Entscheidungsdatum
19.03.2019Norm
AlVG §24Spruch
W262 2195163-1/6E
W262 2195163-2/6E
W262 2215523-1/4E
W262 2215523-2/4E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Julia JERABEK als Vorsitzende sowie die fachkundigen Laienrichterinnen Mag. Sandra FOITL und Mag. Jutta KEUL als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , gegen die Bescheide des Arbeitsmarktservice XXXX jeweils vom 19.12.2017, VN XXXX , betreffend den Widerruf und die Rückforderung von Arbeitslosengeld für den Zeitraum 01.11.2017 bis 09.11.2017 iHv € 258,30 sowie betreffend den Widerruf und die Rückforderung von Notstandshilfe für den Zeitraum 11.11.2017 bis 30.11.2017 iHv € 572,67, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:
A)
I. Die Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand werden gemäß § 33 Abs 1 VwGVG als unbegründet abgewiesen.
II. Die Beschwerden werden gemäß § 7 Abs. 4 VwGVG iVm § 31 Abs. 1 VwGVG als verspätet zurückgewiesen.
B) Die Revision ist (jeweils) gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht
zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
1. Die Beschwerdeführerin bezog von 01.11.2017 bis 09.11.2017 Arbeitslosengeld und von 11.11.2017 bis 30.11.2017 Notstandshilfe. Auf den beim AMS XXXX (in der Folge als AMS oder belangte Behörde bezeichnet) abgegebenen Anträgen gab die Beschwerdeführerin an, geringfügig als XXXX beschäftigt zu sein.
2. Am 11.11.2017 erging eine Meldung des Hauptverbandes an die belangte Behörde über die nachträgliche Vollversicherung des (geringfügigen) Dienstverhältnisses der Beschwerdeführerin.
3. Mit Bescheiden des AMS vom jeweils 19.12.2017 wurden der Bezug des Arbeitslosengeldes bzw. der Notstandshilfe widerrufen und die Beschwerdeführerin zur Rückzahlung des unberechtigt empfangenen Arbeitslosengeldes für den Zeitraum 01.11.2017 bis 09.11.2017 iHv €
258,30 bzw. der unberechtigt empfangenen Notstandshilfe für den Zeitraum 11.11.2017 bis 30.11.2017 iHv € 572,67 verpflichtet. Diese Bescheide wurden der Beschwerdeführerin am selben Tag per eAMS übermittelt.
4. Am 31.01.2018 nahm die Beschwerdeführerin erstmals telefonisch Kontakt zum AMS auf und gab an, die Bescheide gestern gelesen zu haben. Sie sei nur geringfügig beschäftigt gewesen und werde einen entsprechenden Versicherungsdatenauszug übermitteln.
5. Nach wiederholtem Kontakt zur belangten Behörde übermittelte die Beschwerdeführerin am 14.03.2018 einen "Antrag auf Wiedereinsetzung gemäß § 71 AVG" und eine Beschwerde gegen beide oa. Bescheide vom 19.12.2017. Begründend führte die Beschwerdeführerin aus, zum Zeitpunkt der elektronischen Zustellung der Bescheide per eAMS am 19.12.2017 sei sie bereits wieder einer Beschäftigung in Deutschland nachgegangen und insofern sei ihr nicht bewusst gewesen, dass ihr weiterhin Bescheide per eAMS zugestellt werden können. Insofern können von einem minderen Grad des Versehens ausgegangen werden. Zur Rechtzeitigkeit des Wiedereinsetzungsantrages führte die Beschwerdeführerin aus, erst am 28.02.2018 wieder auf ihr eAMS Konto zugegriffen zu haben und insofern der Antrag innerhalb der zweiwöchigen Frist gestellt worden sei. In Ihrer Beschwerde gegen beide oa. Bescheide vom 19.12.2017 führte sie aus, dass sie die geringfügige Beschäftigung angegeben habe und sie nicht habe erkennen können, dass die geringfügige Überschreitung des Bruttobetrages zu einer Überschreitung der Geringfügigkeitsgrenze führe und insofern nur ein Widerruf und keinesfalls eine Rückforderung des Betrages gerechtfertigt sei. Zuletzt beantragte die Beschwerdeführerin die Aufhebung beider Bescheide vom 19.12.2017 sowie die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.
