Entscheidungsdatum
12.02.2019Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W261 2190635-1/18E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Karin GASTINGER, MAS über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Helmut BLUM, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.03.2018, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 26.09.2018 zu Recht:
A)
I. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides als unbegründet abgewiesen.
II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird stattgegeben und XXXX wird gemäß § 8 Abs. 1 Z. 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt.
III. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 12.02.2020 erteilt.
B)
Die Revision ist nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer (in der Folge BF), ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste nach eigenen Angaben am 31.10.2015 in die Republik Österreich ein und stellte am selben Tag gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
Bei der Erstbefragung am 01.11.2015 vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der BF im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari an, afghanischer Staatsangehöriger zu sein und der Volksgruppe der Hazara anzugehören. Er sei am XXXX in Afghanistan geboren und habe die letzten 17 Jahre in XXXX , Pakistan gelebt. Er sei damals als Kind mit seiner Familie wegen des Krieges und der Taliban nach Pakistan geflohen. Die Taliban hätten seinen Vater umgebracht und Haus und Grundstück der Familie beschlagnahmt. Der BF sei verheiratet und habe zwei Kinder. In Pakistan sei die IS-Miliz auf Afghanen, besonders die Schiiten, losgegangen und habe diese umgebracht. Deswegen sei der BF geflüchtet. Er habe seine Frau und Kinder zurücklassen müssen, da er kein Geld mehr gehabt habe. Im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan fürchte er, umgebracht zu werden, er habe Angst vor den Taliban.
Das Arbeitsmarktservice XXXX stellte dem BF Beschäftigungsbewilligungen als Anbau- und Erntehelfer für die Zeit von 26.04.2016 bis 15.05.2016 und von 20.05.2016 bis 26.06.2016 aus.
Am 13.12.2017 erfolgte die niederschriftliche Ersteinvernahme des BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge belangte Behörde) im Beisein seiner Vertrauensperson sowie eines Dolmetschers für die Sprache Dari. Er gab an, er sei in der Provinz Uruzgan im Jahr XXXX geboren, das genaue Datum wisse er nicht. Er habe ca. acht Jahre lang in Afghanistan gelebt, dann sei er mit seinem Vater, seiner Mutter, seinem Bruder und seiner Schwester nach Pakistan gegangen. Aus Erzählungen seiner Mutter wisse er, dass sie als Hazara von den Taliban belästigt worden seien, diese hätten ihnen ihr Haus und ihre Grundstücke weggenommen, weshalb die Familie gezwungen gewesen sei, nach Pakistan zu ziehen. Vor etwa acht Jahren sei der Vater des BF getötet worden, als er nach Uruzgan zurückgegangen sei. In Pakistan habe der BF keine Sicherheit gehabt, auch dort gebe es die Taliban und jeden Tag würden dort Menschen getötet werden. Die pakistanische Regierung schiebe auch manchmal Afghanen nach Afghanistan ab. Hazara würden in Pakistan immer geschlagen werden. Es gebe allgemein keine Sicherheit und sie könnten sich nicht frei bewegen, weshalb er Pakistan verlassen habe. Die Mutter des BF habe erzählt, dass momentan im Heimatdorf des BF die Taliban herrschten und dort die Hazara bedrohten. Würde die Familie dorthin zurückkehren, würden sie genauso wie der Vater des BF vor acht Jahren getötet werden. Auch im Fall einer Rückkehr nach Kabul, Mazar-e-Sharif oder Herat würden die Taliban aus dem Heimatdorf sie erkennen und egal wo sie in Afghanistan hingehen würden, würden die Taliban sie töten. Er gab an, täglich die Medikamente Sertralin Bluefish, Atarax 25 mg, Pantoloc 40 mg und Advantan einzunehmen. Der BF sei einmal im Monat in Gesprächstherapie in XXXX , von einem anderen Arzt, seinem Hausarzt, bekomme er Medikamente und besuche ihn bei Bedarf. Im Rahmen der Einvernahme legte der BF eine Kopie seiner Heiratsurkunde und eine Reihe an Integrationsunterlagen vor.
Mit Schreiben vom 02.02.2018 übermittelte die belangte Behörde dem BF das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan mit Stand vom 30.01.2018 und räumte ihm eine Frist zur Stellungnahme ein.
Mit E-Mail vom 07.02.2018 übermittelte das Rote Kreuz, Bezirksstelle XXXX , die Stellungnahme des BF und deren Übersetzung, in welcher er zusammengefasst vorbrachte, zu bestätigen, dass die Situation in Afghanistan sehr schlecht sei. Hunderte unschuldige Menschen würden von den Taliban getötet oder verletzt werden und die Regierung könne oder wolle nicht kontrollieren. Der BF wisse aus den Nachrichten, dass es immer mehr Drogensüchtige in Afghanistan gebe, wogegen die Regierung bis jetzt ebenfalls nichts unternommen habe. Der BF bitte darum, hierbleiben, lernen und arbeiten zu können, um ein sicheres und ruhiges Leben zu haben. Er habe zwei kleine Kinder und möchte, dass diese auch hierherkommen dürfen und in die Schule gehen können.
Mit nunmehr angefochtenem Bescheid wies die belangte Behörde der Antrag des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) ab. Gemäß § 57 AsylG 2005 erteilte die belangte Behörde dem BF keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.) und erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG (Spruchpunkt IV.). Die belangte Behörde stellte fest, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Weiters sprach die belangte Behörde aus, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des BF gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI).
Die belangte Behörde führte begründend aus, dass der BF keine Gründe glaubhaft machen habe können, wonach er in Afghanistan asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt gewesen sei bzw. eine solche Verfolgung zukünftig zu befürchten habe. Eine Rückkehr nach Uruzgan sei aufgrund der derzeit volatilen Sicherheitslage nicht zumutbar, es bestehe aber eine innerstaatliche Flucht- und Schutzalternative in Kabul. Die Erkrankung des BF stelle kein Rückkehrhindernis dar. Der BF sei volljährig und arbeitsfähig. Er verfüge über Schulbildung und habe bereits Berufserfahrungen als Schneider gesammelt. Er liefe nicht Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse nicht befriedigen zu können und in eine aussichtlose Lage zu geraten.
Der BF erhob mit Eingabe vom 22.03.2018 bevollmächtigt vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen diesen Bescheid fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde und führte begründend aus, dass er, anders als von der belangten Behörde festgestellt, als Hazara aus Uruzgan sehr wohl aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit Verfolgungen durch die Taliban ausgesetzt sei. Darüber hinaus sei Kabul keine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative, die Sicherheitslage sei höchst volatil. Es werde auf Recherchen der Schweizer Flüchtlingshilfe und den UNHCR Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender aus dem Jahr 2016 verwiesen. Der BF habe weder Freunde noch Familie in Afghanistan, er habe sein Leben in Pakistan und nun hier in Österreich verbracht. Was die psychische Erkrankung des BF betrifft, habe die belangte Behörde sich nicht ausreichend mit dem Vorbringen des BF und den Länderberichten auseinandergesetzt. Der BF habe bereits beachtliche Integrationsschritte in Österreich gesetzt.
Die Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt langten am 26.03.2018 beim Bundesverwaltungsgericht (in der Folge BVwG) ein.
Mit Schreiben vom 03.04.2018 teilte der Rechtsanwalt Dr. Helmut BLUM mit, vom BF mit der weiteren rechtfreundlichen Vertretung beauftragt und bevollmächtigt worden zu sein.
