TE Bvwg Erkenntnis 2019/1/11 G305 2189294-1

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Veröffentlicht am 11.01.2019
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Entscheidungsdatum

11.01.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9

Spruch

G305 2189294-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Ernst MAIER, MAS als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX alias XXXX alias XXXX, geb. XXXX, StA. Irak, vertreten durch XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, RD Oberösterreich, vom 01.02.2018, Zl. XXXX, nach einer am 07.01.2019 durchgeführten mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: so oder kurz: BF) ist Staatsangehöriger der Republik Irak und stellte am 24.09.2015 um 18:30 Uhr einen Antrag auf internationalen Schutz.

Am 30.09.2015 (ab 10:39 Uhr) fand eine Erstbefragung des BF vor Organen der LPD Wien statt. Über seine Reiseroute befragt, sagte er im Wesentlichen zusammengefasst aus, dass er im August 2015 mit dem Flugzeug in die Türkei eingereist sei und sich dort ein paar Tage aufgehalten hätte. Danach sei er - schlepperunterstützt - mit einem Schlauchboot nach Griechenland weitergereist und dort auf der Insel XXXX angekommen, wo er einen Landesverweis erhalten hätte. Danach sei er mit einer Fähre nach Athen und von dort selbständig mit verschiedenen Transportmitteln durch ihm angeblich nicht bekannte Länder nach Österreich weitergereist [BF in Niederschrift über die Erstbefragung vom 30.09.2015, S. 4 oben Pkt. 9.9]. Nach seinen Angaben habe die Reise ca. einen Monat lang gedauert [Ebda, S. 4 unten Pkt. 9.21].

Seine Fluchtgründe stützte er darauf, dass im Herkunftsstaat ethnische Konflikte herrschen würden. Als irakischer Sunnite fürchte er sich davor, von der schiitischen Miliz getötet zu werden. Es fehle die Sicherheit. Er könne dort nicht mehr leben [Ebda, S. 5 oben Pkt. 11].

2. Anlässlich einer am 24.11.2017 von einem Organ des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: belangte Behörde oder kurz: BFA) durchgeführten niederschriftlichen Einvernahme gab er zu seinen Fluchtgründen im Wesentlichen kurz zusammengefasst an, dass er im Bagdader Stadtteil XXXX in einem Friseurgeschäft gearbeitet hätte. Am XXXX.2015 seien drei bewaffnete Personen in Militäruniform im Geschäft aufgetaucht und hätten nach seinem Chef verlangt. Er habe ihnen gesagt, dass sein Chef gerade nicht da sei und er nicht wisse, wo er sei. Sie hätten angekündigt, wiederzukommen. Wenn er dann wieder nicht sage, wo sein Chef ist, würden sie ihn umbringen [BF in Niederschrift des BFA vom 24.11.2017, S. 6]. Am Abend desselben Tages (zwischen 20.00 Uhr und 21:00 Uhr) habe ihn der Bruder seines Chefs angerufen und erzählt, dass sein Chef ermordet worden sei. Er habe noch am Telefon gesagt, dass er nicht mehr ins Geschäft gehen solle, weil sie ihn dann auch umbringen würden. Noch am selben Tag habe er seinen Bruder angerufen und diesem gesagt, dass er noch in den Stadtteil XXXX fahren würde, um sich dort ein Hotelzimmer zu nehmen. Sein Bruder hätte ihm den Reisepass gebracht. Zwei Tage später sei er in die Türkei geflohen [BF in Niederschrift des BFA vom 24.11.2017, S. 6 verso]. Wer die drei Männer waren, die im Friseurgeschäft seines Chefs auftauchten, vermochte der BF nicht anzugeben. Er gab an, dass diese Militäruniform getragen hätten und bewaffnet gewesen seien. Ob sie von einer Miliz gewesen seien, konnte er ebenfalls nicht angeben. Weiter gab er an, dass sein Chef in seinem Geschäft Alkohol verkauft hätte, was bei den Christen erlaubt sei. Deshalb hätten sie ihn gesucht [BF in Niederschrift des BFA vom 24.11.2017, S. 6 unten]. Er habe ca. 1 Jahr lang, bevor der BF ausreiste, Alkohol - geheim - im Laden verkauft [BF in Niederschrift des BFA vom 24.11.2017, S. 7 oben]. Die Brüder seines Chefs hätten Probleme gehabt und deshalb die von ihnen betriebene Spirituosenhandlung geschlossen. Sein Chef hätte Alkohol an alle verkauft. Der BF selbst habe jedoch im Geschäft keinen Alkohol verkauft; wenn jemand etwas bestellt hätte, habe er die Getränke nach Hause gebracht [BF in Niederschrift des BFA vom 24.11.2017, S. 7]. Über weiteres Nachfragen, von wem die Drohungen ausgegangen wären, vermochte er keine Angaben dazu machen. In der Folge gab er an, dass auch sein Bruder XXXX - er arbeitete als Kranfahrer - verschwunden wäre und seine Familie nie mehr etwas von ihm gehört hätte. Auf die Frage, warum sein Bruder entführt wurde, gab der BF an, dass er der Grund gewesen sei, stützte diese Angabe jedoch auf eine Vermutung, dass die Überbringung des Reisepasses der Grund dafür gewesen sein könnte und weil sein Bruder ihm die Nachricht überbracht hätte, dass der Chef des BF umgebracht worden sei und auch der BF umgebracht würde [BF in Niederschrift des BFA vom 24.11.2017, S. 8 oben].

3. Mit Bescheid vom 01.02.2018, Zl. XXXX, dem BF am 07.02.2018 persönlich zugestellt, wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag des BF auf Gewährung von internationalem Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG (Spruchpunkt I.) und der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak gemäß § 8 Abs. 1 AsylG ab (Spruchpunkt II.) und sprach aus, dass ihm ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt werde (Spruchpunkt III.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm. § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG gegen ihn erlassen werde (Spruchpunkt IV.), und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt werde, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG in den Irak zulässig sei (Spruchpunkt V.) und die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

4. Die gegen diesen Bescheid (fristgerecht) erhobene Beschwerde verband der BF mit den Anträgen, 1.) die Rechtsmittelbehörde möge den angefochtenen Bescheid dahingehend abändern, dass seinem Antrag auf internationalen Schutz Folge gegeben und ihm der Status eines Asylberechtigen zuerkannt werde, 2.) in eventu den angefochtenen Bescheid beheben und zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die erste Instanz zurückverweisen, 3.) in eventu den angefochtenen Bescheid der Erstbehörde dahingehend abändern, dass ihm gemäß § 8 Abs. 1 AsylG der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat zuerkannt werde, 4.) allenfalls die gegen ihn ausgesprochene Rückkehrentscheidung aufheben, 5.) in eventu feststellen, dass seine Abschiebung in den Irak nicht zulässig sei, 6.) in eventu ihm einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nach § 55 Abs. 1 AsylG erteilen und 7.) eine öffentliche mündliche Verhandlung anberaumen, damit er seine Fluchtgründe noch einmal vor unabhängigen Richtern persönlich schildern und glaubhaft machen könne.

5. Am 15.03.2018 legte die belangte Behörde die gegen den vorbezeichneten Bescheid gerichtete Beschwerde und den Bezug habenden Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) vor und wurde die Beschwerdesache hier der Gerichtsabteilung G305 zur Erledigung zugeteilt.

6. Am 20.12.2018 langten beim BVwG zwei Bestätigungen des Standesamtes des Magistrates der Stadt XXXX ein über vom BF abgegebene Vaterschaftsanerkenntnisse zu zwei mj. Kindern, die der BF mit zwei verschiedenen Frauen haben will, ein zum 10.12.2018 datierter Firmenbuchantrag an das Landesgericht Linz auf Eintragung einer offenen Gesellschaft zum Zweck des Betriebes eines Friseursalons, sowie Meldebestätigung und je eine Bestätigung der Mütter der minderjährigen Kinder ein.

