TE Vwgh Beschluss 2019/3/21 Ra 2019/22/0029

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Veröffentlicht am 21.03.2019
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

B-VG Art133 Abs4;
MRK Art8;
NAG 2005 §11 Abs2 Z1;
NAG 2005 §11 Abs3;
NAG 2005 §11 Abs4 Z1;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Robl, die Hofrätin Mag.a Merl und den Hofrat Dr. Schwarz als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, in der Revisionssache des N B, vertreten durch Mag. Robert Bitsche, Rechtsanwalt in 1050 Wien, Nikolsdorfergasse 7-11/15, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 18. September 2018, LVwG-AV-653/001-2018, betreffend Aufenthaltstitel (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (LVwG) die Beschwerde des Revisionswerbers, eines Staatsangehörigen der Republik Kosovo, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha vom 18. Mai 2018, mit dem sein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Familienangehöriger" abgewiesen worden war, weil sein Aufenthalt den öffentlichen Interessen widerstreite (§ 11 Abs. 2 Z 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG)) und eine Interessenabwägung gemäß § 11 Abs. 3 NAG nicht zu seinen Gunsten anzuwenden sei, als unbegründet ab. Eine ordentliche Revision wurde für nicht zulässig erklärt.

In seiner Begründung setzte sich das LVwG in der Prognoseentscheidung mit den den vier strafgerichtlichen Verurteilungen (zwischen 2002 und 2011) des Revisionswerbers zugrunde liegenden Umständen und dem zwischen 2007 und 2016 aufrechten Aufenthaltsverbot aufgrund der strafgerichtlichen Verurteilungen und einer Aufenthaltsehe auseinander, und kam zu dem Ergebnis, dass die Erteilungsvoraussetzung des § 11 Abs. 2 Z 1 iVm § 11 Abs. 4 Z 1 NAG nicht vorliege. Im Rahmen der Interessenabwägung gemäß § 11 Abs. 3 leg. cit. berücksichtigte das LVwG zugunsten des Revisionswerbers seinen langen Aufenthalt in Österreich (April 1998 bis Jänner 2017), seine Sprachkenntnisse und seine Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin seit Oktober 2017; andererseits brachte das LVwG zwei negativ entschiedene Asylanträge, die Übertretung nach dem Meldegesetz nach Abweisung des zweiten Asylantrages, die Missachtung des gegen ihn aufgrund der strafgerichtlichen Verurteilungen und einer Aufenthaltsehe verhängten Aufenthaltsverbotes, seine mangelnde Integration in den Arbeitsmarkt, seine Bindungen zum Heimatstaat und das Eingehen der Ehe während eines unsicheren Aufenthaltsstatus in Anschlag. Daraus schloss das LVwG, dass die Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK derzeitig nicht geboten sei.

5 In seiner Zulässigkeitsbegründung wendet sich der Revisionswerber gegen die Prognosebeurteilung und bringt vor, das LVwG habe diese nicht anhand der Umstände des Einzelfalles vorgenommen, indem es das den Verurteilungen zugrunde liegende Fehlverhalten nicht festgestellt und das Wohlverhalten zu wenig gewürdigt habe (Hinweis auf VwGH 9.7.2009, 2009/22/0107; 17.9.2008, 2008/22/0269). Darüber hinaus sei das LVwG von der Judikatur der Höchstgerichte hinsichtlich der Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK abgewichen.

6 Dabei übersieht die Revision, dass sowohl eine Prognosebeurteilung als auch eine Interessenabwägung jeweils einzelfallbezogene Beurteilungen darstellen, die im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgten und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurden - nicht revisibel sind (vgl. etwa VwGH 20.12.2018, Ra 2018/21/0224, Rn. 16, mwN).

Der Vorwurf, das LVwG habe das den Verurteilungen zugrunde liegende Fehlverhalten nicht festgestellt, trifft hinsichtlich der Verurteilungen im Jahr 2006 (gewerbsmäßiger Suchtmittelverkauf), 2007 (Diebstahl durch Einbruch) und 2011 (Verwendung gefälschter Dokumente und Entfremdung unbarer Zahlungsmittel) nicht zu. Entgegen der Ansicht des Revisionswerbers berücksichtigte das LVwG im Hinblick auf die strafrechtlichen Verurteilungen des Revisionswerbers sehr wohl, dass diese mittlerweile zwischen sieben und 16 Jahre zurückliegen. Das LVwG wies aber zutreffend darauf hin, dass die Vermögensdelikte, Suchgiftdelikte und Urkundendelikte in ihrer Gesamtheit eine massive Missachtung der österreichischen Rechtsordnung darstellen, zumal sie während eines anhängigen Asylverfahrens und während aufrechter Probezeit einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe begangen wurden, und dass der Revisionswerber rechtswidrig im Inland blieb. Die Übertretungen des Meldegesetzes erfolgten bis Jänner 2017. Das LVwG strich die jahrelange Missachtung der österreichischen Rechtsordnung durch den Revisionswerber hervor und beurteilte die seit seinem letzten Fehlverhalten im Jänner 2017 verstrichene Zeit als zu kurz, um eine positive Gefährdungsprognose erstellen zu können.

Die vom LVwG im vorliegenden Fall nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung und unter ausreichender Bedachtnahme auf alle maßgeblichen Aspekte erzielte Lösung kann im Ergebnis nicht als unvertretbar angesehen werden.

7 In der Revision wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme; sie war daher zurückzuweisen.

Wien, am 21. März 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019220029.L00

Im RIS seit

24.04.2019

Zuletzt aktualisiert am

26.04.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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