TE Bvwg Erkenntnis 2019/3/11 W251 2157989-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 11.03.2019
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Entscheidungsdatum

11.03.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2

Spruch

W251 2157989-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Angelika SENFT als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch MigrantInnenverein St. Marx, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.05.2017, Zl. 1079527507 - 150926364, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein männlicher Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 23.07.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

2. Am 24.07.2015 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des Beschwerdeführers statt. Dabei gab der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen befragt an, dass er als 12jähriger aus Afghanistan geflüchtet sei. Er sei aus Angst vor dem Krieg geflüchtet. Im Iran haben die Afghanen keine Rechte und würden wieder nach Afghanistan abgeschoben werden. Deswegen habe er beschlossen nach Europa zu flüchten und dort ein neues Leben anzufangen.

3. Am 05.04.2016 fand eine Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) statt. Zu seinen Fluchtgründen gab er im Wesentlichen an, dass er von seinen drei Onkeln väterlicherseits geschlagen worden sei. Auch einer seiner Brüder sei geschlagen worden. Die Onkel haben den Erbteil des Vaters gewollt, weshalb diese versucht haben den Beschwerdeführer zu vertreiben. Seine Onkel würden Ihn jedoch nicht töten, da dies die Nachbarn mitbekommen würden. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan befürchte er jedoch, dass die Onkel und deren Söhne ihn am Flughafen töten würden, da ihn dort keiner kenne und man das nicht mitbekommen würde.

4. Mit dem angefochtenen Bescheid wies das Bundesamt den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz zur Gänze ab (Spruchpunkt I. und II.) und erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen. Gegen den Beschwerdeführer wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Entscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.).

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer seine Fluchtgründe nicht habe glaubhaft machen können. Es drohe dem Beschwerdeführer auch keine Gefahr, die die Erteilung eines subsidiären Schutzes rechtfertigen würde. Der Beschwerdeführer sei ein gesunder, arbeitsfähiger Mann, der noch über ein familiäres Unterstützungsnetz in Afghanistan verfüge und somit bei einer Rückkehr nach Afghanistan nicht in eine ausweglose Situation geraten würde. Der Beschwerdeführer verfüge in Österreich zudem über kein schützenswertes Privat- und Familienleben, das einer Rückkehrentscheidung entgegenstehen würde.

5. Der Beschwerdeführer erhob gegen den Bescheid fristgerecht Beschwerde und brachte im Wesentlichen vor, dass er den Gewalttätigkeiten seiner Onkel in Afghanistan schutzlos ausgesetzt sei. Er sei Analphabet und habe sein Leben überwiegend im Iran verbracht, sodass er in Afghanistan keine menschenwürdige Existenz führen könne. Aufgrund des langjährigen Auslandsaufenthaltes würde der Beschwerdeführer als "verwestlicht" angesehen werden. Es sei der Behörde auch offen gestanden Recherchen im Heimatland des Beschwerdeführers durchzuführen. Es lasse die Sicherheitslage in Afghanistan eine Rückkehr nicht zu, sodass dem Beschwerdeführer der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen sei. Es bestehe auch keine innerstaatliche Fluchtalternative.

6. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 19.02.2019 in Anwesenheit eines Dolmetschers und im Beisein des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers eine öffentliche mündliche Verhandlung durch.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer führt in Österreich den Namen XXXX und das Geburtsdatum XXXX . Er ist afghanischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Hazara an, bekennt sich zum schiitisch-muslimischen Glauben und spricht Dari als Muttersprache (AS 59; Verhandlungsprotokoll vom 19.02.2019, OZ 10, S 6).

Der Beschwerdeführer wurde in der Provinz Daikundi, im Bezirk XXXX , im Dorf XXXX geboren und ist dort gemeinsam mit seinen Eltern, seinen Geschwistern und seinen drei Onkeln väterlicherseits aufgewachsen. Der Beschwerdeführer hat keine Schule besucht und keinen Beruf erlernt (OZ 10, S. 6f, S. 8).

Im Alter von 12 Jahren ist der Beschwerdeführer aus Afghanistan ausgereist und in den Iran gereist. Dort hat er mehrere Jahre in der Landwirtschaft gearbeitet (OZ 10, S. 7; As 61). Der Beschwerdeführer ist ca. im Jahr 2012 aus dem Iran nach Europa gereist. Der Beschwerdeführer ist unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich eingereist und hält sich seit zumindest Juli 2015 durchgehend in Österreich auf (AS 61; AS 65; OZ 10, S. 7f)

Der Beschwerdeführer ist nicht verheiratet. Er hat auch keine Kinder (OZ 10, S. 6-7; AS 59).

Der Beschwerdeführer wurde nach den afghanischen Gepflogenheiten und der afghanischen Kultur sozialisiert, er ist mit den afghanischen Gepflogenheiten vertraut.

Der Beschwerdeführer ist anpassungsfähig sowie arbeitsfähig. Er hat Berufserfahrung als Frisör, als Bauarbeiter und in der Landwirtschaft (OZ 10, S. 13, S. 7).

Der Beschwerdeführer hat regelmäßig Kontakt zu einem im Iran lebenden Bruder und zu seiner Familie in Afghanistan (OZ 10, S. 9). Die Eltern, ein Bruder und drei Schwestern des Beschwerdeführers leben in Afghanistan im Heimatdorf. Eine Tante väterlicherseits des Beschwerdeführers lebt in Afghanistan - in der Provinz Daikundi, eine Tante väterlicherseits lebt in Deutschland und eine im Iran. Zwei Tanten mütterlicherseits des Beschwerdeführers leben in Afghanistan im selben Bezirk, wie die Familie des Beschwerdeführers. Ein Onkel väterlicherseits des Beschwerdeführers lebt im Iran. Zwei Onkel väterlicherseits sowie zwei Onkel mütterlicherseits des Beschwerdeführers leben in Afghanistan in Daikundi (OZ 10, S. 8-9).

Der Beschwerdeführer hat einen Alphabetisierungskurs besucht, derzeit besucht er einen A1 Deutschkurs (Beilage ./B bis ./E; OZ 10, S. 12). Der Beschwerdeführer verfügt nur über geringe Deutschkenntnisse (OZ 10, S. 12).

Der Beschwerdeführer lebt von der Grundversorgung. Er geht in Österreich keiner Erwerbstätigkeit nach. Der Beschwerdeführer übt auch keine ehrenamtliche Tätigkeit aus (Beilage ./I; OZ 10, S. 13). Der Beschwerdeführer hat freundschaftliche Kontakte zu Afghanen und ein bzw. zwei Österreichern aufbauen können. Der Beschwerdeführer verfügt weder über Verwandte noch über sonstige enge soziale Bindungen in Österreich (OZ 10, S. 13-14).

Der Beschwerdeführer leidet an keinen schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Krankheiten. Er leidet an Magenbeschwerden, nämlich an einem kleinen Zwerchfellbruch und an einer Gastritis (OZ 10, S. 14; Beilage ./H).

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten (Beilage ./I).

1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Das vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Verfolgungsvorbringen kann nicht festgestellt werden.

1.2.1 Der Beschwerdeführer wurde von seinen Onkeln in Afghanistan weder geschlagen, noch misshandelt noch bedroht.

Der Beschwerdeführer hat Afghanistan weder aus Furcht vor Eingriffen in die körperliche Integrität noch wegen Lebensgefahr verlasen.

