TE Lvwg Erkenntnis 2019/3/12 LVwG-AV-67/001-2019

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Veröffentlicht am 12.03.2019
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Entscheidungsdatum

12.03.2019

Norm

AWG 2002 §62 Abs2
AWG 2002 §62 Abs3
GewO 1994 §360 Abs1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch Mag. Binder als Einzelrichterin über die Beschwerde des A, vertreten durch Rechtsanwalt B, ***, ***, gegen Spruchpunkt I. 2. des Bescheides der Landeshauptfrau von Niederösterreich vom 30. November 2018, Zl. ***, betreffend Kollaudierung gemäß § 63 Abs. 1 Abfall-wirtschaftsgesetz 2002 (AWG 2002) samt Maßnahmenauftrag, zu Recht:

1.   Anlässlich der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid der Landeshauptfrau von Niederösterreich vom 30. November 2018,
Zl. ***, in seinem Spruchpunkt I. 2. ersatzlos aufgehoben.

2.   Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Rechtsgrundlagen:

§ 28 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG)

§§ 62 Abs. 2, 3 und 63 Abs. 1 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (AWG 2002)

Entscheidungsgründe:

1.   Zum verwaltungsbehördlichen Verfahren:

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 03. Juli 2015, Zl. ***, wurde wie folgt festgestellt:

„I.)

Gemäß § 6 Abs 6 Z 1 AWG 2002, wird festgestellt, dass Herr A im Standort Grundstück Nr. ***, *** und ***, KG ***, eine Abfallbehandlungsanlage betreibt, deren Betrieb der Genehmigungspflicht gemäß § 37 Abs 1 AWG 2002 unterliegt.

II.)

Es wird festgestellt, dass die mit Bescheid der Berghauptmannschaft Wien vom 15. Dezember 1998, Zl ***, im Rahmen der Genehmigung des Abschlussbetriebsplanes genehmigte Verfüllung der Abbaustätte „***“ gemäß Projekt „Abbaufeld ***, Abschlussbetriebsplan zur Wiederherstellung des ursprünglichen Geländes“, erstellt von C im März 1995, GZ ***, keiner (Neu-)Genehmigung nach § 37 AWG 2002 bedarf.“

In Spruchpunkt IV. dieses Bescheides wurde vorgeschrieben, dass A verpflichtet wird, bis 31. Oktober 2015 ein Anpassungsprojekt (Anpassung an die DVO 2008), insbesondere Einteilung der Deponie in Abschnitte und Vorlage einer Sicherstellungsberechnung, der Behörde vorzulegen.

Mit Bescheid vom 17. Oktober 2017, Zl. ***, wurde die Anzeige des A bezüglich die Anpassung an den Stand der Technik bzw. die Deponieverordnung 2008 (DVO 2008) zur Kenntnis genommen.

Der Deponiebetreiber hat mit Eingabe vom 08. August 2018 die Errichtung des Deponierohplanums für den Kollaudierungsabschnitt 2, und zwar der Deponieabschnitte 1 und 2 im Bereich Abbaufeld „***“, den Restbereich von Deponieabschnitt 2 im Abbaufeld „***“, den südöstlichen Teilbereich von Deponieabschnitt 3 im Abbaufeld „***“ und sämtliche Restverfüllbereiche an der westlichen Böschung bis zur nördlichen Grenze des kollaudierungsgegenständlichen Bereiches im Abbaufeld „***“, gemäß nachgereichtem Lageplan „Abschnitt 2 – Kollaudierung“ vom 27. November 2018, der mit Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 03. Juli 2015, Zl. ***, ins AWG 2002 überführten bergrechtlichen Verfüllung angezeigt.