7. Am 07.01.2019 wurde vor dem erkennenden Verwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung durchgeführt, anlässlich welcher der BF (in Anwesenheit seiner Rechtsvertretung und einer Dolmetscherin für seine Muttersprache) einvernommen wurde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Der im Spruch genannte, am XXXX geborene Beschwerdeführer (XXXX alias XXXX alias XXXX, geb. XXXX) ist Staatsangehöriger der Republik Irak. Seit seiner Geburt bis zu seiner Ausreise aus dem Herkunftsstaat lebte er in XXXX.

Er gehört der arabischen Volksgruppe an und bekennt sich zum muslimisch-sunnitischen Glauben. Seine Muttersprache ist arabisch.

1.2. Zur Reiseroute und Einreise des BF in das Bundesgebiet und zu seiner persönlichen Situation im Irak:

Der BF ist zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt des August 2015 mit dem Flugzeug in die Türkei ausgereist und hielt sich dort ein paar Tage auf. Anschließend setzte er - schlepperunterstützt - mit dem Schlauchboot nach Griechenland über, wo er auf der griechischen Insel XXXX eintraf. Nachdem er dort einen Landesverweis erhielt, fuhr er mit der Fähre nach Athen weiter und reiste von dort aus mit unterschiedlichen Transportmitteln in Richtung Österreich weiter.

Nachdem er zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt ohne Mitnahme eines Reisedokuments (sohin illegal) ins österreichische Bundesgebiet eingereist war, stellte er am 24.09.2015, 18:30 Uhr, vor einem Organ der öffentlichen Sicherheitsbehörde einen Antrag auf internationalen Schutz [BF in Niederschrift des BFA vom 30.09.2015, S. 3 Pkt. 9.7.].

Im Herkunftsstaat besuchte er sechs Jahre lang die Grundschule. Ob er danach noch drei Jahre in XXXX die Hauptschule besucht bzw. eine weiterführende Schulausbildung absolviert hätte, konnte nicht festgestellt werden. Im Anschluss an seine schulische Ausbildung erlernte er den Beruf des Friseurs und den Beruf des Kranfahrers [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 07.01.2019, S. 7; BF in der Niederschrift über die Erstbefragung vom 30.09.2015, S. 1]. In XXXX arbeitete er ab einem nicht feststellbaren Zeitpunkt des Jahres 2012 bis zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt um die Mitte des Jahres 2015 als Friseur. Als Kranfahrer arbeitete er im Jahr 2014 in der Dauer von ungefähr drei Monaten. Er übte sowohl die Erwerbstätigkeit als Friseur als auch jene als Kranfahrer auf selbständiger Basis aus [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 07.01.2019, S. 7f]. Der BF ist grundsätzlich gesund und arbeitsfähig.

Bis zu seiner am 08.08.2015 erfolgten Ausreise aus dem Herkunftsstaat wohnte er mit seiner Kernfamilie in einer Mietwohnung im Stadtteil XXXX in XXXX. Die auf zwei Stockwerke aufgeteilte Mietwohnung verfügt über insgesamt drei Räume, wovon sich zwei Räume im Obergeschoß und ein Raum im Untergeschoß befinden. Gemeinsam mit dem BF wohnten dort dessen Vater, der zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt des Jahres XXXX geborene XXXX, dessen Mutter, die zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt des Jahres XXXX geborene XXXX, sowie dessen Schwester, die zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt des Jahres XXXX geborene XXXX und dessen Bruder, der zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt des Jahres XXXX geborene XXXX in dieser Mietwohnung. Die weiteren Schwestern des BF, die zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt des Jahres XXXX geborene XXXX und die zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt des Jahres XXXX geborene XXXX heirateten im Jahr XXXX. Sie leben bei ihren Ehegatten, die einer selbständigen Erwerbstätigkeit als Gelegenheitsarbeiter nachgehen.

Die obgenannten Personen leben nach wie vor im Herkunftsstaat.

Schwester XXXX wohnt mit ihrer Familie in der Stadt XXXX und Schwester XXXX wohnt mit deren Familie in XXXX [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 07.01.2019, S. 8]. Der BF unterhält sowohl zu seinen im Herkunftsstaat lebenden Schwestern, als auch zu seinen im Herkunftsstaat lebenden Eltern regelmäßig (einmal pro Monat) telefonisch Kontakt. Dafür hat er eine internationale SIM-Karte erworben [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 07.01.2019, S. 10]. Zu seinem Bruder XXXX hat er keinen Kontakt. Dass sein Bruder nach der Flucht des BF in die Türkei von Milizen entführt worden wäre und sein Aufenthalt seither unbekannt wäre, konnte anlassbezogen nicht festgestellt werden. Der Bruder des BF hatte weder Feinde, noch hatte er Probleme mit der Polizei, den Verwaltungsbehörden oder den Gerichten des Herkunftsstaates, noch war er Mitglied einer politischen Partei, oder in einer anderen politisch aktiven Bewegung oder in einer bewaffneten Gruppierung aktiv [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 07.01.2019, S. 9].

Der BF selbst war ebenfalls weder Mitglied einer politischen Partei, noch einer politisch aktiven Bewegung, noch einer bewaffneten Gruppierung des Herkunftsstaates. Auch er hatte weder mit der Polizei, noch mit den Verwaltungsbehörden, noch mit den Gerichten des Herkunftsstaates Probleme [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 07.01.2019, S. 9 unten].

Beim Verlassen des Herkunftsstaates (am 08.08.2015) hatte er ebenfalls keine Probleme.

1.3. Zur persönlichen Situation des BF in Österreich:

Er ist nicht verheiratet, hat mit zwei österreichischen Staatsangehörigen je ein Kind, und zwar mit XXXX, die am XXXX geborene XXXX und mit XXXX, den am XXXX geborenen XXXX. Der BF lebt weder mit der Mutter seines ersten Kindes, noch mit der Mutter seines zweiten Kindes im gemeinsamen Haushalt und ist dort auch nicht wohnsitzgemeldet. Gelegentlich übernachtet er bei der Mutter seines zweiten Kindes und nimmt fallweise mit ihr die Mahlzeiten ein. Mit keiner der Kindesmütter führt er eine Beziehung, die einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft entsprechen würde [Einvernahme der Zeugin XXXX in Verhandlungsniederschrift vom 07.01.2019, S. 4 in Bezug auf diese Zeugin]. Über die angeführten Kinder hinaus hat er keine weiteren eigenen oder adoptierten Kinder [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 07.01.2019, S. 7]. Für seine Kinder leistet er keine Unterhaltszahlungen. Gelegentlich kauft er für sein zweites Kind Sachen, wie Windeln, Feuchttücher, Kleidung ein [Einvernahme der Zeugin XXXX in Verhandlungsniederschrift vom 07.01.2019, S. 4].

Die Mütter seiner Kinder kennt er erst seit seinem Aufenthalt in Österreich. Der BF selbst lebt in einer Flüchtlingsunterkunft und wird von den Müttern seiner Kinder finanziell nicht unterstützt.

Von den genannten Kindern abgesehen, hinsichtlich deren der BF vor dem Standesamt des Magistrates der Stadt Linz auch die Vaterschaft anerkannt hat, hat er keine weiteren im Bundesgebiet lebenden bzw. hier aufhältigen Verwandten oder Familienangehörigen [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 07.01.2019, S. 10].

Gegenwärtig lebt er von Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung. Er geht keiner regelmäßigen Beschäftigung nach. Mit dem am XXXX geborenen XXXX und dem am XXXX geborenen XXXX gründete er die im Firmenbuch des Landesgerichtes Linz am XXXX.2018 zur FN XXXX eingetragene, als offene Gesellschaft konzipierte Firma XXXX OG, deren Geschäftszweig den Betrieb eines Friseursalons umfasst. Einer Erwerbstätigkeit als Friseur geht er nicht nach, da er auf seine Zulassung wartet [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 07.01.2019, S. 11 oben].