6. Die Beschwerde und der Verwaltungsakt wurde dem Bundesverwaltungsgericht am 14.05.2018 vorgelegt.
7. In der Folge forderte das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 22.05.2018 auf, zur Beschwerdevorlage der belangten Behörde innerhalb von drei Wochen ab Zustellung des Schreibens Stellung zu nehmen. Dieses Schreiben wurde dem Bundesverwaltungsgericht am 17.07.2018 von der zuständigen deutschen Poststelle als nicht behoben retourniert.
8. Über Aufforderung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 22.05.2018 legte das AMS eine Lesebestätigung der über eAMS übermittelten Bescheide vor und führte aus, dass die belangte Behörde nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens nicht vom Vorliegen eines bedingten Vorsatzes der Beschwerdeführerin ausgehe.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die oa. Bescheide vom 19.12.2017 wurden der Beschwerdeführerin am selben Tag per eAMS übermittelt. Die Beschwerdeführerin hat am 30.01.2018 erstmals Kenntnis von diesen Bescheiden erlangt. Die Bescheide vom 19.12.2017 wurden der Beschwerdeführerin am 30.01.2018 rechtmäßig zugestellt.
Die vierwöchige Beschwerdefrist, auf die in der Rechtsmittelbelehrung der oa. Bescheide vom 19.12.2017 hingewiesen wurde, endete mit Ablauf des 27.02.2018.
Die Beschwerdeführerin hat am 14.03.2018 eine Beschwerde gegen oa. Bescheide vom 19.12.2017 eingebracht.
Die Beschwerdeführerin hat in ihrem Wiedereinsetzungsantrag vom 14.03.2018 nicht glaubhaft gemacht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis die Frist zur Erhebung von Beschwerden versäumt hat.
2. Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich aus dem vorliegenden Verwaltungsakt der belangten Behörde und des Bundesverwaltungsgerichtes.
Die Feststellung, dass die Beschwerdeführerin am 30.01.2018 Kenntnis der Bescheide vom 19.12.2017 erlangt hat ergibt sich aus der Lesebestätigung des eAMS und dem Aktenvermerk über das Telefongespräch der Beschwerdeführerin mit einer Mitarbeiterin des AMS vom 31.01.2018, in dem sie diesbezüglich angegeben hat, die Bescheide erst gestern gelesen zu haben.
Auch die Ausführungen der Beschwerdeführerin, zum Zeitpunkt der elektronischen Übermittlung der Bescheide vom 19.12.2017 bereits in Deutschland gearbeitet und deshalb erst am 28.02.2018 wieder auf ihr eAMS Konto zugegriffen zu haben, begründen kein unvorhergesehenes oder unabwendbares, eine fristgerechte Beschwerdeeinbringung bis 27.02.2018 hinderndes Ereignis, zumal die Beschwerdeführerin gegenüber dem AMS angegeben hat, schon am 30.01.2018 Kenntnis von den Bescheiden erlangt zu haben und - ausweislich des Verwaltungsaktes - danach auch mehrmals mit der belangten Behörde in Kontakt getreten ist.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch einen Senat unter Mitwirkung fachkundiger Laienrichter ergeben sich aus §§ 6, 7 BVwGG iVm § 56 Abs. 2 AlVG. Die Beschwerde ist rechtzeitig und auch sonst zulässig.
3.2. Zu A)
3.2.1. Zu Spruchteil I: Abweisung der Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand:
Gemäß § 33 Abs. 1 VwGVG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zu Last liegt, hindert die Bewilligung zur Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung bereits festgehalten, dass grundsätzlich die in der Rechtsprechung zu § 71 AVG entwickelten Grundsätze auf § 33 VwGVG übertragbar sind (vgl. VwGH vom 25.11.2015, Ra 2015/06/0113 sowie VwGH vom 30.05.2017, Ra 2017/19/0113).
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen nur in jenem Rahmen zu untersuchen, der durch die Behauptungen des Wiedereinsetzungswerbers gesteckt wird (vgl. etwa VwSlg. 11.312/A sowie VwGH vom 21.05.1997, 96/21/0574). Den Antragsteller trifft somit die Obliegenheit, im Antrag konkret jenes unvorhergesehene oder unabwendbare Ereignis zu beschreiben, das ihn an der Einhaltung der Frist gehindert hat. Es ist daher ausschließlich das Vorbringen der Beschwerdeführerin bzw. Wiedereinsetzungswerberin in ihrem Antrag vom 14.03.2018 auf seine Tauglichkeit als Wiedereinsetzungsgrund zu prüfen.
