TE Vwgh Beschluss 2019/3/27 Ra 2019/12/0018

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Veröffentlicht am 27.03.2019
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Index

L22003 Landesbedienstete Niederösterreich;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
63/01 Beamten-Dienstrechtsgesetz;

Norm

AVG §59 Abs1;
BDG 1979 §10 Abs2;
B-VG Art133 Abs4;
LBedG NÖ 2006 §15;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens, Hofrat Mag. Feiel und Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richterin und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kratschmayr, über die Revision des B S in W, vertreten durch Mag. Wolfgang Kleinhappel, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rabensteig 8, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 10. Jänner 2019, LVwG-AV-697/001-2018, betreffend Kündigung des provisorischen Dienstverhältnisses (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Niederösterreichische Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber stand bis zum Ablauf des 31. August 2018 in einem provisorischen öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land Niederösterreich. Seit 1. Jänner 2013 übte er in der Straßenmeisterei W die Funktion eines Straßenmeister-Betriebsleiters aus.

2 Mit Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 26. April 2018 wurde dieses provisorische öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis wegen pflichtwidrigen Verhaltens gekündigt.

3 Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde des Revisionswerbers wurde mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich (LVwG) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgewiesen.

Das LVwG stellte fest, dass sich der Revisionswerber im Zuge eines Raufhandels beim Winzerfest in P schwer am Knie verletzt habe. Kurz vor Beginn des Raufhandels habe der Revisionswerber einem Festbesucher auf dem Festgelände mindestens eine Ohrfeige versetzt, wodurch die Brille dieser Person zu Bruch gegangen sei. Am nächsten Tag habe der Revisionswerber seine Dienstunfähigkeit als Privatunfall bei Reinigungsarbeiten im Haushalt dargestellt. Ihm sei dabei bewusst gewesen, dass dem Land Niederösterreich als Dienstgeber aufgrund der wissentlich falsch angegebenen Verletzungsursache finanzielle Nachteile unabhängig davon drohten, "ob sich ein Dritter als Verletzter feststellen lassen würde oder nicht". Der Revisionswerber sei in der Folge zur polizeilichen Vernehmung über den Vorfall geladen worden, weshalb er vermutet habe, dass die wahre Ursache seiner Verletzung bereits "weiten Kreisen bekannt" geworden sei. Zunächst habe er die wahre Verletzungsursache telefonisch und über Vorladung gegenüber dem Vorgesetzten auch persönlich gemeldet. Die Personalabteilung habe auch durch ein anonymes Schreiben von der wahren Verletzungsursache Kenntnis erlangt. Mit Dienstrechtsmandat vom 23. Oktober 2017 seien die Bezüge des Revisionswerbers bis zur Wiedererlangung der Dienstfähigkeit im Umfang von 54 Tagen eingestellt worden.

Das LVwG erläuterte seine Beweiswürdigung und führte rechtlich aus, dass der Revisionswerber eine Falschmeldung hinsichtlich seiner Verletzung abgegeben habe. Selbst wenn der Revisionswerber im Zeitpunkt der versuchten Täuschung des Dienstgebers der Überzeugung gewesen sei, er wäre beim Raufhandel lediglich das Opfer gewesen, wäre er verpflichtet gewesen, dem Dienstgeber mittels einer wahrheitsgemäßen und vollständigen Meldung die Möglichkeit von Kostenersatzforderungen gegenüber dem vermeintlichen Täter zu eröffnen. In diesem Sinne habe der Revisionswerber bei seiner falschen Unfallmeldung jedenfalls eine finanzielle Schädigung des Dienstgebers zumindest ernsthaft für möglich halten und sich damit abfinden müssen. Für die damit bewirkte "vertrauensvernichtende Täuschung" des Dienstgebers spiele es keine Rolle, ob der Revisionswerber lediglich die Wahrung seines Ansehens oder allenfalls auch die Erschleichung besoldungsrechtlicher Ansprüche habe bezwecken wollen. Aus näheren Gründen liege keine geringfügige Pflichtenverletzung vor; auch die einmalige Tat könne derart schwerwiegend sein, dass durch sie der Kündigungsgrund verwirklicht werde. Die Revision wurde vom LVwG nicht zugelassen.

