TE Vwgh Erkenntnis 1999/3/26 97/18/0661

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Veröffentlicht am 26.03.1999
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
82/02 Gesundheitsrecht allgemein;

Norm

AVG §58 Abs2;
FrG 1993 §18 Abs2 Z1;
FrG 1993 §19;
FrG 1993 §20;
FrG 1997 §114 Abs4;
FrG 1997 §35 Abs3 Z1;
FrG 1997 §36 Abs1;
SGG §12 Abs1;
SGG §12 Abs2;
SGG §12 Abs3 Z3;
SGG §23a;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Bayjones und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hofbauer, über die Beschwerde des VS, (geboren am 3. Oktober 1976), vertreten durch Dr. Marcella Zauner-Grois und Dr. Christof Dunst, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Rathausstraße 19, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 25. November 1997, Zl. SD 787/97, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 25. November 1997 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen jugoslawischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen und gemäß "§ 27 Abs. 2 FrG" (offensichtlich gemeint: § 27 Abs. 4 FrG der Berufung) "die aufschiebende Wirkung aberkannt".

Der Beschwerdeführer, der seit 1990 in Österreich lebe, sei am 30. April 1997 vom Landesgericht für Strafsachen Wien wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 12 Abs. 1, Abs. 2 erster Fall, Abs. 3 Z. 3 Suchtgiftgesetz (SGG) zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von 18 Monaten rechtskräftig verurteilt worden. Wie aus der Urteilsbegründung hervorgehe, habe er Suchtgift gewerbsmäßig in einer großen Menge, und zwar rund 5000 Stück Ecstasy-Tabletten und Amphetamine, wobei diese Menge das 25fache der im § 12 Abs. 1 SGG angegebenen Menge übersteige, nach Österreich eingeführt und durch Verkauf in Verkehr gesetzt. Der Beschwerdeführer habe ab Juli 1996 begonnen, Suchtgifte in Form von Haschisch, Ecstasy-Tabletten, Amphetamine, LSD und Kokain einzunehmen und mit Ecstasy-Tabletten einen Gewinn bringenden Handel zu betreiben. Er habe aus diesen Verkäufen einen Gesamtgewinn in der Höhe von rund S 110.000,-- erzielt. Dieses Geld habe er zur Aufbesserung seines Lebensstandards verwendet, indem er mit diesem Geld "einfach gut lebte". Er selbst habe nur geringe Mengen Suchtgift konsumiert, sodass ihm von den Verkäufen ein hoher Gewinn verblieben sei. Die von ihm verkauften Suchtgiftmengen seien jedenfalls geeignet, in großem Ausmaß eine Gefahr für das Leben und die Gesundheit von Menschen entstehen zu lassen. Aufgrund diese Verurteilung sei der Aufenthaltsverbotstatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG gegeben. In Anbetracht des besonders hohen negativen Stellenwerts der Suchtgiftkriminalität und des ihr innewohnenden erheblichen Gefährdungspotentials für die Gesundheit der Bevölkerung liege klar auf der Hand, dass auch die Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 FrG gegeben seien. In einem solchen Fall sei gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, wenn dem nicht die Bestimmungen der §§ 19 und 20 FrG entgegenstünden.

Im Hinblick darauf, dass die Eltern des Beschwerdeführers und seine Lebensgefährtin, mit der er ein gemeinsames Kind habe, in Österreich lebten, liege zweifelsohne ein mit dem Aufenthaltsverbot verbundener Eingriff in sein Privat- und Familienleben vor. Dessen ungeachtet sei die Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Hinblick auf die im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele als dringend geboten zu erachten und daher im Grunde des § 19 FrG zulässig.

