Entscheidungsdatum
01.02.2019Norm
AlVG §11Spruch
I407 2183482-1/3E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Stefan MUMELTER als Vorsitzenden und den fachkundigen Laienrichter Florian TAUBER sowie dem fachkundigen Laienrichter Mag. Stefan WANNER als Beisitzende über die Beschwerde von XXXX gegen den Bescheid, der Regionalen Geschäftsstelle Lienz des Arbeitsmarktservice vom 02.11.2017, mit welchem dieser für den Zeitraum vom 14.10.2017 bis zum 10.11.2017 kein Arbeitslosengeld gebühre und eine Nachsicht nicht erteilt wurde, in nicht öffentlicher Sitzung beschlossen:
A)
Der Bescheid wird gemäß § 28 Abs. 3 aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverwiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang und Sachverhalt
1. Frau XXXX (im Folgenden: Beschwerdeführerin) bezog zuletzt aufgrund eines Antrags vom 16.10.2017 Arbeitslosengeld.
2. Die Beschwerdeführerin hat am 14.10.2017 bei der Firma XXXX (im Folgenden: Firma L und Dienstgeberin L) gekündigt. In einer Stellungnahme vom 29.10.2017 führte die Beschwerdeführerin an, dass Überstunden bei der Firma L normal gewesen seien, aber ihr eigentlicher Kündigungsgrund ihr Einsatz in der Küche gewesen sei, welcher für sie eine große Belastung dargestellt habe, da sie keine Köchin sei und niemals in einer Gastronomieküche gearbeitet habe.
3. In der Folge wurde die Beschwerdeführerin am 30.10.2017 wegen Beendigung des Dienstverhältnisses bei der Firma L von der regionale Geschäftsstelle Lienz des Arbeitsmarktservice (im Folgenden: belangte Behörde) niederschriftlich einvernommen. Auf Vorhalt der Angaben der Dienstgeberin L, die Beschwerdeführerin habe sich überfordert gefühlt, selbst die Arbeitseinteilung gemacht und sich aufgrund des Fehlens eines Koches selbst in der Küche eingeteilt, gab sie an, dass sie aufgrund des Personalmangels gezwungen gewesen sei in der Küche zu arbeiten.
4. Mit Bescheid vom 02.11.2017, sprach die belangte Behörde gegenüber der Beschwerdeführerin aus, dass ihr gemäß § 11 Arbeitslosenversicherungsgesetz (AlVG) im Zeitraum 14.10.2017 bis 10.11.2017 kein Arbeitslosengeld gebühre und Nachsicht nicht erteilt werde.
Begründend führte die belangte Behörde aus, dass die Beschwerdeführerin ihr bei der Firma L bestandenes Dienstverhältnis freiwillig gekündigt hätte und keine Gründe für eine Nachsicht der Rechtsfolgen vorlägen bzw. solche nicht berücksichtigt werden könnten.
5. Die gegen diesen Bescheid rechtzeitig und zulässig erhobene Beschwerde vom 13.11.2017 begründete die Beschwerdeführerin im Wesentlichen wie folgt: Die von Frau T der Firma L getätigten Aussagen seien nicht korrekt, zumal Frau T über den Sommer verteilt auch für zwölf Wochen im Krankenstand gewesen sei, könne sie die Situation nicht richtig beurteilen. Von Mai bis Oktober 2017 seien sie laufend unterbesetzt gewesen. Sie habe im August die Abteilungsleitung übernommen und mit der aushilfsweisen Tätigkeit in der Küche begonnen. Die Firma L sei aber nicht bereit gewesen weiteres Personal einzustellen und deswegen wäre ihr diese Position in der Küche geblieben. Sie sei aufgrund einer Tumorerkrankung gesundheitlich angeschlagen, weswegen sie auch nur 20 h/Woche gearbeitet habe. Dies sei ihrem Arbeitgeber bekannt gewesen. Im März 2017 sei an ihrer rechten Hand ein Carpaltunnelsyndrom diagnostiziert worden, eine OP habe sie wegen des Personalmangels verschoben und hätten sich die Symptome zunehmend verschlechtert. Außerdem sei sie laut Kündigungsschreiben sogar bereit gewesen, der Firma L bis Ersatz gefunden worden wäre, zur Verfügung zu stehen.
6. Mit Schreiben vom 18.01.2018 legte die belangte Behörde die Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor. Laut der beim Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger gespeicherten Dienstgeberabmeldung habe das Dienstverhältnis der Beschwerdeführerin zur Firma L durch Kündigung durch die Dienstnehmerin geendet. Für den Zeitraum 15.10.2017 bis 19.10.2017 sei der Beschwerdeführerin eine Urlaubsentschädigung ausbezahlt worden. Aus den vorgelegten Unterlagen (E-Mails, Kündigungsschreiben, Dienstvertrag, Befunde usw.) und dem Vorbringen der Beschwerdeführerin gehe nicht genau hervor, welche Tätigkeiten tatsächlich im Aufgabenbereich der Beschwerdeführerin gelegen hätten und welche Aufgaben der Beschwerdeführerin konkret durch die Firmenleitung angeordnet worden seien bzw. welche Aufgaben sie freiwillig übernommen habe. Für die belangte Behörde sei zudem nicht erkennbar, ob der Beschwerdeführerin die von ihr ausgeübte Tätigkeit aufgrund ihres Carpaltunnelsyndroms überhaupt zumutbar gewesen sei, weswegen die Einholung eines amtsärztlichen Gutachtens sinnvoll wäre.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Die Beschwerdeführerin hat am 14.10.2017 gekündigt. Sie bezog zuletzt aufgrund eines Antrags vom 16.10.2017 Arbeitslosengeld. Im Rahmen der Betreuungsvereinbarung vom 18.10.2017 hat die Beschwerdeführerin die belangte Behörde von ihren gesundheitlichen Einschränkungen informiert. Mit Bescheid der Regionalen Geschäftsstelle Lienz des Arbeitsmarktservice vom 02.11.2017 wurde ausgesprochen, dass der Beschwerdeführerin für den Zeitraum vom 14.10.2017 bis zum 10.11.2017 kein Arbeitslosengeld gebühre und eine Nachsicht nicht erteilt werde.