In weiterer Folge erging der nunmehr angefochtene Bescheid der Abfallrechtsbehörde vom 30. November 2018, Zl. ***, im Spruchpunkt I. wie folgt:

„I. Überprüfung – Deponierohplanum

Die Anzeige über die Errichtung des Deponierohplanums für den Kollaudierungsabschnitt 2 (Deponieabschnitte 1 und 2 – im Bereich Abbaufeld *** sowie den Restbereich von Deponieabschnitt 2 im Abbaufeld *** sowie den südöstlichen Teilbereich von Deponieabschnitt 3 im Abbaufeld *** und im Abbaufeld *** sämtliche Restverfüllbereiche an der westlichen Böschung bis zur nördlichen Grenze des Kollaudierungsgegenständlichen Bereiches) der mit Bescheid des Landeshauptmannes von NÖ vom 03. Juli 2015, ***, ins AWG 202 übergeführten bergrechtlichen Verfüllung der Abbaustätten „***“, „***“ und „***“ und mit Bescheid vom 17. Oktober 2017, ***, angepaßten sowie mit Bescheid vom 05. Dezember 2017, *** auf die Abbaufelder „***“ und „***“, sowie die Randstreifen der Abbaufelder „***“ und „***“, erweiterten Bodenaushubdeponie auf Gst. Nr. ***, ***, ***, *** und ***, alle KG ***, wird zur Kenntnis genommen und festgestellt, dass diese im Wesentlichen entsprechend der erteilten Genehmigung errichtet wurde.

Folgende Mängel sind vor Schüttbeginn bzw. innerhalb der angeführten Fristen zu beheben:

1.   Vor Beginn der Verfülltätigkeit ist der kollaudierungsgegenständliche Kollaudierungsabschnitt 2 in der Natur durch einen Erdwall oder dergleichen in Natur abzugrenzen.

2.   Das im Schüttbereich Südost befindliche Material ist innerhalb von 3 Wochen in den bereits kollaudierten Kollaudierungsabschnitt 1 umzulagern.

3.   Für die Verfüllbereiche Nordwest, Südost sowie den Bereich der Abfahrtsrampe sind Identitätskontrollen und § 42-Untersuchungen durchzuführen (Vorlage mit dem Aufsichtsbericht 2018).

4.   Im Zuge der weiteren Deponieschüttungen sind nach Schüttfreigabe im Abbaufeld *** die Steilböschungen entsprechend dem Deponieprojekt standsicher anzuböschen.

5.   Der Tagbaugrundriss vom April 2018 ist dem Kollaudierungsoperat anzuschließen.

Die Behebung dieser Mängel ist vom Deponieaufsichtsorgan in einem Sonderbericht zu dokumentieren und ist dieser Bericht umgehend der Behörde vorzulegen.“

In ihrer Begründung gab die belangte Behörde zu diesem Spruchpunkt das bei der Überprüfung erstattete Gutachten der Amtssachverständigen für Deponietechnik und Gewässerschutz sowie die §§ 61 Abs. 1, 63 Abs. 1 und 62 Abs. 3 AWG 2002 wieder.

Wörtlich führte die belangte Behörde weiter aus:

„Gemäß § 62 Abs. 3 AWG 2002 hat die Behörde die erforderlichen, nach dem nunmehrigen Stand der Technik geeigneten Maßnahmen vorzuschreiben, wenn sich nach der Erteilung einer Genehmigung gemäß den §§ 37, 44, 52 oder 54 ergibt, dass die gemäß § 43 wahrzunehmenden Interessen trotz Einhaltung der im Genehmigungsbescheid enthaltenen Auflagen, Bedingungen oder Befristungen nicht hinreichend geschützt sind. Geeignete Maßnahmen sind insbesondere Untersuchungen, Beprobungen, Messungen, nachträgliche Auflagen, Erstellung und Durchführung eines Sanierungskonzepts, Beseitigung von bereits eingetretenen Folgen von Auswirkungen der Behandlungsanlage, vorübergehende oder dauernde Einschränkungen der Behandlungsanlage oder die gänzliche oder teilweise Einstellung des Betriebs.

Aufgrund der angezeigten Fertigstellung und der vorgelegten Ausführungsunterlagen wurde die Übereinstimmung des errichteten Deponierohplanums für den Kollaudierungsabschnitt 2 mit dem Genehmigungsbescheid bzw. den Bestimmungen der DVO 2008 überprüft.