Derzeit besucht er in Österreich weder einen Kurs, noch eine Schule, noch eine Universität. Er ist auch kein (aktives) Mitglied in einem Verein.

Er besuchte lediglich einen vom XXXX ausgerichteten und organisierten Integrationskurs für Asylwerber. Darüber hinaus besucht er seit eineinhalb Jahren einmal wöchentlich das Sprachcafé in XXXX. Im Sommer 2018 war er für den XXXX in XXXX als Essenszusteller tätig [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 07.01.2019, S. 11].

Er hat zwar kein Sprachzertifikat erworben, jedoch verfügt er über Grundkenntnisse der deutschen Sprache [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 07.01.2019, S. 10 unten].

Der BF ist strafgerichtlich unbescholten.

1.4. Zu den Fluchtgründen des BF:

1.4.1. Bis zu seiner am 08.08.2015 erfolgten Ausreise aus dem Herkunftsstaat lebte der Beschwerdeführer in XXXX und wohnte mit seiner Kernfamilie (dem Vater XXXX, geb. XXXX, der Mutter XXXX, geb. XXXX, seinen Schwester XXXX, geb. XXXX, und XXXX, geb. XXXX, und seinem Bruder XXXX, geb. XXXX) in einer im Stadtteil XXXX gelegenen Mietwohnung, die eine Fläche von 45 m² umfasste, welche sich auf insgesamt drei Räume aufteilte [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 07.01.2019, S. 8].

Im Herkunftsstaat arbeitete der BF, der weder einer politischen Partei, noch einer politischen Partei oder einer bewaffneten Gruppierung des Herkunftsstaates angehörte, zuletzt als selbständiger Friseur in einem von einem Christen geführten Friseursalon [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 07.01.2019, S. 9]. Der Friseursalon seines Chefs befand sich im Stadtteil XXXX und bestand aus zwei Räumen, wobei im hinteren Raum eine Abstellkammer untergebracht war [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 07.01.2019, S. 12].

Zu einem nicht festgestellten Zeitpunkt Anfang August 2015 fand zwischen dem Chef des BF und einer nicht feststellbaren Anzahl an fremden Personen auf der Straße vor dem Friseursalon eine verbale Auseinandersetzung statt. Dabei war auch noch der Bruder des Chefs des BF anwesend. Von dieser Auseinandersetzung bekam der BF jedoch nichts mit, da er sich währenddessen im Geschäft befand und einer Person die Haare schnitt. Während des Vorfalls trat weder der BF vor den Friseursalon auf die Straße, noch kamen jene Personen, die in die Auseinandersetzung involviert waren und die der BF als Milizangehörige bezeichnete, in den Friseursalon [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 07.01.2019, S. 14f]. Dass der Chef des BF von jenen Milizangehörigen, die in die obige verbale Auseinandersetzung involviert waren, am 06.08.2015 getötet worden wäre, konnte ebenso wenig festgestellt werden, als dass der BF vom Bruder des Chefs angerufen und zum Verlassen des Geschäfts aufgefordert worden wäre [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 07.01.2019, S. 17].

Allerdings steht fest, dass der BF bis zu seiner Ausreise aus dem Herkunftsstaat weder Probleme mit einer im Herkunftsstaat operierenden Miliz gehabt hatte, noch dass er zu Milizangehörigen persönliche Kontakt zu Milizangehörigen unterhielt. Die Gesellschaft von Personen, die einer Miliz angehörten, mied er [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 07.01.2019, S. 15 unten].

Auch steht fest, dass der BF weder von der Polizei, noch von den Gerichten, noch von den Verwaltungsbehörden des Herkunftsstaates des Handels oder Besitzes von alkoholischen Getränken beschuldigt oder sonst damit in Kontakt gebracht wurde [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 07.01.2019, S. 16]. Dass sein Chef im Friseursalon (oder auch sonst) mit Alkohol gehandelt hätte, konnte nicht festgestellt werden. Auch konnte nicht festgestellt werden, dass der BF selbst mit Alkohol gehandelt oder dritten Personen als Bote seines Chefs alkoholische Getränke gebracht hätte.

Auch konnte nicht festgestellt werden, dass der BF, weil er als sunnitischer Muslim im Friseursalon eines christlichen Betreibers arbeitete, oder generell wegen seiner Religionszugehörigkeit zu den sunnitischen Muslimen Diskriminierungen ausgesetzt gewesen wäre.

Dass sein, zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt des Jahres XXXX geborener Bruder XXXX nach der erfolgten Ausreise des BF in die Türkei von Milizen entführt worden wäre, konnte nicht festgestellt werden.

1.4.2. Dass der Beschwerdeführer mit den Behörden, den Gerichten, der Polizei oder den Milizen seines Herkunftsstaates Probleme gehabt hätte, konnte nicht festgestellt werden [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 07.01.2019, S. 9].

1.4.3. Ebenso wenig konnte festgestellt werden, dass er im Herkunftsstaat aus Gründen seiner ethnischen Zugehörigkeit zur Mehrheitsbevölkerung der Araber, aus Gründen seiner Zugehörigkeit zur Religionsgemeinschaft der Muslime sunnitischer Glaubensrichtung, oder aus politischen Gründen verfolgt worden wäre.

Im Herkunftsstaat war er nach eigenen Angaben weder politisch, noch militärisch aktiv [BF in Verhandlungsniederschrift vom 07.01.2019, S. 9].

1.5. Zur allgemeinen Situation des BF im Herkunftsstaat:

1.5.1. Zur allgemeinen Sicherheitslage im Herkunftsstaat:

Die allgemeine Sicherheitslage im Irak war seit Oktober 2016 von bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen den irakischen Sicherheitskräften und ihren Verbündeten, im Genaueren nichtstaatlichen bewaffneten Milizen, den Peshmerga der kurdischen Regionalregierung sowie ausländischen Militärkräften, auf der einen Seite und den bewaffneten Milizen der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) auf der anderen Seite um die Kontrolle der - im Zentrum des seit Sommer 2014 bestehenden Machtbereichs des IS gelegenen - Hauptstadt MOSSUL der Provinz NINAVA gekennzeichnet. Diesen Kämpfen ging die sukzessive Zurückdrängung des IS aus den zuvor ebenfalls von ihm kontrollierten Gebieten innerhalb der Provinzen ANBAR, DIYALA und SALAH AL-DIN im Zentral- und Südirak voraus. Die seit dem Jahr 2014 währenden kriegerischen Ereignisse im Irak brachten umfangreiche Flüchtlingsbewegungen aus den umkämpften Gebieten in andere Landesteile, sowie umgekehrt Rückkehrbewegungen in befreite Landesteile mit sich. Zahlreiche nationale und internationale Hilfsorganisationen unter der Ägide des UNHCR versorgen diese Binnenvertriebenen in Lagern und Durchgangszentren, mit Schwerpunkten in den drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion des Nordiraks, in sowie um Bagdad sowie im Umkreis von KIRKUK, im Hinblick auf ihre elementaren Lebensbedürfnisse sowie deren Dokumentation und Relokation, ein erheblicher Anteil der Vertriebenen sorgt für sich selbst in gemieteten Unterkünften und bei Verwandten und Bekannten. Seit dem Jahr 2014 wurden über drei Millionen Binnenvertriebene und über eine Million Binnenrückkehrer innerhalb des Irak registriert.