Bei der Beurteilung der Frage, ob ein Ereignis unabwendbar ist, kommt es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auf objektive Umstände an; nämlich darauf, ob das Ereignis auch von einem Durchschnittsmenschen objektiv nicht verhindert werden kann (vgl. VwGH vom 24.01.1996, 94/12/0179). Ob ein Ereignis unvorhergesehen ist, hängt hingegen nach der Rechtsprechung nicht von einer objektiven Durchschnittsbetrachtung, sondern vom konkreten Ablauf der Geschehnisse ab. Unvorhergesehen ist ein Ereignis dann, wenn es von der Partei tatsächlich nicht einberechnet wurde und dessen Eintritt auch unter Bedachtnahme auf zumutbare Aufmerksamkeit und Voraussicht nicht erwartet werden konnte (vgl. VwGH vom 03.04.2001, 2000/08/0214).
Insofern war das in der Beweiswürdigung dargelegte Vorbringen der Beschwerdeführerin nicht geeignet, das Vorliegen eines Wiedereinsetzungsgrundes glaubhaft zu machen, zumal nicht einmal ansatzweise dargelegt wurde, warum ihr das Einbringen von Beschwerden gegen oa. Bescheide vom 19.12.2017 innerhalb der vierwöchigen Beschwerdefrist trotz Kenntnis deren Inhaltes und Kontakt zur Behörde nicht möglich gewesen sein soll.
3.2.2. Zu Spruchteil II: Zurückweisung der Beschwerden:
Gemäß § 7 Abs. 4 VwGVG beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG vier Wochen. Sie beginnt, wenn der Bescheid der Beschwerdeführerin zugestellt wurde, mit dem Tag der Zustellung, wenn er ihr nur mündlich verkündet wurde, mit dem Tag der Verkündung.
Gemäß § 32 Abs. 2 AVG enden Fristen, die nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmt sind, mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, der durch seine Benennung oder Zahl dem Tag entspricht, an dem die Frist begonnen hat. Fehlt dieser Tag im letzten Monat, so endet die Frist mit Ablauf des letzten Tages dieses Monats.
Beginn und Lauf einer Frist werden gemäß § 33 Abs. 1 AVG durch Samstage, Sonntage oder gesetzliche Feiertage nicht behindert.
Aus dem Akteninhalt ergibt sich unzweifelhaft, dass die Beschwerdeführerin die im Spruch genannten Bescheide über eAMS am 30.01.2018 gelesen hat und diese der Beschwerdeführerin somit am 30.01.2018 zugestellt und sohin rechtswirksam erlassen wurden.
Da die Beschwerden erst am 14.03.2018 eingebracht wurden und sohin erst nach Ablauf der vierwöchigen Beschwerdefrist bei der Behörde eingelangt sind, waren die Beschwerden gemäß § 7 Abs. 4 VwGVG als verspätet zurückzuweisen.
3.3. Zum Entfall der mündlichen Verhandlung
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß Abs. 3 hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden. Gemäß Abs. 4 kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.
Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte - trotz deren Beantragung - gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG Abstand genommen werden, da der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt aus der Aktenlage geklärt ist und eine mündliche Erörterung die weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, zumal sich die Beschwerdeführerin dem Zugriff des Bundesverwaltungsgerichts entzogen hat.Weder war der Sachverhalt in wesentlichen Punkten ergänzungsbedürftig noch erschien er in entscheidenden Punkten als nicht richtig. Dem Entfall der Verhandlung stehen auch weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010, S 389, entgegen.
Zur Zurückweisung der Beschwerde wird auf § 24 Abs. 2 Z 1 erster Fall VwGVG verwiesen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die Abweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ergeht in Anlehnung an die zitierte Rechtsprechung zu § 33 VwGVG sowie zu § 71 AVG.
Schlagworte
Rechtsmittelfrist, Verspätung, Wiedereinsetzung, Zurückweisung,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W262.2195163.1.00Zuletzt aktualisiert am
25.04.2019