Im Zuge des Überprüfungsverfahrens wurde die fachliche Stellungnahme des Amtssachverständigen für Deponietechnik und Gewässerschutz eingeholt, welche eindeutig und widerspruchsfrei ergeben hat, dass

-    das Deponierohplanum für den Kollaudierungsabschnitt 2 im Wesentlichen entsprechend der abfallrechtlichen Genehmigung und den Bestimmungen der Deponieverordnung 2008 errichtet wurde sowie

Es war(en) daher aufgrund des Ermittlungsverfahrens

-    die Anzeige zur Kenntnis zu nehmen“

2.   Zum Beschwerdevorbringen:

Der Deponiebetreiber erhob gegen Spruchpunkt I. 2. dieser behördlichen Entscheidung durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter rechtzeitig Beschwerde und beantragte, das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich möge den angefochtenen Bescheid im Umfange der erfolgten Anfechtung (Spruchpunkt I. 2.) ersatzlos beheben.

Begründet wurde dieser Antrag wie folgt:

3. Mit dem angefochtenen Punkt I.2. wird dem Beschwerdeführer aufgetragen, das im Schüttbereich „***“ befindliche Material innerhalb von 3 Wochen in den bereits kollaudierten Kollaudierungsabschnitt 1 umzulagern.

Diese Umlagerung ist aber aus nachstehenden Gründen nicht erforderlich, weshalb der bescheidgemäße Auftrag zur Umlagerung überschießend und somit rechtswidrig ist:

a. Der Beschwerdeführer verweist darauf, dass der von den gegenständlichen Schüttungen betroffene Bereich des Grundstückes am 5.10.2018 durch die D GmbH für Vermessungswesen, Kulturtechnik und Wasserwirtschaft, vermessen wurde, was durch deren Geschäftsführer, E, bereits im Rahmen der Verhandlung am 28.11.2018 festgehalten worden war. Die Voraussetzung des Mindestabstandes von 1,0 m über HGW war daher bereits vor Beginn der Schüttung im Bereich "***" erfüllt.

b. Darüber hinaus war auch in diesem Bereich ein entsprechender Lastplattenversuch (LP 3) bereits vor der Schüttung vorgenommen worden. Auch dieser Lastplattenversuch war im Rahmen der Verhandlung vom 28.11.2018 angesprochen worden.

Die fehlenden Lastplattenversuche für den Kollaudierungsabschnitt 3 wurden am

06.12.2018 nachgeholt.

Aus den Ergebnissen und den nunmehr vorliegenden Unterlagen, die dieser Beschwerde beigelegt werden, ergibt sich, dass alle Voraussetzungen für eine Kollaudierung der Deponiebasis auch im Bereich "***" vorliegen und somit nicht nur zum Zeitpunkt der Verhandlung am 28.11.2018 sondern auch vor Beginn der Schüttung vorgelegen haben, weshalb die geforderte nachträgliche Umlagerung nicht erforderlich ist.

c. Auf Seite 6 des gegenständlichen Bescheides wird die im südöstlichen Bereich befindliche und im angefochtenen Spruchpunkt mit „***“ bezeichnete Schüttung beschrieben. Gemäß Absatz 3, Seite 6, entspricht das angetroffene Deponiegut augenscheinlich dem Konsens.

4. Der Beschwerdeführer legt seiner Beschwerde nachstehende

Urkunden

bei:

?    Vermessungsplan beinhaltend die Vermessungsergebnisse vom 05.10.2018,

?    Ergebnisse der zwischenzeitig durchgeführten ergänzenden Lastplattenversuche samt Planskizze, in dieser bezeichnet als LP Nr. ***

Hieraus ergibt sich in Zusammenhalt mit den unter 3c. getroffenen Feststellungen zur

Qualität des die Schüttung bildenden Materials, dass entgegen der Ansicht der Sachverständigen entsprechende Informationen bereits vor Beginn der Schüttung vorlagen und auch jetzt vorliegen, denen zu entnehmen ist, dass die Voraussetzung für eine Kollaudierung der Deponiebasis auch in diesem Bereich gegeben waren und sind.

5. Auf Seite 8 des Bescheides findet sich der Hinweis, dass auf die gegenüber dem im Bescheid zuvor zitierten Vermessungsstand weitergeführte Schüttung und auf die Basis des Schüttbereiches „***“ nicht eingegangen werde. Schon aus diesem Grund besteht keine Rechtsgrundlage und auch keine technische Notwendigkeit für die angefochtene Verpflichtung zur Umlagerung.