Das BVwG führte am 25.09.2018 eine Abfrage im GVS System durch, wonach der BF seit 26.11.2015 Leistungen aus der vorübergehenden Grundversorgung bezieht.
Aus dem vom BVwG am 25.09.2018 eingeholten Auszug aus dem Strafregister ist ersichtlich, dass der BF im Strafregister der Republik Österreich für den BF keine Verurteilungen aufscheinen.
Das BVwG führte am 26.09.2018 eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, an der die belangte Behörde entschuldigt nicht teilnahm. Der BF wurde im Beisein seines Vertreters und einer Dolmetscherin für die Sprache Dari zu seinen Fluchtgründen und zu seiner Situation in Österreich befragt und wurde ihm Gelegenheit gegeben, zu den aktuellen Feststellungen zur Situation in Afghanistan Stellung zu nehmen. Der BF gab dabei auf richterliche Befragung zu seinen Fluchtgründen im Wesentlichen das Gleiche an, was er bereits in seinen bisherigen Einvernahmen ausgesagt hatte und legte eine Reihe an Integrationsunterlagen vor. Darüber hinaus führte er an, eine paschtunische Familie, die der BF in Pakistan gekannt habe, sei mittlerweile in die Heimatregion zurückgekehrt. Sie hätten Fotos vom BF, anhand derer der BF erkannt und überall gefunden werden könnte. Weiters legte der BF einen nervenfachärztlichen Befund, Terminvereinbarungen für ärztliche Untersuchungstermine, Verschreibungen für Medikamente und die vom BF eingenommenen Medikamente vor. Der BF brachte vor, bereits in Pakistan psychische Probleme gehabt zu haben und in Österreich aus diesem Grund in Behandlung zu sein. Seine medizinische Versorgung wäre in Afghanistan nicht gewährleistet, ohne Medikamente wäre es für ihn aber unmöglich.
Das BVwG legte im Rahmen der Verhandlung die aktuellen Länderinformationen zu Afghanistan, genauer das Länderinformationsblatt Afghanistan in der Fassung vom 11.09.2018 und eine Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 13.09.2018 zur Dürre in Herat und Mazar- e Sharif vor und räumte den Parteien des Verfahrens die Möglichkeit ein, hierzu innerhalb einer Frist von drei Wochen eine schriftliche Stellungnahme abzugeben.
Der BF, bevollmächtigt vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Helmut BLUM, führte in seiner Stellungnahme vom 17.10.2018 im Wesentlichen aus, dass die übermittelten Länderfeststellungen zwar grundsätzlich zur Kenntnis genommen würden, aber bestritten werde, dass in Kabul, Herat oder Mazar-e Sharif eine inländische Fluchtalternative bzw. ein sicherer Aufenthalt des Beschwerdeführers möglich sei. Er verweise dazu einerseits auf die Ausführungen in den UNHCR-Richtlinien zu Afghanistan vom August 2018 sowie das Gutachten von Friederike Stahlmann zur Lage in Afghanistan. Diesem Gutachten sei zu entnehmen, dass an jedem Ort in Afghanistan ein tatsächliches Risiko für Leib und Leben bestehe, dem sich niemand entziehen könne. Dieses Risiko sei für den BF noch dadurch erhöht, dass er in Afghanistan keine Familienangehörigen auch sonst kein soziales Netzwerk habe. Darüber hinaus bestehe die Gefahr, dass er von jenen Leuten, die aufgrund der Grundstücksstreitigkeiten seinen Vater getötet hätten, aufgespürt und liquidiert werden könnte. Diese Personen müssten mit Blutrache des BF rechnen und würden dieser dadurch zuvorkommen wollen, dass man den BF beseitige um sich selbst und die eigene Familie zu schützen. Die Zahl der zivilen Opfer von Anschlägen in Afghanistan im ersten Halbjahr 2018 habe einen neuen Höchststand erreicht. Das Sicherheitsrisiko sei für den BF weiter erhöht, da er der Minderheit der Hazara angehört. Der BF sei psychisch erheblich angeschlagen und bedürfe einer regelmäßigen psychotherapeutischen Betreuung um schwere gesundheitliche Schäden von ihm abzuwenden. Eine Krankengeschichte sei von einer Fachärztin für Psychiatrie angefordert worden, liege aber leider noch nicht vor. Es werde deshalb um Einräumung einer weiteren Frist ersucht, um entsprechende Unterlagen beibringen zu dürfen. Dem BF sei aufgrund seiner erheblichen psychischen Probleme und der sehr schlechten Versorgungslage für psychisch Kranke in Afghanistan subsidiärer Schutz zu gewähren.
Die belangte Behörde gab keine Stellungnahme ab.
Das BVwG räumte dem BF eine Frist bis zum 23.11.2018 ein, um die in Aussicht gestellten Befunde nachzureichen.
Mit Schreiben vom 19.11.2018 übermittelte der durch den Rechtsanwalt Dr. Helmut BLUM vertretene BF drei Arztbriefe und eine Aufenthaltsbestätigung des Klinikum XXXX . Weiters wies er darauf hin, dass erst vor wenigen Tagen die Taliban in der Heimatstadt des BF in Uruzgan neuerlich ein Massaker an den Hazara angerichtet hätten und sich die Heimatprovinz des BF in einer sehr intensiven kriegerischen Auseinandersetzung mit den Taliban befinde.
Das Bundesverwaltungsgericht übermittelte diese Informationen an die belangte Behörde am 21.11.2018 zur Information. Diese äußerte sich nicht zu diesen Unterlagen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1 Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers
Der BF führt den Namen XXXX , geboren am XXXX , im Dorf XXXX , im Distrikt XXXX , in der Provinz Uruzgan, ist afghanischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Hazara an und ist schiitischer Moslem.
Die Muttersprache des BF ist Dari.
Der BF wuchs bis zu seinem achten Lebensjahr in der Provinz Uruzgan auf. Die Familie verließ Afghanistan wegen Problemen mit den Taliban und ging nach Pakistan. Der BF lebte ab seinem achten Lebensjahr bis zu seiner Ausreise nach Europa in XXXX , Pakistan.
Der BF ist verheiratet, hat einen vierjährigen Sohn und eine sechsjährige Tochter. Die Ehegattin und die Kinder des BF leben in XXXX , Pakistan. Der Beschwerdeführer steht in regelmäßigem Kontakt mit seiner Familie.
Der Vater des BF heißt XXXX . Er starb vor acht oder neun Jahren bei dem Versuch, nach Uruzgan zurückzukehren. Die Mutter des BF heißt XXXX . Der BF hat einen Bruder und eine Schwester. Der Bruder arbeitet halbtags als Schneider und besucht halbtags die Schule, die Schwester besucht die Schule. Die Mutter und die Geschwister des BF leben zusammen mit der Ehefrau des BF und seinen Kindern in XXXX , Pakistan.
Der BF hat einen Onkel mütterlicherseits im Iran und eine Tante und einen Onkel väterlicherseits in Pakistan. Er hat keine Verwandten in Afghanistan.
Der BF hat unregelmäßig eine Schule besucht und zuhause Unterricht erhalten. Er kann lesen und schreiben. Der BF hat seinen Lebensunterhalt in Pakistan als Schneider bestritten.
Der BF reiste im Herbst 2015 aus Pakistan aus und gelangte über den Iran, die Türkei über Griechenland und weitere Staaten nach Österreich, wo er am 31.10.2015 illegal einreiste und am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.