Bei einer Rückkehr nach Afghanistan droht dem Beschwerdeführer individuell und konkret weder Lebensgefahr noch ein Eingriff in seine körperliche Integrität durch seine Onkel, durch die Taliban oder durch andere Personen.

1.2.2. Darüber hinaus kann nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer wegen seiner Zugehörigkeit zur Religionsgemeinschaft der Schiiten oder zur Volksgruppe der Hazara konkret und individuell physische oder psychische Gewalt in Afghanistan droht. Ebenso wenig konnte festgestellt werden, dass Angehörige der Religionsgemeinschaft der Schiiten oder der Volksgruppe der Hazara in Afghanistan allein aufgrund der Religions- oder Volksgruppenzugehörigkeit physischer oder psychischer Gewalt ausgesetzt sind.

1.2.3. Darüber hinaus kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer aufgrund seines in Österreich ausgeübten Lebensstils oder seinem Aufenthalt in einem europäischen Land bzw. im Iran in Afghanistan psychischer oder physischer Gewalt ausgesetzt wäre.

1.3. Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:

Die Heimatregion des Beschwerdeführers ist sicher. Der Beschwerdeführer kann sich dort bei seiner Familie niederlassen und grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft, befriedigen, ohne in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.

Zudem kann sich der Beschwerdeführer auch in der Stadt Mazar-e Sharif niederlassen. Die Wohnraum- und Versorgungslage ist in Mazar-e Sharif sehr angespannt. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan und einer Ansiedelung in der Stadt Mazar-e Sharif kann der Beschwerdeführer jedoch grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft, befriedigen, ohne in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Er kann selbst für sein Auskommen und Fortkommen sorgen und in Mazar-e Sharif einer Arbeit nachgehen und sich selber erhalten.

Der Beschwerdeführer kann zudem von seiner Familie bei einer Rückkehr nach Afghanistan finanziell unterstützt werden. Der Beschwerdeführer kann Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen.

Es ist dem Beschwerdeführer möglich nach anfänglichen Schwierigkeiten nach einer Ansiedlung in der Stadt Mazar-e Sharif Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können.

1.4. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

Sicherheitslage

Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (Länderinformationsblatt für Afghanistan vom 29.06.2018 mit Kurzinformation vom 08.01.2019 - LIB 08.01.2019, S. 44).

Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) landesweit 29.824 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahresvergleich wurden von INSO 2016 landesweit 28.838 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert und für das Jahr 2015 25.288. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen zählt INSO Drohungen, Überfälle, direkter Beschuss, Entführungen, Vorfälle mit IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und andere Arten von Vorfällen (LIB 08.01.2019, S.44).

Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren. Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt) bedrohen. Dies ist den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkter Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zuzuschreiben (LIB 08.01.2019, S. 47).

Im Jänner 2018 waren 56.3% der Distrikte unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung, während Aufständische 14.5% der Distrikte kontrollierten bzw. unter ihrem Einfluss hatten. Die übriggebliebenen 29.2% der Distrikte waren umkämpft. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten, die von Aufständischen kontrolliert werden, waren mit Stand Jänner 2018 Uruzgan, Kunduz und Helmand. Alle Provinzhauptstädte befanden sich unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung (LIB 08.01.2019, S. 55).

Die Anzahl der öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe hatte sich von 1.6. - 20.11.2017 im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Vorjahres erhöht. In den ersten Monaten des Jahres 2018 wurden verstärkt Angriffe bzw. Anschläge durch die Taliban und den IS in verschiedenen Teilen Kabuls ausgeführt. Als Antwort auf die zunehmenden Angriffe wurden Luftangriffe und Sicherheits-operationen verstärkt, wodurch Aufständische in einigen Gegenden zurückgedrängt wurden; auch wurden in der Hauptstadt verstärkt Spezialoperationen durchgeführt, wie auch die Bemühungen der US-Amerikaner, Terroristen zu identifizieren und zu lokalisieren (LIB 08.01.2019, S. 48).

Die Taliban und weitere aufständische Gruppierungen wie der Islamische Staat (IS) verübten "high-profile"-Angriffe, speziell im Bereich der Hauptstadt, mit dem Ziel, eine Medienwirksamkeit zu erlangen und damit ein Gefühl der Unsicherheit hervorzurufen und so die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben (LIB 08.01.2019, S. 48). Die Auflistung der high-profile Angriffe zeigt, dass die Anschläge in großen Städten, auch Kabul, hauptsächlich im Nahebereich von Einrichtungen mit Symbolcharakter (Moscheen, Tempel bzw. andere Anbetungsorte), auf Botschaften oder auf staatliche Einrichtungen stattfinden. Diese richten sich mehrheitlich gezielt gegen die Regierung, ausländische Regierungen und internationale Organisationen (LIB 08.01.2019, S. 49 ff).

Provinz Kabul:

Die Provinzhauptstadt von Kabul und gleichzeitig Hauptstadt von Afghanistan ist Kabul-Stadt. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 4.679.648 geschätzt. In der Hauptstadt Kabul leben unterschiedliche Ethnien: Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Sikhs und Hindus. Ein Großteil der Bevölkerung gehört dem sunnitischen Glauben an, dennoch lebt eine Anzahl von Schiiten, Sikhs und Hindus nebeneinander. Kabul verfügt über einen internationalen Flughafen (LIB 08.01.2019, S. 69f).

Einst als relativ sicher erachtet, ist die Hauptstadt Kabul von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen der Taliban betroffen, die darauf abzielen, die Autorität der afghanischen Regierung zu untergraben. Regierungsfeindliche, bewaffnete Gruppierungen inklusive des IS versuchen in Schlüsselprovinzen und -distrikten, wie auch in der Hauptstadt Kabul, Angriffe auszuführen. Im Zeitraum 1.1.2017- 30.4.2018 wurden in der Provinz 410 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, die sich überwiegend in der Hauptstadt Kabul ereigneten (LIB 08.01.2019, S. 69).

Daikundi:

Die Provinz Daikundi ist seit dem Jahr 2014 autonom, davor war sie ein Distrikt der Provinz Uruzgan. Daikundi liegt 460 km vom Westen Kabuls entfernt.

Mit 86% der Bevölkerung bestehend aus Hazara gilt die Provinz Daikundi als die zweitgrößte Region, in der Mitglieder dieser ethnischen Gruppe leben. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf

475.848 geschätzt. Daikundi ist eine gebirgige Provinz mit kleinen Dörfern, die über unasphaltierte Straßen verbunden werden.

Daikundi ist eine sichere Provinz. Im September wurde von einer Zunahme afghanischer Binnenvertriebener (IDP) berichtet, die in Daikundi Zuflucht gesucht hatten. Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 3 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Im März 2017 wurden in Daikundi 31 Aufständische durch die ANSF getötet. In den letzten 17 Jahren sind in Daikundi keine ausländischen Streitkräfte ums Leben gekommen. Daikundi zählt zu den Provinzen, in denen die Anzahl der Taliban gering ist. Der Zusammenhalt zwischen den Bewohnern ethnisch homogenerer Gesellschaften wie in Panjsher, Bamyan und Daikundi wird als Grund für die geringe Anzahl an Anschlägen betrachtet. Da die Bewohner dieser Provinzen mehrheitlich einer Ethnie zugehören, erlauben diese keine aufständischen Aktivitäten. Des Weiteren gab es im Zeitraum 1.1.2017 - 31.1.2018 keine IS-bezogenen Sicherheitsvorfälle in der Provinz Daikundi (LIB 08.01.2019, S. 96).

