TE Bvwg Erkenntnis 2019/1/3 G305 2190014-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.01.2019
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Entscheidungsdatum

03.01.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

G305 2190014-1/6E

G305 2190021-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

1)

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Ernst MAIER, MAS als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA. Irak, XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamtes für

Fremdenwesen und Asyl, RD XXXX, vom 23.02.2018, Zl.: XXXX, vertreten durch XXXX, XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu

Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Z 3 und § 57 AsylG iVm. § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 Abs. 1 bis 3 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

2)

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Ernst MAIER, MAS als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA. Irak, XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamtes für

Fremdenwesen und Asyl, RD XXXX, vom 22.02.2018, Zl.: XXXX, vertreten durch XXXX, XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu

Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Z 3 und § 57 AsylG iVm. § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 Abs. 1 bis 3 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1.1. Am 30.10.2015, 17:45 Uhr, stellte der im Bundesgebiet nicht zum Aufenthalt berechtigte XXXX, geb. XXXX, StA.: Irak (in der Folge: Erstbeschwerdeführer oder kurz: BF1) vor Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörden einen Antrag auf internationalen Schutz.

1.2. Am 01.11.2015, 12:07 Uhr, stellte auch sein im Bundesgebiet nicht zum Aufenthalt berechtigter Bruder, XXXX, geb. XXXX, StA.:

Irak (in der Folge: Zweitbeschwerdeführer oder kurz: BF2) vor Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörden einen Antrag auf internationalen Schutz.

1.3. Am 01.11.2015 wurde der BF1 ab 10:52 Uhr, durch ein Organ der Landespolizeidirektion Salzburg einer Erstbefragung unterzogen, anlässlich welcher der unverheiratete und kinderlose BF1 zu seinen Fluchtgründen befragt angab, dass Anfang Oktober 2015 vier Männer (Schiiten) zu seinem Haus gekommen und bedroht hätten. Weil er Sunnit sei und mit dem IS in Verbindung stehe, sei er von ihnen zum Verlassen des Landes aufgefordert worden. Am selben Tag hätten seine Brüder XXXX und XXXX das Haus verlassen und seien diese nie mehr zurückgekehrt. Dies habe er zum Anlass genommen, den Irak zu verlassen [BF1, AS 11 Punkt 11.]

Zur Fluchtroute befragt, gab er an, dass er XXXX mit dem Flugzeug nach XXXX verlassen habe. Von dort aus, sei er mit dem Reisebus in die Türkei gefahren. Der Grenzübertritt sei am 13.10.2015 erfolgt. Sodann sei er nach XXXX (Türkei) weitergefahren und sei er mit dem Schlauchboot nach XXXX (Griechenland) übergesetzt, von wo aus er über die Balkanroute nach Österreich gekommen sei. Der Grenzübertritt sei am 27.10.2015, ca. 22:00 Uhr, erfolgt [BF1, AS 9, Punkt 9.9].

1.4. Am 01.11.2015 wurde auch der BF2 ab 12:07 Uhr, einer Erstbefragung durch ein Organ der Landespolizei XXXX unterzogen, anlässlich der er zu seinen Fluchtgründen befragt angab, dass seit Anfang Oktober 2015 aus der Umgebung Männer (Schiiten) zu seinem Haus gekommen wären und ihn bedroht hätten. Weil er Sunnit sei, sei er zum Verlassen des Landes aufgefordert worden. Er und sein Vater seien für fünf Tage zu einem Onkel gegangen. Wo seine Brüder XXXX und XXXX seien, wisse er nicht. Sie seien auf einmal weggewesen. Die Schiiten würden im Land herrschen, weshalb er dort als Sunnit nicht leben könne [BF2, AS 5, Punkt 11.].

Zur Fluchtroute befragt, gab er an, dass er am 15.10.2015 XXXX mit dem Flugzeug nach XXXX verlassen hätte. Von dort aus sei er noch am selben Tag mit einem Reisebus in die Türkei gefahren. Sodann sei er nach XXXX gefahren; von der Küste aus sei er mit dem Schlauchboot nach Griechenland übergesetzt und über die Balkanroute nach Österreich gelangt. Der Grenzübertritt ins Bundesgebiet sei am 27.10.2015, abends, erfolgt [BF2, AS 7; Punkt 9.9].

1.5. Am 08.01.2018 wurde der BF1 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, RD XXXX (in der Folge: belangte Behörde oder kurz: BFA) niederschriftlich einvernommen, anlässlich der er zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates befragt, angab, dass der erste Grund für das Verlassen des Herkunftsstaates schiitische Milizen gewesen seien. einen Monat vor seiner Ausreise, im September 2015, hätten schiitische Milizen seinen Cousin XXXX getötet, weil sich dieser geweigert hätte, mit ihnen zu kämpfen. Daraufhin hätten sie eine Anzeige bei Gericht machen wollen, doch habe das Gericht abgelehnt und gesagt, dass sie aufpassen sollen. Die schiitischen Milizen hätten von der Anzeige erfahren und seien zu ihnen nach Hause gekommen und hätten sie aufgefordert, entweder das Haus zu verlassen, oder sie würden getötet werden. Deswegen habe er den Herkunftsstaat verlassen. Auch habe er es abgelehnt, Schiit zu werden [BF1, AS 75]. Weiter gab er an, dass er mit den staatlichen Stellen des Herkunftsstaates (Polizei, Militär, Gerichte) oder mit Dritten keine Probleme bzw. Schwierigkeiten gehabt hätte. In seinem Herkunftsstaat sei er politisch nicht tätig gewesen; auch sei er nie in Haft gewesen [BF1, AS 79f].

1.6. Anlässlich seiner am 09.01.2018 vor der belangten Behörde erfolgten niederschriftlichen Einvernahme gab der BF2 an, dass er schon in der Schule nicht durchgekommen wäre, weil er den Vornamen Othman führe. Der Lehrer habe ihm gesagt, dass er nicht durchkommen werde, wenn er nicht Schiit werde. Er habe das abgelehnt. Viele seiner Schulkollegen seien aus diesem Grund getötet worden. Nachdem er sich geweigert hätte, sich den Schiiten anzuschließen, hätten sie seinen Cousin XXXX getötet. Sie hätten eine Anzeige machen wollen, aber der Richter hätte gesagt, er schließe den Akt, bevor sie alle getötet würden. Nachdem die Schiiten davon erfahren hätten, dass sie sie anzeigen wollten, seien in der Nacht vier bewaffnete, maskierte Männer zu ihnen nach Hause gekommen und hätten seinen Bruder geschlagen. Beide Waffen seien auf seinen Bruder und den Vater gerichtet gewesen. Nachdem sie aufgefordert wurden, das Land zu verlassen, hätten sie verstreut das Haus verlassen. Nachgefragt gab er an, dass die gesamte Familie bedroht worden sei. Wann genau die Milizen bei ihm zu Hause gewesen seien, gab er an, dass er sich daran nicht erinnern könne. Er habe in der Folge bei seinem Onkel übernachtet. Daraufhin seien sie gekommen und hätten ihn töten wollen. Da sei er mit seinem Vater zum Flughafen geflüchtet und sie seien nach XXXX geflogen; nach einem eintägigen Aufenthalt seien sie mit dem Bus in die Türkei nach XXXX gefahren [BF2, AS 79]. Er selbst sei nicht geschlagen worden; er habe den Herkunftsstaat wegen seiner Zugehörigkeit zur Religionsgemeinschaft der Sunniten verlassen [BF2, AS 81]. Weiter gab er an, dass er mit den staatlichen Stellen des Herkunftsstaates (Polizei, Militär, Gerichte) oder mit Dritten keine Probleme bzw. Schwierigkeiten gehabt hätte. In seinem Herkunftsstaat sei er politisch nicht tätig gewesen; auch sei er nie in Haft gewesen [BF2, AS 83].

