TE Bvwg Erkenntnis 2019/3/4 L511 2005621-2

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Veröffentlicht am 04.03.2019
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Entscheidungsdatum

04.03.2019

Norm

B-VG Art.133 Abs4
GSVG §27
GSVG §27a
GSVG §27d
IO §46
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch

L511 2005621-2/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Sandra Tatjana JICHA als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, vertreten durch RA Mag. SCHMIED, gegen den Bescheid der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, Landesstelle Oberösterreich, vom 03.07.2013, Zahl: XXXX, zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt 1 des Bescheides der SVA vom 03.07.2013, Zahl: XXXX, wird gemäß § 27, § 27a und § 27d Gewerbliches Sozialversicherungsgesetz (GSVG) und § 52 Betriebliches Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorgegesetz (BMSVG) abgewiesen.

II. In Erledigung der Beschwerde gegen Spruchpunkt 2 des Bescheides der SVA vom 03.07.2013, Zahl: XXXX, wird der bekämpfte Spruchpunkt behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, Landesstelle Oberösterreich, zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Verfahrensinhalt

1. Verfahren vor der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft [SVA]

1.1. Mit Bescheid vom 03.07.2013, Zahl: XXXX, zugestellt am 08.07.2013, stellte die SVA fest, dass der Beschwerdeführer gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 iVm § 4 Abs. 1 Z 6 sowie § 6 Abs. 4 Z 1 und § 7 Abs. 4 Z 1 GSVG aufgrund der Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit jedenfalls im Zeitraum von 01.01.2010 bis 31.12.2011 der Pflichtversicherung in der Pensions- und Krankenversicherung nach dem GSVG unterlegen sei (hg. GZ 2005621-1).

Begründend führt die SVA aus, aus den im Zuge des Datenaustausches gemäß § 229a GSVG der SVA übermitteltem Einkommenssteuerbescheiden des Beschwerdeführers ergäben sich für das Jahr 2010 Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von EUR 15.000,00, für das Jahr 2011 EUR 9.000,00. Der Beschwerdeführer sei für die Firma XXXX im Vertrieb bzw. für die Vermarktung von Gesundheitsprodukten selbständig tätig gewesen. Die Finanzbehörden haben in den beiden Jahren betrieblichen Einkünfte rechtskräftig festgestellt, woran der Sozialversicherungsträger gebunden sei. Da für diese Einkünfte aus Gewerbebetrieb auch keine andere Pflichtversicherung vorliege, lägen zusammenfassend alle Tatbestandsmerkmale für die Pflichtversicherung nach § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG vor.

1.2. Mit Bescheid vom 03.07.2013 wurden durch die SVA in Spruchpunkt 1 gemäß § 27, § 27a, und §27d GSVG für die Jahre 2010 und 2011 die monatlichen Beiträge zur Kranken- und Pensionsversicherung sowie gemäß § 52 Betriebliches Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorgegesetz (BMSVG) die monatlichen Beiträge nach dem BMSVG festgesetzt. Mit Spruchpunkt 2 wurde der Beschwerdeführer gemäß § 35 GSVG zur Entrichtung der aushaftenden Beiträge iSd Spruchpunkt 1 sowie zur Entrichtung von Beitragszuschlägen und Verzugszinsen für 2010 und 2011 verpflichtet.

Begründend wurde ausgeführt, die Versicherungspflicht sei mit Bescheid festgestellt worden, der Beschwerdeführer habe keine Meldungen der Einkünfte gemacht und konnten die Beiträge daher erst nach Einlangen der Einkommensteuerbescheide vorgeschrieben werden. Die Beiträge stellten insbesondere auch keine Insolvenzforderungen dar, weil die Ansprüche der SVA erst mit 14.02.2012 bzw. 12.03.2013 entstanden seien.

1.3. Mit Schriftsätzen vom 06.08.2013 erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde [Bsw] gegen beide Bescheide der SVA.

Zum verfahrensgegenständlichen Beitragsfeststellungs- und nachverrechnungsbescheid wird im Wesentlichen ausgeführt, über das Vermögen des Beschwerdeführers sei bereits am 06.07.2011 das Schuldenregulierungsverfahren eröffnet, und am 07.09.2011 der Zahlungsplan bestätigt worden, der zur Erfüllung einer Quote von 0,88% in 7 jährlichen Raten bis zum 01.09.2018 zu erfüllen sei. Die SVA habe die Forderung nicht angemeldet. Der OGH (OGH 14.12.2011, 3Ob215/11f) sei der Ansicht, für die insolvenzrechtliche Qualifikation sei nicht das Entstehen der Beitragsschuld relevant, sondern die Verwirklichung des auslösenden Sachverhaltes. Es handle sich daher um Insolvenzforderungen, auf welche lediglich die Quote anzuwenden und die Beiträge daher nur in der verminderten Form zu entrichten seien.

