TE Bvwg Erkenntnis 2019/3/13 W140 2119983-1

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Veröffentlicht am 13.03.2019
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Entscheidungsdatum

13.03.2019

Norm

BFA-VG §22a
BFA-VG §22a Abs1
B-VG Art.133 Abs4
Dublin III-VO Art.28
FPG §76
VwGVG §35

Spruch

W140 2119983-1/18E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. HÖLLER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.01.2016, Zl. 1085580907/160102687, zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde wird gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG iVm Art. 28 Dublin III-VO stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

Gleichzeitig wird die Anhaltung in Schubhaft von 21.01.2016 bis 02.02.2016 für rechtswidrig erklärt.

II. Gemäß § 35 VwGVG iVm VwG-Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 517/2013, hat der Bund (Bundesminister für Inneres) dem Beschwerdeführer zu Handen seines ausgewiesenen Vertreters Aufwendungen in Höhe von € 737,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (BF) stellte am 02.09.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Ein EURODAC - Abgleich ergab einen Treffer von Bulgarien. Der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz wurde in weiterer Folge ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Absatz 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, als unzulässig zurückgewiesen. Für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz sei gemäß Artikel 18.1.b i.Vm. 25.2 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates Bulgarien zuständig (Spruchpunkt I). Gemäß § 61 Absatz 1 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, wurde gegen den BF die Außerlandesbringung angeordnet. Demzufolge wurde gemäß § 61 Absatz 2 FPG die Abschiebung nach Bulgarien für zulässig erklärt (Spruchpunkt II). Der Beschwerdeführer erhob in weiterer Folge keine Beschwerde. Die Entscheidung erwuchs in weiterer Folge in Rechtskraft. Am 25.01.2016 stellte der BF aus dem Stande der Schubhaft einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA), Regionaldirektion Niederösterreich, vom Beschwerdeführer persönlich übernommen am 21.01.2016 um 11.25 Uhr, wurde über den BF gemäß Artikel 28 Absatz 1 und 2 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 iVm § 76 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz, BGBl l Nr. 100/2005 (FPG) idgF, iVm § 57 Absatz 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl Nr. 51/1991 (AVG) idgF, die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet. Dagegen wurde Beschwerde erhoben.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 28.01.2016, W140 2119983-1/3E, wurde die Beschwerde gemäß § 22a Abs. 1 idgF iVm. Art. 28 Abs. 1 und Abs. 2 Dublin III-VO und § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkt I).Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG wurde festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen (Spruchpunkt II). Der Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Kostenersatz wurde gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG idgF abgewiesen (Spruchpunkt III). Der Antrag, dem Beschwerdeführer unentgeltlich einen Verfahrenshelfer beizugeben, wurde gemäß § 40 Abs. 5 VwGVG idgF als unzulässig zurückgewiesen (Spruchpunkt IV). Gemäß § 14 TP 6 Abs. 5 Gebührengesetz 1957 (GebG) idgF wurde der Antrag, den Beschwerdeführer von der Eingabegebühr zu befreien, als unzulässig zurückgewiesen (Spruchpunkt V).

Einer gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 28.01.2016 erhobenen außerordentlichen Revision gab der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 23. März 2017, (Ra 2016/21/0049-9), statt und behob das Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts in den Spruchpunkten A I. bis III. Betreffend die Spruchpunkte A IV. und V. wurde die Revision zurückgewiesen.