1.2 Zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers
Das vom BF dargelegte Fluchtvorbringen (betreffend die Gefahr, von Paschtunen bzw. Taliban verfolgt und getötet zu werden) ist nicht glaubhaft.
Der BF war in seinem Heimatland Afghanistan keiner psychischen oder physischen Gewalt aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe ausgesetzt, noch hat er eine solche, im Falle seiner Rückkehr, zu befürchten.
Der BF wurde in Afghanistan nie persönlich bedroht oder angegriffen, es droht ihm auch künftig keine psychische und/oder physische Gewalt von staatlicher Seite, und/oder von Aufständischen, und/oder von sonstigen privaten Verfolgern in seinem Herkunftsstaat.
Es kann nicht festgestellt werden, dass konkret der BF auf Grund der Tatsache, dass er sich seit dreieinhalb Jahren in Europa aufhält bzw. dass jeder afghanische Staatsangehörige, der aus Europa nach Afghanistan zurückkehrt, in Afghanistan psychischer und/oder physischer Gewalt ausgesetzt wäre. Ebenso kann nicht festgestellt werden, dass dem BF bei einer Rückkehr nach Afghanistan auf Grund seiner "westlichen Wertehaltung" psychische und/oder physische Gewalt drohen würde.
Dem BF droht wegen der Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara oder zur schiitischen Religion konkret und individuell keine physische und/oder psychische Gewalt in Afghanistan. Nicht jeder Angehörige der Volksgruppe der Hazara oder der schiitischen Religion ist in Afghanistan physischer und/oder psychischer Gewalt ausgesetzt.
Auch sonst haben sich keine Hinweise für eine dem BF in Afghanistan individuell drohende Verfolgung ergeben.
1.3 Zum (Privat)Leben des Beschwerdeführers in Österreich:
Der BF befindet sich seit seiner Antragstellung am 31.10.2015 auf Grund einer vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG 2005 durchgehend rechtmäßig im Bundesgebiet. Er bezieht seit seiner Einreise Leistungen aus der vorübergehenden Grundversorgung.
Der BF besuchte Deutschkurse, derzeit auf Niveau B1, und verfügt über Kenntnisse der deutschen Sprache. Er war in Österreich als Erntehelfer tätig und arbeitet ehrenamtlich seit zwei Jahren in der Küche eines Altersheims. Weiters hilft er manchmal ehrenamtlich in der Kirche mit Putzdiensten und auf dem Friedhof. In seiner Freizeit geht der Beschwerdeführer laufen und spielt Fußball. Der BF hat in Österreich keine Familienangehörigen. Neben Freundschaften konnten keine weiteren substantiellen Anknüpfungspunkte im Bereich des Privatlebens des BF in Österreich festgestellt werden.
Der BF ist grundsätzlich arbeitsfähig. Er leidet an einer rezidivierenden depressiven Störung, mit gegenwärtig mittelgradiger Episode, die sich unter anderem durch Ängste, innere Unruhe Konzentrationsstörungen und Alpträumen äußern. Aufgrund dieses Leidens befand er sich in regelmäßiger Gesprächstherapie und wird eine weitere Psychotherapie empfohlen. Darüber hinaus steht der BF in medikamentöser Behandlung.
Der BF ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.
1.4 Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:
Es kann nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass dem BF bei einer Überstellung in seine Herkunftsprovinz Uruzgan aufgrund der volatilen Sicherheitslage in dieser Provinz ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen würde.
Dem BF ist auch eine Rückkehr und (Wieder-)Ansiedlung in eine andere Provinz Afghanistans aufgrund seiner individuellen Umstände nicht zumutbar. Der psychisch kranke BF verfügt in Afghanistan über kein familiäres oder soziales Netzwerk, mit dessen Unterstützung er eine Existenzgrundlage aufbauen könnte. Der BF ist zwar in Afghanistan geboren, hat sich - bis auf die ersten Lebensjahre - jedoch nicht mehr in Afghanistan aufgehalten und ist mit den örtlichen und infrastrukturellen Gegebenheiten sowie den dortigen Lebensgewohnheiten nicht vertraut. Er ist als Hazara und schiitischer Moslem mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Diskriminierungen ausgesetzt. Bedingt durch seine Krankheit und durch den Umstand, dass der BF in Pakistan sozialisiert ist, wird es für ihn, im Vergleich zur übrigen dort lebenden Bevölkerung, ungleich schwieriger sein, eine Wohnung und einen Arbeitsplatz zu finden, und sich seinen Lebensunterhalt zu finanzieren. Darüber hinaus müsste der BF nicht nur sich selbst, sondern auch seine Ehefrau und die beiden gemeinsamen Kinder versorgen.
Die beim BF vorgenommene Einzelfallprüfung ergibt, dass aufgrund der oben dargelegten individuellen Umstände nicht davon ausgegangen werden kann, dass es ihm möglich ist, nach allfälligen anfänglichen Schwierigkeiten in Afghanistan, insbesondere auch bei ein Neuansiedlung in einer der Städte Mazar-e Sahrif, Herat oder Kabul, Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können. Bei einer dortigen Ansiedlung liefe der BF vielmehr Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.
1.5 Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat:
Zur Lage in Afghanistan werden die im Länderinformationsblatt der Staatendokumentation in der Gesamtaktualisierung vom 29.06.2018 mit Stand vom 11.09.2018, sowie die in den notorischen UNHCR Richtlinien vom 30.08.2018 und den notorischen EASO Richtlinien zu Afghanistan vom Juni 2018 enthaltenen folgenden Informationen als entscheidungsrelevant festgestellt:
1.5.1. Sicherheitslage
Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt insgesamt volatil und weist starke regionale Unterschiede auf. Provinzen und Distrikten mit aktiven Kampfhandlungen stehen andere gegenüber, in denen die Lage trotz punktueller Sicherheitsvorfälle vergleichsweise stabil ist. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädte und den Großteil der Distriktzentren. Ausländische Streitkräfte und Regierungsvertreter sowie die als ihre Verbündeten angesehenen Angehörigen der afghanischen Sicherheitskräfte und Vertreter der afghanischen Regierung sind prioritäre Ziele der Aufständischen. Eine Bedrohung für Zivilisten geht insbesondere von Kampfhandlungen zwischen den Konfliktparteien sowie improvisierten Sprengkörpern, Selbstmordanschlägen und komplexen Angriffen auf staatliche Einrichtungen aus. In einigen Teilen des Landes ist fehlende Sicherheit die größte Bewegungseinschränkung. In bestimmten Gebieten machen Gewalt durch Aufständische, Landminen und improvisierte Sprengfallen (IEDs) das Reisen besonders gefährlich, speziell in der Nacht. Bewaffnete Aufständischengruppen betreiben illegale Checkpoints und erpressen Geld und Waren.
1.5.2 Uruzgan
Die Provinz Uruzgan, die Herkunftsprovinz des Beschwerdeführers, ist auch unter den Namen Rozgan oder Uruzganis bekannt und liegt in Zentralafghanistan. Sie grenzt nördlich an die Provinz Daikundi, südlich an Zabul und Kandahar, südwestlich an Helmand und östlich an Ghazni. Die Provinz-Hauptstadt ist Tarinkot. Sie besteht aus folgenden Distrikten: Shahid-e-Hassas/Charchino, Dehrawud, Tarinkot/Tirinkot, Chora/Chinarto, Khasuruzgan und Gizab. Der Distrikt Gizab, früher Teil von Daikundi, fällt nun unter die Verwaltung von Uruzgan.
