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32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;Norm
BAO §115 Abs1;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):98/16/0322Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr.Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Repa, über die Beschwerden 1) des Dr. W und
2) der Dr. G, alle in W, alle vertreten durch Dr. Rudolf Lessiak, Rechtsanwalt in Wien I, Börsegasse 10, gegen die Bescheide des Präsidenten des LG für ZRS Wien, je vom 4. September 1998, Zlen. 1) Jv 3993-33a/98, und 2) Jv 3992-33a/98, je betreffend Gerichtsgebühren, zu Recht erkannt:
Spruch
Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 30.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit einem am 17. Dezember 1997 beim BG Döbling eingelangten Antrag begehrten die Beschwerdeführer (bereits damals anwaltlich vertreten) die Einverleibung ihres Eigentumsrechtes samt Wohnungseigentum an (im Antrag näher bezeichneten) Anteilen der Liegenschaft EZ 260 GB 01510 Pötzleinsdorf, auf Grund eines mit der Sozialbau gemeinnützige Wohungsaktiengesellschaft geschlossenen Kauf- und Wohnungseigentumsvertrages. Für den Grundbuchsvorgang wurde Gebührenfreiheit gemäß § 30 Abs. 3 WGG in Anspruch genommen wurde, ohne dazu ein Vorbringen betreffend das Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen zu erstatten. Im Grundbuchsgesuch war bei Auflistung der Antragsteller lediglich vermerkt "alle wohnhaft in 1180 Wien, Buchleiteng. 67" und angekündigt: "Meldezettel im Original und Kopie werden zum Zwecke der Wahrung der beantragten Gebührenbefreiung von den Antragstellern durch ihren Vertreter gesammelt nachgebracht".
Die begehrten Eintragungen wurden vom BG Döbling mit Beschluß vom 19. Dezember 1997 bewilligt und am 24. Dezember 1997 vollzogen.
In der Folge richtete der Kostenbeamte des BG Döbling an die Antragsteller (am 6. April 1998 u.a. an die Beschwerdeführer) zu Handen ihres Rechtsvertreters Zahlungsaufforderungen betreffend die Eintragungsgebühr.
Der frühere Vertreter der Beschwerdeführer erhob Einwendungen folgenden Inhaltes:
"Sämtliche obzitierten Zahlungsaufforderungen werden zurückgestellt. Die Einschreiter, die ihrem Vertreter Vollmacht erteilt haben, erachten sich durch die Vorschreibung der
Eintragungsgebühr beschwert, zumal durch die rechtzeitige
Antragstellung der Einverleibung des Eigentumsrechtes die Gebührenbefreiung nach WGG in der Fassung vor dem 31.12.1997 gewahrt wurde. In sämtlichen obigen Fällen hat daher die Vorschreibung der Eintragungsgebühr zu unterbleiben."
Dazu ist unstrittig, daß sich die Beschwerdeführer betreffend die erworbenen Wohnungseigentumsobjekte erst am 4. März 1998 (Erstbeschwerdeführer) bzw. am 20. Februar 1998 (Zweitbeschwerdeführerin) angemeldet haben.
Am 22. April 1998 erließ der Kostenbeamte gegen die Beschwerdeführer Zahlungsaufträge betreffend die jeweilige Eintragungsgebühr zuzüglich einer Einhebungsgebühr, wogegen die Beschwerdeführer gleichlautende Berichtigungsanträge stellten, und zwar mit - auszugsweise - folgendem Wortlaut:
"1. Sachverhalt:
Am 17.12.1997 erfaßt unter TZ 7429/97 des Tagebuches für Grundbuchstücke des Bezirksgerichtes Döbling wurde von mir die Einverleibung des Eigentumsrechtes samt Begründung von Wohnungseigentum gleichzeitig mit den übrigen Mit- und Wohnungseigentümern der Liegenschaft EZ 260 beantragt. Die beantragte Eintragung wurde am 24.12.1997 durchgeführt. Der Erwerb des Eigentumsrechtes erfolgte von der Sozialbau Gemeinnützige Wohnungsaktiengesellschaft, einer als gemeinnützig anerkannten Bauvereinigung. Die am 24.12.1997 durchgeführte Eintragung sowie die darauf gerichtete Eingabe erfolgte somit zum Erwerb des Eigentumsrechtes an einer Liegenschaft durch eine natürliche Person von einer als gemeinnützig anerkannten Bauvereinigung als Ersterwerber.
Sie erfolgte überdies zur Befriedigung meines dringenden Wohnbedürfnisses sowie des dringenden Wohnbedürfnisses meines Ehegatten (meiner Ehegattin) sowie meiner Kinder. Die entsprechenden Nachweise wurden Ihnen bereits durch meinen Rechtsvertreter, Herrn Rechtsanwalt Dr. Bernhard Weissborn, übermittelt.