Mazar-e Sharif:

Mazar-e Sharif ist die Hauptstadt der Provinz Balkh. Mazar-e Sharif liegt an der Autobahn zwischen Maimana und Pul-e-Khumri und ist gleichzeitig ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst (LIB 08.01.2019, S.88).

In Mazar-e Sharif gibt es einen internationalen Flughafen, durch den die Stadt sicher zu erreichen ist (LIB 08.01.2019, S. 88f).

Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans, sie zählt zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan. Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften (LIB 08.01.2019, S. 89).

Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 93 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.382.155 geschätzt (LIB 08.01.2019, S. 89f).

Dürre:

Aufgrund der Dürre wird die Getreideernte geringer ausfallen, als in den vergangenen Jahren. Da die Getreideernte in Pakistan und im Iran gut ausfallen wird, kann ein Defizit in Afghanistan ausgeglichen werden. Die Preise für Getreide waren im Mai 2018 verglichen zum Vormonat in den meisten großen Städten unverändert und lagen sowohl in Herat-Stadt als auch in Mazar-e Sharif etwas unter dem Durchschnitt der Jahre 2013-2014 (Beilage ./IV, S. 3). Das Angebot an Weizenmehl ist relativ stabil (Beilage ./V, S. 8). Aufgrund der Dürre wurde bisher kein nationaler Notstand ausgerufen (Beilage ./IV, S. 11).

Für die Landflucht spielen die Sicherheitslage und die fehlende Beschäftigung eine Rolle. Durch die Dürre wird die Situation verstärkt, sodass viele Haushalte sich in städtischen Gebieten ansiedeln. Diese Personen - Vertriebene, Rückkehrer und Flüchtlinge - siedeln sich in informellen Siedlungen an (Beilage ./V, S. 2, S. 5). Dort ist die größte Sorge der Vertriebenen die Verfügbarkeit von Lebensmitteln, diese sind jedoch mit der Menge und der Regelmäßigkeit des Trinkwassers in den informellen Siedlungen und den erhaltenen Hygienesets zufrieden. Viele Familien, die Bargeld für Lebensmittel erhalten, gaben das Geld jedoch für Schulden, für Gesundheitsleistungen und für Material für provisorische Unterkünfte aus. Vielen Familien der Binnenvertriebenen gehen die Nahrungsmittel aus bzw. können sich diese nur Brot und Tee leisten (Beilage ./V, S. 6). Arme Haushalte, die von einer wassergespeisten Weizenproduktion abhängig sind, werden bis zur Frühjahrsernte sowie im nächsten Jahr Schwierigkeiten haben, den Konsumbedarf zu decken (Beilage ./V, S. 11). Es werden, um die Folgen der Dürre entgegen zu treten, nationale und internationale Hilfsmaßnahmen für die Betroffenen gesetzt (Beilage ./V, S. 17ff).

Die Abnahme der landwirtschaftlichen Arbeitsmöglichkeiten zusammen mit der steigenden Migration sowie der hohen Anzahl an Rückkehrerin und Binnenvertriebenen führt zu einer Senkung der Löhne für Gelegenheitsarbeit in Afghanistan und zu einer angespannten Wohnraum- und Arbeitsmarktlage in urbanen Gebieten (Beilage ./V, S. 15f).

Von Mai bis Mitte August 2018 sind ca. 12.000 Familie aufgrund der Dürre aus den Provinzen Badghis und Ghor geflohen um sich in der Stadt Herat anzusiedeln. Dort leben diese am westlichen Stadtrand von Herat in behelfsmäßigen Zelten, sodass am Rand der Stadt Herat die Auswirkungen der Dürre am deutlichsten sind (Beilage ./IV, S. 5f). Mittlerweile sind 60.000 Personen nach Herat geflohen (Beilage ./V, S. 5). Es ist besonders die ländliche Bevölkerung, insbesondere in der Provinz Herat, betroffen (Beilage ./V, S. 7). Personen die von der Dürre fliehen, siedeln sich in Herat-Stadt, in Qala-e-Naw sowie in Chaghcharan an, dort wurden unter anderem Zelte, Wasser, Nahrungsmittel sowie Geld verteilt (Beilage ./IV, S. 10; Beilage ./V, S. 2).

Während das Lohnniveau in Mazar-e Sharif weiterhin über dem Fünfjahresdurchschnitt liegt, liegt dieses in Herat-Stadt 17% unter dem Fünfjahresdurchschnitt (Beilage ./IV, S. 8). Es gibt keine signifikante dürrebedingte Vertreibung bzw. Zwangsmigration nach Mazar-e Sharif- Stadt (Beilage ./V, S. 3; Beilage ./IV, S. 1 und 3). Im Umland der Stadt Mazar-e Sharif kommt es zu Wasserknappheit und unzureichender Wasserversorgung (Beilage ./IV, S. 2).

Die Stadt Mazar-e Sharif selbst ist nicht von den Auswirkungen der Dürre betroffen.

Medizinische Versorgung

Es gibt keine staatliche Krankenkasse und die privaten Anbieter sind überschaubar und teuer, somit für die einheimische Bevölkerung nicht erschwinglich. Eine begrenzte Zahl staatlich geförderter öffentlicher Krankenhäuser bieten kostenfreie medizinische Versorgung. Alle Staatsbürger haben Zugang zu medizinischer Versorgung und Medikamenten. Die Kosten für Medikamente in diesen Einrichtungen weichen vom lokalen Marktpreis ab. Privatkrankenhäuser gibt es zumeist in größeren Städten wie Kabul, Jalalabad, Mazar-e-Sharif, Herat und Kandahar. Medikamente sind auf jedem Markt in Afghanistan erwerblich, Preise variieren je nach Marke und Qualität des Produktes (LIB 08.01.2019, S. 343 ff).

Psychische Erkrankungen sind in öffentlichen und privaten Klinken grundsätzlich behandelbar. Die Behandlung in privaten Kliniken ist für Menschen mit durchschnittlichen Einkommen nicht leistbar. In öffentlichen Krankenhäusern müssen die Patienten nichts für ihre Aufnahme bezahlen. In Kabul gibt es zwei psychiatrische Einrichtungen: das Mental Health Hospital und die Universitätsklinik Aliabad. Zwar gibt es traditionelle Methoden bei denen psychisch Kranke in spirituellen Schreinen unmenschlich behandelt werden. Es gibt jedoch aktuelle Bemühungen, die Akzeptanz und Kapazitäten für psychiatrische Behandlungsmöglichkeiten zu stärken und auch Aufklärung zu betreiben. Die Bundesregierung finanziert Projekte zur Verbesserung der Möglichkeiten psychiatrischer Behandlung und psychologischer Begleitung in Afghanistan (LIB 08.01.2019, S. 345 f). In Mazar-e Sharif gibt es ein privates neuropsychiatrisches Krankenhaus (Alemi Hospital) und ein öffentliches psychiatrisches Krankenhaus (LIB 08.01.2019, S. 345).

Wirtschaft

Angesichts des langsamen Wachstums, sicherheitsbedingter Versorgungsunterbrechungen und schwacher landwirtschaftlicher Leistungen, nimmt die Armut weiterhin zu (LIB 08.01.2019, S. 339).