Zum Versicherungspflichtbescheid wird im Wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer sei nicht über den gesamten Zeitraum selbständig tätig gewesen und habe darüber hinaus die Versicherungsgrenzen auch nicht überschritten.

2. Mit Wirksamkeit vom 01.01.2014 ging die Zuständigkeit zur Weiterführung dieses oben bezeichneten zum 31.12.2013 beim Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz anhängig gewesenen Verfahrens gemäß Art. 151 Abs. 51 Z 8 B-VG auf das nunmehr zuständige Bundesverwaltungsgericht [BVwG] über (Ordnungszahl des Gerichtsaktes [im Folgenden:] OZ 1).

2.1. Die belangte Behörde legte dem Bundesverwaltungsgericht [BVwG] am 13.02.2019 die Einkommensteuerbescheide 2010 und 2011 vor.

II. ad A) Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. entscheidungswesentliche Feststellungen

1.1. Am 14.02.2012 wurde der SVA im Wege des Datenaustauschs gemäß § 229a GSVG der rechtskräftige Einkommensteuerbescheid 2010 vom 16.12.2011 auf elektronischem Weg übermittelt, wonach der Beschwerdeführer im Jahr 2010 Einkünfte aus Gewerbebetrieb idHv EUR 15.000,00 vorlagen. Am 12.03.2013 langte der rechtskräftige Einkommensteuerbescheid 2011 vom 11.01.2013 bei der SVA ein, wonach der Beschwerdeführer im Jahr 2011 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit idHv EUR 5.682,21 und Einkünfte aus Gewerbebetrieb idHv EUR 9.000 vorlagen (OZ 4).

1.2. Das BVwG hat mit Erkenntnis vom heutigen Tag, GZ 2005621-1, der Beschwerde gegen den Versicherungspflichtbescheid vom 02.07.2013, keine Folge gegeben und somit die Pflichtversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung nach § 2 Abs. 1 Z4 GSVG in der Zeit vom 01.01.2010 bis 31.12.2011 rechtskräftig festgestellt.

1.3. Die Versicherungsgrenze betrug im Jahr 2010 gemäß § 25 Abs. 4 Z2a GSVG EUR 6.453,36, im Jahr 2011 auf Grund der zusätzlichen unselbständigen Erwerbstätigkeit gemäß § 25 Abs. 4 Z2b GSVG idF BGBl. II Nr. 403/2010 EUR 4.488,24.

1.4. Für die Jahre 2010 und 2011 lagen weder eine Versicherungserklärung, noch eine Anzeige der Überschreitung der Versicherungsgrenze durch den Beschwerdeführer vor. Eine Pflichtversicherung nach einem anderen Bundesgesetz ist für diese Tätigkeit beim Hauptverband der Sozialversicherungsträger nicht erfasst.

1.5. Bereits am 06.07.2011 wurde über das Vermögen des Beschwerdeführers das Schuldenregulierungsverfahren, XXXX, eröffnet und mit 28.10.2011 auf Grund des rechtskräftigen Zahlungsplanes wieder aufgehoben. Die Quote des Zahlungsplanes betrug 0,88 %.

2. Beweisaufnahme und Beweiswürdigung

2.1. Der gesamte entscheidungswesentliche Sachverhalt ergibt sich aus dem vorliegenden Verwaltungsakt (OZ 1) und ist zwischen den Verfahrensparteien unstrittig. Bestritten wird gegenständlich ausschließlich die sich aus dem Sachverhalt ergebende Rechtsfrage der Sozialversicherungspflicht für die Jahre 2010 und 2011 (hg. GZ 2005621-1), sowie die Zulässigkeit der Feststellung der Zahlungspverpflichtung über der Quote aus dem Suchuldenreglulierungsverfahren (siehe dazu unter Rechtliche Beurteilung).

3. Entfall der mündlichen Verhandlung

3.1. Eine Verhandlung kann entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist, oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist (§ 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG). Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, [EMRK] noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 [GRC] entgegenstehen (§ 24 Abs.4 VwGVG).