Eine Abzweigung der Ring Road, die sogenannte Kandahar-Uruzgan-Autobahn, führt durch die Provinz. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 362.253 geschätzt. Uruzgan ist mehrheitlich von Paschtunen und ihren Teilstämmen Popalzi, Achakzai, Noorzai, Barakzai, Alkozai, Durrani bewohnt. Weitere in der Provinz lebende Ethnien sind Hazara und Kuchi.
Der Provinz Uruzgan - lange Zeit eine der umstrittensten Provinzen im Süden des Landes - wird nachgesagt, der Geburtsort des Talibangründers Mullah Omar zu sein. Im Jahr 2001 war sie Ort einer Guerillaoperation - geführt vom ehemaligen Präsident Karzai - um die Taliban zu vertreiben. Die Provinz hat somit für beide Seiten des Konfliktes symbolischen Wert. Sowohl im Dezember 2017, als auch im Jänner und März 2018 zählte Uruzgan Berichten zufolge zu den volatilen Provinzen im Süden Afghanistans. Regierungsfeindliche, bewaffnete Gruppierungen sind in einer Anzahl von Distrikten aktiv. Auch zählt Uruzgan zu jenen Provinzen, in denen eine hohe Anzahl an Zivilisten aufgrund explosiver Kampfmittelrückstände und indirekter Waffeneinwirkung ums Leben kam. Im Zeitraum 01.01.2017 bis 30.04.2018 wurden in der Provinz 170 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Im gesamten Jahr 2017 wurden in Uruzgan 575 zivile Opfer (87 getötete Zivilisten und 488 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Bodenoffensiven, gefolgt von IEDs und Luftangriffen. Dies bedeutet einen Rückgang von 26% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016.
Uruzgan gehört zu den Provinzen mit der höchsten Anzahl registrierter Anschläge im Jahr 2017.
Die afghanischen Sicherheitskräfte sowie die afghanische Armee führen hartnäckig Anti- Terrorismus Operationen in der Provinz durch, um die Aktivitäten von Aufständischen und Terroristen zu verringern. Insbesondere in den unruhigen Distrikten der Provinz werden regierungsfeindliche bewaffnete Kräfte bekämpft. In den Distriken Chora, Charchino, Gizab und der Hauptstadt Tirinkot werden Antiterror- Operationen durchgeführt, um Aufständische zu bekämpfen, dabei werden Aufständische getötet - manchmal auch hochrangige Anführer. Zusammenstöße zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen finden statt. Um die nationalen Sicherheitskräfte in ihrem Kampf gegen die Taliban zu unterstützen, greifen Hunderte von Bewohnern der Distrikte Tirinkot, Khasuruzgan, Charchino und Dehrawud Ende Jänner 2018 zu Waffen. Die Maßnahme wurde von der Provinzregierung begrüßt.
Uruzgan gehört demnach zu den Provinzen des Landes, in denen die Opium-Produktion und dadurch die Präsenz der Taliban im Laufe des Jahres 2017 gestiegen ist. Einige Distrikte der Provinz sind umkämpft. Berichten zufolge sind in den Distrikten Chora, Charchino, Gizab und Tirinkot die Taliban aktiv. So wurde beispielsweise das Hauptkrankenhaus der Provinz im September aufgrund von Drohungen der Taliban gegenüber Ärzten vorübergehend geschlossen. Im Zeitraum 01.01.2017 - 15.07.2017 wurden im Süden und im Nordosten der Provinz Uruzgan Zusammenstöße zwischen dem IS und den Streitkräften gemeldet, während zwischen dem 16.07.2017 und dem 31.01.2018 keine Vorfälle registriert wurden.
Bei der Provinz Uruzgan handelt es sich nach den notorischen EASO Leitlinien vom Juni 2018 um einen jener Landesteile Afghanistans, wo willkürliche Gewalt ein derart hohes Ausmaß erreicht, dass im Einzelfall nur minimale Teilvoraussetzungen erfüllt sein müssen, um berechtigten Grund für die Annahme zu liefern, dass Zivilisten, welche in die betreffende Provinz rückgebracht würden, eine reelle Gefahr, ernsthaften Schaden im Sinne von Artikel 15(c) der Qualifizierungsrichtlinie zu nehmen, zu gewärtigen hätten (wie beispielsweise schwerwiegende oder individuelle Bedrohung des Lebens einer Zivilperson bzw. einer konkreten Person).
1.5.3 Wirtschafts- und Versorgungslage
Zur Wirtschafts- und Versorgungslage ist festzuhalten, dass Afghanistan weiterhin ein Land mit hoher Armutsrate und Arbeitslosigkeit ist. Seit 2002 hat Afghanistan mit Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft wichtige Fortschritte beim Wiederaufbau seiner Wirtschaft erzielt. Nichtsdestotrotz bleiben bedeutende Herausforderungen bestehen, da das Land weiterhin von Konflikten betroffen, arm und von Hilfeleistungen abhängig ist. Während auf nationaler Ebene die Armutsrate in den letzten Jahren etwas gesunken ist, stieg sie in Nordostafghanistan in sehr hohem Maße. Im Norden und im Westen des Landes konnte sie hingegen reduziert werden. Angesichts des langsamen Wachstums, sicherheitsbedingter Versorgungsunterbrechungen und schwacher landwirtschaftlicher Leistungen, nimmt die Armut auch im Jahr 2018 weiterhin zu.
In den Jahren 2016-2017 wuchs die Arbeitslosenrate, die im Zeitraum 2013-2014 bei 22,6% gelegen hatte, um 1%. Die Arbeitslosigkeit betrifft hauptsächlich gering qualifizierte bildungsferne Personen; diese sind auch am meisten armutsgefährdet. Über 40% der erwerbstätigen Bevölkerung gelten im Jahr 2018 als arbeitslos oder unterbeschäftigt. Es müssten jährlich geschätzte 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um Neueinsteiger in den Arbeitsmarkt integrieren zu können.
Die afghanische Regierung hat Bemühungen zur Armutsreduktion gesetzt und unterstützt den Privatsektor weiterhin dabei, nachhaltige Jobs zu schaffen und das Wirtschaftswachstum voranzutreiben. Die Ausstellung von Gewerbeberechtigungen soll gesteigert, steuerliche Sanktionen abgeschafft und öffentlich-private Partnerschaften entwickelt werden; weitere Initiativen sind geplant.
1.5.4 Ethnische Minderheiten, Hazara und Schiiten
In Afghanistan leben laut Schätzungen vom Juli 2017 mehr als 34,1 Millionen Menschen. Zuverlässige statistische Angaben zu den Ethnien Afghanistans und zu den verschiedenen Sprachen existieren nicht.
Schätzungen zufolge, sind: 40% Paschtunen, rund 30% Tadschiken, ca. 10% Hazara, 9% Usbeken. Auch existieren noch andere ethnische Minderheiten, wie z.B. die Aimaken, die ein Zusammenschluss aus vier semi-nomadischen Stämmen mongolisch, iranischer Abstammung sind, sowie die Belutschen, die zusammen etwa 4 % der Bevölkerung ausmachen. Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung (Art. 16) sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt, wo die Mehrheit der Bevölkerung (auch) eine dieser Sprachen spricht. Diese weiteren in der Verfassung genannten Sprachen sind Usbekisch, Turkmenisch, Belutschisch, Pashai, Nuristani und Pamiri. Es gibt keine Hinweise, dass bestimmte soziale Gruppen ausgeschlossen werden. Keine Gesetze verhindern die Teilnahme der Minderheiten am politischen Leben. Nichtsdestotrotz, beschweren sich unterschiedliche ethnische Gruppen, keinen Zugang zu staatlicher Anstellung in Provinzen haben, in denen sie eine Minderheit darstellen.