Nachdem es den irakischen Sicherheitskräften (ISF) gemeinsam mit schiitischen Milizen, den sogenannten Popular Mobilisation Forces (PMF), mit Unterstützung durch die alliierten ausländischen Militärkräfte im Laufe des Jahres 2016 gelungen war, die Einheiten der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) sowohl aus den von ihr besetzten Teilen der südwestlichen Provinz AL ANBAR bzw. deren Metropolen FALLOUJA und RAMADI als auch aus den nördlich an BAGDAD anschließenden Provinzen DIYALA und SALAH AL DIN zu verdrängen, beschränkte sich dessen Herrschaftsgebiet in der Folge auf den Sitz seiner irakischen Kommandozentrale bzw. seines "Kalifats" in der Stadt MOSSUL, Provinz NINAVA, sowie deren Umgebung bis hin zur irakisch-syrischen Grenze. Ab November 2016 wurden die Umgebung von MOSSUL sowie der Ostteil der Stadt bis zum Ufer des TIGRIS sukzessive wieder unter die Kontrolle staatlicher Sicherheitskräfte gebracht, im Westteil wurde der IS von den irakischen Sicherheitskräften und ihren Verbündeten, die aus dem Süden, Norden und Westen in das Zentrum der Stadt vordrangen, in der Altstadt von MOSSUL eingekesselt. Der sunnitische IS wiederum versuchte parallel zu diesen Geschehnissen durch vereinzelte Selbstmordanschläge in BAGDAD und anderen Städten im Süd- sowie Zentralirak seine, wenn auch mittlerweile stark eingeschränkte Fähigkeit, die allgemeine Sicherheitslage zu destabilisieren, zu demonstrieren. Anfang Juli 2017 erklärte der irakische Premier ABADI MOSSUL für vom IS befreit. In der Folge wurden auch frühere Bastionen des IS westlich von MOSSUL in Richtung der irakisch-syrischen Grenze wie die Stadt TALLAFAR durch die Militärallianz vom IS zurückerobert. Zuletzt richteten sich die Operationen der Militärallianz gegen den IS auf letzte Überreste seines früheren Herrschaftsgebiets im äußersten Westen der Provinz ANBAR sowie eine Enklave um HAWIJA südwestlich von KIRKUK.

Die Sicherheitslage innerhalb der drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion des Nordirak, nämlich DOHUK, ERBIL und SULEIMANIYA, ist angesichts der Maßnahmen der regionalen Sicherheitskräfte wie Grenzkontrollen und innerregionale Aufenthaltsbestimmungen als stabil anzusehen. Seit Oktober 2017 befindet sich die kurdische Regionalregierung in Konflikt mit der irakischen Zentralregierung in der Frage der Kontrolle über die von kurdischen Sicherheitskräften bislang besetzt gehaltenen Grenzregionen südlich der Binnengrenze der Autonomieregion zum übrigen irakischen Staatsgebiet, insbesondere die Region um die Stadt KIRKUK betreffend. Zuletzt kam es zu einer Besetzung dieser Region sowie weiterer Landstriche entlang der Binnengrenze durch die irakische Armee und der Zentralregierung nahestehende Volksmobilisierungseinheiten, während sich die kurdischen Sicherheitskräfte aus diesen Bereichen zurückzogen. Eine Einreise in die drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion ist angesichts eines Luftraumembargos der Nachbarstaaten Türkei und Iran gegen die kurdische Regionalregierung auf direkte Weise aktuell nur auf dem Landweg möglich.

Die Sicherheitslage in den südirakischen Provinzen, insbesondere in der Provinz BASRA, war als Folge einer Sicherheitsoffensive staatlicher Militärkräfte im Gefolge interkonfessioneller Gewalt im Jahr 2007, ab 2008 stark verbessert und bis 2014 insgesamt stabil. Auch war die Region nicht unmittelbar von der Invasion der Truppen des IS im Irak in 2013 und 2014 betroffen. Die Gegenoffensive staatlicher Sicherheitskräfte und deren Verbündeter gegen den IS in ANBAR und den nördlicher gelegenen Provinzen bedingte zuletzt eine Verlagerung von Militär- und Polizeikräften in den Norden, die wiederum eine größere Instabilität im Süden verbunden vor allem mit einem Anstieg an krimineller Gewalt mit sich brachte.

Die Sicherheitslage im Großraum Bagdad war durch die genannten Ereignisse ebenfalls nicht unmittelbar beeinträchtigt. Es waren jedoch vereinzelte Anschläge bzw. Selbstmordattentate auf öffentliche Einrichtungen oder Plätze mit einer teils erheblichen Zahl an zivilen Opfern zu verzeichnen, die, ausgehend vom Bekenntnis des - als sunnitisch zu bezeichnenden - IS dazu, sich gegen staatliche Sicherheitsorgane oder gegen schiitische Wohnviertel und Städte richteten, um dort ein Klima der Angst sowie religiöse Ressentiments zu erzeugen und staatliche Sicherheitskräfte vor Ort zu binden. Hinweise auf eine etwaig religiös motivierte Bürgerkriegssituation finden sich in den Länderberichten nicht, ebenso auch nicht in Bezug auf die Säuberung von ethnischen oder religiösen Gruppierungen bewohnte Gebiete.

Quellen:

BFA Staatendokumentation: Länderinformationsblatt zu Irak, 25.10.2017,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1416409/5818_1508929404_irak-lib-2017-08-24-ke.doc mwN (Letzter Zugriff am 10.01.2019)

Musings on Iraq, 2017 Security in Iraq in Review Defeat of the Islamic State on the Battlefield, 03.01.2018, http://musingsoniraq.blogspot.co.at/2018/01/2017-security-in-iraq-in-review-defeat_3.html (Letzter Zugriff am 10.01.2019)

Schwedische Einwanderungsbehörde, The Security Situation in Iraq:

July 2016 - November 2017, 18.12.2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1420556/1226_1514470370_17121801.pdf (Letzter Zugriff am 10.01.2019).

1.5.2. Zum Gewaltmonopol des Staates

Den staatlichen Stellen ist es derzeit nicht möglich, das Gewaltmonopol des Staates sicherzustellen. Insbesondere schiitische Milizen, aber auch sunnitische Stammesmilizen [sowie der IS] handeln eigenmächtig. Dadurch sind die irakischen Sicherheitskräfte nicht in der Lage, den Schutz der Bürger sicherzustellen (AA 7.2.2017). Insbesondere über den Nordwesten des Irak kann die Regierung nicht die Kontrolle behalten und muss sich auf die [vorwiegend] schiitischen Milizen der PMF verlassen. Die zwei wichtigsten davon sind Asaïb Ahl al-Haq (AAH) und die Badr-Brigaden, die beide [effektiv] unter dem Kommando des Iran stehen (Stansfield 26.4.2017). Durch die staatliche Legitimierung der Milizen verschwimmt die Unterscheidung zwischen staatlichen und nicht-staatlichen Akteuren. Staatliche Ordnungskräfte können sich teilweise nicht mehr gegen die mächtigen Milizen durchsetzen (AA 7.2.2017).

Quelle:

BFA Staatendokumentation: Länderinformationsblatt zu Irak, 18.05.2018:

AA - Auswärtiges Amt (7.2.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, http://www.ecoi.net/file_upload/4598_1488455296_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2016-07-02-2017.pdf, Zugriff 6.8.2017

Stansfield, Gareth - Professor of Middle East Politics and the Al-Qasimi Chair of Arab Gulf Studies at the University of Exeter (26.4.2017): EASO COI Meeting Report Iraq, Practical Cooperation Meeting 25.- 26. April, Brussels, https://coi.easo.europa.eu/administration/easo/PLib/IRQ_Meeting_Report.pdf, Zugriff 24.7.2017

1.5.3. Zur Lage der Angehörigen der sunnitischen Glaubensgemeinschaft im Irak:

Es gibt keine Berichte dazu, dass der irakische Staat Muslime sunnitischer Glaubensrichtung systematisch verfolgen und/oder misshandeln würde. Dennoch ist es mitunter vorgekommen, dass Angehörige der sunnitischen Glaubensgemeinschaft zu Zielen von Angriffen von schiitischen Milizen geworden sind.