1.7. Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 23.02.2018, Zl. XXXX, dem BF1 am 02.03.2018 durch Hinterlegung zugestellt, wies die belangte Behörde den auf die Gewährung von internationalem Schutz gerichteten Antrag des BF1 vom 30.10.2015 gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und den Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt II.), und sprach aus, dass ihm ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt werde (Spruchpunkt III.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm. § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG gegen ihn erlassen werde (Spruchpunkt IV.) und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung seiner Person in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.) und sprach aus, dass die Frist für seine freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

1.8. Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 22.02.2018, Zl. XXXX, dem BF1 am 05.03.2018 durch Hinterlegung zugestellt, wies die belangte Behörde den auf die Gewährung von internationalem Schutz gerichteten Antrag des BF2 vom 30.10.2015 gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und den Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt II.), und sprach aus, dass ihm ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt werde (Spruchpunkt III.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm. § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG gegen ihn erlassen werde (Spruchpunkt IV.) und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung seiner Person in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.) und sprach aus, dass die Frist für seine freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

1.9. Gegen die obangeführten Bescheide der belangten Behörde richteten sich die am 15.03.2018 jeweils per Telefax eingebrachten Beschwerdeschriften, in denen ausgesprochen wurde, dass der jeweilige Bescheid "zur Gänze", somit hinsichtlich der Spruchpunkte I., II., III., IV., V. und VI. angefochten werde. Gestützt wurden die Rechtsmittel auf die Beschwerdegründe "unrichtige Feststellungen", "Mangelhaftigkeit des Verfahrens" und "unrichtige rechtliche Beurteilung"; überdies wurden sie mit den Anträgen verbunden, a) den Beschwerdeführern Flüchtlingseigenschaft zuzusprechen, b) allenfalls ihnen subsidiären Schutz zu gewähren, c) allenfalls den angefochtenen Bescheid aufzuheben und zur Ergänzung des Verfahrens an die 1. Instanz zurückzuverweisen; d) einen landeskundigen Sachverständigen zu beauftragen, sich mit der aktuellen Situation im Irak zu befassen, e) eine mündliche Beschwerdeverhandlung anzuberaumen, damit der Beschwerdeführer die vorgeworfene Kritik an seinem Vorbringen widerlegen kann; f) allenfalls die Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig zu erklären; g) allenfalls einen Aufenthaltstitel aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen zu erteilen und h) allenfalls festzustellen, dass die Abschiebung in den Irak unzulässig sei.

1.10. Am 22.03.2018 brachte die belangte Behörde die gegen die oben näher bezeichneten Bescheide erhobenen Beschwerden des BF1 und des BF2 samt den Bezug habenden Verwaltungsakten dem Bundesverwaltungsgericht (in der Folge: so oder kurz: BVwG) zur Vorlage und wurde die Beschwerdesache hier der Gerichtsabteilung G305 zur Erledigung zugeteilt.

1.11. Am 14.12.2018 wurde vor dem BVwG eine mündliche Verhandlung im Beisein des Erst- und des Beschwerdeführers, sowie eines Dolmetschers für die Muttersprache der beschwerdeführenden Parteien durchgeführt. Anlässlich dieser Verhandlung wurde auch die am 12.11.1970 geborene, österreichische Staatsangehörige XXXXB als Zeugin einvernommen, zumal diese, wie auch der BF1 behaupteten einander nach islamischem Ritus geheiratet zu haben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der BF1 führt die im Spruch angegebene Identität (XXXX, geb. XXXX) und ist irakischer Staatsangehöriger. Er gehört der Ethnie der irakischen Araber an und bekennt sich zur islamischen Religionsgemeinschaft der sunnitischen Glaubensrichtung [PV des BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 14.12.2018, S. 5]. Seine Muttersprache ist arabisch.

Er ist gesund und nimmt auch keine Medikamente bzw. Substanzen mit bewusstseinsverändernder Wirkung.

Zwar bezeichnet er die am 12.11.1970 geborene XXXX (eine vormals ägyptische Staatsangehörige, die zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt des Jahres 1995 bzw. 1998 die österreichische Staatsangehörigkeit verliehen bekam) als seine Ehegattin, die er zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt des Jahres 2018 in einer Moschee in Wien traditionell geheiratet haben will, doch verfügt das Paar über keine Urkunde, die die behauptete traditionelle Eheschließung belegen würde. Feststeht, dass der BF1 und XXXX vor einem Standesamt nicht in den Stand der Ehe traten [PV des BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 14.12.2018, S. 5f, 11; Einvernahme der Zeugin XXXX in Verhandlungsniederschrift vom 14.12.2018, S. 22 und 23ff]. Dass der BF1 und XXXX verheiratet wären, konnte anlassbezogen nicht festgestellt werden.

Im Bundesgebiet lebt er in einer Flüchtlingsunterkunft und ist dort an der Anschrift XXXX, polizeilich gemeldet [Einvernahme der Zeugin XXXX in Verhandlungsniederschrift vom 14.12.2018, S. 22].

Dass er mit XXXX zusammenleben würde, konnte ebenfalls nicht festgestellt werden [Einvernahme der Zeugin XXXX in Verhandlungsniederschrift vom 14.12.2018, S. 22; Auskunft aus dem ZMR].

Der BF1 hat weder leibliche, noch an Kindesstatt angenommene Kinder [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 14.12.2018, S. 6].

Im Herkunftsstaat besuchte er von 1995 bis 2003 die Schule in seiner Heimatstadt XXXX, davon sechs Jahre lang die Grundschule und zwei Jahre lang die Mittelschule. In der Folge nahm er in XXXX eine private Ausbildung bei einem Tischler an und arbeitete ab einem nicht feststellbaren Zeitpunkt des Jahres 2004 bis zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt des Jahres 2010 als Tischler. Ab einem nicht feststellbaren Zeitpunkt des Jahres 2010 arbeitete er bis zu seiner Ausreise im Jahr 2015 auf freiberuflicher Basis in diversen Berufen, sohin als Reinigungskraft und als Verkäufer von Textilien und Elektrogeräten in XXXX. Er war in der Lage, sich mit seinen Einkünften, den eigenen Unterhalt zu sichern und Ersparnisse zu bilden, die er dafür vorgesehen hatte, sich mit einem Tischlereiunternehmen selbständig zu machen. Mit seinen Einkünften trug er im Herkunftsstaat zum Einkommen seiner Kernfamilie bei [BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 14.12.2018, S. 7].

1.2. Der BF2 führt die im Spruch angegebene Identität (XXXX, geb. XXXX) und ist irakischer Staatsangehöriger. Er gehört der Ethnie der irakischen Araber an und bekennt sich zur islamischen Religionsgemeinschaft der sunnitischen Glaubensrichtung [PV des BF2 in Verhandlungsniederschrift vom 14.12.2018, S. 5]. Seine Muttersprache ist arabisch.

Er ist gesund und nimmt auch keine Medikamente bzw. Substanzen mit bewusstseinsverändernder Wirkung.

Er ist unverheiratet und beabsichtigt in nächster Zeit auch keine Eheschließung. Auch er hat weder eigene, noch an Kindesstatt angenommene Kinder [PV des BF2 in Verhandlungsniederschrift vom 17.12.2018, S. 6].

Im Bundesgebiet lebt er in einer Flüchtlingsunterkunft und ist dort an der Anschrift XXXX, polizeilich gemeldet [Einvernahme der Zeugin XXXX in Verhandlungsniederschrift vom 14.12.2018, S. 22].

Im Herkunftsstaat besuchte er von 2007 bis 2015 die Schule in seiner Heimatstadt XXXX, davon sechs Jahre lang die Grundschule und die restliche Zeit das Gymnasium; letzteres brach er jedoch wegen seiner Ausreise im Jahr 2015 vorzeitig ab [PV des BF2 in Verhandlungsniederschrift vom 14.12.2018, S. 7].