Für ca. ein Drittel der Bevölkerung ist die Landwirtschaft (inklusive Tiernutzung) die Haupteinnahmequelle. Die Arbeitslosigkeit betrifft hauptsächlich gering qualifizierte bildungsferne Personen; diese sind auch am meisten armutsgefährdet. Es müssten jährlich geschätzte 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um Neueinsteiger in den Arbeitsmarkt integrieren zu können. Mehr als ein Drittel der männlichen Bevölkerung (34,3%) Afghanistans und mehr als die Hälfte der weiblichen Bevölkerung (51,1%) sind nicht in der Lage, eine passende Stelle zu finden (LIB 08.01.2019, S. 339).

Der Zugang zum Arbeitsmarkt ist angespannt und die Arbeitslosigkeit ist hoch. Sogar für gut ausgebildete und gut qualifizierte Personen ist es schwierig ohne ein Netzwerk einen Arbeitsplatz zu finden, wenn man nicht empfohlen wird oder dem Arbeitgeber nicht vorgestellt wird. Vetternwirtschaft ist gang und gebe. Arbeitgeber bewerten persönliche Beziehungen und Netzwerke höher als formelle Qualifikationen. Es gibt lokale Webseiten, die offene Stellen im öffentlichen und privaten Sektor annoncieren. Die meisten Afghanen sind unqualifiziert und Teil des informellen, nicht-regulierten Arbeitsmarktes. Der Arbeitsmarkt besteht Großteiles aus manueller Arbeit ohne Anforderungen an eine formelle Ausbildung und spiegelt das niedrige Bildungsniveau wieder. In Kabul gibt es öffentliche Plätze, wo sich Arbeitssuchende und Nachfragende treffen. Viele bewerben sich, nicht jeder wird engagiert. Der Lohn beträgt für Hilfsarbeiter meist USD 4,3 und für angelernte Kräfte bis zu USD 14,5 pro Tag (EASO Afghanistan Netzwerke aus Jänner 2018, Beilage ./III, S. 29 - 30).

In Kabul und in großen Städten stehen Häuser und Wohnungen zur Verfügung. Es ist auch möglich an Stelle einer Wohnung ein Zimmer zu mieten. Dies ist billiger als eine Wohnung zu mieten. Heimkehrer mit Geld können Grund und Boden erwerben und langfristig ein eigenes Haus bauen. Vertriebene in Kabul, die keine Familienanbindung haben und kein Haus anmieten konnten, landen in Lagern, Zeltsiedlungen und provisorischen Hütten oder besetzen aufgelassene Regierungsgebäude. In Städten gibt es Hotels und Pensionen unterschiedlichster Preiskategorien. Für Tagelöhner, Jugendliche, Fahrer, unverheiratete Männer und andere Personen, ohne permanenten Wohnsitz in der jeweiligen Gegend, gibt es im ganzen Land Angebote geringerer Qualität, sogenannte chai khana (Teehaus). Dabei handelt es sich um einfache große Zimmer in denen Tee und Essen aufgetischt wird. Der Preis für eine Übernachtung beträgt zwischen 0,4 und 1,4 USD. In Kabul und anderen großen Städten gibt es viele solche chai khana und wenn ein derartiges Haus voll ist, lässt sich Kost und Logis leicht anderswo finden. Man muss niemanden kennen um dort eingelassen zu werden (EASO Afghanistan Netzwerke aus Jänner 2018, Beilage ./III, S. 31).

Rückkehrer:

Im Jahr 2017 kehrten sowohl freiwillig, als auch zwangsweise insgesamt 98.191 Personen aus Pakistan und 462.361 Personen aus Iran zurück. Bis Juli 2017 kehrten aus Europa und der Türkei 41.803 Personen nach Afghanistan zurück (LIB 08.01.2019, S. 352 f).

Auch wenn scheinbar kein koordinierter Mechanismus existiert, der garantiert, dass alle Rückkehrer/innen die Unterstützung erhalten, die sie benötigen, und dass eine umfassende Überprüfung stattfindet, können Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, dennoch verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen. Eine Reihe unterschiedlicher Organisationen ist für Rückkehrer/innen und Binnenvertriebene (IDP) in Afghanistan zuständig. Außerdem erhalten Rückkehrer/innen Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGO) (z. B. IPSO und AMASO). Nichtsdestotrotz scheint das Sozialkapital die wichtigste Ressource zu sein, die Rückkehrer/innen zur Verfügung steht, da keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer existieren und familiäre Unterbringungsmöglichkeiten für Rückkehrer/innen daher als die zuverlässigste und sicherste Möglichkeit erachtet werden. So kehrt der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer/innen direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück. Für jene, die diese Möglichkeit nicht haben sollten, stellen die Regierung und IOM eine temporäre Unterkunft zur Verfügung, wo Rückkehrer/innen für maximal zwei Wochen untergebracht werden können (LIB 08.01.2019, S. 353 f).

IOM, IRARA, ACE und AKAH bieten Unterstützung und nachhaltige Begleitung bei der Reintegration einschließlich Unterstützung bei der Suche nach einer Beschäftigung oder Schulungen an. NRC bietet Rückkehrer/innen aus Pakistan, Iran und anderen Ländern Unterkunft sowie Haushaltsgegenstände und Informationen zur Sicherheit an und hilft bei Grundstücksstreitigkeiten. Das Internationale Komitee des Roten Kreuzes (ICRC) unterstützt Rückkehrer/innen dabei, ihre Familien zu finden (LIB 08.01.2019, S. 353f).

Psychologische Unterstützung von Rückkehrer/innen wird über die Organisation IPSO betrieben - alle Leistungen sind kostenfrei. Diejenigen, die es benötigen und in abgelegene Provinzen zurückkehren, erhalten bis zu fünf Skype-Sitzungen von IPSO. Für psychologische Unterstützung könnte auch ein Krankenhaus aufgesucht werden; möglicherweise mangelt es diesen aber an Kapazitäten (LIB 08.01.2019, S. 355).

Die Großfamilie ist die zentrale soziale Institution in Afghanistan und bildet das wichtigste soziale Sicherheitsnetz der Afghanen. Alle Familienmitglieder sind Teil des familiären Netzes. Die Großfamilie trägt zu Schutz, Betreuung und Versorgung ihrer Mitglieder bei. Sie bildet auch eine wirtschaftliche Einheit; die Männer der Familie sind verpflichtet, die Mitglieder der Großfamilie zu unterstützen und die Familie in der Öffentlichkeit zu repräsentieren. Auslandsafghanen pflegen zumeist enge Kontakte mit ihren Verwandten in Afghanistan. Nur sehr wenige Afghanen in Europa verlieren den Kontakt zu ihrer Familie. Die Qualität des Kontakts mit der Familie hängt möglicherweise auch davon ab, wie lange die betreffende Person im Ausland war bzw. wie lange sie tatsächlich in Afghanistan lebte, bevor sie nach Europa migrierte. Der Faktor geographische Nähe verliert durch technologische Entwicklungen sogar an Wichtigkeit. Der Besitz von Mobiltelefonen ist mittlerweile "universell" geworden und digitale Kommunikation wird eine zunehmende Selbstverständlichkeit, vor allem in den Städten. Ein fehlendes familiäres Netzwerk stellt eine Herausforderung für die Reintegration von Migrant/innen in Afghanistan dar. Dennoch haben alleinstehende afghanische Männer, egal ob sie sich kürzer oder länger außerhalb der Landesgrenzen aufhielten, sehr wahrscheinlich eine Familie in Afghanistan, zu der sie zurückkehren können. Eine Ausnahme stellen möglicherweise jene Fälle dar, deren familiäre Netze in den Nachbarstaaten Iran oder Pakistan liegen (LIB 08.01.2019, S. 356 f).