Der Bürgerkrieg im Irak in den Jahren 2006 und 2007 hat die vormals friedliche Koexistenz zwischen den Sunniten und den Schiiten im Irak nochmals schwer erschüttert. Angehörige der sunnitischen Glaubensgemeinschaft sind mitunter zu Zielen von Angriffen von schiitischen Milizen geworden. Bezüglich des irakischen Staates ergeben sich aus den Länderinformationen zum Herkunftsstaat keine Anhaltspunkte in Hinblick auf eine systematische Verfolgung und Misshandlung von Angehörigen der sunnitischen Glaubensgemeinschaft. Mit einem Anteil von ca. 35 % - 40 % der Gesamtbevölkerung bilden die Angehörigen der sunnitischen Glaubensgemeinschaft die größte Gruppe der Minderheiten des Irak und sind in Gesellschaft und in der Politik vertreten und treten auch zu den Parlamentswahlen im Mai 2018 auch sunnitische Parteien an.

Die Sicherheitslage im Irak hat sich gegen Ende des Jahres 2017 und Anfang des Jahres 2018 stabilisiert, doch gibt ist es diesbezügliche große Unterschiede zwischen den Regionen. So sind z.B. in ANBAR sehr wenige sicherheitsrelevante Zwischenfälle zu verzeichnen, wohingegen sich die Situation in KIRKUK verschärft darstellt. Die Provinzen DIYALA und SALAH AL-DIN befinden sich in sicherheitsrelevanter Hinsicht in der Mitte dieser Skala und die Zahl der sicherheitsrelevanten Vorfälle steigt und sinkt von Monat zu Monat. Die sicherheitspolitische Situation im Irak ist Schwankungen unterworfen und lässt sich für alle Provinzen nicht einheitlich beurteilen. DIYALA ist weiterhin eine der instabilsten Provinzen des Irak. Im Gegensatz dazu stellt sich die Lage in SALAH AL-DIN entsprechend stabiler dar, die Gewalt ist vor allem im Zusammenhang mit der Vertreibung des IS gegen Ende des Jahre 2017 erheblich abgeebbt.

Quellen:

Al-Araby, 'Don't enter Baghdad': Wave of murder-kidnappings grips Iraq capital,

https://www.alaraby.co.uk/english/news/2017/5/17/dont-enter-baghdad-wave-of-murder-kidnappings-grips-iraq-capital, 17.05.2017 (Zugriff am 11.01.2019)

BFA Staatendokumentation: Länderinformationsblatt zu Irak, 25.10.2017,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1416409/5818_1508929404_irak-lib-2017-08-24-ke.doc mwN (Zugriff am 10.01.2019)

Institute of war, Final 2014 Iraqi National Elections Results by Major Political Groups (19.05.2014), http://iswiraq.blogspot.co.at/2014/05/final-2014-iraqi-national-elections.html#!/2014/05/final-2014-iraqi-national-elections.html (Zugriff am 10.01.2019)

Rudaw, Kurdish, Sunni MPs boycott Iraqi parliament session over budget dispute, 01.03.2018,

http://www.rudaw.net/english/middleeast/iraq/03012018 (Zugriff am 10.01.2019)

UK Home Office: Country Policy and Information Note Iraq: Sunni (Arab) Muslims, 06/2017

https://www.ecoi.net/en/file/local/1403272/1226_1499246656_iraq-sunni-arabs-cpin-v2-0-june-2017.pdf (Zugriff am 10.01.2019)

WING, Joel, Musings on Iraq, 649 Deaths, 275 Wounded Feb 2018 In Iraq (UPDATED), 03.03.2018 http://musingsoniraq.blogspot.co.at/ mwN (letzter Zugriff am 10.01.2019)

Eine landesweite und systematische Verfolgung für Angehörige der sunnitischen Glaubensgemeinschaft besteht nicht. Es gibt nach wie vor Regionen, die mehrheitlich sunnitisch geprägt sind. Darüber gibt es auch in dem von Schiiten dominierten und weitestgehend stabilen Süden des Irak sunnitische Enklaven und ein weitestgehend beständiges und friedliches Nebeneinander von Angehörigen der sunnitischen und Angehörigen der schiitischen Glaubensgemeinschaft.

1.5.4. Zur innerstaatlichen Fluchtalternative für arabische Sunniten im Irak:

Laut UNHCR wurden in fast allen Teilen des Landes verschärfte Zugangs- und Aufenthaltsbeschränkungen für Binnenflüchtlinge implementiert. Zu den verschärften Maßnahmen gehören die Notwendigkeit einer Bürgschaft, die Registrierung bei lokalen Behörden, sowie das Durchlaufen von Sicherheitsüberprüfungen durch die Sicherheitsbehörden. Dies beruht auf der Befürchtung der Regionen fürchten, dass sich unter den Schutzsuchenden IS-Kämpfer befinden könnten.

Zugangs- und Aufenthaltsbedingungen variieren von Provinz zu Provinz und beinhalten nicht nur Sicherheits-Screenings, sondern hängen Berichten zufolge auch vom persönlichen Profil der flüchtenden Personen und Familien ab, wie z.B. vom ethnisch-konfessionellen Hintergrund, dem Herkunftsort oder der Zusammensetzung der Familie der jeweiligen Person. Eine ID-Karte ist in fast allen Regionen erforderlich, doch besteht nicht in jeder Region die Notwendigkeit eines Bürgen.

Quellen:

Australian Government, DFAT COUNTRY INFORMATION REPORT IRAQ, 26.06.2017,

http://dfat.gov.au/about-us/publications/Documents/country-information-report-iraq.pdf (letzter Zugriff am 11.01.2019).

BFA Staatendokumentation: Länderinformationsblatt zu Irak, 25.10.2017,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1416409/5818_1508929404_irak-lib-2017-08-24-ke.doc mwN (letzter Zugriff am 11.01.2019)

IOM - International Organization for Migration, Iraq Mission, 17.05.2017,

http://iraqdtm.iom.int/LastDTMRound/Round86_Report_English_2017_December_31_IOM_DTM.pdf, (letzter Zugriff am 11.01.2019)

UK Home Office: Country Policy and Information Note Iraq: Sunni (Arab) Muslims, Juni 2017

https://www.ecoi.net/en/file/local/1403272/1226_1499246656_iraq-sunni-arabs-cpin-v2-0-june-2017.pdf (letzter Zugriff am 18.10.2018)

Es ist möglich, ohne Bürgschaft in die AUTONOME REGION KURDISTAN einzureisen. Eine Einreise ist über den Internationalen Flughafen ERBIL als auch auf dem Landweg möglich. Laut Bericht der International Organisation for Immigration (IOM) würden irakische Bürger bei der Ankunft an einem Checkpoint einer Landgrenze zu KURDISTAN oder am Flughafen eine einwöchige Aufenthaltserlaubnis erhalten. Irakische Staatsbürger können sich z.B. in ERBIL frei bewegen und von dort aus in alle Provinzen einreisen. Binnenflüchtlinge müssen sich bei der Einreise registrieren und können dann eine dauerhafte Aufenthaltsberechtigung beantragen. Ob eine Person ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht bzw. eine verlängerbare Aufenthaltsgenehmigung in der AUTONOMEN REGION KURDISTAN bekommt, hängt dabei oft vom ethischen, religiösen und persönlichen Profil ab. Die Notwendigkeit eines Bürgen zur Erlangung einer Aufenthaltsgenehmigung differiert von Provinz zu Provinz und wird zuweilen auch willkürlich gehandhabt. In manchen Provinzen kann ein Bürge notwendig werden, um sich dort niederzulassen oder dort zu arbeiten.