1.3. Die im Herkunftsstaat lebende Kernfamilie der beschwerdeführenden Parteien besteht aus dem zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt des Jahres XXXX geborenen Bruder XXXX und dem zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt des Jahres XXXX geborenen Bruder XXXX. Die gemeinsame Mutter der beschwerdeführenden Parteien, XXXX verstarb zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt des Jahres 2008 [BF1, AS 5; PV des BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 14.12.2018, S. 7].

Bis zu ihrer Ausreise lebten die beschwerdeführenden Parteien in dem im XXXX, im Bezirk XXXX in der XXXX. Gasse gelegenen Elternhaus, das sich im Eigentum ihres Vaters befindet. Dieses Haus weist eine Grundfläche von ca. 200 m² und befinden sich darin drei Schlafzimmer, ein großes Wohnzimmer, eine Küche und ein Badezimmer. Das Haus hat keinen Garten, jedoch eine ca. 50 m² umfassende Garage, in der der Vater der beschwerdeführenden Parteien seinen Personenkraftwagen und zwei Fahrräder untergebracht hatte [PV des BF2 in Verhandlungsniederschrift vom 14.12.2018, S. 9].

1.4. Jener Stadtteil, in dem das Elternhaus der beschwerdeführenden Parteien liegt, ist ausschließlich von Arabern besiedelt, wovon sich der überwiegende Teil zum muslimischen Glauben der schiitischen Glaubensrichtung bekennt. In XXXX lebt eine nicht feststellbare Anzahl an Familien, die sich zum muslimischen Glauben sunnitischer Glaubensrichtung bekennen [PV des BF2 in Verhandlungsniederschrift vom 14.12.2018, S. 10].

Die Familie der beschwerdeführenden Parteien hatten mit jenen Familien, die sich zum muslimisch-sunnitischen Glauben bekannten, keine Probleme, während der Zweitbeschwerdeführer sich darüber beklagte, dass die Schiiten versucht hätten, ihn zu schikanieren und dass er wegen seines Vornamens von "allen Schiiten" gehasst worden sei. Über weitere, gegen ihn gerichtete Handlungen klagte der BF2 nicht [PV des BF2 in Verhandlungsniederschrift vom 14.12.2018, S. 10]. Dass der BF2 wegen seines Vornamens tatsächlich Schikanen ausgesetzt gewesen wäre, konnte nicht festgestellt werden.

1.5. Im Herkunftsstaat gehörten weder der BF1, noch der BF2 einer politischen Partei, oder einer anderen politisch aktiven Bewegung oder einer bewaffneten Gruppierung an [PV des BF1 und des BF2 in Verhandlungsniederschrift vom 14.12.2018, S. 8].

Mit den Behörden oder den Gerichten des Herkunftsstaates hatten sie keine Probleme.

Dass sie mit der Polizei des Herkunftsstaates oder mit den im Herkunftsstaat aktiven Milizen, insbesondere aus religiösen Gründen, oder wegen des Vornamens des BF2 Probleme gehabt hätten, oder dass sie im Herkunftsstaat vorbestraft wären, konnte anlassbezogen nicht festgestellt werden.

Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass der Erstbeschwerdeführer oder der Zweitbeschwerdeführer im Herkunftsstaat politisch tätig gewesen wären. Beide nahmen an keiner bewaffneten Auseinandersetzung teil. Auch waren sie nie Mitglied einer radikalen extremistischen Gruppierung oder einer verbotenen Organisation.

Ebenso wenig konnte festgestellt werden, dass die beschwerdeführenden Parteien bei ihrer Ausreise aus dem Herkunftsstaat, die sie zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt um Mitte Oktober 2015 vom Flughafen XXXX über XXXX antraten, Probleme gehabt hätten.

1.6. Es steht fest, dass die beschwerdeführenden Parteien zu einem nicht festgestellten Zeitpunkt um Mitte Oktober 2015, ausgehend von ihrer Heimatstadt XXXX, mit dem Flugzeug nach XXXX flogen, von wo aus sie den Herkunftsstaat mit dem Reisebus in die Türkei verließen. Ausgehend von XXXX setzten sie mit einem Schlauchboot nach Griechenland über, wo sie zu einem nicht festgestellten Zeitpunkt in XXXX eintrafen. In der Folge setzten sie ihren Weg über die Balkanroute fort und überquerten sie an einem nicht feststellbaren Grenzort am 27.10.2015 die Grenze ins Bundesgebiet [BF1, AS 9; BF2, AS 7].

Am 30.10.2015, 17:45 Uhr, stellten die beschwerdeführenden Parteien vor einem Organ der öffentlichen Sicherheitsbehörde einen Antra auf internationalen Schutz im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG. Während der Erstbeschwerdeführer am 01.11.2015 beginnend ab 10:52 Uhr einer Erstbefragung unterzogen wurde [BF1; AS 5], wurde der Zweitbeschwerdeführer am selben Tag ab 12:07 Uhr einer Erstbefragung unterzogen [BF2; AS 11].

Für ihre Ausreise aus dem Herkunftsstaat verwendeten die beschwerdeführenden Parteien einen Reisepass, den sie bei der Einreise ins Bundesgebiet bei sich trugen [BF1, AS 7ff, Punkt 9.7. bzw. BF2, AS 7 oben].

1.7. Die beschwerdeführenden Parteien sind strafgerichtlich unbescholten.

1.8. Außer sich selbst, haben die beschwerdeführenden Parteien keine im Bundesgebiet lebenden bzw. hier aufhältigen Verwandten.

Während der BF2 keine Nahebeziehung zu einer im Bundesgebiet aufhältigen Person hat, hat der BF1 eine Nahebeziehung zu der in Österreich aufhältigen XXXX. Sie stammt aus Ägypten, kam im Alter von 13 Jahren nach Österreich und besitzt mittlerweile seit einem nicht feststellbaren Zeitpunkt die österreichische Staatsangehörigkeit [Einvernahme der Zeugin XXXX in Verhandlungsniederschrift vom 14.12.2018, S. 22]. Sie betreibt seit einem nicht festgestellten Zeitpunkt des Jahres 2015 eine Flüchtlingsunterkunft in XXXX, in der auch der BF1 und der BF2 ein (aufrechtes) Quartier genommen haben. In einer Vorehe war sie mit einem ägyptischen Staatsangehörigen verheiratet. Aus dieser Ehe sind zwei Kinder, XXXX (geb. XXXX) und XXXX (geb. XXXX), hervorgegangen. Die zum ägyptischen Staatsangehörigen bestandene Ehe wurde zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt des Jahres 2009 vor dem Bezirksgericht XXXX geschieden. XXXX hält sich einerseits bei ihren Kindern in XXXX, andererseits aber auch in XXXX auf.

Dass der BF1 und XXXX zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt des Jahres 2018 traditionell in einer Moschee in Wien geheiratet hätten, konnte anlassbezogen nicht festgestellt werden [siehe dazu die widersprüchlichen Angaben des BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 14.12.2018, S. 5f und der als Zeugin einvernommenen XXXX in Verhandlungsniederschrift vom 14.12.2018, S. 23]. Ein urkundlicher Nachweis über eine traditionelle Eheschließung liegt nicht vor.

Feststeht, dass der BF1 und XXXX im Bundesgebiet keine standesamtliche Ehe geschlossen haben.

Der BF1 hat einen Deutschkurs auf dem Niveau A1 [PV des VF1 in Verhandlungsniederschrift vom 14.12.2018, S. 11] und der BF2 einen Deutschkurs auf dem Niveau B [PV des BF2 in Verhandlungsniederschrift vom 14.12.2018. S. 12]. Während der BF2 bereits Grundkenntnisse der deutschen Sprache besitzt, konnten dagegen beim BF1 lediglich geringe Grundkenntnisse der deutschen Sprache festgestellt werden [Ebda].