3.2. Der Anspruch einer Partei auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist kein absoluter. Nach der Rechtsprechung des EGMR und ihm folgend des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt unumstritten und nur eine Rechtsfrage zu entscheiden ist oder wenn die Sache keine besondere Komplexität aufweist (vgl. dazu für viele EGMR 12.11.2002, Döry / S, Rn37; VfGH 20.02.2015, B1534; sowie jüngst VwGH 18.12.2018, Ra 2018/03/0132, jeweils mwN).

3.3. Im gegenständlichen Fall ergab sich klar aus der Aktenlage, dass von einer mündlichen Erörterung keine weitere Klärung der Rechtssache zu erwarten war, da der zu Grunde liegende Sachverhalt im Verwaltungsverfahren unstrittig blieb und weder ergänzungsbedürftig war, noch in entscheidenden Punkten als nicht richtig erschien.

4. Rechtliche Beurteilung

4.1.1. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts und die Entscheidung durch Einzelrichterin ergeben sich aus § 6 Bundesgesetz über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes [BVwGG] iVm § 194 Gewerbliches Sozialversicherungsgesetz [GSVG] und § 414 Abs. 1 und Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz [ASVG].

4.1.2. Das Verfahren des Bundesverwaltungsgerichts ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) geregelt. Verfahrensgegenständlich sind demnach neben dem VwGVG auch die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, sowie jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen sinngemäß anzuwenden, die die SVA im erstinstanzlichen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte (§ 17 VwGVG).

4.1.3. Die Beschwerde ist rechtzeitig und auch sonst zulässig.

4.2. ad Spruchpunkt I - Feststellung der monatlichen Beiträge

4.2.1. Der Beschwerdeführer ist auf Grund seiner im Jahr 2007 ausgeübten Tätigkeit "neuer Selbständiger" iSd § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG (vgl. dazu hg. GZ 2005621-1). Vor dem rechtskräftigen Einkommensteuerbescheid hat er weder eine Versicherungserklärung noch eine Überschreitungsanzeige abgegeben.

In Fällen wie dem gegenständlichen, in denen der Betroffene keine Versicherungserklärung iSd § 2 Abs. 1 Z 4 3. Satz GSVG abgibt, kann die Pflichtversicherung erst nach Vorliegen der maßgeblichen (rechtskräftigen) Einkommensteuerdaten festgestellt werden. Ergibt sich aus diesen Daten die Überschreitung der im Kalenderjahr maßgeblichen Versicherungsgrenze nach § 4 Abs. 1 Z 5 oder Z 6 GSVG, so stellt der Versicherungsträger rückwirkend die Pflichtversicherung fest (§ 2 Abs. 1 Z 4 letzter Satz GSVG).

4.2.2. Die SVA hat in Spruchpunkt 1 des bekämpften Bescheides die monatlichen Beiträge für das Jahr 2010 und 2011 gemäß § 27 GSVG in der Krankenversicherung und in der Pensionsversicherung festgesetzt.

Der Beschwerdeführer ist der festgestellten Höhe der monatlichen Beiträge in seiner Beschwerde nicht entgegengetreten und diese erweist sich der Aktenlage zu Folge auch als korrekt.

4.2.2.1. Die Beitragsgrundlage gemäß § 25 Abs. 2 GSVG beträgt für 2010 EUR 1.250,00 (EUR 15.000,00 / 12), für 2011 EUR 750,00 (EUR 9.000 / 12). Die Krankenversicherung betrug im Jahr 2010 gemäß § 27 Abs. 1 iVm § 27a und § 27d GSVG EUR 95,63 (7,65%*EUR 1.250), im Jahr 2011 EUR 57,38 (7,65%*EUR 750). Die Pensionsversicherung betrug im Jahr 2010 gemäß § 27 Abs. 2 GSVG EUR 203,13 (16,25%*EUR 1.250), im Jahr 2011 EUR 131,25 (17,50%*EUR 750). Die monatliche Beitragsleistung gemäß § 52 Abs. 1 BMSVG betrug im Jahr 2010 EUR 19,13 (1,53%*EUR 1.250) und im Jahr 2011 EUR 11,48 (1,53%*EUR 750).

4.2.2.2. Da sich die Beitragsfeststellung als korrekt erweist, ist die Beschwerde gegen Spruchpunkt 1 des Bescheides der SVA spruchgemäß abzuweisen.

4.3. ad Spruchpunkt II - Verpflichtung zur Entrichtung der Beiträge

4.3.1. Der Beschwerdeführer vertritt jedoch die Ansicht, er sei zur Entrichtung der Beiträge (Spruchpunkt 2 des Bescheides der SVA) nur im Ausmaß der im Schuldenregulierungsverfahren festgestellten Quote von 0,88% verpflichtet.