6. Für den Beschwerdeführer, der die Schüttung im nicht kollaudierten südöstlichen Bereich bedauert, und darauf hinweist, dass er – leider – bei den Kollaudierungsabschnitten den Überblick verloren hatte, ist die Nichtberücksichtigung der zitierten Unterlagen im Rahmen der Verhandlung besonders bedauerlich, und zwar insbesondere auch deshalb, da auf die Einhaltung der notwendigen Voraussetzungen vor Beginn der Schüttungen ausdrücklich hingewiesen worden war.

7. Der Beschwerdeführer begehrt daher die ersatzlose Aufhebung des Punktes I.2. des zitierten Bescheides, der in seinem sonstigen Umfang unangefochten bleibt.“

3.   Feststellungen:

Der Beschwerdeführer A betreibt im Standort Grundstück
Nr. ***, ***, ***, *** und ***, alle KG ***, eine genehmigte Bodenaushubdeponie.

Auf Grund der Anzeige des Deponiebetreibers vom 08. August 2018 über die Errichtung des Deponierohplanums für den Kollaudierungsabschnitt 2, im Konkreten für die Deponieabschnitte 1 und 2 im Bereich Abbaufeld „***“, für den Restbereich von Deponieabschnitt 2 im Abbaufeld „***“, für den südöstlichen Teilbereich von Deponieabschnitt 3 im Abbaufeld „***“ und für sämtliche Restfüllbereiche an der westlichen Böschung bis zur nördlichen Grenze im Abbaufeld „***“, dieser Bodenaushubdeponie fand am 28. November 2018 eine Überprüfung durch die Abfallrechtsbehörde statt.

Dabei wurde festgestellt, dass der Schüttbereich „***“, im nördlichen Bereich des Deponieabschnittes 3, ohne behördliche Abnahme der Deponiebasis in diesem Deponiebereich bis zum zweiten Höhenfixpunkt weitergeführt wurde und diese Schüttung eine Schütthöhe von zwei Meter und ein Volumen von ca. 3.000 m³ umfasst. Für diesen Schüttbereich lagen im Zeitpunkt der Überprüfung keine Informationen über die Errichtung der Deponiebasis vor, sodass nicht überprüft werden konnte, ob die Voraussetzungen für deren Kollaudierung gegeben sind. Dieser Schüttbereich liegt jedenfalls außerhalb des mit Schreiben vom 08. August 2018 angezeigten, fertig gestellten Deponierohplanums.

Die Amtssachverständige für Deponietechnik und Gewässerschutz forderte daher aus gewässerschutztechnischer Sicht, dass das im Schüttbereich „***“ befindliche Material innerhalb von drei Wochen in den Kollaudierungsabschnitt 1 umzulagern ist.

Der Verhandlungsleiter hielt in der Verhandlungsschrift vom 28. November 2018 fest, dass nach Vorlage eines konsolidierten Kollaudierungsoperates der Kollaudierungs-bescheid erlassen werden kann. Weiters wurde angekündigt, dass als Maßnahme die Umlagerung des Bereiches „***“ in den Kollaudierungsabschnitt 1 angeordnet werden wird. Ein Auftrag gemäß § 62 Abs. 2 AWG 2002 erging nicht.

4.   Beweiswürdigung:

Sämtliche Feststellungen ergeben sich aus dem vorgelegten Akt der Verwaltungsbehörde und werden von den Parteien auch grundsätzlich nicht bestritten. Im Übrigen gesteht der Beschwerdeführer in seinem Rechtsmittel zu, außerhalb eines kollaudierten Deponiebereiches bzw. außerhalb des vom verfahrensgegenständlichen Kollaudierungsverfahren umfassten Deponieabschnittes Schüttungen getätigt zu haben.

5.   Rechtslage:

§ 28 VwGVG lautet wie folgt:

(1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1.der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2.die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 17 VwGVG sind auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 
130 Abs. 1 B-VG – soweit das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz selbst nichts anderes normiert - die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Die belangte Behörde hat in ihrer rechtlichen Beurteilung nicht konkret dargelegt, auf welche Rechtsgrundlage sie den nunmehr angefochtenen Maßnahmenauftrag stützt.