Der BF1 und der BF2 gehen keiner regelmäßigen Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet nach. Von April 2018 bis zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt des Jahres 2018 ist der BF1 einer Beschäftigung als Arbeiter des Bauhofs der Stadtgemeinde XXXX im Ausmaß von 20 Wochenstunden nachgegangen [Schreiben der Stadtgemeinde XXXX vom 18.05.2018]. Im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht war die bei der Stadtgemeinde XXXX ausgeübte Erwerbstätigkeit bereits beendet. Abgesehen davon besuchte der BF1 die Volkshochschule, an der er die Fächer Englisch, Deutsch, Mathematik und politische Bildung belegte [PV des BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 14.12.2018, S. 12]. Der BF2 besuchte gleich zwei Kurse an der Volkshochschule [PV des BF2 in Verhandlungsniederschrift vom 14.12.2018, S. 12].

Beide beziehen Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung [PV des BF1 und des BF2 in Verhandlungsniederschrift vom 14.12.2018, S. 12f].

Darüber hinaus konnten keine maßgeblichen Anhaltspunkte in Hinblick auf eine soziale Aufenthaltsverfestigung des BF im Bundesgebiet festgestellt werden.

1.9. Beschwerdegegenständlich konnte nicht festgestellt werden, dass der BF1 von Angehörigen einer schiitischen Miliz "des Öfteren aufgefordert" worden wäre, mit ihnen zu arbeiten und zu kämpfen.

Auch konnte nicht festgestellt werden, dass das Haus, in dem die beschwerdeführenden Parteien in XXXX lebten, von Angehörigen einer schiitischen Miliz aufgesucht oder gar angegriffen worden wäre. Auch konnte nicht festgestellt werden, dass der BF1 deshalb gesucht worden wäre, weil er es abgelehnt hätte, an der Seite einer schiitischen Miliz zu kämpfen [PV des BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 14.12.2018, S. 14].

Auch konnte nicht festgestellt werden, dass der BF1 von Angehörigen einer Miliz wegen seiner Zugehörigkeit zur Glaubensrichtung der Sunniten, sohin aus religiösen Gründen, oder gar deshalb verfolgt worden wäre, weil er seinen Onkel zu Zeiten des vormaligen Staatspräsidenten XXXX zu Sitzungen der XXXX begleitet haben soll.

Ebenso wenig konnte festgesellt werden, dass er oder andere Mitglieder seiner Familie von Milizangehörigen aufgesucht worden wären, weil diese die angebliche Tötung eines Cousins durch eine schiitische Miliz zur Anzeige bringen wollten [BF1, AS 75].

Anlassbezogen konnte nicht festgestellt werden, dass der BF1 von jenen bewaffneten Männern, die im Familienhaus der Beschwerdeführer erschienen waren, körperlich misshandelt worden wäre [BF1, AS 77 unten; BF2 in Verhandlungsniederschrift vom 14.12.2018, S. 17].

Eben so wenig konnte festgestellt werden, dass der von den beschwerdeführenden Parteien behauptete Angriff auf das in XXXX gelegene Familienhaus, in dem die beschwerdeführenden Parteien lebten, durch den Vornamen des Zweitbeschwerdeführers motiviert gewesen sein könnte [PV des BF2 in Verhandlungsniederschrift vom 14.12.2018, S. 17].

Insgesamt vermochten die beschwerdeführenden Parteien nicht glaubhaft zu machen, dass sie im Herkunftsstaat einer asylrelevanten Bedrohung oder Verfolgung durch (schiitische) Milizen aus religiösen und/oder politischen Gründen ausgesetzt gewesen wären.

1.10. Nachdem es den irakischen Sicherheitskräften (ISF) gemeinsam mit schiitischen Milizen, den sogenannten Popular Mobilisation Forces (PMF), mit Unterstützung durch die alliierten ausländischen Militärkräfte im Laufe des Jahres 2016 gelungen war, die Einheiten der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) sowohl aus den von ihr besetzten Teilen der südwestlichen Provinz Al Anbar bzw. deren Metropolen Fallouja und Ramadi als auch aus den nördlich an Bagdad anschließenden Provinzen Diyala und Salah al Din zu verdrängen, beschränkte sich dessen Herrschaftsgebiet in der Folge auf den Sitz seiner irakischen Kommandozentrale bzw. seines "Kalifats" in der Stadt Mossul, Provinz Ninava, sowie deren Umgebung bis hin zur irakisch-syrischen Grenze. Ab November 2016 wurden die Umgebung von Mossul sowie der Ostteil der Stadt bis zum Ufer des Tigris sukzessive wieder unter die Kontrolle staatlicher Sicherheitskräfte gebracht, im Westteil wurde der IS von den irakischen Sicherheitskräften und ihren Verbündeten, die aus dem Süden, Norden und Westen in das Zentrum der Stadt vordrangen, in der Altstadt von Mossul eingekesselt. Der sunnitische IS wiederum versuchte parallel zu diesen Geschehnissen durch vereinzelte Selbstmordanschläge in Bagdad und anderen Städten im Süd- sowie Zentralirak seine wenn auch mittlerweile stark eingeschränkte Fähigkeit, die allgemeine Sicherheitslage zu destabilisieren, zu demonstrieren. Anfang Juli 2017 erklärte der irakische Premier Abadi Mossul für vom IS befreit. In der Folge wurden auch frühere Bastionen des IS westlich von Mossul in Richtung der irakisch-syrischen Grenze wie die Stadt Tal Afar durch die Militärallianz vom IS zurückerobert. Zuletzt richteten sich die Operationen der Militärallianz gegen den IS auf letzte Überreste seines früheren Herrschaftsgebiets im äußersten Westen der Provinz Anbar sowie eine Enklave um Hawija südwestlich von Kirkuk.

Die Sicherheitslage innerhalb der drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion des Nordirak, nämlich Dohuk, Erbil und Suleimaniya, ist angesichts der Maßnahmen der regionalen Sicherheitskräfte wie Grenzkontrollen und innerregionale Aufenthaltsbestimmungen als stabil anzusehen. Seit Oktober 2017 befindet sich die kurdische Regionalregierung in Konflikt mit der irakischen Zentralregierung in der Frage der Kontrolle über die von kurdischen Sicherheitskräften bislang besetzt gehaltenen Grenzregionen südlich der Binnengrenze der Autonomieregion zum übrigen irakischen Staatsgebiet, insbesondere die Region um die Stadt Kirkuk betreffend. Zuletzt kam es zu einer Besetzung dieser Region sowie weiterer Landstriche entlang der Binnengrenze durch die irakische Armee und der Zentralregierung nahestehende Volksmobilisierungseinheiten, während sich die kurdischen Sicherheitskräfte aus diesen Bereichen zurückzogen. Eine Einreise in die drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion ist angesichts eines Luftraumembargos der Nachbarstaaten Türkei und Iran gegen die kurdische Regionalregierung auf direkte Weise aktuell nur auf dem Landweg möglich.

Die Sicherheitslage in den südirakischen Provinzen, insbesondere in der Provinz Basra, war, als Folge einer Sicherheitsoffensive staatlicher Militärkräfte im Gefolge interkonfessioneller Gewalt im Jahr 2007, ab 2008 stark verbessert und bis 2014 insgesamt stabil. Auch war die Region nicht unmittelbar von der Invasion der Truppen des IS im Irak in 2013 und 2014 betroffen. Die Gegenoffensive staatlicher Sicherheitskräfte und deren Verbündeter gegen den IS in Anbar und den nördlicher gelegenen Provinzen bedingte zuletzt eine Verlagerung von Militär- und Polizeikräften in den Norden, die wiederum eine größere Instabilität im Süden verbunden vor allem mit einem Anstieg an krimineller Gewalt mit sich brachte.