Familien in Afghanistan halten in der Regel Kontakt zu ihrem nach Europa ausgewanderten Familienmitglied und wissen genau Bescheid, wo sich dieses aufhält und wie es ihm in Europa ergeht. Dieser Faktor wird in Asylinterviews meist heruntergespielt und viele Migranten, vor allem Minderjährige, sind instruiert zu behaupten, sie hätten keine lebenden Verwandten mehr oder jeglichen Kontakt zu diesen verloren (LIB 08.01.2019, S. 356f).

Ein Netzwerk ist für das Überleben in Afghanistan wichtig. So sind einige Rückkehrer/innen auf soziale Netzwerke angewiesen, wenn es ihnen nicht möglich ist, auf das familiäre Netz zurückzugreifen. Die Rolle sozialer Netzwerke - der Familie, der Freunde und der Bekannten - ist für junge Rückkehrer/innen besonders ausschlaggebend, um sich an das Leben in Afghanistan anzupassen. Sollten diese Netzwerke im Einzelfall schwach ausgeprägt sein, kann die Unterstützung verschiedener Organisationen und Institutionen in Afghanistan in Anspruch genommen werden (LIB 08.01.2019, S. 357).

Ethnische Minderheiten:

In Afghanistan leben mehr als 34.1 Millionen Menschen. Es sind ca. 40% Pashtunen, rund 30% Tadschiken, ca. 10% Hazara und 9% Usbeken. Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt (LIB 08.01.2019, S. 300).

Die schiitische Minderheit der Hazara macht etwa 10% der Bevölkerung aus. Wichtige Merkmale der ethnischen Identität der Hazara sind die schiitische Konfession (mehrheitlich Zwölfer-Schiiten) und ihre ethnisch-asiatisches Erscheinungsbild, woraus gern Schlussfolgerungen über eine turko-mongolische Abstammung der Hazara gezogen werden. Nicht weniger wichtig als Religion und Abstammung ist für das ethnische Selbstverständnis der Hazara eine lange Geschichte von Unterdrückung, Vertreibung und Marginalisierung. Jahrzehntelange Kriege und schwere Lebensbedingungen haben viele Hazara aus 08.01.2019, S. 302).

Ihre Gesellschaft ist traditionell strukturiert und basiert auf der Familie bzw. dem Klan. Die sozialen Strukturen der Hazara werden manchmal als Stammesstrukturen bezeichnet; dennoch bestehen in Wirklichkeit keine sozialen und politischen Stammesstrukturen. Das traditionelle soziale Netz der Hazara besteht größtenteils aus der Familie, obwohl gelegentlich auch politische Führer einbezogen werden können (LIB 08.01.2019, S. 302).

Für die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgten Hazara hat sich die Lage grundsätzlich verbessert; sie haben sich ökonomisch und politisch durch Bildung verbessert. Hazara in Kabul gehören jetzt zu den am besten gebildeten Bevölkerungsgruppen und haben auch eine Reihe von Dichtern und Schriftstellern hervorgebracht. Auch wenn es nicht allen Hazara möglich war diese Möglichkeiten zu nutzen, so haben sie sich dennoch in den Bereichen Bildung, öffentliche Verwaltung und Wirtschaft etabliert. So haben Hazara eine neue afghanische Mittelklasse gegründet. Im Allgemeinen haben sie, wie andere ethnische Gruppen auch, gleichwertigen Zugang zum Arbeitsmarkt. Nichtsdestotrotz, sind sie von einer allgemein wirtschaftlichen Verschlechterung mehr betroffen als andere, da für sie der Zugang zu Regierungsstellen schwieriger ist (LIB 08.01.2019, S. 303).

Es kann nicht festgestellt werden, dass Angehörige der Hazara in Afghanistan allein aufgrund ihrer Volksgruppenzugehörigkeit psychischer und physischer Gewalt ausgesetzt sind.

Religionen:

Etwa 99,7% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime, davon zwischen 84,7 und 89,7% Sunniten. Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Anhänger anderer Religionen sind frei, ihren Glauben im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften auszuüben (LIB 08.01.2019, S. 290).

Schiiten

Die Bevölkerung schiitischer Muslime wird auf 10-19% geschätzt Zu der schiitischen Bevölkerung zählen die Ismailiten und die ethnischen Hazara. Die meisten Hazara Schiiten gehören der Jafari-Sekte (Zwölfer-Sekte) an (LIB 08.01.2019, S. 292).

Die politische Repräsentation und die Beteiligung an den nationalen Institutionen seitens der traditionell marginalisierten schiitischen Minderheit, der hauptsächlich ethnische Hazara angehören, ist seit 2001 gestiegen. Einige schiitische Muslime bekleiden höhere Regierungsposten. Im Ulema-Rat, der nationalen Versammlung von Religionsgelehrten, die u. a. dem Präsidenten in der Festlegung neuer Gesetze und Rechtsprechung beisteht, beträgt die Quote der schiitischen Muslime ca. 30%. Des Weiteren tagen rechtliche, konstitutionelle und menschenrechtliche Kommissionen, welche aus Mitgliedern der sunnitischen und schiitischen Gemeinschaften bestehen und von der Regierung unterstützt werden, regelmäßig, um die interkonfessionelle Schlichtung zu fördern. Die Diskriminierung der schiitischen Minderheit durch die sunnitische Mehrheit ist zurückgegangen (LIB 08.10.2019, S. 293).

Afghanischen Schiiten ist es möglich, ihre Feste öffentlich zu feiern; einige Paschtunen sind jedoch wegen der Feierlichkeiten missgestimmt, was gelegentlich in Auseinandersetzungen mündet. In den Jahren 2016 und 2017 wurden schiitische Muslime, hauptsächlich ethnische Hazara, oftmals Opfer von terroristischen Angriffen u.a. der Taliban und des IS (LIB 08.01.2019, S. 293).

Es kann nicht festgestellt werden, dass Angehörige der Schiiten in Afghanistan allein aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit psychischer und physischer Gewalt ausgesetzt sind.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt sowie in den Gerichtsakt, durch Einvernahme des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung und durch Einsichtnahme in die zum Akt genommenen Urkunden Beilage ./I bis ./VI (Konvolut ZMR, GVS, Strafregister Beilage ./I; Länderinformationsblatt der Staatendokumentation über Afghanistan vom 29.06.2018 mit Kurzinformation vom 08.01.2019, Beilage ./II; Bericht EASO, Afghanistan Netzwerke aus Jänner 2018, Beilage ./III, Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Afghanistan, Lage in Herat- Stadt und Mazar-e Sharif aufgrund anhaltender Dürre, vom 13.09.2018, Beilage ./IV; Anfragebeantwortung ACCORD, Folgen von Dürre in den Städten Herat und Mazar-e Sharif vom 12.10.2018, Beilage ./V; Übersetzung ins Deutsche der EASO Country Guidance Afghanistan aus Juni 2018 hinsichtlich Punkt III. (Subsidiärer Schutz) und Punkt V. (innerstaatliche Schutzalternative), Beilage ./VI) und Beilage ./A bis ./H (Foto, Beilage ./A;

Teilnahmebestätigung, Deutsch als Fremdsprache vom 20.07.2018, Beilage ./B; Teilnahmebestätigung, Deutsch als Fremdsprache - Modul 1 vom 15.06.2018, Beilage ./C, Teilnahmebestätigung, Deutsch als Fremdsprache A1, Modul 2 vom 17.05.2017, Beilage ./D;

Teilnahmebestätigung, Deutsch als Fremdsprache - Alphabetisierung vom 30.11.2017, Beilage ./E; Unterstützungsschreiben vom 17.02.2019, Beilage ./F; Unterstützungsschreiben vom 09.02.2019, Beilage ./G;

Konvolut medizinische Unterlagen Beilage ./H).