Im Rahmen der nach § 20 Abs. 1 FrG vorzunehmenden Interessenabwägung sei auf den etwa sechseinhalbjährigen inländischen Aufenthaltes des Beschwerdeführers Bedacht zu nehmen, aber auch zu berücksichtigen gewesen, dass der daraus und aus der Beschäftigung des Beschwerdeführers abzuleitenden Integration kein entscheidendes Gewicht zukomme, weil die dafür wesentliche soziale Komponente durch die von ihm begangene verschwiegene (offenbar gemeint: schwer wiegende) Straftat beeinträchtigt werde. Überdies sei die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes im Fall von Suchtgiftdelikten auch bei ansonsten völliger sozialer Integration des Fremden nicht rechtswidrig. Bei Abwägung der privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers gegenüber den hoch zu veranschlagenden öffentlichen Interessen an der Verhinderung der Suchtgiftkriminalität wögen die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf den Beschwerdeführer und seine Familie keinesfalls schwerer als die gegenläufigen öffentlichen Interessen und damit die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von dieser Maßnahme.

Das Aufenthaltsverbot sei auf unbestimmte Zeit (unbefristet) zu erlassen, weil angesichts des aufgezeigten Gesamtfehlverhaltens des Beschwerdeführers und unter Bedachtnahme darauf, dass gerade bei Suchtgiftdelikten die Wiederholungsgefahr besonders groß sei, derzeit nicht vorhergesehen werden könne, wann der für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgebliche Grund, nämlich die Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch den Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet weggefallen sein werde.

Zutreffend habe die Erstbehörde einer Berufung die aufschiebende Wirkung aberkannt. Im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität bestehe kein Zweifel, dass die vorzeitige Vollstreckung des Bescheides im Interesse des öffentlichen Wohls wegen Gefahr im Verzug dringend geboten erscheine.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens mit dem Antrag vor, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Vorweg ist festzuhalten, dass für den angefochtenen Bescheid die Übergangsbestimmung des § 114 Abs. 4 des Fremdengesetzes 1997, BGBl. I Nr. 75, nicht zum Tragen kommt und somit das Beschwerdeverfahren nicht nach § 114 Abs. 7 dieses Gesetzes einzustellen ist. Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Beschluss vom 24. April 1998, Zl. 96/21/0490, auf den gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, ausgesprochen hat, ist bei einer rechtskräftigen Verurteilung eines Fremden (u.a.) wegen der in § 35 Abs. 3 Fremdengesetz 1997 genannten strafbaren Handlungen zu den dort angeführten unbedingten Freiheitsstrafen das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes eindeutig und daher eine gesonderte Begründung der nunmehr im § 36 Abs. 1 Fremdengesetz 1997 vorgesehenen Ermessensentscheidung entbehrlich. § 35 Abs. 3 Z. 1 dieses Gesetzes nennt (u.a.) rechtskräftige Verurteilungen zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr wegen eines Verbrechens. Da der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens nach § 12 Abs. 1, Abs. 2 erster Fall, Abs. 3 Z. 3 SGG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von 18 Monaten rechtskräftig verurteilt wurde, ist somit der angefochtene Bescheid nicht gemäß § 114 Abs. 4 Fremdengesetz 1997 außer Kraft getreten und ist über die vorliegende Beschwerde auf Grundlage des FrG zu entscheiden.

2. In der Beschwerde bleibt die Auffassung der belangten Behörde, dass vorliegend der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 (erster Fall) FrG verwirklicht sei, unbekämpft. Im Hinblick auf die unbestrittene rechtskräftige gerichtliche Verurteilung des Beschwerdeführers bestehen gegen diese Beurteilung keine Bedenken.

3.1. Die Beschwerde macht geltend, dass der Beschwerdeführer aufgrund der ihm vorgeschriebenen Therapie mittlerweile nicht mehr suchtgiftabhängig und daher nicht mehr gezwungen sei, seinen Lebensunterhalt durch Suchtgifthandel zu finanzieren. Hiedurch werde die Schwere des durch ihn gesetzten Delikts relativiert.