Die schiitische Minderheit der Hazara, zu welchen der BF zählt, macht etwa 10% der Bevölkerung aus. Die Hazara besiedelten traditionell das Bergland in Zentralafghanistan, das sich zwischen Kabul im Osten und Herat im Westen erstreckt und unter der Bezeichnung Hazaradschat (azarajat) bekannt ist. Das Kernland dieser Region umfasst die Provinzen Bamyan, Ghazni, Daikundi und den Westen der Provinz Wardak. Es können auch einzelne Teile der Provinzen Ghor, Uruzgan, Parwan, Samangan, Baghlan, Balkh, Badghis, und Sar-e Pul dazugerechnet werden. Wichtige Merkmale der ethnischen Identität der Hazara sind einerseits ihr ethnisch-asiatisches Erscheinungsbild, woraus gern Schlussfolgerungen über eine turko-mongolische Abstammung der Hazara gezogen werden. Eine Minderheit der Hazara, die vor allem im nordöstlichen Teil des Hazaradschat leben, sind Ismailiten.
Die Hazara-Gemeinschaft/Gesellschaft ist traditionell strukturiert und basiert auf der Familie bzw. dem Klan. Die sozialen Strukturen der Hazara werden manchmal als Stammesstrukturen bezeichnet; dennoch bestehen in Wirklichkeit keine sozialen und politischen Stammesstrukturen. Das traditionelle soziale Netz der Hazara besteht größtenteils aus der Familie, obwohl gelegentlich auch politische Führer einbezogen werden können.
Nicht weniger wichtig als Religion und Abstammung ist für das ethnische Selbstverständnis der Hazara eine lange Geschichte von Unterdrückung, Vertreibung und Marginalisierung. Jahrzehntelange Kriege und schwere Lebensbedingungen haben viele Hazara aus ihrer Heimatregion in die afghanischen Städte, insbesondere nach Kabul, getrieben. Dennoch hat sich die Lage der Hazara, die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgt waren, grundsätzlich verbessert; vornehmlich aufgrund von Bildung und vor allem auf ökonomischem und politischem Gebiet. Hazara in Kabul gehören jetzt zu den am besten gebildeten Bevölkerungsgruppen und haben auch eine Reihe von Dichtern und Schriftstellern hervorgebracht. Auch wenn es nicht allen Hazara möglich war diese Möglichkeiten zu nutzen, so haben sie sich dennoch in den Bereichen Bildung, öffentliche Verwaltung und Wirtschaft etabliert.
So haben Hazara eine neue afghanische Mittelklasse gegründet. Im Allgemeinen haben sie, wie andere ethnische Gruppen auch, gleichwertigen Zugang zum Arbeitsmarkt. Nichtsdestotrotz, sind sie von einer allgemein wirtschaftlichen Verschlechterung mehr betroffen als andere, da für sie der Zugang zu Regierungsstellen schwieriger ist - außer ein/e Hazara ist selbst Abteilungsleiter/in. Einer Quelle zufolge existiert in der afghanischen Gesellschaft die Auffassung, dass andere ethnische Gruppierungen schlecht bezahlte Jobs Hazara geben. Einer weiteren Quelle zufolge, beschweren sich Mitglieder der Hazara-Ethnie über Diskriminierung während des Bewerbungsprozesses, da sie anhand ihrer Namen leicht erkennbar sind. Die Ausnahme begründen Positionen bei NGOs und internationalen Organisationen, wo das Anwerben von neuen Mitarbeitern leistungsabhängig ist. Arbeit für NGOs war eine Einnahmequelle für Hazara - nachdem nun weniger Hilfsgelder ausbezahlt werden, schrauben auch NGOs Jobs und Bezahlung zurück, was unverhältnismäßig die Hazara trifft. So berichtet eine weitere Quelle, dass Arbeitsplatzanwerbung hauptsächlich über persönliche Netzwerke erfolgt. Hazara haben aber aufgrund vergangener und anhaltender Diskriminierung eingeschränkte persönliche Netzwerke.
Gesellschaftliche Spannungen bestehen fort und leben lokal in unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder auf; soziale Diskriminierung gegen schiitische Hazara basierend auf Klasse, Ethnie oder religiösen Ansichten finden ihre Fortsetzung in Erpressungen (illegale Steuern), Zwangsrekrutierung, Zwangsarbeit, physischer Misshandlung und Festnahmen.
Die Hazara sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 10% in der Afghan National Army und der Afghan National Police repräsentiert.
Etwa 99,7% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime, davon zwischen 84,7 und 89,7% Sunniten, davon zwischen 10-15 % Schiiten, wie es auch der BF ist.
Beobachtern zufolge ist die Diskriminierung der schiitischen Minderheit durch die sunnitische Mehrheit zurückgegangen; dennoch existieren Berichte zu lokalen Diskriminierungsfällen. Afghanischen Schiiten ist es möglich, ihre Feste öffentlich zu feiern; einige Paschtunen sind jedoch wegen der Feierlichkeiten missgestimmt, was gelegentlich in Auseinandersetzungen mündet. In den Jahren 2016 und 2017 wurden schiitische Muslime, hauptsächlich ethnische Hazara, oftmals Opfer von terroristischen Angriffen u.a. der Taliban und des IS.
1.5.5 Psychische Erkrankungen
In der afghanischen Bevölkerung leiden viele Menschen an unterschiedlichen psychischen Erkrankungen. Die afghanische Regierung ist sich der Problematik bewusst und hat geistige Gesundheit als Schwerpunkt gesetzt. Jedoch ist der Fortschritt schleppend und die Leistungen außerhalb von Kabul sind dürftig. In der afghanischen Gesellschaft werden Menschen mit körperlichen und psychischen Behinderungen als schutzbedürftig betrachtet. Sie sind Teil der Familie und werden genauso wie Kranke und Alte gepflegt. Daher müssen körperlich und geistig Behinderte sowie Opfer von Missbrauch eine starke familiäre und gemeinschaftliche Unterstützung sicherstellen.
Die Infrastruktur für die Bedürfnisse mentaler Gesundheit entwickelt sich langsam. So existieren z. B. in Mazar-e Sharif ein privates neuropsychiatrisches Krankenhaus (Alemi Hospital) und ein öffentliches psychiatrisches Krankenhaus. In Kabul existiert eine weitere psychiatrische Klinik. Landesweit bieten alle Provinzkrankenhäuser kostenfreie psychologische Beratungen an, die in einigen Fällen sogar online zur Verfügung stehen. Mental erkrankte Personen können beim Roten Halbmond, in entsprechenden Krankenhäusern und bei anderen Nichtregierungsorganisationen behandelt werden. Einige dieser NGOs sind die International Psychological Organisation (IPSO) in Kabul, die Medica Afghanistan und die PARSA.