Dem Erkenntnis werden die EASO Country Guidance Afghanistan aus Juni 2018 sowie die UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des Internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018 zugrunde gelegt.

Die Feststellungen basieren auf den in den Klammern angeführten Beweismitteln.

2.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen dahingehend übereinstimmenden Angaben vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, vor dem Bundesamt, in der Beschwerde und vor dem Bundesverwaltungsgericht. Die getroffenen Feststellungen zum Namen und zum Geburtsdatum des Beschwerdeführers gelten ausschließlich zur Identifizierung der Person des Beschwerdeführers im Asylverfahren.

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers, seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, seiner Muttersprache, seinem Lebenslauf (sein Aufwachsen sowie seine fehlende Schul- und Berufsausbildung, seine Berufserfahrung) gründen sich auf seinen diesbezüglich schlüssigen und stringenten Angaben. Das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesen im gesamten Verfahren gleich gebliebenen Aussagen des Beschwerdeführers zu zweifeln.

Da für das Gericht nicht glaubhaft ist, dass der Beschwerdeführer von seinen Onkeln misshandelt bzw. geschlagen worden sei bzw. es Streitigkeiten in der Familie gibt, geht das Gericht davon aus, dass der Beschwerdeführer jedenfalls Kontakt zu seiner Familie hat. Der Beschwerdeführer gab selber an, dass die Möglichkeit einer Kontaktaufnahme zu seiner in Afghanistan lebenden Familie besteht (OZ 10, S. 11). Da kein Grund ersichtlich ist, weshalb der Beschwerdeführer den Kontakt abbrechen sollte und sich zudem aus den beigezogenen Länderberichten ergibt, dass nur sehr selten der Kontakt zwischen Asylwerbern und ihren Familien abbricht, geht das Gericht davon aus, dass der Beschwerdeführer nicht nur zu seinem im Iran lebenden Bruder, sondern auch zu seiner in Afghanistan lebenden Familie noch Kontakt hat.

Dass der Beschwerdeführer mit den afghanischen Gepflogenheiten vertraut ist, ergibt sich daraus, dass er in Afghanistan mit seiner afghanischen Familie bis zum 12. Lebensjahr aufgewachsen ist. Der Beschwerdeführer wurde daher entsprechend den afghanischen Gepflogenheiten sozialisiert.

Dass der Beschwerdeführer arbeitsfähig ist, ergibt sich aus seinen eigenen Angaben, er gab an, dass er sehr gut auf dem Bau arbeiten oder Haare schneiden könne (OZ 10, S. 13). Dass der Beschwerdeführer grundsätzlich anpassungsfähig ist, ergibt sich daraus, dass sich dieser bereits im Iran sowie einige Jahre in der Türkei bzw. in Griechenland anpassen und auch neiderlassen konnte (AS 65) .

Die Feststellungen zum Leben des Beschwerdeführers in Österreich (insbesondere zur Aufenthaltsdauer, seinen Deutschkenntnissen, seinen fehlenden familiären oder engen sozialen Anknüpfungspunkten in Österreich und seiner Integration in Österreich) stützen sich auf die Aktenlage (vgl. insbesondere den Auszug aus dem Grundversorgungs-Informationssystem), auf die Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht (OZ 10, S. 12ff) sowie auf die von ihm in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Unterlagen.

Die Feststellungen zu den Deutschkenntnissen konnten auch vom Gericht getroffen werden, da der Beschwerdeführer in der Verhandlung die auf Deutsch gestellten, einfachen Fragen nur teilweise verstanden hat und diese auch nur in gebrochenem Deutsch beantworten konnte (OZ 10, S. 12).

Hinweise auf nachhaltige Integrationsschritte (soziale/berufliche Integration) des Beschwerdeführers in Österreich sind weder dem Verwaltungs- noch dem Gerichtsakt zu entnehmen und wurden auch im Verlauf der mündlichen Verhandlung nicht vorgebracht. Befragt nach seinen engen Bezugspersonen in Österreich, nannte der Beschwerdeführer einen Afghanen und einen Österreicher, wobei er den Namen des Österreichers nicht nennen konnte, da er dessen Namen vergessen habe (OZ 10, S. 14). Es sind daher für das Gericht in Österreich keine engen sozialen Bindungen erkennbar.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand gründen auf den diesbezüglichen Aussagen des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung. Der Beschwerdeführer gab zu Beginn der Verhandlung an, dass er gesund sei (OZ 10, S. 4). Im weiteren Verlauf der Verhandlung gab der Beschwerdeführer an, dass er Magenprobleme habe, der Beschwerdeführer legte auch medizinische Unterlagen vor, aus denen sich eine Gastritis und ein kleiner Zwerchfellbruch ergibt. Da der Beschwerdeführer zunächst in der Verhandlung angab, dass er gesund sei, ist für das Gericht weder eine tödliche noch eine schwerwiegende Erkrankung ersichtlich, derartiges ist auch im Verfahren nicht ehrvorgekommen.

Dass der Beschwerdeführer grundsätzlich anpassungsfähig ist, ergibt sich daraus, dass er sich bereits in mehreren fremden Ländern, auch über einen längeren Zeitraum zurecht finden konnte. Es sind im Verfahren keine Umstände hervorgekommen, die gegen eine grundsätzliche Anpassungsfähigkeit des Beschwerdeführers sprechen.

Dass der Beschwerdeführer grundsätzlich arbeitsfähig ist ergibt sich daraus, dass er selber angab, einer Arbeit nachgehen zu wollen und im Verfahren keine Umstände hervorgekommen sind, die gegen eine Arbeitsfähigkeit sprechen.

Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister (Beilage ./I, Strafregisterauszug vom 14.02.2019).

