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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
B-VG Art133 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober und den Hofrat Dr. Sutter als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision des S A in W, vertreten durch Mag. Sonja Ott als bestellte Verfahrenshelferin, diese vertreten durch Mag. Sonja Scheed, Rechtsanwältin in 1220 Wien, Brachelligasse 16, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. Dezember 2018, Zl. W159 2155728-1/12E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber ist ein Staatsangehöriger Somalias, gehört dem Clan der Isaaq an und ist sunnitischer Moslem. Er lebte vor seiner Ausreise in Hargeysa/Somaliland und stellte am 5. Dezember 2014 einen Antrag auf internationalen Schutz. Zur Begründung führte er aus, sein Bruder habe bei einer Auseinandersetzung einen anderen Mann getötet. Dem Revisionswerber drohe bei einer Rückkehr Blutrache durch die Angehörigen des Verstorbenen.
2 Mit Bescheid vom 14. April 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) diesen Antrag zur Gänze ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Somaliland/Somalia zulässig sei, und legte eine 14-tägige Frist zur freiwilligen Ausreise fest.
3 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - als unbegründet ab. Die Revision erklärte es für nicht zulässig.
4 Begründend führte das BVwG aus, das Fluchtvorbringen sei aus näher dargestellten Gründen nicht glaubhaft. Dem Revisionswerber sei auch der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen. Der junge, gesunde und arbeitsfähige Revisionswerber, welcher über Schulbildung und Berufserfahrung verfüge, würde bei einer Rückkehr in seine Herkunftsregion Hargeysa nicht in eine ausweglose Situation geraten. Betreffend die Rückkehrentscheidung erwog das BVwG, dass fallbezogen die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung die privaten Interessen des Revisionswerbers am Verbleib im Bundesgebiet überwiegen würden. Der Revisionswerber sei nicht selbsterhaltungsfähig, er habe lediglich ein Deutschdiplom Niveau A1 vorweisen können, leiste in der Unterkunft Hilfstätigkeiten und spiele gelegentlich Fußball. Eine tiefergreifende Integration sei nicht feststellbar. Der Revisionswerber sei auch nicht von seinem Herkunftsstaat "entwurzelt", zumal er den Großteil seines Lebens in Somalia verbracht habe und die Landessprache spreche.
5 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision, welche zusammengefasst geltend macht, in dem der Beschlussfassung zugrundeliegenden Verfahren sei eine "erhebliche Rechtsfrage" des materiellen und auch des Verfahrensrechts unrichtig gelöst worden. In den Länderfeststellungen, welche größtenteils die gebotene Aktualität vermissen ließen, werde auf die konkrete Möglichkeit des Rachemordes nicht eingegangen. Es seien keinerlei Ausführungen zu innerstaatlichen Fluchtalternativen getätigt worden. Betreffend die Rückkehrentscheidung wird ins Treffen geführt, das BVwG habe die Gesamtbetrachtung aller wesentlichen Umstände unrichtig und nicht nachvollziehbar vorgenommen.
6 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.
7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
10 Soweit der Revisionswerber zunächst die mangelnde Aktualität der vom BVwG herangezogenen Länderberichte beanstandet, legt er nicht dar, welche aktuelleren Länderberichte vom BVwG heranzuziehen gewesen wären und inwiefern deren Berücksichtigung zu einem anderen - für den Revisionswerber günstigeren - Verfahrensergebnis hätte führen können (vgl. zur erforderlichen Relevanzdarlegung bei Verfahrensmängeln etwa VwGH 9.5.2018, Ra 2018/18/0212, mwN). Im Übrigen ist eine mangelnde Aktualität auch nicht ersichtlich, zumal die dem Erkenntnis zugrunde gelegten Berichte - entgegen dem Revisionsvorbringen - unter anderem aktuelle Kurzinformationen zur Lage im Herkunftsstaat vom Mai und September 2018 enthalten.
11 Sofern gerügt wird, es werde in den Länderberichten auf die konkrete Möglichkeit einer Blutrache nicht eingegangen, übersieht die Revision, dass das BVwG bereits das Fluchtvorbringen als nicht glaubhaft erachtete und dabei die Glaubwürdigkeit seiner Behauptungen auch im Vergleich zur einschlägigen Berichtslage gemessen hat (vgl. dazu VwGH 11.4.2018, Ra 2018/20/0040, mwN). Dass die - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - vorgenommene Beweiswürdigung des BVwG an einer vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Mangelhaftigkeit leiden würde (vgl. VwGH 1.3.2019, Ra 2018/18/0552, mwN) zeigt die vorliegende Revision, welche den beweiswürdigenden Ausführungen des BVwG nicht entgegentritt, hingegen nicht auf.
12 Das Vorbringen, wonach im Erkenntnis keinerlei Ausführungen zu innerstaatlichen Fluchtalternativen getätigt worden seien, geht schon deshalb ins Leere, weil das BVwG im vorliegenden Revisionsfall eine Rückkehr in die Herkunftsregion des Revisionswerbers angenommen hat und das Fluchtvorbringen für nicht glaubhaft erachtete. Insofern musste das BVwG auch keine Ausführungen über eine innerstaatliche Fluchtalternative treffen.
13 Soweit die Revision schließlich die vom BVwG vorgenommene Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK beanstandet, ist festzuhalten, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel ist (vgl. etwa VwGH 28.2.2019, Ra 2019/18/0063, mwN). Mit dem pauschalen Vorbringen, es sei keine nachvollziehbare Gesamtbetrachtung aller wesentlichen Umstände erfolgt, ohne jedoch darzulegen, welche konkreten Umstände nicht bzw. nicht ausreichend berücksichtigt worden seien, wird nicht aufgezeigt, dass die vom BVwG vorgenommene Interessenabwägung unvertretbar wäre.
14 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 3. April 2019
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019180030.L00Im RIS seit
24.04.2019Zuletzt aktualisiert am
26.04.2019