2. Die Regionale Geschäftsstelle Lienz des Arbeitsmarktservice hat den Sachverhalt nicht ausreichend ermittelt. Insbesondere sind Feststellungen unterblieben, ob die Beschwerdeführerin ihr Dienstverhältnis oder einer Erwerbstätigkeit aus zwingenden gesundheitlichen Gründen beendet hat.
Rechtliche Beurteilung
1. §§ 6 und 7 Abs. 1 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes, BVwGG, in der Stammfassung BGBl I 2013/10 lauten wie folgt:
Einzelrichter
§ 6. Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Senate
§ 7. (1) Die Senate bestehen aus einem Mitglied als Vorsitzendem und zwei weiteren Mitgliedern als Beisitzern. Für jeden Senat sind mindestens ein Stellvertreter des Vorsitzenden und mindestens zwei Ersatzmitglieder (Ersatzbeisitzer) zu bestimmen.
§ 56 Abs. 2 des Arbeitslosenversicherungsgesetzes 1977 (AlVG) in der geltenden Fassung lautet wie folgt:
"Über Beschwerden gegen Bescheide einer Geschäftsstelle entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch einen Senat, dem zwei fachkundige Laienrichter angehören, je einer aus dem Kreis der Arbeitgeber und aus dem Kreis der Arbeitnehmer. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung durch die Geschäftsstelle beträgt zehn Wochen."
Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
2. Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 33/2013 idF BGBl. I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
3. Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur vergleichbaren Regelung des § 67d AVG (vgl. VwGH 24.04.2003, 2002/07/0076) wird die Durchführung der Verhandlung damit ins pflichtgemäße Ermessen des Verwaltungsgerichts gestellt, wobei die Wendung "wenn es dies für erforderlich hält" schon iSd rechtsstaatlichen Prinzips nach objektiven Kriterien zu interpretieren sein wird (vgl. VwGH 20.12.2005, 2005/05/0017). In diesem Sinne ist eine Verhandlung als erforderlich anzusehen, wenn es nach Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 Abs. 2 GRC geboten ist, wobei gemäß Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes der Umfang der Garantien und des Schutzes der Bestimmungen ident sind.
Im Hinblick auf obige Überlegungen sah der erkennende Senat daher unter Beachtung der Wahrung der Verfahrensökonomie und -effizienz von einer mündlichen Verhandlung ab, zumal auch eine weitere Klärung der Rechtssache hierdurch nicht zu erwarten war.
4. Die maßgeblichen Bestimmungen des Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (AlVG) lauten wie folgt:
§ 11. (1) Arbeitslose, deren Dienstverhältnis in Folge eigenen Verschuldens beendet worden ist oder die ihr Dienstverhältnis freiwillig gelöst haben, erhalten für die Dauer von vier Wochen, gerechnet vom Tage der Beendigung des Dienstverhältnisses an, kein Arbeitslosengeld. Dies gilt auch für gemäß § 3 versicherte Personen, deren Erwerbstätigkeit in Folge eigenen Verschuldens oder freiwillig beendet worden ist.
(2) Der Ausschluss vom Bezug des Arbeitslosengeldes ist in berücksichtigungswürdigen Fällen, wie zB wegen Aufnahme einer anderen Beschäftigung, freiwilliger Beendigung eines Dienstverhältnisses oder einer Erwerbstätigkeit aus zwingenden gesundheitlichen Gründen oder Einstellung der Erwerbstätigkeit wegen drohender Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit oder bei Saisonabhängigkeit wegen Saisonende, nach Anhörung des Regionalbeirates ganz oder teilweise nachzusehen.
5. Gemäß § 28 Absatz 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht
selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
3. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen.
Der entscheidungsrelevante Sachverhalt wurde durch die Behörde nicht geklärt, vielmehr wurde die Erhebung des Sachverhalts an das Gericht delegiert. Eine Entscheidung in der Sache selbst wäre auch nicht im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden. Daher war der gegenständliche Bescheid zu beheben und an die Behörde zur Entscheidung zurückzuverweisen (VwGH GZ Ro 2014/03/0063 vom 26.06.2014, GZ Ro 2014/05/0062 vom 27.08.2014). Vom Verwaltungsgericht in eine andere Richtung als von der belangten Behörde zu würdigende Beweisergebnisse, die eine Sachentscheidungspflicht im Sinne des Erkenntnisses des VwGH vom 12.11.2014 zu Ra 2014/20/0029 begründen würden, liegen nicht vor.
Spruchpunkt B)
3.4. Unzulässigkeit der Revision
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Da sich das Verwaltungsgericht bei seiner Entscheidung daher auf eindeutige Rechtsvorschriften gestützt hat, liegt keine erhebliche Rechtsfrage vor (vgl. OGH 11.08.2008, 1 Ob 137/08s; 30.03.1998, 8 ObA 296/97f und 22.03.1992, 5 Ob 105/90).
Schlagworte
Ermittlungspflicht, Gesundheitszustand, Kassation, mangelndeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:I407.2183482.1.00Zuletzt aktualisiert am
25.04.2019