2.2. Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:

2.2.1. Soweit der Beschwerdeführer vorbrachte, ihm drohe Lebensgefahr durch seine Onkel und deren Söhne, kommt seinem Vorbringen aus nachfolgenden Gründen keine Glaubhaftigkeit zu:

Zunächst ist festzuhalten, dass das Gericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung und aufgrund des persönlichen Eindrucks des Beschwerdeführers davon ausgeht, dass ihm hinsichtlich seines Fluchtvorbringens keine Glaubwürdigkeit zukommt. Der Beschwerdeführer wurde zu Beginn der Verhandlung angehalten, sein Vorbringen gleichbleibend, umfassend und detailliert zu gestalten. Diesen Anforderungen ist der Beschwerdeführer jedoch nicht gerecht geworden. Der Beschwerdeführer präsentierte sowohl beim Bundesamt als auch vor Gericht eine bloße Rahmengeschichte, die er selbst auf mehrfaches Nachfragen kaum mit Details ergänzen konnte. Die Angaben des Beschwerdeführers blieben gänzlich detaillos und vage. Der Beschwerdeführer gab auch ausweichende Antworten. Es ergaben sich viele Unplausibilitäten und Steigerungen die seine Angaben unglaubhaft scheinen lassen. Das Gericht verkennt zwar nicht, dass die behaupteten Vorfälle schon einige Zeit zurückliegen und der Beschwerdeführer bei der Ausreise aus Afghanistan erst 12 Jahre alt war, und, dass deshalb Erinnerungslücken einer vollkommen detaillierten Erzählung entgegenstehen können. Dass der Beschwerdeführer die Ereignisse jedoch in einer derart oberflächlichen und nicht stringenten Weise wie in der mündlichen Verhandlung schildern würde, wäre allerdings nicht anzunehmen, hätten sich die Ereignisse tatsächlich so zugetragen und wären sie von fluchtauslösender Intensität. Die erzählte Geschichte erweckte für das Gericht daher den Eindruck, dass es sich lediglich um eine auswendig gelernte und konstruierte Geschichte handelt.

2.2.2. Der Beschwerdeführer gab beim Bundesamt zu seinen Fluchtgründen an: "Weil ich die ganze Zeit von einem Onkel geschlagen und schlecht behandelt wurde. Ich wurde von allen drei Onkeln geschlagen." Auch auf die Aufforderung weiter zu schildern gab der Beschwerdeführer nur vage an: "Ich wurde von allen drei im gleichen Haus lebenden Onkel und deren Familien geschlagen." Auch auf die weitere Aufforderung weitere Gründe zu schildern, gab der Beschwerdeführer nur vage und oberflächlich an: "Meine Schwester war noch klein, sie wurde nicht geschlagen. Meine Mutter wurde auch geschlagen. Und der zweite Bruder XXXX wurde auch geschlagen. Meine Mutter hat das nicht ausgehalten und gesagt, dass ich Afghanistan verlassen soll. Die Brüder meines Onkels wollen den Erbteil meines Vaters und haben deshalb versucht mich zu vertreiben, um in Ruhe über das Erbe meines Vaters zu verfügen. Mein Vater ist geistig behindert und bekommt das alles nicht mit." (AS 187-189)

Bereits die Angaben beim Bundesamt machen den Eindruck, dass es sich um eine konstruierte Geschichte ohne lebensnahe Details handelt, der kein Glaube zu schenken ist.

Auch in der mündlichen Verhandlung präsentierte der Beschwerdeführer lediglich eine grobe Rahmengeschichte ohne lebensnahe Details (OZ 10, S. 15): "Wir hatten mit meinen Onkeln vs gemeinsame Grundstücke. Da mein Vater geistige Probleme hat, haben meine Onkeln vs mich und meine Brüder sehr unterdrückt. Das war der Grund warum meine Mutter, durch ihre Verwandten, mir geholfen hat und mich in den Iran geschickt hat. Ich habe dann nach meinem Bescheid hier erfahren, dass meine Mutter zu Hause eine Summe Geld genommen hat. Das war wohl das Geld meiner Onkel vs. und sie gab dieses Geld Ihren Verwandten, die mich in den Iran brachten, so konnte ich Afghanistan verlassen. Deshalb werde ich für diese Summe Geld die meine Mutter genommen hat als schuldig betrachtet. Meine Onkeln vs wollen mich von diesen gemeinsamen Grundstücken, die wir besitzen fernhalten um diese ihren eigenen Kindern weiter zu geben. Dann bin ich in den Iran gegangen und später konnte ich nicht mehr zurück nach Afghanistan, hatte auch keinen Kontakt mehr, bis zu dem Zeitpunkt, als mein Bruder in den Iran kam, über ihn habe ich dann nachgefragt wie es denn geht und wie die Situation ist. Jedes Mal wenn ich mit meinem Bruder spreche sagt er mir: Komm ja nicht zurück nach Afghanistan, dein Leben ist dort in Gefahr und du wirst dort umgebracht. Schau auf dich und schau, dass du am Leben bleibst."

2.2.3. Zudem sind Steigerungen in den Angaben des Beschwerdeführers enthalten. So gab der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung an, dass sein Bruder ihn gewarnt habe, dass er nicht nach Afghanistan zurückkommen solle, da sein Leben dort in Gefahr sei und er dort umgebracht werde (OZ 10, S. 16). Derartiges erwähnte der Beschwerdeführer beim Bundesamt betreffend seine Asylgründe jedoch nicht. Eine derartige Warnung des eigenen Bruders wäre jedoch besonders einprägsam, sodass nicht ersichtlich ist, weshalb der Beschwerdeführer eine solche nicht bereits beim Bundesamt erwähnt hat. Der Beschwerdeführer gab jedoch beim Bundesamt an, dass er Kontakt mit seinem im Iran lebenden Bruder habe (AS 185).

Tatsächlich gab der Beschwerdeführer beim Bundesamt an: "Ich meine nicht, dass sie mich umbringen, dass würden die Nachbarn mitbekommen und sie würden dann zur Verantwortung gezogen werden." (AS 189)

Es ist nicht plausibel, dass der Beschwerdeführer einmal verneint, dass seine Onkel ihn töten würden und er dies einmal bejaht. Die Angaben des Beschwerdeführers zu den Familienstreitigkeiten und zu seinen Onkeln sind nicht glaubhaft.

Der Beschwerdeführer gab in der mündlichen Verhandlung in der freien Erzählung zudem an, dass er nach Erlassung des Bescheides erfahren habe, dass seine Mutter Geld von den Onkeln genommen habe um den Beschwerdeführer die Ausreise zu finanzieren, er würde daher Geldschulden in Afghanistan haben (OZ 10, S. 15). Der Beschwerdeführer ist als 12Jähriger - ca 2005 - aus Afghanistan ausgereist. Der Bescheid wurde im Mai 2017 erlassen. Es ist nicht plausibel, dass der Beschwerdeführer erst 12 Jahre später erfahren sollte, dass er Geldschulden in Afghanistan habe, die eine Rückkehr unmöglich machen sollten. Das Gericht geht daher auch diesbezüglich davon aus, dass der Beschwerdeführer versucht seiner Fluchtgeschichte einen weiteren Aspekt hinzuzufügen.

Der Beschwerdeführer gab in der mündlichen Verhandlung, auf konkrete Befragung an, dass er nicht in einer großen Stadt leben könne, da seine Onkel in Kabul seien, einer sei Kommandant in Mazar-e Sharif und ein Sohn studiere in Herat (OZ 10, S. 16). Der Beschwerdeführer gab zu Beginn der Befragung zu seinen Familienverhältnissen jedoch an, dass er keine Cousins habe, ein Onkel würde im Iran leben und zwei in Daikundi (OZ 10, S. 8-9). Die Angaben des Beschwerdeführers sind widersprüchlich und machen auch diesbezüglich den Eindruck, als würde der Beschwerdeführer versuchen seiner Fluchtgeschichte einen weiteren Aspekt hinzuzufügen. Die Angaben des Beschwerdeführers sind nicht nachvollziehbar und nicht glaubhaft.