In ihrer rechtlichen Beurteilung wurden folgende Normen wiedergegeben:

§ 62 Abs. 1 AWG 2002:

Die Behörde hat Behandlungsanlagen, die gemäß den §§ 37, 52 oder 54 genehmigungspflichtig sind, längstens alle fünf Jahre zu überprüfen. IPPC-Behandlungsanlagen sind entsprechend den Fristen gemäß § 63a Abs. 4 zu überprüfen.

§ 63 Abs. 1 AWG 2002:

Unmittelbar nach erfolgter Errichtung der Deponie oder eines Teilbereichs der Deponie und vor Einbringung der Abfälle hat die Behörde die Übereinstimmung der Anlage und der Maßnahmen mit der erteilten Genehmigung zu überprüfen. Parteistellung in diesem Verfahren hat der Antragsteller und der von einer Abweichung in seinen Rechten Betroffene. Über das Ergebnis dieser Überprüfung ist bescheidmäßig abzusprechen und die Behebung der dabei etwa wahrgenommenen Mängel und Abweichungen ist zu veranlassen. Die Einbringung von Abfällen in die Deponie oder den Teilbereich der Deponie ist erst nach Behebung der wahrgenommenen Mängel oder Abweichungen zulässig. Geringfügige Abweichungen, die den gemäß § 43 wahrzunehmenden Interessen nicht widersprechen oder denen der von der Abweichung in seinen Rechten Betroffene zustimmt, dürfen im Überprüfungsbescheid nachträglich genehmigt werden.

§ 62 Abs. 3 AWG 2002:

Ergibt sich nach der Erteilung einer Genehmigung gemäß den §§ 37, 44, 52 oder 54, dass die gemäß § 43 wahrzunehmenden Interessen trotz Einhaltung der im Genehmigungsbescheid enthaltenen Auflagen, Bedingungen oder Befristungen nicht hinreichend geschützt sind, so hat die Behörde die erforderlichen, nach dem nunmehrigen Stand der Technik geeigneten Maßnahmen vorzuschreiben. Geeignete Maßnahmen sind insbesondere Untersuchungen, Beprobungen, Messungen, nachträgliche Auflagen, Erstellung und Durchführung eines Sanierungskonzepts, Beseitigung von bereits eingetretenen Folgen von Auswirkungen der Behandlungsanlage, vorübergehende oder dauernde Einschränkungen der Behandlungsanlage oder die gänzliche oder teilweise Einstellung des Betriebs.

Demgegenüber sieht § 62 Abs. 2 AWG 2002 Folgendes vor:

Besteht der Verdacht eines konsenswidrigen Betriebs einer Behandlungsanlage, die gemäß den §§ 37, 52 oder 54 genehmigungspflichtig ist, so hat die Behörde – unabhängig von der Einleitung eines Strafverfahrens – den Inhaber einer Behandlungsanlage zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustands innerhalb einer angemessenen Frist aufzufordern. Kommt der Inhaber dieser Aufforderung innerhalb der gesetzten Frist nicht nach, so hat die Behörde mit Bescheid die zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustands erforderlichen, geeigneten Maßnahmen, wie die Stilllegung von Maschinen oder die teilweise oder gänzliche Schließung, zu verfügen.

Entscheidungswesentlich ist, auf welcher Rechtsgrundlage behördliche Anordnungen zur Herstellung eines konsensgemäßen Deponiebetriebes zu treffen sind. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich die angefochtene verwaltungspolizeiliche Anordnung auf einen Deponiebereich bezieht, der nicht vom Kollaudierungsverfahren umfasst ist.

Soweit die Abfallrechtsbehörde in ihrer Begründung § 62 Abs. 3 AWG 2002 anführt, ist festzuhalten, dass diese Norm nicht - wie etwa § 62 Abs. 2 leg. cit. - der Einhaltung von bereits erteilten Auflagen für den Betrieb einer Behandlungsanlage, sondern dem Schutz der gemäß § 43 AWG 2002 wahrzunehmenden Interessen durch Vorschreibung geeigneter Maßnahmen, und zwar in Ergänzung zu oder in Abänderung von bereits im Genehmigungsbescheid enthaltenen Auflagen, Bedingungen oder Befristungen, dient (vgl. VwGH 20.9.2012, 2011/07/0235).