4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Zu ihrer Zulässigkeit wird vorgebracht, dass eine Verletzung von Verfahrensvorschriften vorliege, da die Personalvertretung vor Ausspruch der Kündigung von der Kündigungsabsicht nicht informiert worden sei. Es liege ein Verstoß gegen das Konkretisierungsgebot vor, da im Spruch des Bescheides lediglich festgehalten sei, dass das provisorische öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis wegen "pflichtwidrigen Verhalten" gekündigt werde; das verpönte Verhalten werde im Spruch jedoch nicht umschrieben. Die Kündigung sei überdies verfristet, da sie erst sieben Monate nach Kenntnis des Sachverhaltes ausgesprochen worden sei, was nicht dem Unverzüglichkeitsgrundsatz entspreche. Weiters gebe es keine Prognose für die Zukunft, eine solche sei nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes jedoch erforderlich. Auch liege ein Begründungsmangel vor, weil es keine Begründung dafür gebe, warum kein Disziplinarverfahren eingeleitet worden sei. Der festgestellte Sachverhalt rechtfertige nicht die Kündigung des Dienstverhältnisses, die Dienstpflichtverletzung habe ihre Grundlage in einem außerdienstlichen Verhalten und seien die unrichtigen Angaben von ihm selbst richtig gestellt worden.

Die Revision erweist sich als unzulässig:

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Hat das Verwaltungsgericht - wie im gegenständlichen Fall - ausgesprochen, dass die Revision nicht gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist, hat die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof hingegen nur im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8 § 15 Abs. 1 bis 4 NÖ Landes-Bedienstetengesetz (NÖ LBG) in der Stammfassung der wiedergegebenen Teile dieser Bestimmung, LGBl. 2100-0, lautet:

"Provisorisches und definitives Dienstverhältnis der beamteten Bediensteten

(1) Das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis ist zunächst provisorisch.

(2) Das provisorische Dienstverhältnis kann mit Bescheid gekündigt werden.

Die Kündigungsfrist beträgt

-

während der ersten sechs Monate des Dienstverhältnisses (Probezeit) 1 Kalendermonat,

-

nach Ablauf der Probezeit 2 Kalendermonate und

-

nach Vollendung des zweiten Dienstjahres 3 Kalendermonate.

Die Kündigungsfrist hat mit Ablauf eines Kalendermonates zu enden.

(3) Während der Probezeit ist die Kündigung ohne Angabe von Gründen, später nur mit Angabe des Grundes möglich. Die Bestimmungen über die Probezeit sind nicht anzuwenden auf Bedienstete, die unmittelbar vor Beginn des Dienstverhältnisses mindestens ein Jahr gleichwertig als Vertragsbedienstete verwendet wurden.

(4) Kündigungsgründe (Abs. 2) sind insbesondere:

1.        Nichterfüllung von allgemeinen oder besonderen

Aufnahmebedingungen,

2.        Mangel der für die Erfüllung der dienstlichen Aufgaben

erforderlichen Eignung,

3.        unbefriedigender Arbeitserfolg,

4.        pflichtwidriges Verhalten,

5.        Bedarfsmangel."

9 Sofern mit dem Vorbringen, die Personalvertretung habe am Kündigungsverfahren nicht mitgewirkt, ein Verfahrensfehler behauptet wird, setzt die Zulässigkeit der Revision voraus, dass die Relevanz dieses Mangels für den Verfahrensausgang dargetan wird, das heißt, dass dieser behauptete Verfahrensmangel abstrakt geeignet sein muss, im Falle eines mängelfreien Verfahrens zu einem anderen - für den Revisionswerber günstigeren - Ergebnis zu führen (vgl. VwGH 17.9.2008, 2007/12/0163).

10 Die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels ist aufgrund des Fehlens jedweder Ausführungen hierzu im vorliegenden Fall jedoch nicht ersichtlich, weshalb sich diesbezüglich keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung stellt (vgl. VwGH 30.1.2019, Ra 2018/12/0056).

11 Der Revisionswerber macht weiters geltend, der Bescheid der belangten Behörde entspreche nicht dem Konkretisierungsgebot des § 59 AVG, weil im Spruch lediglich von einem "grob pflichtwidrigen Verhalten" des Revisionswerbers die Rede sei. Das verpönte Verhalten selbst werde im Spruch nicht näher konkretisiert, wodurch der Spruch des Bescheides mangelhaft geblieben sei.

12 Gemäß § 59 Abs. 1 AVG (diese Bestimmung findet nach § 1 Abs. 1 DVG auch im vorliegenden Verfahren Anwendung) hat der Spruch die in Verhandlung stehende Angelegenheit und alle die Hauptfrage betreffenden Parteienanträge, ferner die allfällige Kostenfrage in möglichst gedrängter, deutlicher Fassung unter Anführung der angewendeten Gesetzesbestimmungen, und zwar in der Regel zur Gänze, zu erledigen.