Die Sicherheitslage im Großraum Bagdad war durch die genannten Ereignisse im Wesentlichen ebenfalls nicht unmittelbar beeinträchtigt. Es waren jedoch vereinzelte Anschläge bzw. Selbstmordattentate auf öffentliche Einrichtungen oder Plätze mit einer teils erheblichen Zahl an zivilen Opfern zu verzeichnen, die, ausgehend vom Bekenntnis des - als sunnitisch zu bezeichnenden - IS dazu, sich gegen staatliche Sicherheitsorgane oder gegen schiitische Wohnviertel und Städte richteten, um dort ein Klima der Angst sowie religiöse Ressentiments zu erzeugen und staatliche Sicherheitskräfte vor Ort zu binden. Hinweise auf eine etwaig religiös motivierte Bürgerkriegssituation finden sich in den Länderberichten nicht, ebenso auch nicht in Bezug auf die Säuberung von ethnischen oder religiösen Gruppierungen bewohnte Gebiete.

Anlassbezogen ist jedoch nicht hervorgekommen, dass die Beschwerdeführer einer asylrelevanten Bedrohung durch schiitische Milizen oder durch die Polizei des Herkunftsstaates ausgesetzt gewesen wären. Es ist auch nicht hervorgekommen, dass es ihnen - selbst bei Wahrunterstellung einer allfälligen asylrelevanten Verfolgung - nicht möglich gewesen wäre, eine innerstaatliche Fluchtalternative zu wählen.

1.8.1. Die Asa'ib Ahl al-Haqq (Liga der Rechtschaffenen oder Khaz'ali-Netzwerk, League of the Righteous, kurz: AAH) ist eine der unter der PMF zusammengefassten Milizen. Diese Miliz wurde 2006 von Qais al-Khaz'ali gegründet und bekämpfte zu jener Zeit die US-amerikanischen Truppen im Irak. Ausgegangen wird von einer Gruppengröße von mindestens 3.000 Mann; einige Quellen sprechen von 10.000 bis 15.000 Kämpfern. Die Miliz erhält starke Unterstützung vom Iran und ist, wie die Badr-Organisation und Kata'ib Hizbullah, vor allem westlich und nördlich von Bagdad aktiv. Seitens der Regierung wurde 2016 der Versuch unternommen, Teile der PMF in die staatliche Sicherheitsstruktur einzugliedern und unter die Kontrolle des Premierministers zu stellen - ein Projekt, dessen Ausgang noch immer unklar ist.

Eine landesweite und systematische Verfolgung für Angehörige der sunnitischen Glaubensgemeinschaft durch diese Miliz besteht nicht.

Obwohl die sunnitische Glaubensgemeinschaft in BAGDAD gegenüber der schiitischen Gemeinschaft die Minderheit darstellt, ist sie nach wie vor in der Gesellschaft und in der Regierung präsent.

In BAGDAD gibt es Bezirke und Stadtteile, in denen überwiegend Sunniten leben. Als solche werden in den Länderberichten insbesondere ADHAMIYA, MANSOUR und ABU GHRAIB genannt.

Quellen:

Australian Government, DFAT COUNTRY INFORMATION REPORT IRAQ, 26.06.2017,

http://dfat.gov.au/about-us/publications/Documents/country-information-report-iraq.pdf (Letzter Zugriff am 16.07.2018)

ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: Anfragebeantwortung zum Irak: Aktivitäten der Asa'ib Ahl al-Haqq, insbesondere Verhalten gegenüber sunnitischen MuslimInnen 02.02.2018,

https://www.ecoi.net/de/dokument/1424853.html (Letzter Zugriff am 16.07.2018)

UK Home Office: Country Policy and Information Note Iraq: Sunni (Arab) Muslims, 06/2017

https://www.ecoi.net/en/file/local/1403272/1226_1499246656_iraq-sunni-arabs-cpin-v2-0-june-2017.pdf (Letzter Zugriff am 16.07.2018)

UNHCR - UN High Commissioner for Refugees: Iraq: Relevant COI for Assessments on the Availability of an Internal Flight or Relocation Alternative (IFA/IRA); Ability of Persons Originating from (Previously or Currently) ISIS-Held or Conflict Areas to Legally Access and Remain in Proposed Areas of Relocation, 12.04.2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1397131/1930_1492501398_58ee2f5d4.pdf (Letzter Zugriff am 16.07.2018)

UK Home Office: Country Policy and Information Note Iraq: Sunni (Arab) Muslims, 06/2017,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1403272/1226_1499246656_iraq-sunni-arabs-cpin-v2-0-june-2017.pdf (Letzter Zugriff am 18.07.2018)

BFA Staatendokumentation: Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Irak: Von schiitischen Milizen dominierte Gebiete (Ergänzung zum Länderinformationsblatt), 04.01.2018 https://www.ecoi.net/en/file/local/1422124/5618_1516263925_irak-sm-von-schiitischen-milizen-dominierte-gebiete-2018-01-04-ke.doc (Letzter Zugriff am 18.07.2018)

1.8.2. Zu den innerstaatlichen Fluchtalternativen der beschwerdeführenden Parteien als arabische Sunniten im Irak:

Für den Süden des Irak (BABIL, BASRA, KERBALA, NAJAF, MISSAN, MUTHANNA, QADDISIYA, THI-QAR und WASSIT) liegen generell nur wenige Berichte über Menschenrechtsverletzungen von schiitischen Milizen an Sunniten vor. Weitere Regionen, in denen vor allem Sunniten leben, sind MOSSUL, TIKRIT, AL FALUJA oder ANBAR.

Im Süden des Irak leben ca. 400.000 Sunniten sowie Angehörige anderer Minderheiten. Die Region Südirak hat ca. 200.000 flüchtende irakische Staatsangehörige aufgenommen. Im Regelfall können sich irakische Staatsangehörige mit einer irakischen ID-Karte in den Gebieten des Südiraks frei und ohne Einschränkungen bewegen. Basra betreffend besteht Berichten zufolge grundsätzlich auch für Binnenflüchtlinge die Möglichkeit zur Inanspruchnahme von Leistungen des staatlichen Gesundheitssystems. Laut eines Berichtes der IOM haben in BASRA zudem 80% der Binnenflüchtlinge die Möglichkeit, am örtlichen Bildungssystem und am Arbeitsmarkt teilzuhaben. In den meisten Gemeinden ist es auch für Frauen möglich, Berufen nachzugehen, allerdings vor allem solche, die von zuhause aus ausgeübt werden können.

Abgesehen von den mehrheitlich sunnitisch besiedelten Stadtteilen BAGDADS hätten die beschwerdeführenden Parteien auch die Möglichkeit in anderen mehrheitlich sunnitisch besiedelten Gebieten des Herkunftsstaates zu leben, darunter insbesondere in den Provinzen MOSSUL, TIKRIT, AL FALUJA und ANBAR. Anlassbezogen sind keine Umstände hervorgekommen, dass es den beschwerdeführenden Parteien nicht möglich wäre, dorthin zu ziehen und dort zu leben.

Darüber hinaus hätten sie die Möglichkeit, ohne Bürgschaft in die Autonome Region Kurdistan einzureisen. Eine Einreise ist über den Internationalen Flughafen ERBIL als auch auf dem Landweg möglich. Laut Bericht der International Organisation for Immigration (IOM) würden irakische Bürger bei der Ankunft an einem Checkpoint einer Landgrenze zu Kurdistan oder am Flughafen eine einwöchige Aufenthaltserlaubnis erhalten. Irakische Staatsbürger können sich nach den vorliegenden Länderinformationen z.B. in ERBIL frei bewegen und von dort aus in alle Provinzen einzureisen. Binnenflüchtlinge müssen sich bei der Einreise registrieren und können dann eine dauerhafte Aufenthaltsberechtigung beantragten. Ob eine Person ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht bzw. eine verlängerbare Aufenthaltsgenehmigung in der Autonomen Region Kurdistan bekommt, hängt dabei oft vom ethischen, religiösen und persönlichen Profil ab. Die Notwendigkeit eines Bürgen zur Erlangung einer Aufenthaltsgenehmigung differiert von Provinz zu Provinz und wird zuweilen auch willkürlich gehandhabt. In manchen Provinzen kann ein Bürge notwendig werden, um sich dort niederzulassen oder dort zu arbeiten.