3.2. Dieses mit Blick auf § 18 Abs. 1 FrG wie auch auf §§ 19 und 20 FrG erstattete Vorbringen ist nicht zielführend.

Die Auffassung der belangten Behörde, dass im vorliegenden Fall die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, begegnet im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität und der dadurch bewirkten Gefährdung der öffentlichen Ordnung (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 12. November 1998, Zl. 95/18/1250, mwN) keinem Einwand. Dass dem Beschwerdeführer gemäß § 23 a SGG ein Strafaufschub gewährt worden sei und er sich bisher der ihm vorgeschriebenen Therapie stets pünktlich unterzogen habe, kann nicht entscheidend zu seinen Gunsten ins Gewicht fallen, liegt doch sein für die besagte Verurteilung ausschlaggebendes, in den Jahren 1996 und 1997 gesetztes Fehlverhalten noch nicht solange zurück, dass aufgrund des verstrichenen Zeitraumes eine (wesentliche) Verringerung der von ihm ausgehenden Gefahr für die in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen angenommen werden könnte, zumal bei Suchtgiftdelikten erfahrungsgemäß die Wiederholungsgefahr besonders groß ist. Selbst wenn der Beschwerdeführer aufgrund der von ihm ins Treffen geführten Therapie von seiner Suchtgiftabhängigkeit befreit worden sein sollte, bietet allein dieser Umstand noch keine Gewähr dafür, dass er nicht neuerlich ein gegen suchtgiftrechtliche Strafbestimmungen verstoßendes Fehlverhalten setzten könnte, zumal er nach den insoweit unbestrittenen Feststellungen im angefochtenen Bescheid nur geringe Mengen Suchtgift konsumierte und den ihm verbliebenen hohen Gewinn aus den Suchtgiftverkäufen zur Aufbesserung seines Lebensstandards verwendete. Vor allem jedoch könnte angesichts des kurzen Zeitraumes, der seit der Verurteilung des Beschwerdeführers im Jahr 1997 verstrichen ist, noch keine zuverlässige Prognose darüber abgegeben werden, ob die von ihm ins Treffen geführte Suchtgifttherapie von dauerhaftem Erfolg sein werde.

4. Ebenso wenig kann dem weiteren Beschwerdevorbringen, dass die belangte Behörde die Interessenabwägung im Grunde der §§ 19 und 20 FrG in Anbetracht des fast siebenjährigen Aufenthaltes des Beschwerdeführers und seiner familiären Beziehungen sowie intensiven Bindungen in Österreich unrichtig getroffen habe, beigepflichtet werden.

Die belangte Behörde hat im Hinblick auf den langjährigen inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers und den Umstand, dass seine Eltern, seine Lebensgefährtin und sein (nach Ausweis der Verwaltungsakten im Jahr 1994 geborenes) Kind, das er mit dieser gemeinsam hat, in Österreich leben, zutreffend einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen relevanten Eingriff in sein Privat- und Familienleben im Sinn des § 19 FrG angenommen. Wenn die belangte Behörde - unter gebührender Bedachtnahme auf diese persönlichen Interessen - die maßgeblichen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen an der Verhinderung von strafbaren Handlungen und am Schutz der Gesundheit für so gewichtig erachtet hat, dass die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes dringend geboten sei, so kann dieser den genannten öffentlichen Interessen den Vorrang einräumenden Wertung angesichts der besonderen Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität nicht mit Erfolg entgegengetreten werden.

Im Hinblick auf dieses äußerst große öffentliche Interesse an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes konnte die Interessenabwägung im Grunde des § 20 Abs. 1 FrG nicht zu Gunsten des Beschwerdeführers ausgehen. Die aus seinem Aufenthalt in Österreich, seiner Lebensgemeinschaft und seiner Beziehung zu seinem außerehelichen Kind ableitbare Integration hat in der für sie wesentlichen sozialen Komponente durch die von ihm begangenen Suchtgiftdelikte eine ganz erhebliche Minderung erfahren. Von daher gesehen hat die belangte Behörde der durch das gravierende Fehlverhalten des Beschwerdeführers bewirkten Gefährdung maßgeblicher öffentlicher Interessen und damit den nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zutreffend kein geringeres Gewicht beigemessen als den Auswirkungen dieser Maßnahme auf seine Lebenssituation. Dem Vorbringen, dass der Beschwerdeführer aufgrund der Verhängung des Aufenthaltsverbotes von seinen Angehörigen getrennt werde, ist zu entgegnen, dass dies im öffentlichen Interesse in Kauf genommen werden muss. Abgesehen davon kann von ihm ein eingeschränkter Kontakt zu seinen Angehörigen dadurch aufrecht erhalten werden, dass er von diesen im Ausland besucht wird.

5. Nach dem Gesagten erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 26. März 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1997180661.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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