Zwar hat ein Maßnahmenauftrag nach § 62 Abs. 3 AWG 2002 den zum Zeitpunkt der Erlassung geltenden Stand der Technik zu berücksichtigen, doch hat sich die Zulässigkeit der Maßnahmen nach deren Eignung am betroffenen Schutzzweck zu orientieren. Gegenständlich wurden aber zu diesem Zweck keine zusätzlichen Auflagen vorgeschrieben, sondern bezweckt der angefochtene Auftrag die Herstellung eines konsensgemäßen Betriebes.

In seinen wesentlichen Tatbestandsmerkmalen unterscheidet sich dem gegenüber
§ 63 Abs. 1 AWG 2002 nicht von § 121 Abs. 1 WRG, da auch nach dieser wasserrechtlichen Bestimmung die Errichtung einer bewilligungspflichtigen Wasseranlage der Behörde bekannt zu geben ist, diese sich von der Übereinstimmung der Anlage mit der erteilten Bewilligung zu überzeugen, über das Ergebnis dieser Überprüfung durch Bescheid auszusprechen und die Beseitigung etwa wahrgenommener Mängel und Abweichungen zu veranlassen hat. In der abfallrechtlichen Norm ist zwar ausdrücklich bestimmt, dass die „Einbringung von Abfällen in die Deponie oder den Teilbereich der Deponie erst nach Behebung der wahrgenommenen Mängel oder Abweichungen zulässig“ ist. Nachdem sich diese Rechtsnorm eindeutig aber nur auf Mängel der zu kollaudierenden Deponiebasisbereiche bezieht und deshalb letztlich die Einbringung von Abfällen in diese Deponiebereiche erst nach deren Behebung ex lege zulässig ist, kann daraus geschlossen werden, dass Maßnahmenaufträge zur Beseitigung außerhalb eines Kollaudierungsbereiches liegender Mängel nicht auf diese Rechtsgrundlage gestützt werden können.

§ 62 Abs. 2 AWG 2002 sieht bei Bestehen eines Verdachtes eines konsenswidrigen Betriebes einer Behandlungsanlage, die gemäß den §§ 37, 52 oder 54 genehmigungspflichtig ist – unabhängig von der Einleitung eines Verwaltungsstrafverfahrens – ein stufenweises Vorgehen vor:

-    Verfahrensanordnung nach Abs. 2 erster Satz;

-    erforderlichenfalls Bescheid nach Abs. 2 zweiter Satz.

Der § 62 Abs. 2 AWG 2002 wurde dem § 360 Abs. 1 GewO 1994 nachempfunden, sodass auf die Judikatur und Rechtsprechung zu dieser Norm bei Auslegung des
§ 62 Abs. 2 leg. cit. zurückgegriffen werden kann.

§ 62 Abs. 2 AWG 2002 dient der Einhaltung des Genehmigungskonsenses beim Betrieb einer Behandlungsanlage und nicht - wie etwa § 62 Abs. 3 leg. cit. - dem Schutz der gemäß § 43 leg. cit. wahrzunehmenden Interessen durch Vorschreibung geeigneter (zusätzlicher) Maßnahmen (vgl. VwGH 20.9.2012, 2011/07/0235).

Voraussetzung für einen Auftrag gemäß § 62 Abs. 2 AWG 2002 ist daher ein konkreter Verdacht einer konsenswidrigen Betriebsweise der Anlage. Eine nach
§ 62 Abs. 2 erster Satz AWG 2002 zu erteilende Verfahrensanordnung hat zwei Teile zu umfassen (vgl Gruber/Paliege-Barfuß, GewO7 § 360 Anm 5 mwN):

1.   die Darstellung der Gesetzwidrigkeit und

2.   die Aufforderung innerhalb einer bestimmten Frist den der Rechtsordnung entsprechenden Zustand herzustellen.