Arabische Binnenflüchtlinge können in der Region AL SULAYMANIYAH zunächst eine temporäre Aufenthaltsgenehmigung erhalten und den Daueraufenthalt beantragen. In AL SULAYMANIYAH ist nach Auskunft des UNHCR kein Bürge notwendig, um sich hier niederzulassen oder eine Arbeitsbewilligung zu erhalten. Berichten der IOM zufolge leben 90% aller Binnengeflüchteten in AL SULAYMANIYAH in stabilen sanitären Verhältnissen und haben 83% Zugang zum staatlichen Gesundheitssystem. Im Regelfall können binnengeflüchtete Menschen in AL SULAYMANIYAH am Bildungssystem teilnehmen. Binnengeflüchtete haben in AL SULAYMANIYAH die Möglichkeit in den verschiedensten Feldern zu den gleichen Löhnen wie ortsansässige Personen zu arbeiten.

Quellen:

IOM - International Organization for Migration, Iraq Mission, 17.05.2017,

http://iraqdtm.iom.int/LastDTMRound/Round86_Report_English_2017_December_31_IOM_DTM.pdf (Letzter Zugriff am 17.07.2018)

UNHCR - UN High Commissioner for Refugees: Iraq: Relevant COI for Assessments on the Availability of an Internal Flight or Relocation Alternative (IFA/IRA); Ability of Persons Originating from (Previously or Currently) ISIS-Held or Conflict Areas to Legally Access and Remain in Proposed Areas of Relocation, 12. 4. 2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1397131/1930_1492501398_58ee2f5d4.pdf (Letzter Zugriff am 18.07.2018)

1.11. Die beschwerdeführenden Parteien hatten nach eigenen Angaben weder mit den Behörden des Herkunftsstaates, noch mit den Gerichten, noch mit der Polizei des Herkunftsstaates, noch wegen ihres Religionsbekenntnisses oder wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten Volksgruppe ein Problem. Weder sie, noch die übrigen Angehörigen ihrer Kernfamilie waren politisch aktiv oder Mitglieder einer politisch aktiven Bewegung oder einer bewaffneten Gruppierung des Herkunftsstaates.

Es konnte nicht festgestellt werden, dass die beschwerdeführenden Parteien bis zu dem behaupteten Vorfall an einem nicht feststellbaren Zeitpunkt des Jahres 2015 Kontakt zu Angehörigen einer Miliz, namentlich der Miliz XXXX, gehabt hätten, oder dass einer von ihnen angeworben worden wäre, an der Seite einer (schiitischen) Miliz zu kämpfen. Es sind auch keine Anhaltspunkte dahingehend hervorgekommen, dass sie nach dem behaupteten Vorfall (weitere) Berührungspunkte mit dieser oder einer anderen, im Herkunftsstaat aktiven Miliz gehabt hätten.

Auch konnte nicht festgestellt werden, dass sie mit Angehörigen der schiitischen Glaubensrichtung Probleme gehabt hätte. Vielmehr ist der BF1 einer Erwerbstätigkeit als Tischler nachgegangen, aus der er zum Einkommen seiner Kernfamilie beitragen konnte.

Den in den Beschwerdeschriften enthaltenen Ausführungen, dass nicht ausgeschlossen werden könne, dass eine Gruppenverfolgung der sunnitischen Bevölkerung durch schiitische Milizen stattfinde, ist entgegen zu halten, dass sich aus den dem BVwG vorliegenden Länderinformationen keine Anhaltspunkte dahin ergeben würden, dass die in Bagdad lebenden Angehörigen der sunnitischen Glaubensrichtung eine Gruppenverfolgung befürchten müssten.

Auch konnte nicht festgestellt werden, dass die beschwerdeführenden Parteien im Fall ihrer Rückkehr in den Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer Verfolgungsgefahr aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung ausgesetzt wären oder dass sonstige Gründe vorliegen, die einer Rückkehr oder Rückführung (Abschiebung) in den Herkunftsstaat entgegenstünden.

Auch konnte nicht festgestellt werden, dass die beschwerdeführenden Parteien bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat aus in ihrer Person gelegenen Gründen oder aufgrund der allgemeinen Lage vor Ort der realen Gefahr einer Verletzung seiner durch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention geschützten Rechte, oder dass sie als Zivilpersonen einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes ausgesetzt wären.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. dargestellte Verfahrensgang und die in der Folge getroffenen (sachverhaltsbezogenen) Feststellungen ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes, sowie aus den niederschriftlich protokollierten Angaben des BF1 und des BF2, sowie aus den niederschriftlich dokumentierten Angaben der Zeugin, XXXX, anlässlich der am 14.12.2018 vor dem Bundesverwaltungsgericht durchgeführten mündlichen Verhandlung, den hg. vorliegenden länderkundlichen Informationen und den amtswegig eingeholten Auskünften.

2.2. Zur Person der beschwerdeführenden Partei:

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache zur Identität des Erstbeschwerdeführers (XXXX, geb. XXXX), Staatsangehörigkeit (Irak), Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit (Muslim sunnitischer Glaubensrichtung) und des Zweitbeschwerdeführers (XXXX, geb. XXXX), Staatsangehörigkeit (Irak), Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit (Muslim sunnitischer Glaubensrichtung) Feststellungen getroffen wurden, beruhen diese im Wesentlichen auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, sowie auf den Angaben der beschwerdeführenden Parteien in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG [PV des BF1 und des BF2 in Verhandlungsniederschrift vom 14.12.2018, S. 5] und auf deren Kenntnis und Verwendung der arabischen Sprache, und der geografischen Gegebenheiten des Irak. Diese Feststellungen gelten ausschließlich für die Identifizierung der Person Beschwerdeführer (BF1 und BF2) im gegenständlichen Verfahren.

Die zu ihrer Ausreise aus dem Irak, zur weiteren Reiseroute und zur Einreise ins Bundesgebiet getroffenen Konstatierungen ergeben sich aus den Angaben der beschwerdeführenden Parteien anlässlich ihrer niederschriftlichen Einvernahme vor den Organen der Sicherheitsbehörden, die im Wesentlichen unstrittig geblieben sind und der gegenständlichen Entscheidung daher im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu Grunde gelegt werden konnten [BF1, AS 9; BF2, AS 7].

2.3. Zum Vorbringen der beschwerdeführenden Partei:

Das Vorbringen des BF1 und des BF2 zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates und zu ihrer Situation im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat beruht einerseits auf deren Angaben vor den Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde, sowie auf den vor den Organen der belangten Behörde gemachten Angaben, auf deren Angaben in der Beschwerdeschrift und auf den vor dem Bundesverwaltungsgericht anlässlich ihrer Vernehmung als Partei (in der Folge kurz: PV) gemachten Angaben.