2. Rechtliche Würdigung:
Gemäß § 30 Abs. 3 WGG sind die gerichtlichen Eingaben und die Eintragungen zum Erwerb des Eigentumsrechtes an einer Liegenschaft (Liegenschaftsanteil) die natürliche Personen von einer als gemeinnützig anerkannten Bauvereinigung als Ersterwerber zur Befriedigung ihres dringenden Wohnbedürfnisses oder des dringenden Wohnbedürfnisses ihres Ehegatten, Lebensgefährten sowie ihrer Verwandten in gerader Linie einschließlich der Wahlkinder erworben haben, von den Gerichtsgebühren befreit.
Gemäß Art. IV Abs. id WGG tritt die Aufhebung des § 30 Abs.3 leg.cit. mit Ablauf des 31.12.1997 in Kraft. Überdies ist diese Bestimmung jedoch auch nach dem 31.12.1997 anzuwenden, wenn der Antrag mit dem die Eintragung begehrt wird, noch vor dem 1.1.1998 bei Gericht eingelangt ist.
Gemäß § 2 Z. 4 GGG entsteht die Gebührenpflicht hinsichtlich der Gebühren für die Eintragung in die öffentlichen Bücher mit der Vornahme der Eintragung.
Im vorliegenden Fall wurde der Antrag auf Eintragung am 17.12.1997, somit noch vor dem 1.1.1998, eingebracht. Die Eintragung selbst erfolgte noch am 24.12.1997, ebenfalls vor Ablauf des 31.12.1997. Nach dem klaren Wortlaut des Abs. id des Art. IV WGG ist somit auf den gegenständlichen Vorgang der § 30 Abs. 3 WGG in der bis zum 31.12.1997 geltenden Fassung anzuwenden.
Dies ergibt sich einerseits daraus, daß der die Gebührenpflicht begründende Akt, nämlich die Eintragung, noch im Zeitraum der Geltung der gesetzlichen Bestimmung erfolgte. Wäre diese Eintragung jedoch später erfolgt, so wäre die Gebührenbefreiung auch auf Grund der Einbringung des Antrages vor dem 1.1.1998 ebenfalls gegeben.
Aus all diesen Gründen ergibt sich daher die Richtigkeit des mit dem Berichtigungsantrag verfolgten Begehrens, die Gebühr unter Anwendung der Befreiungsbestimmungen des § 30 Abs. 3 WGG in der bis zum 31.12.1997 geltenden Fassung mit S 0,00 festzsetzen und damit die Zahl ungsaufforderung aufzuheben.
Falls meinem Argument nicht gefolgt wird und eine Gebührenfestsetzung erfolgt, so teile ich Ihnen mit, daß auch die Bemessungsgrundlage für die Gebühr unrichtig ist, da laut Berufungsvorentscheidung des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrsteuern vom 2.4.1998 die Bemessungsgrundlage auf S 1.561.927,00 herabgesetzt wurde. ..."
Die belangte Behörde gab den Berichtigungsanträgen mit den angefochtenen Bescheiden keine Folge und vertrat die Auffassung, es sei für die Gewährung der Gebührenfreiheit u.a. Voraussetzung, daß der Erwerber, um dessen Einverleibung angesucht wird, in dem Zeitpunkt die bereits benützbare Wohnung schon bewohnt. Aus den vorgelegten Meldezetteln sei ersichtlich, daß sich die Beschwerdeführer erst mit 4. März 1998 bzw. 20. Februar 1998 angemeldet hätten. Da es Sache der Antragsteller sei, alles vorzubringen, was zur Glaubhaftmachung der Voraussetzung der Gebührenfreiheit erforderlich ist, sei die Gebührenvorschreibung zu Recht erfolgt.
Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden Verwaltungsgerichtshofbeschwerden, je wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes bzw. Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die Beschwerdeführer erachten sich je in ihrem Recht auf Gebührenfreiheit gemäß § 30 Abs. 3 WGG verletzt.
Die belangte Behörde erstatteten Gegenschriften, in denen sie jeweils die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden als unbegründet begehrt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerden wegen ihres sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden und erwogen:
Die Beschwerdefälle unterscheiden sich von jenen, welche mit Erkenntnis vom 4. März 1999, Zlen. 98/16/0325, 0326, 0327 entschieden wurden dadurch, dass die Beschwerdeführer in ihren Berichtigungsanträgen, also noch im Verwaltungsverfahren, das Vorliegen der materiellen Voraussetzungen der beantragten Gebührenfreiheit ausdrücklich behauptet und damit der sie treffenden Behauptungslast entsprochen haben. Dies gilt insbesondere für die Behauptung, der Erwerb erfolgte "zur Befriedigung meines dringenden Wohnbedürfnisses sowie des dringenden Wohnbedürfnisses meines Ehegatten (meiner Ehegattin) sowie meiner Kinder."