4.3.2. Bei den sogenannten "neuen Selbständigen" tritt die Pflichtversicherung nur entweder durch eine Überschreitungserklärung gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG oder durch das Vorliegen eines rechtskräftigen Einkommensteuerbescheides (auch rückwirkend) ein (VwGH 13.06.2017, Ra2017/08/0038 mwN). Beitragsforderungen sind, wie ein Umkehrschluss aus § 46 Abs. 1 Z 2 IO ergibt, keine Masseforderungen, sondern Insolvenzforderungen iSd § 51 IO, wenn und soweit der die Abgabepflicht auslösende Sachverhalt vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens verwirklicht wird. Der die Abgabepflicht auslösende Sachverhalt ist bei Beiträgen auf Grund einer Pflichtversicherung nach § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG grundsätzlich schon mit der Erzielung von (über der Versicherungsgrenze liegenden) Einkünften im Sinn der §§ 22 Z 1 bis 3 und 5 und/oder 23 EStG 1988 auf Grund der Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit verwirklicht, auch wenn mangels Abgabe einer Versicherungserklärung erst im Nachhinein, in der Regel bei Vorliegen des (rechtskräftigen) Einkommensteuerbescheides, die Pflichtversicherung festgestellt und die Entrichtung von Beiträgen vorgeschrieben werden kann. Das Vorliegen eines Einkommensteuerbescheides (oder sonstigen Einkommensnachweises) dient dem Nachweis von Einkünften über der Versicherungsgrenze, stellt aber keine tatbestandsmäßige Voraussetzung für die (Versicherungs- und) Beitragspflicht dar und gehört daher nicht zum "Sachverhalt", der diese Beitragspflicht im Sinn des § 46 Abs. 1 Z 2 IO auslöst (VwGH 20.06.2018, Ra2018/08/0039 mwN).

4.3.2.1. Soweit die SVA daher die Verpflichtung zur Entrichtung der Beiträge unter Hinweis auf VwGH 27.04.2011, 2008/08/0259, darauf stützt, dass auf Grund des Einlangens der Einkommensteuerbescheide im Jahr 2012 bzw. 2013 die Forderung erst nachträglich entstanden sei und es sich daher nicht um eine Insolvenzforderung iSd § 51 IO handle, ist ihr die soeben zitierte Judikatur entgegenzuhalten. Der Verwaltungsgerichtshof hat auch bereits ausgeführt, dass es sich im zitierten Erkenntnis um eine spezielle Konstellation gehandelt hatte, wonach der Versicherte zunächst gemäß § 4 Abs. 1 Z 7 GSVG von der Pflichtversicherung ausgenommen war und sich erst im Nachhinein herausstellte, dass die dafür maßgebliche Höhe der Einkünfte geringfügig überschritten worden war (VwGH 11.12.2013, 2012/08/0288).

4.3.3. Da es sich wie festgehalten um eine Insolvenzforderung handelt, steht der SVA daher gemäß § 197 IO nur die quotenmäßige Befriedigung ihrer Forderung zu, soweit dies der Einkommens- und Vermögenslage des Schuldners entspricht, es sei denn, es liegt ein Fall des § 156 Abs. 4 IO vor. Dies ist bei der Erlassung eines Leistungsbefehls, mit dem - wie verfahrensgegenständlich in Spruchpunkt 2. des bekämpften Bescheides - die rückständigen Beiträge unmittelbar zur Zahlung vorgeschrieben werden, zu berücksichtigen (vgl. dazu VwGH 11.12.2013, 2012/08/0288).

4.3.3.1. Gemäß § 156 Abs. 4 IO können Gläubiger, deren Forderungen nur aus Verschulden des Schuldners im Sanierungsplan unberücksichtigt geblieben sind, nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens die Bezahlung ihrer Forderungen im vollen Betrag vom Schuldner verlangen. Diese Bestimmung gilt gemäß § 197 Abs. 1 letzter Satz IO auch im Fall der Aufhebung des Insolvenzverfahrens mit der Bestätigung eines Zahlungsplans.

4.3.4. Der Beschwerdeführer bestreitet, dass ihn im Sinn des § 156 Abs. 4 IO ein ausschließliches Verschulden an der Nichtberücksichtigung der Forderung der SVA getroffen habe (Bsw S4), die SVA ist hingegen der Ansicht (VB S3-4), dass das alleinige Verschulden beim Beschwerdeführer liege und der Tatbestand des § 156 Abs. 4 IO erfüllt sei.