Arabische Binnenflüchtlinge können in der Region SULAIMANIYYA zunächst eine temporäre Aufenthaltsgenehmigung erhalten und sodann den Daueraufenthalt beantragen. In SULAIMANIYYA ist nach Berichten der UNHCR kein Bürge notwendig, um sich niederzulassen oder eine Arbeitsbewilligung zu erhalten. Berichten der IOM zufolge leben 90 % aller Binnengeflüchteten in SULAIMANIYYA in stabilen sanitären Verhältnissen und haben 83 % Zugang zum staatlichen Gesundheitssystem. Im Regelfall können binnengeflüchtete Menschen in SULAIMANIYYA am Bildungssystem teilhaben. Binnengeflüchtete haben dort die Möglichkeit, in den verschiedensten Berufsfeldern zu denselben Löhnen wie ortsansässige Personen zu arbeiten.

In BAGDAD gibt es mehrere sunnitisch mehrheitlich bewohnte Stadtviertel. Zur Einreise von sunnitischen Arabern in das Stadtgebiet BAGDADS müssen sich diese einem Sicherheitscheck unterziehen, vor allem, wenn sie aus vom IS dominierten Gebieten kommen. Darüber hinaus kann ein Bürge notwendig sein.

Quellen:

IOM - International Organization for Migration, Iraq Mission, 17.05.2017,

http://iraqdtm.iom.int/LastDTMRound/Round86_Report_English_2017_December_31_IOM_DTM.pdf (letzter Zugriff am 18.10.2018)

UNHCR - UN High Commissioner for Refugees: Iraq: Relevant COI for Assessments on the Availability of an Internal Flight or Relocation Alternative (IFA/IRA); Ability of Persons Originating from (Previously or Currently) ISIS-Held or Conflict Areas to Legally Access and Remain in Proposed Areas of Relocation, 12. 4. 2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1397131/1930_1492501398_58ee2f5d4.pdf (letzter Zugriff am 18.10.2018)

1.5.5. Behandlung nach der Rückkehr

Aus Österreich kehrten in der ersten Jahreshälfte 2017 in etwa 346 Iraker freiwillig in den Irak zurück - von diesen fast alle im Zuge einer sogenannten unterstützten Rückkehr (BFA 11.8.2017). Die Sicherheit von Rückkehrern ist von einer Vielzahl von Faktoren abhängig - u.a. von ihrer ethnischen und religiösen Zugehörigkeit, ihrer politischen Orientierung und den Verhältnissen vor Ort (AA 7.2.2017).

Quelle:

AA - Auswärtiges Amt (7.2.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, http://www.ecoi.net/file_upöoad/4598_1488455296_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irakk-stand-dezember-2016-07-02-2017.pdf, (letzter Zugriff am 18.10.2018)

BFA - Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (11.8.2017): IRAK Ausreise Quartalsweise, per E-Mail

1.5.6. Zur persönlichen Ausgangssituation des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer war bis zu seiner Ausreise aus dem Herkunftsstaat in seiner Heimatstadt XXXX (Stadtteil XXXX) in einem von einem Christen geführten Friseursalon tätig. Daraus, dass er den Betreiber des Friseursalons stets als seinen Chef bezeichnete, ist davon auszugehen, dass er sich gegenüber diesem in einer untergeordneten Funktion befand. In Bezug auf den behaupteten Handel mit alkoholischen Gründen konnte anlassbezogen jedoch nicht festgestellt werden, dass sein Chef oder der Beschwerdeführer selbst mit alkoholischen Getränken gehandelt hätte. Wenn in herkunftsstaatsbezogenen Länderberichten (siehe dazu den Länderbericht in der Beschwerdeschrift) die Rede davon ist, dass Personen, die als "unmoralisch" angesehene Berufe ausgeübt oder als "unmoralisch" angesehene Waren oder Dienstleistungen angeboten hätten, zum Ziel von Angriffen geworden wären, was insbesondere für Geschäfte oder Bars gelte, in denen Alkohol verkauft werde, ist anlassbezogen auszuführen, dass es dem BF nicht gelungen ist, glaubhaft zu machen, dass sein Chef in dem von ihm betriebenen Friseursalon mit alkoholischen Getränken gehandelt hätte bzw. der Beschwerdeführer selbst mit alkoholischen Getränken gehandelt oder solche als Bote zu potentiellen Abnehmern gebracht hätte. Selbst bei Wahrunterstellung der Angaben des BF, wonach bewaffnete Männer in Militärkleidung am XXXX.2015 im Friseursalon seines Chefs gewesen sein sollen und sich beim BF nach dem Aufenthaltsort seines Chefs erkundigt hätten, wurde vom BF weder vor der belangten Behörde, noch vor dem BVwG vorgebracht, dass die Männer gesagt hätten, den Chef zu suchen, weil dieser mit alkoholischen Getränken gehandelt hätte. Selbst wenn sie ihn aus diesem Grund gesucht hätten, stand die Suche erkennbar nicht im Zusammenhang mit dem BF. Diesen brachten die Männer (nach den Schilderungen des BF) nicht in Zusammenhang mit dem Handel von alkoholischen Getränken. Dass der BF aus religiösen Gründen (wegen seiner Zugehörigkeit zu den sunnitischen Muslimen) oder aus anderen Gründen diskriminiert, bedroht oder verfolgt worden wäre, kam anlassbezogen nicht hervor. Weiter ist es ihm nicht gelungen, die von ihm behauptete Entführung seines Bruders XXXX glaubhaft zu machen. Selbst wenn der Bruder des BF tatsächlich entführt worden wäre, blieben die Beweggründe für die Entführung ebenso im Dunkel, wie das weitere Schicksal des Bruders. Demnach kann nicht festgestellt werden, dass die behauptete Entführung des Bruders mit der Ausreise des Beschwerdeführers, oder mit dessen Tätigkeit als Friseur im Friseursalon eines christlichen Betreibers oder im Zusammenhang mit der religiösen Orientierung des Beschwerdeführers gestanden hätte.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. dargestellte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde und des vorliegenden Verwaltungsgerichtsaktes und aus der am 07.01.2019 vor dem BVwG durchgeführten mündlichen Verhandlung.

2.2. Zur Person und zu den Reisebewegungen des BF:

2.2.1. Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität (XXXX alias XXXX alias XXXX, geb. XXXX), Staats- und Religionszugehörigkeit und zur Muttersprache des BF getroffen wurden, beruhen diese auf seinen diesbezüglichen Angaben in der Erstbefragung und der Einvernahme vor der belangten Behörde, sowie auf seiner Kenntnis und Verwendung der Sprache Arabisch im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA und in der vom erkennenden Gericht am 07.01.2019 durchgeführten mündlichen Verhandlung.

2.2.2. Die Konstatierungen zur Reiseroute und zum Zeitpunkt seiner Einreise in das österreichische Bundesgebiet gründen auf den diesbezüglich glaubhaften Angaben des BF in seiner Erstbefragung, die im Wesentlichen mit seinen vor dem erkennenden Bundesverwaltungsgericht gemachten Angaben in Einklang stehen und daher als glaubwürdig angesehen werden konnten [BF in Niederschrift über die Erstbefragung vom 30.09.2015, S. 4].