Traditionell mangelt es in Afghanistan an einem Konzept für psychisch Kranke. Sie werden nicht selten in spirituellen Schreinen unter teilweise unmenschlichen Bedingungen "behandelt" oder es wird ihnen durch eine "Therapie" mit Brot, Wasser und Pfeffer der "böse Geist ausgetrieben". Es gibt jedoch aktuelle Bemühungen, die Akzeptanz und Kapazitäten für psychiatrische Behandlungsmöglichkeiten zu stärken und auch Aufklärung sowohl über das Internet als auch in Form von Comics (für Analphabeten) zu. Beispielweise wurde in der Provinz Badakhshan durch internationale Zusammenarbeit ein Projekt durchgeführt, bei dem konventionelle und kostengünstige e-Gesundheitslösungen angewendet werden, um die vier häufigsten psychischen Erkrankungen zu behandeln: Depressionen, Psychosen, posttraumatische Belastungsstörungen und Suchterkrankungen. Erste Evaluierungen deuten darauf hin, dass in abgelegenen Regionen die Qualität der Gesundheitsversorgung verbessert werden konnte. Auch die gesellschaftliche Stigmatisierung psychisch Erkrankter konnte reduziert werden.
Trotzdem findet die Behandlung von psychischen Erkrankungen - insbesondere Kriegstraumata - abgesehen von einzelnen Projekten von NGOs nach wie vor nicht in ausreichendem Maße statt.
1.5.6 Soziale Netzwerke
Die Großfamilie ist die zentrale soziale Institution in Afghanistan und bildet das wichtigste soziale Sicherheitsnetz der Afghanen. Alle Familienmitglieder sind Teil des familiären Netzes. Die Großfamilie trägt zu Schutz, Betreuung und Versorgung ihrer Mitglieder bei. Sie bildet auch eine wirtschaftliche Einheit; die Männer der Familie sind verpflichtet, die Mitglieder der Großfamilie zu unterstützen und die Familie in der Öffentlichkeit zu repräsentieren. Ein fehlendes familiäres Netzwerk stellt eine Herausforderung für die Reintegration von Migrant/innen in Afghanistan dar. Quellen zufolge haben aber alleinstehende afghanische Männer, egal ob sie sich kürzer oder länger außerhalb der Landesgrenzen aufhielten, sehr wahrscheinlich eine Familie in Afghanistan, zu der sie zurückkehren können. Eine Ausnahme stellen möglicherweise jene Fälle dar, deren familiäre Netze in den Nachbarstaaten Iran oder Pakistan liegen.
Neben der Familie als zentrale Stütze der afghanischen Gesellschaft, kommen noch weitere, wichtige Netzwerke zum Tragen, wie z. B. der Stamm, der Clan und die lokale Gemeinschaft. Diese basieren auf Zugehörigkeit zu einer Ethnie, Religion oder anderen "professionellen" Netzwerken (Kolleg/innen, Kommilitonen etc.) sowie politische Netzwerke usw. Die unterschiedlichen Netzwerke haben verschiedene Aufgaben und unterschiedliche Einflüsse - auch unterscheidet sich die Rolle der Netzwerke zwischen den ländlichen und städtischen Gebieten. Ein Netzwerk ist für das Überleben in Afghanistan wichtig. So sind einige Rückkehrer/innen auf soziale Netzwerke angewiesen, wenn es ihnen nicht möglich ist, auf das familiäre Netz zurückzugreifen. Ein Mangel an Netzwerken stellt eine der größten Herausforderungen für Rückkehrer/innen dar, was möglicherweise zu einem neuerlichen Verlassen des Landes führen könnte. Die Rolle sozialer Netzwerke - der Familie, der Freunde und der Bekannten - ist für junge Rückkehrer/innen besonders ausschlaggebend, um sich an das Leben in Afghanistan anzupassen. Sollten diese Netzwerke im Einzelfall schwach ausgeprägt sein, kann die Unterstützung verschiedener Organisationen und Institutionen in Afghanistan in Anspruch genommen werden.
2. Beweiswürdigung:
2.1 Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers
Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, Herkunft, ethnischen und religiösen Zugehörigkeit sowie zu den Aufenthaltsorten, Familienangehörigen, Sprachkenntnissen, der Schulbildung und Berufserfahrung des BF beruhen auf dessen plausiblen, im Wesentlichen gleichbleibenden Angaben im Laufe des Asylverfahrens. Die Angaben dienen zur Identifizierung im Asylverfahren.
2.2. Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers
Bereits die belangte Behörde wertete das Vorbringen des BF betreffend eine asylrelevante Verfolgungsgefahr aufgrund vager Angaben und fehlender individueller Verfolgung als unglaubhaft. Im Laufe des Rechtsmittelverfahrens verstärkte sich der Eindruck der Unglaubwürdigkeit des BF noch, da sich im Rahmen der mündlichen Verhandlung weitere Ungereimtheiten im Vorbringen ergaben, welche der BF nicht schlüssig zu erklären vermochte.
Insofern sich das Fluchtvorbingen auf Pakistan bezieht, ist es schon aus diesem Grund nicht von asylrechtlicher Relevanz.
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 idF BGBl. I Nr. 145/2017, (in der Folge: AsylG 2005) liegt es auch am Beschwerdeführer, entsprechend glaubhaft zu machen, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der Begriff der "Glaubhaftmachung" im AVG oder in den Verwaltungsvorschriften iSd § 274 ZPO zu verstehen. Ausgehend von § 274 Abs. 1 letzter Satz ZPO eignet sich nur eine Beweisaufnahme, die sich sofort ausführen lässt (mit Hilfe so genannter "parater" Bescheinigungsmittel) zum Zwecke der Glaubhaftmachung (VwGH 27.05.2014, 2014/16/0003 mwN), wobei der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen seiner asylrechtlichen Spruchpraxis von dieser Einschränkung abweicht.
Mit der Glaubhaftmachung ist auch die Pflicht der Verfahrenspartei verbunden, initiativ alles darzulegen, was für das Zutreffen der behaupteten Voraussetzungen spricht und diesbezüglich konkrete Umstände anzuführen, die objektive Anhaltspunkte für das Vorliegen dieser Voraussetzung liefern. Insoweit trifft die Partei eine erhöhte Mitwirkungspflicht. Allgemein gehaltene Behauptungen reichen für eine Glaubhaftmachung nicht aus (vgl. VwGH 17.10.2007, 2006/07/0007).
Die Glaubhaftmachung hat das Ziel, die Überzeugung von der Wahrscheinlichkeit bestimmter Tatsachenbehauptungen zu vermitteln. Glaubhaftmachung ist somit der Nachweis einer Wahrscheinlichkeit. Dafür genügt ein geringerer Grad der Wahrscheinlichkeit als der, der die Überzeugung von der Gewissheit rechtfertigt (VwGH 29.05.2006, 2005/17/0252). Im Gegensatz zum strikten Beweis bedeutet Glaubhaftmachung ein reduziertes Beweismaß und lässt durchwegs Raum für gewisse Einwände und Zweifel am Vorbringen des Asylwerbers. Entscheidend ist, ob die Gründe, die für die Richtigkeit der Sachverhaltsdarstellung sprechen, überwiegen oder nicht. Dabei ist eine objektivierte Sichtweise anzustellen.