Nach ständiger hg. Judikatur ist zwar, wie in den genannten Erkenntnissen betont wurde, in verfahrensrechtlicher Hinsicht davon auszugehen, daß bei abgabenrechtlichen Begünstigungen (Ermäßigungen, Befreiungen udgl.) der Grundsatz der strikten Amtswegigkeit der Sachverhaltsermittlung insofern in den Hintergrund tritt, als der Partei eine besondere Behauptungslast obliegt. Es liegt also an der Partei, selbst einwandfrei und unter Ausschluß jeden Zweifels das Vorliegen aller jener Umstände darzulegen, die für die Begünstigung sprechen (vgl. z.B. die bei Fellner, Gebühren- und Verkehrsteuern, Band I 2. Teil, Stempel- und Rechtsgebühren im Abschnitt "Gebührenbefreiungen außerhalb des Gebührengesetzes" unter 2/4 J Abs. 5 angeführte hg. Rechtsprechung, u. a. das Erkenntnis vom 12. Juli 1990, Zl. 89/16/0069).
Allerdings ist die Behörde, wenn die Partei die erforderlichen Sachbehauptungen aufgestellt und damit entsprechende Beweise oder Bescheinigungsmittel (vgl. hg. Erkenntnis vom 13. Oktober 1983, 82/15/0062: Glaubhaftmachung genügt) angeboten bzw. geführt hat, von ihrer amtswegigen Ermittlungspflicht nicht völlig entbunden. Insbesondere in Fällen, in denen der Abgabepflichtige Behauptungen aufstellt, die durchaus der Wirklichkeit entsprechen können, bei denen aber die Abgabenbehörde die Auffassung vertritt, daß sie zu beweisen oder zumindest glaubhaft zu machen sind, ist es erforderlich, daß der Abgabepflichtig zur Beweisführung bzw Glaubhaftmachung aufgefordert wird (hg. Erkenntnis vom 8. Februar 1989, Zl. 85/13/0001). Erachtet die Behörde aufgrund der von der Partei geführten Beweise oder Bescheinigungen den für die Anspruchsminderung erforderlichen Sachverhalt als nicht erwiesen, dann darf sie nicht vom Nichtvorliegen des Sachverhaltes ausgehen, sondern muß entweder selbst Erhebungen pflegen oder die Partei zu weiterer Beweisführung oder Glaubhaftmachung anhalten (Stoll, BAO-Kommentar II, 1274).
Im vorliegenden Fall hätte die belangte Behörde ihre Auffassung, dass durch eine polizeiliche Meldung nach dem 1. Jänner 1998 das dringende Wohnbedürfnis nicht erwiesen werden konnte, den Beschwerdeführern vorhalten und sie zu weiterer Beweisführung anhalten müssen. Ein - durchaus lebensnahes - Vorbringen der Beschwerdeführer, dass noch Mängelbehebungen notwendig waren und sich deshalb der Wohnungsbezug verzögerte, wäre durchaus von Relevanz gewesen, zumal z.B. (objektiv) erforderliche Adaptierungsarbeiten den Tatbestand des "Benützens" jedenfalls dann erfüllen, wenn die Wohnungen nach Abschluss der Arbeiten von den Erwerbern selbst bewohnt werden. Entscheidend ist, ob aufgrund zügiger Vorgangsweise in Richtung auf einen alsbaldigen Einzug in die Wohnung das Wohnbedürfnis bereits am 17. Dezember 1997 als "dringend" oder allenfalls aufgrund monatelangen, objektiv unbegründeten Zuwartens mit dem Bezug der Wohnung als "nicht dringend" anzusehen ist. Allein aufgrund der polizeilichen Meldungen nach dem 1. Jänner 1998 durfte jedenfalls das in den Berichtigungsanträgen behauptete dringende Wohnbedürfnis der Beschwerdeführer noch nicht in Abrede gestellt werden.
Die belangte Behörde belastete dadurch, dass sie den Beschwerdeführern nicht Gelegenheit gab, das behauptete dringende Wohnbedürfnis unter Beweis zu stellen oder zumindest glaubhaft zu machen, ihre Bescheide mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die Bescheide waren daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der VO BGBl. Nr. 416/1994.
Die begehrte mündliche Verhandlung unterblieb aus dem Grunde des § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG.
Wien, am 31. März 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1998160321.X00Im RIS seit
03.04.2001Zuletzt aktualisiert am
20.04.2011