Vor den Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde hatte der BF1 zu seinen Fluchtgründen befragt, angegeben, dass seit Anfang Oktober 2015 vier Männer zu ihrem Haus gekommen wären und sie bedroht hätten, damit sie das Land verlassen, dies weil sie Sunniten seien und "wahrscheinlich mit dem IS in Verbindung stehen würden". Am selben Tag, an dem sie den Besuch bekamen, hätten seine Brüder XXXX und XXXX ihr Zuhause verlassen und seien nie mehr zurückgekommen. Er habe keine Ahnung, ob sie noch leben. Sie hätten dies zum Anlass genommen, aus dem Herkunftsstaat zu flüchten [BF1, AS 11]. Anlässlich seiner ebenfalls am 01.11.2015 vor den Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde stattgehabten Erstbefragung gab der BF2 an, dass seit Anfang Oktober 2015 Männer/Schiiten zu ihrem Haus gekommen wären und ihnen gedroht hätten, damit sie das Land verlassen. Das sei deshalb erfolgt, weil sie zur Glaubensrichtung der Schiiten gehören. Er und sein Vater seien für fünf Tage zu seinem Onkel gegangen. Über den Aufenthalt seiner Brüder XXXX und XXXX könne er nichts sagen; auch habe er keine Ahnung, ob sie noch leben [BF2, AS 5].

Anlässlich seiner am 08.01.2018 vor der belangten Behörde stattgehabten niederschriftlichen Einvernahme gab der BF1 an, dass er wegen der schiitischen Milizen das Heimatland verlassen hätte. Sie seien seit dem Jahr 2003 - seit dem Sturz von Saddam Hussein - an der Macht und hätten Sunniten getötet und deren gesamtes Eigentum geraubt. Einen Monat vor seiner Einreise (im September 2015) hätten schiitische Milizen seinen Cousin XXXX getötet, weil dieser es abgelehnt hätte, mit ihnen zu kämpfen. Sie hätten wegen der Sterbeurkunde eine Anzeige bei Gericht machen wollen, doch habe das Gericht abgelehnt und ihnen mitgeteilt, dass sie aufpassen müssten. Nachdem die Schiiten von der Anzeige erfuhren, seien sie zu ihnen nach Hause gekommen und hätten gesagt, entweder sie würden das Haus verlassen oder sie würden getötet werden. Deswegen habe er das Heimatland verlassen [BF1 in Niederschrift des BFA vom 08.01.2018, AS 75]. Die Milizangehörigen, die bei ihnen zu Hause waren, hätten eine Waffe auf seinen Vater gerichtet; als er sie zur Seite schieben wollte, habe man ihm mit der Waffe in den Rücken geschlagen [BF1 in Niederschrift des BFA vom 08.01.2018, AS 77 unten]. Als Grund für seine Verfolgung gab der BF1 vor der belangten Behörde seine Zugehörigkeit zur Glaubensrichtung der Sunniten an und dass er bei einer Rückkehr seine Religion ändern müsste; das mache er nicht [BF1 in Niederschrift des BFA vom 08.01.2018, AS 79]. Nachgefragt gab er an, dass er keine weiteren (sonstigen) Verfolgungsgründe habe [BF1 in Niederschrift des BFA vom 08.01.2018, AS 79f].

Anlässlich seiner vor dem BFA am 09.01.2018 stattgehabten niederschriftlichen Einvernahme gab der BF2 zu seinen Gründen für die Ausreise aus dem Herkunftsstaat an, dass die Schiiten seit dem Sturz von XXXX an der Macht seien und dass sie schiitische Milizen gegründet hätten, die vom Iran unterstützt würden und Waffen bekämen. Diese schiitischen Milizen hätten Sunniten getötet, vertrieben und ihr Eigentum genommen. Ihre Ideologie bestehe darin, zu töten, oder sich ihnen anzuschließen. Er selbst sei in der Schule, weil er XXXX heiße und Sunnit sei, nicht durchgekommen. Der Lehrer hätte ihm gesagt, dass er ihn (den BF1) nicht durchlasse, wenn er nicht Schiit werde. Er habe das abgelehnt. Sie hätten seinen Cousin XXXX getötet, weil er sich den Schiiten nicht anschließen wollte. Als sie bei Gericht eine Anzeige machen wollten, hätte der Richter den Akt geschlossen und habe ihnen zu verstehen gegeben, dass sie auf die Erstattung einer Anzeige verzichten sollten [BF2 in Niederschrift des BFA vom 09.01.2018, AS 79]. Als die Schiiten erfuhren, dass die Familie der beschwerdeführenden Parteien sie anzeigen wollte, seien in der Nacht vier bewaffnete maskierte Männer gekommen und hätten verlangt, dass sie das Land verlassen. An den genauen Zeitpunkt, wann die Milizen zu ihnen kamen, vermochte sich der BF2 nicht zu erinnern. Sein Bruder sei von ihnen geschlagen worden [BF2 in Niederschrift des BFA vom 09.01.2018, AS 81]. Sonstige Verfolgungsgründe nannte er nicht [BF2 in Niederschrift des BFA vom 09.01.2018, AS83].

In der vor dem Bundesverwaltungsgericht stattgehabten niederschriftlichen Einvernahme bezeichnete der BF1 als Grund für seine Ausreise aus dem Herkunftsstaat den Umstand, dass sein Vater als früherer Mitarbeiter der XXXX-Partei beschuldigt wurde, ein Mitglied des IS gewesen zu sein. In der Folge gab er an, dass sein Vater kein Mitglied der XXXX-Partei war und sich als freiberuflicher Verkäufer von Tee, Eis oder Textilien verdingte [BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 14.12.2018, S. 14]. Nachdem er öfter von zwei ihm namentlich bekannten Personen (Anm.: XXXX und XXXX, bei denen es sich um seine Nachbarn und um zwei hochrangige Mitarbeiter der XXXX gehandelt hätte) aufgefordert worden sei, mit der Miliz XXXX zu arbeiten und mit ihnen zu kämpfen, was er stets abgelehnt hätte, sei ihr Haus von vier schwarz gekleideten, vermummten Personen angegriffen worden; sie hätten nach ihm gesucht [BF1 in Verhandlungsschrift vom 14.12.2018, S. 14]. Die Forderungen dieser Männer hätten im Wesentlichen darin bestanden, dass entweder er und sein Bruder XXXX den Forderungen der beiden Nachbarn nachgeben sollten, oder dass sie das Haus und den Bezirk verlassen müssten oder getötet würden. Auch hätten die Männer Informationen zu seinem Onkel und zu den Mitgliedern der Partei seines Onkels haben wollen [BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 14.12.2018, S. 15]. Sie hätten gewusst, dass der BF1 während der Regierungszeit von XXXX immer in Begleitung seines Onkels gewesen sei. Die Partei seines Onkels, die arabische XXXX-Partei, sei ebenfalls im Zeitpunkt des Niedergangs des Regimes von XXXX (Anm.: 09.04.2003) gestürzt [BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 14.12.2018, S. 16 unten].