Unter diesen Maßgaben ist das Vorbringen eines Asylwerbers also auf seine Glaubhaftigkeit hin zu prüfen. Dabei ist v.a. auf folgende Kriterien abzustellen: Zunächst bedarf es einer persönlichen Glaubwürdigkeit des Asylwerbers, die insbesondere dann getrübt sein wird, wenn sein Vorbringen auf ge- oder verfälschte Beweismittel gestützt ist, oder er wichtige Tatsachen verheimlicht respektive bewusst falsch darstellt, im Laufe des Verfahrens das Vorbringen auswechselt oder unbegründet und verspätet erstattet oder mangelndes Interesse am Verfahrensablauf zeigt und die nötige Mitwirkung verweigert. Weiters muss das Vorbringen des Asylwerbers - unter Berücksichtigung der jeweiligen Fähigkeiten und Möglichkeiten - genügend substantiiert sein; dieses Erfordernis ist insbesondere dann nicht erfüllt, wenn der Asylwerber den Sachverhalt sehr vage schildert oder sich auf Gemeinplätze beschränkt, nicht aber in der Lage ist, konkrete und detaillierte Angaben über seine Erlebnisse zu machen. Das Vorbringen hat zudem plausibel zu sein, muss also mit den Tatsachen oder der allgemeinen Erfahrung übereinstimmen; diese Voraussetzung ist u.a. dann nicht erfüllt, wenn die Darlegungen mit den allgemeinen Verhältnissen im Heimatland nicht zu vereinbaren sind oder sonst unmöglich erscheinen. Schließlich muss das Fluchtvorbringen in sich schlüssig sein; der Asylwerber darf sich demgemäß nicht in wesentlichen Aussagen widersprechen.
Vor diesem Hintergrund geht die zur Entscheidung berufene Richterin des BVwG auf Grund ihres in der mündlichen Verhandlung erhaltenen persönlichen Eindrucks, sowie der im Akt einliegenden niederschriftlichen Erstbefragung und Ersteinvernahme des BF davon aus, dass ihm hinsichtlich seines Fluchtvorbringens (betreffend die Gefahr, von Paschtunen bzw. Taliban verfolgt und getötet zu werden) keine Glaubwürdigkeit zukommt:
Der BF gab während des gesamten Verfahrens in Wesentlichen gleichbleibend an, als Kind mit seiner Familie nach Pakistan geflohen zu sein. Seine Mutter habe ihm erzählt, dass sie Afghanistan wegen der Taliban und Paschtunen in ihrem Heimatdorf verlassen hätten, welche sie belästigten und ihr Haus und ihre Grundstücke weggenommen hätten. Vor etwa acht bis neun Jahren sei der Vater in die Heimatregion zurückgekehrt und dabei von den Taliban getötet worden.
Dabei stützt sich das gesamte diesbezügliche Vorbringen des BF auf Hörensagen. In der Einvernahme vor der belangten Behörde vom 19.07.2016 berief sich der BF mehrfach auf die Erzählungen seiner Mutter ("Meine Mutter hat mir erzählt, dass wir Afghanistan wegen den Taliban, besonders wegen den Paschtunen verlassen haben." (...) "In meinem Heimatdorf herrschen die Taliban. Das hat mir meine Mutter erzählt. Momentan bedrohen die Taliban die Hazara in meinem Heimatdorf. Meine Mutter sagte, die Taliban bedrohen unsere Familie wegen unserer Grundstücke und unserem Haus." (...) "Meine Mutter hat mir erzählt, dass die Taliban von unserem Heimatdorf uns kennen würden und egal wo wir hingehen würden in Afghanistan, dann werden sie uns töten." (...) "F: Woher wissen Sie, dass Ihr Vater von den Taliban getötet wurde? A: Mein Onkel hat meine Mutter angerufen und meine Mutter hat es mir gesagt" (...) "F: Woher kennen die Taliban Sie? Meine Mutter sagt, dass die Taliban und Paschtunen in unserem Heimatdorf uns kennen. Woher sollten sie Taliban Sie kennen? Meine Mutter hat gesagt, die Paschtunen oder die Taliban leben immer noch dort. Sie kennen uns. Sie kennen meine Mutter.") Der BF selbst, der seine Heimat im Alter von etwa acht Jahren verlassen hat, wurde in Afghanistan, wie er sowohl bei der Einvernahme durch das BFA als auch in der Beschwerdeverhandlung vor dem BVwG selbst bestätigt, nie persönlich bedroht und verfolgt und schilderte in der seinen Herkunftsstaat Afghanistan betreffenden Fluchtgeschichten keine persönlichen Erlebnisse, weshalb sich das Vorbringen während des gesamten Verfahrens auch vage und unsubstantiiert zeigte.
Auf Befragung durch die erkennende Richterin, wer daher in Afghanistan nach ihm suchen sollte, nannte er die Taliban, die seiner Familie das Haus und Grundstück weggenommen hätten. Befragt, warum sie nach ihm suchen sollten, wenn sie ohnehin bereits in Besitz des Hauses und Grundstücks seien, änderte er die Begründung und führte aus, sie hätten Angst, der BF könnte den Tod seines Vaters rächen. Dabei zeigt sich sein Vorbringen widersprüchlich und insgesamt in sich nicht schlüssig, gab er doch vor der belangten Behörde noch an, sein Vater sei nicht gezielt wegen seiner Person getötet worden, sondern generell seien alle Hazara aus dem Heimatdorf geflohen bzw. umgebracht worden (vgl. S 11 der Einvernahme vor dem BFA am 13.12.2017). Dass Grundstücksstreitigkeiten der Grund für die Flucht der Familie bzw. die Tötung des Vaters gewesen seien, wurde vom BF dabei nicht vorgebracht.
Dass dem BF aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit zu den Hazara in Afghanistan Verfolgung droht, konnte er jedoch ebenfalls nicht glaubhaft darlegen. Als Schiit und Hazara ist er zwar mit großer Wahrscheinlichkeit, wie sich aus den Länderberichten ergibt, Diskriminierungen durch die Mehrheitsbevölkerung und durch die Aufständischen ausgesetzt, dies hat jedoch nichts mit seiner Tätigkeit oder mit seiner individuellen Persönlichkeit zu tun, sondern gründet sich ausschließlich aufgrund seine Volksgruppenzugehörigkeit. Hinweise dafür, dass alleine dieser Umstand zu einer asylrelevanten Verfolgung des BF führt, sind den Länderberichten zu Afghanistan nicht zu entnehmen. Hinsichtlich der behaupteten Gruppenverfolgung der Hazara wird auf die Ausführungen in der rechtlichen Beurteilung verwiesen.
Im Rahmen der Beschwerdeverhandlung vor dem BVwG steigerte der BF sein Vorbringen weiter, als er erstmals angab, eine ihm bekannte paschtunische Familie sei aus Pakistan in die Heimatregion zurückgekehrt und habe Fotos vom BF bei sich, weshalb man den BF bei einer Rückkehr sofort erkennen und töten würde. Dabei konnte der BF nicht glaubhaft darlegen, warum die genannte Familie das Foto des BF, welcher als Achtjähriger sein Heimatdorf verlassen hatte, herzeigen sollte (vgl. Niederschrift der Beschwerdeverhandlung am 26.09.2018: "RI: Welche Interesse sollte die Familie haben, irgendwelche Fotos von Ihnen herumzuzeigen? BF: Diese Paschtunen leben mit den Taliban im selben Dorf. R: in welchem Dorf? BF: Im Dorf XXXX . Meine Fotos zeigen sie bestimmt her, und sie werden bestimmt auch zu meinen Fotos kommen. Ich habe bei meiner letzten Einvernahme bereits schon gesagt, dass ich Angst vor diesen Paschtunen habe."). Weiters ist das Vorbringen des BF in diesem Zusammenhang, wonach er aufgrund dieses Fotos auch in anderen Teilen Afghanistans, darunter in Großstädten wie Herat, Mazar-e Sharif oder Kabul gefunden würde, gänzlich unplausibel.
Es zeigt sich dabei vielmehr, dass der BF sein Fluchtvorbringen übersteigert, um den Gründen, weshalb er in Afghanistan Verfolgung zu befürchten habe, immer wieder mit neuen Argumenten mehr Gewicht zu geben. Nach Ansicht des BVwG ist dies zumindest als Indiz für ein insgesamt nicht glaubhaftes Vorbringen zu werten.