2.3. Zur persönlichen Situation des BF im Herkunftsstaat:

Dass der BF im Herkunftsstaat die Grundschule besucht hat, konnte als glaubwürdig eingestuft werden, zumal seine vor den Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde im Rahmen seiner Erstbefragung diesbezüglich gemachten Angaben mit seinen Angaben vor der belangten Behörde im Wesentlichen übereinstimmen und die belangte Behörde diesen nicht entgegengetreten ist. Allerdings konnten auf Grund der divergierenden Angaben des BF zur weiterführenden schulischen Ausbildung keine Feststellungen zur Dauer des Schulbesuchs im Herkunftsstaat getroffen werden. So hatte er vor den Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde am XXXX.2015 zu seiner Schulausbildung befragt, (lediglich) angegeben, dass er in seiner Heimatstadt XXXX sechs Jahre lang die Grundschule besucht hätte. Dagegen gab er anlässlich seiner Vernehmung als Partei (in der Folge: so oder kurz: PV) vor dem Bundesverwaltungsgericht (in der Folge: so oder kurz: BVwG) an, dass er im Ganzen acht Jahre in Schule gegangen wäre. Nachgefragt gab er an, dass er sechs Jahre lang die Grundschule und drei Jahre lang die Hauptschule besucht hätte. Schon mit diesen letzten Angaben zur Besuchsdauer der Grundschule bzw. der Hauptschule setzte er sich in einen eklatanten Widerspruch zu der von ihm angegebenen Schulbesuchsgesamtdauer von acht Jahren, zumal die Addition der auf die einzelnen Schultypen entfallenen Schulbesuchsdauer eine Schulbesuchsgesamtdauer von neun Jahren ergibt; in Anbetracht seiner vor den Organen gemachten Angabe, aus denen sich ergibt, dass er nur die Grundschule besuchte, war daher die Konstatierung zu treffen, dass nicht festgestellt werden konnte, dass er über die Grundschule hinaus noch eine weitere Schulausbildung absolviert hätte [BF in Niederschrift über die Erstbefragung vom 30.09.2015, S. 1, und PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 07.01.2019, S. 7].

Die Feststellungen zu seinen Wohnverhältnissen und zu seinen familiären Verhältnissen im Irak beruhen auf seinen diesbezüglich glaubwürdigen Angaben in der mündlichen Verhandlung. Auf seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung beruhen auch die Konstatierungen, wo die Angehörigen seiner Kernfamilie leben und dass die im Herkunftsstaat lebenden (in den Feststellungen dieses Erkenntnisses näher bezeichneten) Angehörigen seiner Kernfamilie dort unbehelligt leben [BF in Verhandlungsniederschrift vom 07.01.2019, S. 8]. Da es ihm auf Grund seines tieferstehend noch darzustellenden unglaubwürdigen persönlichen Gesamteindrucks, den er im Rahmen seiner vor dem BVwG stattgehabten PV vermittelte, nicht gelungen ist, eine Entführung seines Bruders XXXX glaubhaft zu machen, war auch diesbezüglich eine entsprechende Feststellung zu treffen. Anlässlich seiner niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde hatte er auf die Frage, welche Verwandten noch im Herkunftsstaat leben, angegeben, dass seine Eltern nach wie vor im selben Stadtviertel in XXXX leben würden, in dem auch er lebte und dass auch seine Schwestern dort leben würden. Hinsichtlich seines Bruders gab er an, dass dieser vor "2 Jahren verschwunden" sei [BF in Niederschrift des BFA vom 24.11.2017, S. 5 oben]. In der Folge gab er an, dass sein Bruder festgenommen worden sei; allerdings wisse er nicht, was mit dem Bruder geschehen sei und wo sich dieser befinde [BF in Niederschrift des BFA vom 24.11.2017, S. 6 mittig]. In der Folge gab er noch an, dass seine Mutter bei der Behörde nachgefragt hätte, ob diese wisse, was mit dem Bruder geschehen wäre; auch dort habe man ihr nichts sagen können [BF in Niederschrift des BFA vom 24.11.2017, S. 8]. Die vagen Angaben dazu, dass sein Bruder festgenommen worden sei und dazu, dass er nicht wisse, was mit ihm geschehen sei und wo er sich befinde, konterkariert seine vor der belangten Behörde erstmals bzw. in der vor dem BVwG stattgehabten PV gemachten Angabe, dass sein Bruder entführt worden sei. Da auch die Behörden des Herkunftsstaates keine näheren Angaben zum Verbleib seines Bruders machen konnten und auch die Mutter des BF über das Schicksal seines Bruders keine Angaben zu machen vermochte, spricht dies nicht für eine etwaige Entführung des Bruders des Beschwerdeführers.

Gegen eine Entführung des Bruders sprechen überdies die widersprüchlichen Angaben des BF zum angeblichen Zeitpunkt der Entführung. So hatte der BF vor der belangten Behörde angegeben, dass er nicht wisse, was mit seinem Bruder geschehen sei und wo sich dieser befinde, der Grund sei, warum er sein Heimatland verlassen habe (Fluchtgrund) [BF in Niederschrift des BFA vom 24.11.2017, S. 8 mittig). Diese Angabe spricht dafür, dass die vom BF behauptete Festnahme seines Bruders vor der Ausreise des BF aus dem Herkunftsstaates stattfand, anderenfalls hätte dieser Umstand nicht den Grund für die Ausreise des BF bilden können.

Vor dem BVwG gab er dagegen an, dass sein Bruder nach der Flucht des BF in die Türkei entführt worden sei [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 07.01.2019, S. 9]. Vergegenwärtigt man sich diese Angabe, stehen die Angaben über den Zeitpunkt der angeblichen Entführung des Bruders in einem eklatanten, die Glaubwürdigkeit des BF in diesem Punkt in ihren Grundfesten erschütternden Widerspruch. Darüber hinaus suchte der BF anlässlich seiner vor dem BVwG stattgehabten PV, die Milizen für die angebliche Entführung des Bruders verantwortlich zu machen. So hatte er wörtlich angegeben: "Er wurde von Milizen entführt." [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 07.01.2019, S. 9 oben]. Vergleicht man diese Angabe, die er trotz genauer Nachforschungen des erkennenden Gerichtes nicht zu spezifizieren vermochte, mit den Angaben vor der belangten Behörde, so finden sich dort keinerlei Anhaltspunkte auf einen etwaigen Entführer, geschweige denn, dass Milizen den Bruder "festgenommen" oder "entführt" hätten.

2.4. Zur persönlichen Situation des BF im Bundesgebiet:

Die Feststellungen, dass der BF im Bundesgebiet (mit Ausnahme seiner mit zwei österreichischen Staatsangehörigen gezeugten Kinder) keine Familienangehörigen hat und nicht verheiratet ist hat, beruhen auf seinen eigenen Angaben in der vor dem BVwG stattgehabten mündlichen Verhandlung und auf den bestätigenden Angaben der als Zeugin vor dem BVwG einvernommenen Mutter des zweiten Kindes des BF, sowie auf den urkundlichen Nachweisen des Standesamtes beim Magistrat der Stadt XXXX bezüglich des vom BF abgegebenen Vaterschaftsanerkenntnisses zu den beiden Kindern [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 20.08.2018, S. 4 und 7].

Die zu seinen Integrationsschritten in Österreich getroffenen Konstatierungen beruhen auf den im Verfahren vorgelegten Nachweisen, sowie auf seinen Angaben, dass er im Sommer 2018 als Freiwilliger beim XXXX bei Essen auf Rädern tätig gewesen sei. Die dazu getroffenen Feststellungen, dass er Grundkenntnisse der deutschen Sprache erworben hätte, gründen auf seinen Angaben in deutscher Sprache. Auf seinen Angaben beruht auch die getroffene Konstatierung, dass er in Österreich beim XXXX einen Integrationskurs besuchte und einmal wöchentlich das Sprachcafé visitiert [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 07.01.2019, S. 11].

Die dazu getroffenen Konstatierungen, dass er im Bundesgebiet nie erwerbstätig war, beruht auf einem AJ WEB - Auskunftsverfahrensauszug.

Die zu seiner (strafrechtlichen) Unbescholtenheit (in Österreich) getroffenen Konstatierungen beruhen auf dem amtswegig eingeholten (aktuellen) Strafregisterauszug.