Im Rahmen seiner vor dem Bundesverwaltungsgericht stattgehabten PV gab der BF2 an, dass er wegen seiner Zugehörigkeit zur Glaubensrichtung der Sunniten und weil sein Bruder, der BF1, in der Zeit von XXXX seinen in der Partei aktiven Onkel begleitet hätte, angegriffen worden sei. Zwar wisse er nicht, wem der Angriff gegolten hätte; sie seien aber zum Verlassen des Hauses aufgefordert worden [BF2 in Verhandlungsniederschrift vom 14.12.2018, S. 17 mittig]. Nachdem die Angreifer Waffen an den Hals seines Bruders Mohammad (Anm.: des BF1) gehalten hätten, habe ihnen der Vater versprochen, dass sie den Bezirk verlassen würden und vielleicht auch irgendwann einmal den Irak. Sodann korrigierte sich der BF2, indem er angab, dass sie seinem Bruder Mohammad mit dem Gewehrschaft auf die linke Schulter geschlagen hätten. Sein Vater habe versucht, die Lage zu beruhigen und den bewaffneten Männern versprochen, dass sie das Haus gleich verlassen würden [BF2 in Verhandlungsniederschrift vom 14.12.2018, S. 17]. Sein Bruder Mohammed (Anm.: der BF1), sein Vater und er hätten das Haus noch am selben Tag verlassen und seien zu Onkel Adnan, der im mehrheitlich von Sunniten bewohnten XXXX Stadtbezirk XXXX lebt, gegangen. Auf die Frage, wann genau sich der Angriff ereignet hätte, gab der BF2 an, dass er das nicht wisse [BF2 in Verhandlungsniederschrift vom 14.12.2018, S. 17 unten]. Bei seinem Onkel hätten sie sich zwei Tage aufgehalten und am dritten Tag hätten sie XXXX verlassen und die Heimatstadt nach XXXX verlassen [BF2 in Verhandlungsniederschrift vom 14.12.2018, S. 18 oben]. Bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat fürchte er sich davor, wegen seines Vornamens XXXX und des Umstandes festgenommen zu werden, weil er immer gegen das System gewesen sei [BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 14.12.2018, S. 18 unten]. Ansonsten gab er an, weder mit den Behörden, noch mit den Gerichten oder mit der Polizei des Herkunftsstaates Probleme gehabt zu haben [BF2 in Verhandlungsniederschrift vom 14.12.2018, S. 19 oben]. Im Herkunftsstaat sei er auch mit dem Umbringen bedroht worden. Hier habe er von einer Person einen Brief erhalten. In der Folge korrigierte er sich, indem er angab, dass ihm die Drohung mit dem Umbringen mündlich von einer Person in der Schule gesagt worden sei [PV des BF2 in Verhandlungsniederschrift vom 14.12.2018, S. 20 oben]. In der Folge gab der BF1 an, im Jahr 2013 ein einziges Mal demonstriert zu haben, als XXXX zum Ministerpräsidenten gewählt wurde. An dieser Demonstration hätten 3 - 4 Millionen Bagdadis teilgenommen. Nach der Demonstration hätten sich die gegen ihn gerichteten Drohungen vermehrt, weil er als Sunnit bekannt war und Sunniten nicht gegen Schiiten demonstrieren dürften [BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 14.12.2018, S. 20].

Obwohl die beschwerdeführenden Parteien ihre Fluchtgeschichte im Wesentlichen daran festhielten, dass ihr Elternhaus zu einem nicht festgestellten Zeitpunkt des Jahres 2015 von vier bewaffneten und vermummten Männern besucht bzw. angegriffen worden sei, blieben ihre Angaben dennoch in sich widersprüchlich. So führten die beschwerdeführenden Parteien anlässlich ihrer vor der belangten Behörde stattgehabten Einvernahme aus, dass schiitische Milizen im September 2015 deren Cousin XXXX getötet hätten, weil sich dieser geweigert habe, an deren Seite zu kämpfen [BF1, AS 75 unten; BF2, AS 75 unten]. Anschließend hätte die Familie der beschwerdeführenden Parteien die Tötung ihres Cousins dem Gericht anzeigen wollen, doch sei die Anzeige vom Gericht nicht entgegengenommen worden. Als schiitische Milizen von der Anzeige erfahren hätten, seien sie zu ihnen nach Hause gekommen und hätten diese die beschwerdeführenden Parteien für den Fall mit dem Umbringen bedroht, wenn sie das Haus nicht verlassen. Wenn hier beide beschwerdeführenden Parteien das Erscheinen der Miliz auf Grund einer Anzeige bei Gericht als Grund für deren Erscheinen im Elternhaus der beschwerdeführenden Parteien nennen, so erscheint dies als Racheakt für eine Anzeige, die vom Gericht jedoch nicht aufgenommen wurde.

Diesen für das Erscheinen der bewaffneten Milizangehörigen im Familienhaus der beschwerdeführenden Parteien genannten Beweggrund hielten der BF1 und der BF2 vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht weiter aufrecht. Im Rahmen seiner PV hatte der BF1 nämlich angegeben, von seinen Nachbarn, die er namentlich nannte, öfter zum Mitkämpfen bei einer schiitischen Miliz aufgefordert worden zu sein, was er jedoch abgelehnt hätte. Nach seinen Angaben habe diese ablehnende Haltung schließlich dazu geführt, dass das Familienhaus der beschwerdeführenden Parteien zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt des Jahres 2015 von vier schwarz gekleideten, bewaffneten und vermummten Männern angegriffen worden sei. Anlässlich dieses Angriffs sei dem BF1 und dessen Bruder XXXX ein Ultimatum gestellt worden, entweder den Forderungen der Nachbarn, sich den Milizen anzuschließen, nachzugeben, oder sie verlassen das Haus und den Bezirk, anderenfalls würden sie getötet werden [PV des BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 14.12.2018, S. 15]. Vor dem BVwG sprach der BF1 weiter davon, dass das Motiv der angeblichen Milizangehörigen für deren Erscheinen im Haus der beschwerdeführenden Parteien darin bestanden hätte, vom BF1 Informationen zum Onkel und zu dessen Parteizugehörigkeit zur arabischen XXXX-Partei in der Zeit bis zum Niedergang des Regimes von XXXX, das der BF1 mit dem 09.04.2003 verortete, zu erhalten [PV des BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 14.12.2018, S. 16].

Auch die Darstellung der von den angeblichen Angehörigen der Miliz weist eine die Glaubwürdigkeit der Schilderungen bzw. der beschwerdeführenden Parteien erschütternde Inkonsistenz auf. Nach den Angaben vor der belangten Behörde sollen der BF1 und dessen Familie mit dem Umbringen bedroht worden sein, wenn sie der Forderung, das Haus zu verlassen, nicht nachgekommen wären [BF1, AS 75]. Nach den vor dem Bundesverwaltungsgericht gemachten Angaben sollen die Milizangehörigen dem BF1 und dessen Bruder Ibrahim ein Ultimatum gestellt haben, sich entweder einer Miliz anzuschließen, oder die Familie verlässt das Haus bzw. den Bezirk [PV des BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 14.12.2018, S. 15]. Vor dem Bundesverwaltungsgericht kam nach den Angaben des BF1 erstmals hinzu, dass sich die Milizangehörigen vom BF1 Informationen über dessen Onkel und dessen Zugehörigkeit zur arabischen XXXX-Partei verschaffen hätten wollen. In diesem Zusammenhang führte dieser aus, dass er von seinem Onkel zu den Parteisitzungen der arabischen XXXX-Partei mitgenommen worden sei. Allerdings räumte der BF1 ein, dass diese Partei an jenem Tag (d.i. 09.04.2003) untergegangen sein soll, als die Amerikaner XXXX stürmten und den vormaligen Staatspräsidenten XXXX stürzten [PV des BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 14.12.2018, S. 16 mittig]. Bei Wahrunterstellung dieser Angaben des BF1 kann der Zeitraum, während dem dieser seinen Onkel zu Sitzungen der arabischen XXXX-Partei begleitet haben soll, nur vor diesem Zeitpunkt gelegen haben. Im genannten Zeitraum war der BF1 zwischen 13 und 14 Jahren alt. Eine genaue Befragung des BF1 ergab, dass seine Aufgabe lediglich darin bestanden haben soll, den Onkel zu Sitzungen zu begleiten und dort zuzuhören und dass an diesen Sitzungen ausschließlich Parteimitglieder und keine parteifremden Personen teilnahmen [PV des BF1 in Verhandlungsniederschrift vom 14.12.2018, S. 15f]. Selbst wenn der BF1 seinen Onkel zu den Sitzungen der politischen Partei begleitet haben sollte, blieb anlassbezogen im Dunkel, wie die vier Männer von der mehr als 15 Jahre zurückliegenden Begleitung des Onkels zu den Parteisitzungen, an denen nach den Angaben des BF1 ausschließlich Mitglieder dieser politischen Partei teilgenommen haben sollen, erfahren haben sollen. Auch findet sich keine Erklärung für das angebliche Interesse dieser Männer an einer seit mehr als 15 Jahren nicht mehr existierenden Partei.

Mit diesem nachgeschobene

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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