abzuweisen.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

aktuelle Bedrohung, aktuelle Gefahr, Asylantragstellung,
asylrechtlich relevante Verfolgung, Asylverfahren, begründete Furcht
vor Verfolgung, erhebliche Intensität, Fluchtgründe,
Glaubhaftmachung, Glaubwürdigkeit, individuelle Gefährdung,
individuelle Verfolgungsgefahr, maßgebliche Wahrscheinlichkeit,
mündliche Verhandlung, Nachvollziehbarkeit, Prognose, religiöse
Gründe, staatenlos, Unzumutbarkeit, Verfolgungsgefahr,
Verfolgungshandlung, wohlbegründete Furcht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:L502.2131275.1.00

Zuletzt aktualisiert am

25.04.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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