4.3.4.1. § 156 Abs. 4 IO setzt voraus, dass die Nichtberücksichtigung ausschließlich durch ein zumindest fahrlässiges Verhalten des Schuldners verursacht wurde. Bereits leichtes Mitverschulden des Gläubigers schließt die Anwendung aus (VwGH 11.12.2013, 2012/08/0288 mwN uHa Lovrek in Konecny/Schubert, Kommentar zu den Insolvenzgesetzen, § 156 Rz140).

4.3.4.2. Verfahrensgegenständlich datiert der Einkommensteuerbescheid 2010 vom 16.11.2011 und wurde am 14.02.2012 gemäß § 229a Abs. 1 GSVG an die SVA übermittelt, jener von 2011 datiert vom 11.01.2013 und wurde am 12.03.2013 übermittelt. Beide Einkommensteuerbescheide datieren somit erst nach Rechtskraft des Abschlusses des Schuldenregulierungsverfahrens mit 28.10.2011.

4.3.4.3. Wenngleich dem Beschwerdeführer zwar ein Meldeverstoß (§ 18 GSVG) dahingehend vorzuwerfen ist, als er die mitbeteiligte Sozialversicherungsanstalt nicht von der Erlassung der Einkommensteuerbescheide informiert hatte, so hätte auch die ordnungsgemäße Meldung erst nach Abschluss des Schuldenregulierungsverfahrens erfolgen können. Das BVwG vermag daher im gegenständlichen Fall kein fahrlässiges Verhalten des Beschwerdeführers im Hinblick auf die Nichtberücksichtigung der Forderungen im Schuldenregulierungsverfahren feststellen.

4.3.4.4. Zusammenfassend steht daher der SVA im gegenständlichen Fall ausschließlich die quotenmäßige Befriedigung ihrer Forderung zu, soweit dies der Einkommens- und Vermögenslage des Schuldners entspricht.

4.3.5. Gemäß § 197 Abs. 2 IO ist die Frage, ob die zu zahlende Quote der nachträglich hervorgekommenen Forderung der Einkommens- und Vermögenslage des Schuldners entspricht, vom Insolvenzgericht auf Antrag vorläufig zu entscheiden. Feststellungen zur Einkommens- und Vermögenslage bzw. eine diesbezügliche Entscheidung des Insolvenzgerichts fehlen im gegenständlichen Verfahren, da die SVA von der - vom BVwG nicht geteilten - Rechtsansicht ausgegangen war, dass es sich verfahrensgegenständlich um keine Insolvenzforderung handelte. Zumal die Forderung der Quote und die damit verbundene Feststellungen zur Einkommens- und Vermögenslage des Beschwerdeführers im Insolvenzverfahren nur durch die SVA geltend gemacht werden können, liegt für das BVwG ein qualifiziert mangelhafter Sachverhalt im Sinne des Erkenntnisses des VwGH vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063 vor und ist folglich mit einer Zurückverweisung im Sinne von § 28 Abs. 3 VwGVG vorzugehen, wobei die SVA gemäß § 28 Abs. 3 letzter Satz VwGVG an die rechtliche Beurteilung durch das BVwG gebunden ist.

III. ad B) Unzulässigkeit der Revision

Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist zu begründen (§ 25a Abs. 1 VwGG). Die Revision ist (mit einer hier nicht zum Tragen kommenden Ausnahme) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird (Art. 133 Abs. 4 B-VG).

Die gegenständliche Beurteilung zu Spruchpunkt I erfolgte an Hand der klaren gesetzlichen Regelung der § 27 GSVG und § 52 BMSVG. Zur Unzulässigkeit der Revision bei eindeutiger Rechtslage (trotz fehlender Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes) etwa VwGH 28.05.2014, Ro2014/07/0053. Die Beurteilung zu Spruchpunkt II basiert auf der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu Beitragsforderungen der SVA als Insolvenzforderungen. Im speziellen bei Vorliegen einer Pflichtversicherung gemäß § 2 Abs. 1 Z 4 GSVG VwGH 20.06.2018, Ra2018/08/0039; 11.12.2013, 2012/08/0288, jeweils mwN.

Der Entfall der mündlichen Verhandlung steht weder mit der Judikatur der Höchstgerichte noch mit der Judikatur des EGMR in Widerspruch, siehe dazu insbesondere VwGH 26.01.2017, Ra2016/07/0061 mwN, und es ergeben sich auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage, so dass insgesamt die Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht vorliegen.

Schlagworte

Beitragszahlungen, Ermittlungspflicht, Insolvenzverfahren,
Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung, Versicherungspflicht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:L511.2005621.2.00

Zuletzt aktualisiert am

25.04.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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