Die Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustandes bedeutet die Wiederherstellung jener Sollordnung, die sich aus den hier in Betracht kommenden abfallrechtlichen Bestimmungen ergibt, wie etwa die Einstellung des mangels Kollaudierung unzulässigen Schüttbetriebes und die Entfernung unzulässiger
(Ab-)Lagerungen.

In der Verfahrensanordnung sind nicht bereits die Maßnahmen, wohl aber der Sollzustand, so hinreichend konkret zu beschreiben, dass kein Zweifel daran bestehen kann, welches Ergebnis der Anlageninhaber innerhalb der gesetzten Frist zu bewirken hat.

Nach Ansicht des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich sind deshalb Maßnahmenaufträge zur Einstellung eines konsenswidrigen Betriebes, der einen Deponiebereich betrifft, der vom Kollaudierungsverfahren nicht umfasst ist, auf Grundlage des § 62 Abs. 2 AWG 2002 zu erteilen.

Es ist daher zu prüfen, ob von der Abfallrechtsbehörde eine rechtmäßige Verfahrensanordnung hinsichtlich des verfahrensinkriminierten Umlagerungsauftrages erteilt wurde. Die Amtssachverständige für Deponietechnik und Gewässerschutz hat zwar in der Verhandlung vom 28. November 2018 Ausführungen getätigt, welche Maßnahmen sie aus fachlicher Sicht als notwendig erachtet. In Zusammenhalt mit der Erklärung des Verhandlungsleiters, welche sich lediglich auf die Ankündigung eines Maßnahmenauftrages beschränkt, kann daraus eine Verfahrensanordnung mit normativem Inhalt nicht abgeleitet werden.

Aus der Verhandlungsschrift vom 28. November 2018 kann keine § 62 Abs. 2 erster Satz AWG 2002 gemäße Aufforderung zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustandes abgeleitet werden bzw. kann dieser keine behördliche Verfahrensanordnung im Sinne der zitierten Norm entnommen werden. Vielmehr lässt die gewählte Formulierung die Interpretation zu, dass vorerst nichts zu veranlassen ist, weil ohnehin eine bescheidmäßige Erledigung folgt.

Deshalb hat die Verwaltungsbehörde im Spruchpunkt I. 2. des angefochtenen Bescheides einen Maßnahmenauftrag erlassen, ohne dass vorher eine Aufforderung zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustandes im Sinne des § 62 Abs. 2 erster Satz AWG 2002 erging, was bewirkt, dass das Fehlen dieser formalrechtlich notwendigen Voraussetzung den Maßnahmenauftrag mit dem Mangel eines gesetzlichen Erfordernisses behaftet.

Der Mangel konnte auch vom Landesverwaltungsgericht Niederösterreich nicht saniert werden, da die Behörde vor Erlassung des Bescheides gemäß § 62 Abs. 2 zweiter Satz AWG 2002 eine entsprechende Verfahrensanordnung zu erlassen hat.

Es war somit ohne inhaltliche Überprüfung des Umlagerungsauftrages spruchgemäß zu entscheiden.

6.   Zur Nichtdurchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung:

Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung wurde von den Parteien nicht beantragt. Davon abgesehen würde eine mündliche Erörterung auf diesen Fall bezogen auch keine weitere Klärung der Rechtssache erwarten lassen und es steht dem Entfall der Verhandlung auch weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch
Art. 47 GRC entgegen.

7.   Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung einerseits nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, sich andererseits auf den eindeutigen und klaren Gesetzeswortlaut stützen kann (vgl. aus der stRsp zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision in derartigen Fällen zB VwGH 29.07.2015, Ra 2015/07/0095) und überdies lediglich eine einzelfallbezogene Beurteilung vorzunehmen war, zu deren Überprüfung der Verwaltungsgerichtshof im Allgemeinen nicht berufen ist (vgl. zB VwGH 17.10.2016, Ro 2015/03/0035).

Schlagworte

Umweltrecht; Abfallwirtschaft; Kollaudierung; Maßnahmenauftrag; Behandlungsanlage; Deponie;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2019:LVwG.AV.67.001.2019

Zuletzt aktualisiert am

24.04.2019
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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