13 Wie der Verwaltungsgerichtshof zu einem Kündigungsverfahren bereits ausgesprochen hat, ist "die in Verhandlung stehende Angelegenheit" im Sinne des § 59 Abs. 1 erster Satz AVG der Ausspruch der Kündigung (Auflösung des provisorischen Dienstverhältnisses durch Willensakt des Dienstgebers) und die Festlegung der Wirksamkeit der Kündigung (unter Beachtung der Kündigungsfrist) mit dem Ablauf eines Kalendermonates. Diese Verfügungen sind daher im Spruch zu treffen. Das Vorliegen eines Kündigungsgrundes ist ein Rechtmäßigkeitserfordernis der Kündigung, das in der Begründung näher darzulegen ist (vgl. dazu VwGH 18.3.1992, 89/12/0102). An dieser zu § 10 Abs. 2 BDG 1979 ergangenen Rechtsprechung, die auch auf § 15 NÖ LBG übertragbar ist, hält der Verwaltungsgerichtshof fest, sodass sich in diesem Zusammenhang keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung stellt.

14 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verfolgt die Einrichtung des provisorischen Dienstverhältnisses den Zweck, den Beamten auf seine Eignung für den Dienst zu prüfen und nur Beamte in das definitive Dienstverhältnis zu nehmen, die allen Anforderungen entsprechen, die an einen Beamten im allgemeinen ebenso wie in Anbetracht der Verwendung, für die er aufgenommen wurde, gestellt werden müssen. Damit sollen alle sich nicht voll bewährenden Beamten noch vor Erlangung einer unkündbaren Stellung von der Beamtenlaufbahn, für die sie sich nicht eignen, ausgeschlossen werden. Dabei ist es gleichgültig, ob die Gründe, die zur Kündigung eines provisorischen Dienstverhältnisses führen, eine längere oder eine kürzere Zeit zurückliegen; denn die Dienstbehörde hat nach dem Gesagten das Recht und die Pflicht, vor der Definitivstellung eines Beamten sein ganzes dienstliches oder außerdienstliches Verhalten zu prüfen (VwGH 11.11.1998, 98/12/0154; explizit zum - unzutreffenden - Einwand der "Verfristung" der Kündigung: 23.2.2007, 2006/12/0075). Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt eine Verfristung der Kündigung nicht in Betracht.

15 Ebensowenig stellt sich eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem "Ursprung" der Dienstpflichtverletzung in einem außerdienstlichen Ereignis: Die Kündigung erfolgte wegen einer konkreten Dienstpflichtverletzung, nämlich der falschen Krankenstandsmeldung. Auch aus den Ausführungen zur behauptetermaßen fehlenden Prognose ergibt sich keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung: Die in der Zulässigkeitsbegründung zitierte Rechtsprechung (VwGH 4.7.2001, 98/12/0174) betrifft die Definitivstellung nach § 178 BDG 1979. Im vorliegenden Fall handelt es sich aber um eine Kündigung wegen pflichtwidrigen Verhaltens, wobei das LVwG eine bloße Geringfügigkeit der festgestellten Pflichtenverletzung verneint hat (vgl. etwa VwGH 5.7.2006, 2003/12/0171, wonach das Fehlen von Wiederholungsgefahr nur eine der Voraussetzungen für die Abstandnahme von einer Kündigung wegen pflichtwidrigen Verhaltens darstellt). Selbst durch ein (Wohl-)Verhalten während eines längeren Zeitraums vor der Dienstpflichtverletzung wird diese dadurch nicht aufgehoben (vgl. VwGH 23.2.2007, 2006/12/0075).

16 Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgeführt, dass das Disziplinarrecht anderen Zielsetzungen als die Kündigung eines provisorischen Dienstverhältnisses dient (vgl. VwGH 23.4.2012, 2011/12/0165), sowie, dass eine Abstandnahme von einer Kündigung nach § 15 NÖ LBG im Hinblick auf eine allfällige Möglichkeit, ein Disziplinarverfahren durchzuführen, ausgeschlossen ist (VwGH 9.9.2016, Ra 2016/12/0002). Das LVwG war daher nicht gehalten, die Möglichkeit eines Disziplinarverfahrens zu prüfen, sodass sich aus der Unterlassung einer solchen Prüfung keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung stellen kann.

17 Aus den dargelegten Erwägungen erweist sich die Revision, welche die Voraussetzungen nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht erfüllt, als unzulässig, weshalb sie gemäß § 34 Abs. 1 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen war.

Wien, am 27. März 2019

Schlagworte

Spruch und Begründung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019120018.L00

Im RIS seit

24.04.2019

Zuletzt aktualisiert am

26.04.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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