Zur Feststellung, dass dem BF im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan aus Europa keine konkret gegen ihn gerichtete psychische und/oder physische Gewalt aufgrund einer unterstellten westliche Gesinnung droht, ist festzuhalten, dass sich der BF erst seit Oktober 2015 in Österreich aufhält und aufgrund der Kürze dieses Aufenthalts in Zusammenhang mit dem von ihm in der Beschwerdeverhandlung gewonnenen persönlichen Eindruck nicht davon ausgegangen wird, dass der BF eine "westliche Lebenseinstellung" in einer solchen Weise übernommen hätte, dass er alleine deshalb bei einer Rückkehr einer Verfolgungsgefährdung ausgesetzt wäre. Sein diesbezügliches Vorbringen blieb darüber hinaus vage und allgemein (vgl. S 19 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung). Aus den Länderberichten zu Afghanistan lässt sich außerdem nicht entnehmen, dass per se jeder Rückkehrer aus Europa aus diesem Grund einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt wäre.
Aus den dargelegten Gründen kommt die erkennende Richterin zu dem Schluss, dass das Vorbringen des BF hinsichtlich seines Fluchtgrundes weder glaubhaft, noch schlüssig oder plausibel ist, weswegen die entsprechende Feststellung zu treffen ist.
2.3 Zu den Feststellungen zum (Privat)Leben des Beschwerdeführers in Österreich:
Betreffend das Privatleben und insbesondere die Integration des BF in Österreich wurden dessen Angaben in der Beschwerdeverhandlung sowie die vorgelegten Unterlagen den Feststellungen zugrunde gelegt.
Die Feststellung, dass der BF grundsätzlich arbeitsfähig ist, ergibt sich aus seinen glaubhaften Angaben bei seinen Einvernahmen im gegenständlichen Asylverfahren und dem persönlichen Eindruck, den der BF bei den mündlichen Beschwerdeverhandlungen vor dem BVwG hinterlassen hat.
Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des BF gründen sich auf die Angaben des BF in der Einvernahme durch das BFA sowie in der mündlichen Verhandlung und die in der Stellungnahme vom 19.11.2018 vorgelegten medizinischen Unterlagen und Medikamente. Darin wird unter anderem eine rezidivierende depressive Störung diagnostiziert. Zur Behandlung dieser Leiden wird ihm, neben der derzeit durchgeführten medikamentösen Behandlung, eine regelmäßige psychotherapeutische Behandlung empfohlen.
Der BF gab bereits in der Einvernahme durch das BFA bekannt, an psychischen Problemen zu leiden, wozu er in der Beschwerdeverhandlung vor dem BVwG detaillierter ausführte und auch in der Stellungnahme vom 19.11.2018 medizinische Unterlagen dazu vorlegte.
Die Feststellung der Unbescholtenheit des BF ergibt sich aus einer aktuellen Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich.
2.4 Zu den Feststellungen zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:
Die Feststellungen zur Rückkehr des BF nach Afghanistan ergeben sich aus den o.a. Länderfeststellungen unter Berücksichtigung des vom BF in seiner Beschwerde, in seinen Stellungnahmen zur Gefährdungslage in Afghanistan diesbezüglich angeführten Länderberichtsmaterials in Zusammenschau mit den vom BF glaubhaft dargelegten persönlichen Umständen. Der BF leidet nachweislich an einer rezidivierenden depressiven Störung, aufgrund derer er in medikamentöser Behandlung ist und ihm weiters psychotherapeutische Behandlung empfohlen wird.
Im Einklang mit seinen Stellungnahmen kommt die erkennende Richterin unter Berücksichtigung der aktuellen Länderinformationen, und hier insbesondre der notorischen EASO Leitlinien vom Juni 2018, wonach die Provinz Uruzgan zu den volatilsten Provinzen Afghanistans zählt, zum Ergebnis, dass ihm eine Rückkehr in diese Provinz allein schon aufgrund der Sicherheitslage nicht möglich ist.
Entgegen den Ausführungen der belangten Behörde ist es ihm aufgrund seiner individuellen Situation, als junger, psychisch kranker Afghane, der in Pakistan aufgewachsen ist, eine Frau und zwei Kinder zu versorgen hat und in Afghanistan auf kein familiäres und/oder soziales Netzwerk zurückgreifen kann, auch nicht möglich, in einen anderen Teil seines Herkunftsstaates zurückzukehren.
Der BF würde, wie dies auch die dieser Entscheidung zugrundeliegenden Länderinformationen belegen, insbesondere auf Grund seiner nachgewiesenen psychischen Erkrankung ohne familiären und/oder sozialen Rückhalt bei einer Rückkehr bei einer Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit in eine existenzbedrohende Notlage geraten. Der BF wird dort in seinem psychischen Zustand mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keine Lebensgrundlage vorfinden, die es ihm ermöglichen wird, die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz zu decken und darüber hinaus für seine Familie zu sorgen.
Es wird nicht verkannt, dass in der afghanischen Bevölkerung viele Menschen an unterschiedlichen psychischen Erkrankungen leiden. Auch die afghanische Regierung ist sich der Problematik bewusst und hat geistige Gesundheit als Schwerpunkt gesetzt. Jedoch ist der Fortschritt schleppend und die Leistungen außerhalb von Kabul sind dürftig. Eine Neuansiedlung des Beschwerdeführers ist jedoch in der Stadt Kabul laut den notorischen aktuellen UNHCR Richtlinien vom August 2018 aufgrund der dort herrschenden Sicherheits-, Menschenrechts- und humanitären Situation nicht möglich. Selbst in der afghanischen Gesellschaft werden Menschen mit körperlichen und psychischen Behinderungen als schutzbedürftig betrachtet. Sie sind Teil der Familie und werden genauso wie Kranke und Alte gepflegt. Daher müssen körperlich und geistig Behinderte sowie Opfer von Missbrauch eine starke familiäre und gemeinschaftliche Unterstützung sicherstellen (BFA Staatendokumentation 4.2018). Gerade diese nach den Länderinformationen notwendige starke familiäre und soziale Unterstützung hat der BF nicht, zumal sich seine gesamte Familie illegal in Pakistan aufhält.
Hinzu kommt, dass der BF ein schiitischer Hazara ist, der in Pakistan aufgewachsen und sozialisiert ist. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass er aufgrund dieses Umstandes mit Diskriminierungen bei der Unterkunfts- und Arbeitssuche konfrontiert sein wird, welche es ihm zusätzlich erschweren werden, als psychisch kranker Mensch für seinen notwendigen Lebensunterhalt zu sorgen. Dies gilt nicht nur für seine Herkunftsprovinz, sondern auch im Falle einer Neuansiedlung in einer der Großstädte Afghanistans.
2.5 Zu den Länderfeststellungen zur allgemeinen Lage in Afghanistan
Die Feststellungen zur im vorliegenden Zusammenhang maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Quellen. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das BVwG kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben. Die Parteien des Verfahrens haben alle genannten Länderinformationen mit der Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme vom erkennenden Gericht übermittelt bekommen bzw. sind diesen die aktuellen UNHCR Richtlinien vom 30.08.2018 und die EASO Leitlinien vom Juni 2018 bekannt. Die vom BF in seinen Stellungnahmen zitierten Länderinformationen finden Großteils Deckung in dem von der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl erstellten Länderinformationen zu Afghanistan. Insoweit es hier Abweichu