TE Vwgh Erkenntnis 2019/4/3 Ra 2018/18/0426

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Veröffentlicht am 03.04.2019
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
41/02 Asylrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 2005 §3;
BFA-VG 2014 §21 Abs7;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie den Hofrat Mag. Nedwed und die Hofrätin MMag. Ginthör als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision des A L, vertreten durch Mag.a Doris Einwallner, Rechtsanwältin in 1050 Wien, Schönbrunnerstraße 26/3, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. Juni 2018, Zl. I416 2198335- 1/5E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Ugandas, stelle am 25. März 2017 einen Antrag auf internationalen Schutz. Zu seinen Fluchtgründen brachte er vor, in Uganda aufgrund des Bekanntwerdens seiner Homosexualität verfolgt zu werden. Er habe dort eine sexuelle Beziehung mit seinem Sporttrainer geführt. Dieser habe ihm, nachdem er aus diesem Grund in Uganda inhaftiert worden sei, in weiterer Folge geholfen, nach Europa zu gelangen.

2 Mit Bescheid vom 8. Mai 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag auf internationalen Schutz zur Gänze ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), erließ eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass die Abschiebung des Revisionswerbers nach Uganda zulässig sei. Eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde nicht gesetzt und die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde aberkannt.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde des Revisionswerbers ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit einer Maßgabeentscheidung ab und erklärte die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig. Das BVwG schloss sich der Beweiswürdigung des BFA an und erachtete das Fluchtvorbringen des Revisionswerbers für nicht glaubhaft.

4 Das Unterbleiben der mündlichen Verhandlung begründete das BVwG im Wesentlichen damit, dass der Sachverhalt durch das BFA vollständig erhoben worden sei und nach wie vor die gebotene Aktualität aufweise. Der Beweiswürdigung des BFA schließe sich das BVwG zur Gänze an. Das Beschwerdevorbringen werfe keine neuen oder noch zu klärenden Sachverhaltsfragen auf. Der Sachverhalt sei aufgrund des vorliegenden Verwaltungsaktes in Verbindung mit der Beschwerde geklärt, weshalb keine neuen Beweise aufzunehmen gewesen seien. Das BVwG sei auch im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nicht gehalten, eine mündliche Verhandlung durchzuführen, weil selbst unter Berücksichtigung aller zugunsten des Revisionswerbers sprechenden Fakten kein günstigeres Ergebnis zu erwarten sei, wenn sich das BVwG einen persönlichen Eindruck vom Revisionswerber verschaffe.

5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, zu deren Zulässigkeit geltend gemacht wird, das BVwG habe zu Unrecht und abweichend von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes von der Durchführung der mündlichen Verhandlung abgesehen.

6 Das BFA erstattete keine Revisionsbeantwortung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

7 Die Revision ist zulässig und begründet.

8 Soweit die Revision einen Verstoß des BVwG gegen die Verhandlungspflicht geltend macht, ist zunächst festzuhalten, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum auch hier maßgeblichen § 21 Abs. 7 erster Fall BFA-VG ein Absehen von der mündlichen Verhandlung dann gerechtfertigt ist, wenn der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des BVwG immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das BVwG die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt (vgl. grundlegend VwGH 28.5.2014, Ra 2014/20/0017-0018, aus der jüngeren Rechtsprechung etwa VwGH 6.11.2018, Ra 2018/18/0450). Diese in der hg. Rechtsprechung aufgestellten Kriterien waren im vorliegenden Fall nicht erfüllt.

9 Die Beweiswürdigung des BFA stützt sich wesentlich auf im Bescheid näher dargestellte Widersprüchlichkeiten der Aussagen des Revisionswerbers. Sie verweist insbesondere auf ein von der Behörde im Internet aufgefundenes Foto, welches am 15. Februar 2017 aufgenommen worden sei und den Revisionswerber gemeinsam mit einer Sportmannschaft zu einem Zeitpunkt zeige, zu dem sich dieser nach seinen Angaben in Haft bzw. durchgehend in der Wohnung seines Trainers befunden habe. Diesen beweiswürdigenden Überlegungen schloss sich das BVwG explizit an.

10 Eben dieser (vom BFA übernommenen) Beweiswürdigung ist der Revisionswerber jedoch in seiner Beschwerde, in der er u.a. das Ergebnis der auf das Foto bezogenen Personenverifizierung bestritt und versuchte, behauptete Widersprüchlichkeiten seiner Angaben aufzuklären, konkret entgegengetreten. Er hat in diesem Zusammenhang sowie betreffend andere zentrale Aspekte der behördlichen Beweiswürdigung auch ausdrücklich Beweisanträge formuliert, und zwar beispielsweise zur Einvernahme einer Zeugin betreffend eine in Österreich eingegangene und bereits in der Einvernahme vor dem BFA erwähnte homosexuelle Beziehung.

11 Mit diesem Vorbringen hat der Revisionswerber die Beweiswürdigung des BFA in seiner Beschwerde substantiiert bekämpft, womit die Voraussetzungen für ein Absehen von der Verhandlung gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht mehr vorlagen.

12 Das angefochtene Erkenntnis war somit schon deshalb wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

13 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. Wien, am 3. April 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018180426.L00

Im RIS seit

24.04.2019

Zuletzt aktualisiert am

26.04.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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