Der Beschwerdeführer gab auch am Ende der Verhandlung an, dass seine Onkel wissen wo er lebe, man habe dem Onkel bereits in Griechenland gesagt, wo sich der Beschwerdeführer aufhalte (OZ 10, S. 19). Auch diese Angaben, die der Beschwerdeführer erst am Ende der Verhandlung machte, wirken wie eine Steigerung des Vorbringens, die nicht glaubhaft ist. Es wäre anzunehmen, dass eine Allmacht der Onkel, wohl sehr bedrohlich wäre und dies bereits in der freien Erzählung zu den Fluchtgründen angegeben worden wäre. Die Angaben des Beschwerdeführers sind nicht glaubhaft.

2.2.4. Es fällt auch auf, dass der Beschwerdeführer eine Bedrohung seiner Onkel bzw. durch deren Familie in der Erstbefragung nicht angab. Diesbezüglich wird weder die seitens der Rechtsprechung der Höchstgerichte des öffentlichen Rechts hierüber bereits aufgezeigten Bedenken gegen die Verwertung von Beweisergebnissen der Erstbefragung (vgl etwa VfGH vom 20. Februar 2014, U 1919/2013-15, U 1921/2013-16, und E vom 28.Mai 2014, Ra 2014/20/0017, 0018) übersehen noch, dass sich die Erstbefragung gemäß § 19 Abs. 1 AsylG nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen hat. Dennoch scheint fraglich, warum der Beschwerdeführer eine behauptete tödliche Bedrohung durch die Onkel und deren Söhne in der Erstbefragung nicht einmal in einem Satz erwähnt hat. Die Fluchtgeschichte des Beschwerdeführers macht einen äußerst inkonsistenten Eindruck. Die Fluchtgeschichte des Beschwerdeführers ist nicht glaubhaft.

2.2.5. Die Fluchtgeschichte des Beschwerdeführers ist zudem nicht plausibel. Es ist nicht nachvollziehbar, dass der Vater des Beschwerdeführers und sein ca. 15/16 Jahre alter Bruder noch unbehelligt in Afghanistan leben können. Hätten es die Onkel auf das Erbe bzw. die Anteile an den Grundstücken abgesehen und würden diese auch vor einem Mord nicht zurückschrecken, so könnten weder der Vater noch der fast erwachsene Bruder dort noch leben.

Der Beschwerdeführer gab an, dass das streitgegenständliche Grundstück drei oder vier Jirib (1 Jirib beträgt ca. 1150m2) groß sei. Da sein Vater drei Brüder habe, würde der Anteil des Vaters ca. 1000m2 betragen, sodass nicht von einem sehr großen Erbe auszugehen sei. Es ist daher nicht plausibel, dass sich die Onkel die Mühe machen würden, den Aufenthalt des Beschwerdeführers bis nach Europa zu verfolgen, so wie dies der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung angegeben hat (OZ 10, S. 19).

2.2.6. Der Beschwerdeführer gab beim Bundesamt einmal an, dass die Onkel versuchen würden ihn zu töten (AS 195). Der Beschwerdeführer gab beim Bundesamt auch an, dass er nicht meine, dass seine Onkeln ihn umbringen, dass würden nämlich die Nachbarn mitbekommen und die Onkel würden zur Verantwortung gezogen werden (AS 187). Die Erklärungen des Beschwerdeführers zu diesem Widerspruch, dass er meine, dass seine Onkel ihn nicht in der Ortschaft, sondern in Kabul töten würden, wenn er am Flughafen ankomme, weil er dort keinen kenne, sind nicht plausibel (AS 195). Die Angaben des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen sind nicht nachvollziehbar.

Der Beschwerdeführer gab in der Verhandlung zum einen an, dass seine Onkel verhindern würden, dass seine Mutter Kontakt mit ihm und seinem im Iran lebenden Bruder aufnehmen könne, die Onkeln würden nämlich nicht zulassen, dass seine Mutter das Haus verlässt (OZ 10, S. 11). Der Beschwerdeführer gab in der Verhandlung jedoch auch an, dass seine Mutter in den Ort zum Bazar gehen würde, um den im Iran lebenden Bruder des Beschwerdeführers anzurufen (OZ 10, S. 11). Die Angaben des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen sind sehr widersprüchlich und nicht glaubhaft.

Aufgrund der oben aufgezeigten Widersprüche, Unplausibilitäten sowie aufgrund der vagen und oberflächlichen Angaben, konnte der Beschwerdeführer seine Fluchtgründe nicht glaubhaft machen. Das Gericht geht daher davon aus, dass der Beschwerdeführer weder aus Furcht vor Eingriffen in seine körperliche Integrität noch wegen Lebensgefahr verlassen hat.

2.2.7. Der Beschwerdeführer wurde mehrfach gefragt, was ihm bei einer Rückkehr nach Afghanistan drohen würde. Er nannte zunächst nur seine Onkel. Auf weitere Nachfrage gab der Beschwerdeführer an, dass die Taliban ein großes Problem seien sowie die Unsicherheit, Hazara würden verfolgt werden, sonst habe er keine Probleme (OZ 10, S. 16). Es sind daher auch aus diesen Angaben des Beschwerdeführers keine tatsächlichen, den Beschwerdeführer individuelle und konkret treffenden, Verfolgungsgründe zu erkennen.

2.2.8. Aufgrund der insgesamt nicht glaubhaften Aussagen des Beschwerdeführers konnte auch nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer - individuell und konkret - im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan Lebensgefahr oder ein Eingriff in seine körperliche Integrität durch seine Familienangehörige, durch die Taliban oder durch sonstige Personen drohen würde.

2.2.2. Auch darüber hinaus vermochte der Beschwerdeführer eine individuelle und konkrete Betroffenheit von Verfolgung aufgrund seiner Eigenschaft als Hazara und Schiit nicht aufzuzeigen. In der Verhandlung führte der Beschwerdeführer lediglich vage aus, dass Hazara in Afghanistan verfolgt werden, eine ihn persönlich treffende Verfolgung nannte der Beschwerdeführer jedoch nicht.

Aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers in der Verhandlung hinsichtlich der allgemeinen Gefährdungslage der Hazara in Afghanistan lässt sich keine individuell konkret gegen den Beschwerdeführer gerichtete Verfolgung ableiten.

Hinsichtlich einer behaupteten Gruppenverfolgung der Hazara und Schiiten in Afghanistan wird auf die Ausführungen zur rechtlichen Beurteilung verwiesen.

2.2.3. Soweit der Beschwerdeführer in der Beschwerde vorbringt, dass aufgrund seines langjährigen Auslandsaufenthaltes die Gefahr besteht als "verwestlicht" angesehen zu werden, ist auszuführen, dass nicht ersichtlich ist wodurch sich sein "westlicher Lebensstil" äußern würde. Aufgrund der Kürze seines Aufenthalts ist in Zusammenhang mit dem von ihm in der Beschwerdeverhandlung gewonnenen persönlichen Eindruck nach Ansicht des Gerichts nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer eine westliche Lebenseinstellung in einer ihn in Afghanistan exponierenden Intensität übernommen hätte. Es ist auch nicht erkennbar, warum gerade der Beschwerdeführer gegenüber hunderttausend anderen Rückkehrern in eine derart exponierte Lage geraten soll, dass er auf Grund seines Lebensstils oder auf Grund seines Aufenthaltes in einem westlichen Land psychischer oder physischer Bedrohung in Afghanistan ausgesetz

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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