2.5. Zum Fluchtvorbringen des BF:

Vor der belangten Behörde brachte er zu seinen Fluchtgründen befragt vor, dass in seinem Herkunftsstaat ethnische Konflikte herrschen würden und dass er sich als Sunnit davor fürchte, getötet zu werden. Bei ihnen fehle die Sicherheit und könne man dort nicht mehr leben [BF in der Niederschrift über die Erstbefragung vom 30.09.2015, S. 5 Punkt 11].

Vor der belangten Behörde gab er im Wesentlichen kurz zusammengefasst an, dass er im Stadtviertel XXXX in XXXX in einem Friseurgeschäft gearbeitet hätte und dass sein Chef ein Christ sei. Am XXXX.2015 sei der BF von drei Personen bedroht worden; diese Personen hätten nach seinem Chef gefragt und er habe ihnen gesagt, dass sein Chef gerade nicht da sei und er auch nicht wisse, wo er sei. Am Abend desselben Tages habe ihm der Bruder seines Chefs zu Hause angerufen und habe ihm erzählt, dass der Chef des BF ermordet worden sei. Er habe dem BF am Telefon gesagt, dass er nicht mehr ins Geschäft gehen solle, da er sonst auch umgebracht werden würde [BF in Niederschrift des BFA vom 24.11.2017, S. 6].

Im Rahmen seiner vor dem BVwG stattgehabten PV gab der BF an, dass im Juli oder August 2015 zwei Personen in Militärkleidung gekommen wären, die überdies bewaffnet gewesen wären. Um 20:00 oder 21:00 Uhr habe der Bruder seines Chefs angerufen und ihm gesagt, dass er gehen und fliehen solle und dass sein Chef getötet worden sei. Der BF hätte eine solche Angst vor dem nach Hause gehen gehabt, sodass er sich nach dem Schließen des Geschäfts noch am selben Tag in ein nahegelegenes Hotel eingebucht hätte [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 07.01.2019, S. 12].

Seinen Angaben vor der belangten Behörde zufolge sollen am XXXX.2015 drei Personen im Friseursalon seines Chefs aufgetaucht sein und nach seinem Chef verlangt haben. Vor dem BVwG gab er dagegen an, dass an diesem Tag zwei bewaffnete Personen in Militärkleidung in den Friseursalon gekommen wären, und sich nach seinem Chef erkundigt hätten. Abgesehen davon, dass sich der BF hinsichtlich der Anzahl der am XXXX.2015 im Friseursalon seines Chefs aufgetauchten Personen vertat, was bei Wahrunterstellung der behaupteten Geschehnisse nicht passieren hätte dürfen, verstrickte er sich auch hinsichtlich seines eigenen Aufenthaltsortes, an dem er den Anruf des Bruders seines Chefs erhalten haben wollte, in Widersprüche. So hatte er vor der belangten Behörde angegeben, dass ihn der Bruder seines Chefs zu Hause angerufen und ihm mitgeteilt hätte, dass sein Chef ermordet worden sei. Im Rahmen seiner PV vor dem BVwG gab er dagegen an, dass ihn der Bruder seines Chefs angerufen hätte und ihn zum Gehen und zur Flucht aufgefordert hätte; er habe eine derartige Angst gehabt, nach Hause zu gehen. Sodann habe er das Geschäft geschlossen und sich in einem nahegelegenen Hotel eingebucht. Diese Angaben lassen zweifelsfrei darauf schließen, dass der BF in seiner vor dem BVwG dargestellten Version der Geschehnisse die Nachricht vom Ableben seines Chefs auf der Arbeitsstelle (im Friseursalon) erhielt. Nach dieser Version habe er den Anruf im Geschäft erhalten und wollte er nicht mehr nach Hause gegangen sein, während er sich nach der Erzählversion vor der belangten Behörde zu Hause aufgehalten haben wollte. Vor der belangten Behörde führte er auch noch den Umstand, dass sein Bruder festgenommen worden sei und er nicht gewusst habe, was mit ihm geschehen sei und wo er sich befinde, als Grund für das Verlassen seines Herkunftsstaates. Nach den im Rahmen seiner PV vor dem BVwG gemachten Angaben, soll der Bruder nach erfolgter Ausreise des BF aus dem Herkunftsstaat von schiitischen Milizen entführt worden sein.

Da sich derart einschneidende Erlebnisse nach der allgemeinen Lebenserfahrung tief ins Gedächtnis eingraben, legen die in den - jeweils sehr knappen - Angaben des BF hervorgekommenen Widersprüche nahe, dass seine Angaben nicht der Wahrheit entsprechen.

Bezeichnend ist auch, dass der BF vor der belangten Behörde angegeben hatte, dass jene drei Personen, die am XXXX.2015 in den Friseursalon seines Chefs gekommen sein sollen, von einer Behörde gekommen seien; dies versuchte er daran festzumachen, dass sie "Uniformen vom Staat" getragen und die von ihnen verwendeten Fahrzeuge "von der Behörde mit behördlichen Kennzeichen" gewesen seien [BF in Niederschrift des BFA vom 24.11.2017, S. 7 unten]. In diesem Zusammenhang erhob er vor der belangten Behörde zudem die Behauptung, dass er (Anm.: der BF) mit den Behörden des Herkunftsstaates ein Problem gehabt hätte [Ebda]. Dagegen gab er vor dem BVwG (erstmals) an, dass er mit den Behörden des Herkunftsstaates keine Probleme gehabt hätte.

In seinem vor dem BVwG nachgeschobenen Vorbringen, dass er eine Woche vor seiner Ausreise mit den Milizen Probleme bekommen hätte, weil er als Muslim in einem Friseursalon eines Christen gearbeitet hätte [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 07.01.2019, S. 13 unten], verstrickte er sich in weitere, eklatante Widersprüche, die nach der allgemeinen Lebenserfahrung ausgeblieben wären, wenn der BF die Geschehnisse tatsächlich erlebt hätte.

Sein nachgeschobenes Vorbringen begann zunächst damit, dass sein Chef im Geschäft gewesen sei, als die Milizen gekommen wären. Seinem Chef hätten sie gesagt, dass es verboten sei, hier (Anm.: im Friseursalon) Alkohol zu verkaufen. Dem BF hätten sie gesagt, dass er als Muslim nicht mit seinem Chef arbeiten solle. Er, der BF, habe ihnen entgegnet, dass es sein freier Wille sei, hier zu arbeiten und er nicht vorhabe, seinen Chef zu verlassen [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 07.01.2019, S. 13 unten und S. 14 oben]. In einer zweiten Erzählversion dieser Ereignisse sprach der BF jedoch von einer verbalen Auseinandersetzung zwischen seinem Chef, dessen Bruder und den Milizangehörigen. Er selbst habe von diesen verbalen Auseinandersetzungen nichts mitbekommen, da diese draußen auf der Straße stattgefunden hätten und er, der BF, gerade jemandem die Haare geschnitten hätte [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 07.01.2019, S. 14 mittig]. Weiter sprach er davon, dass die Milizangehörigen nicht ins Geschäft gekommen wären und er selbst das Geschäft nicht verlassen hätte, um auf die Straße zu treten. Nach dieser zweiten Erzählversion, die mit seiner Angabe in Einklang zu bringen ist, nichts mitbekommen zu haben, was draußen vor sich gegangen sein soll, kam es zu keinem persönlichen Kontakt des BF mit den Milizangehörigen, während es nach der ersten Erzählversion sehr wohl zu einem Kontakt mit diesen gekommen sein soll [PV des BF in Verhandlungsniederschrift vom 07.01.2019, S. 14f].

In der Folge war zu untersuchen, ob und inwieweit es sich bei diesen Erzählversionen um die Darstellung verschiedener Ereignisse handeln könnte, oder nicht. Die in der mündlichen Verhandlung an den BF gerichtete Frage, ob Angehörige einer Miliz oder andere Personen vor Anfang August 2015 oder im Zeitraum

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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