Der Verwaltungsgerichtshof führte u. a. Folgendes aus:

"Entscheidungsgründe:

Der Revisionswerber ist Staatsangehöriger von Afghanistan. Er reiste spätestens am 2. September 2015 nach Österreich ein und stellte hier einen Antrag auf internationalen Schutz. Schon bei seiner Einvernahme durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 4. September 2015 machte er u.a. geltend, mit einer ursprünglich aus Afghanistan stammenden österreichischen Staatsbürgerin verheiratet zu sein. In einer nachfolgenden Einvernahme vom 3. Dezember 2015 deponierte er - mit der geplanten Überstellung nach Bulgarien gemäß der Dublin III-VO konfrontiert -, auf keinen Fall nach Bulgarien zu wollen; er liebe seine Frau und wolle nur bei ihr in Österreich bleiben. Die gleichfalls am 3. Dezember 2015 einvernommene

"Ehefrau" (die Hochzeit sei über Skype erfolgt) gab an, sie wohne bei ihrer Familie und ihr Mann lebe in der Betreuungsstelle XXXX ; sie bekomme (aber) eine eigene Wohnung in Kapfenberg und wünsche sich, dass sie dann dort gemeinsam mit ihrem Mann leben könne.

Mit Bescheid vom 11. Jänner 2016 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den genannten Antrag des Revisionswerbers gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurück; für die Prüfung seines Antrages auf internationalen Schutz sei Bulgarien zuständig. Unter einem wurde gemäß § 61 Abs. 1 FPG gegen den Revisionswerber die Außerlandesbringung angeordnet und ausgesprochen, dass demzufolge gemäß § 61 Abs. 2 FPG seine Abschiebung nach Bulgarien zulässig sei.

Nachdem dieser Bescheid in Rechtskraft erwachsen war, wurde der Revisionswerber festgenommen. Mit Mandatsbescheid vom 21. Jänner 2016 verhängte das BFA hierauf gegen ihn gemäß Art. 28 Abs. 1 und 2 der Dublin III-VO iVm § 76 Abs. 2 Z 2 FPG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung seiner Abschiebung.

Der Revisionswerber erhob Beschwerde. In dieser verwies er u.a. darauf, dass er in seiner aktuellen Flüchtlingsunterkunft festgenommen worden sei; er sei bis zu seiner Verhaftung durchgehend gemeldet gewesen und habe jeder Ladung durch die Behörde Folge geleistet. Zudem lebe seine "Ehefrau" in Österreich, die noch in der Vorwoche - wie schon angekündigt - eine gemeinsame Wohnung in Kapfenberg angemietet habe und ihn, ebenso wie sein Onkel, finanziell unterstütze. Er sei daher weder obdachlos noch mittellos und werde im Hinblick auf sein aufrechtes Familienleben in Österreich gegen den seinen Antrag auf internationalen Schutz zurückweisenden Bescheid vom 11. Jänner 2016, iVm einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (gemeint: gegen die Versäumung der Beschwerdefrist), eine Beschwerde einbringen. [Das war dann am 25. Jänner 2016 der Fall.]

Der dargestellten Schubhaftbeschwerde angeschlossen war eine von der "Ehefrau" des Revisionswerbers gefertigte undatierte Erklärung, wonach sie den Revisionswerber jede Woche von seinem Quartier (derzeit in Wien) abhole; "wir verbringen" - so heißt es in dieser Erklärung weiter - "die zulässigen 48 Stunden gemeinsam, meist bei mir in Leoben - länger darf er sein Quartier nicht verlassen."

Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis vom 28. Jänner 2016 wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die Schubhaftbeschwerde des Revisionswerbers gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG iVm Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin III-VO und § 76 Abs. 2 Z 2 FPG als unbegründet ab (Spruchpunkt A I.). Außerdem stellte das BVwG gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG fest, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlägen und wies den Antrag des Revisionswerbers auf Kostenersatz gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG ab (Spruchpunkte A II. und III.). Schließlich wies es die in der Schubhaftbeschwerde gestellten Anträge, dem Revisionswerber unentgeltlich einen Verfahrenshelfer beizugeben und ihn von der Eingabegebühr zu befreien, gemäß § 40 Abs. 5 VwGVG bzw. gemäß § 14 Tp 6 Abs. 5 Gebührengesetz 1957 als unzulässig zurück (Spruchpunkte A IV. und V. und erklärte eine Revision gegen seine Entscheidung gemäß Art. 133 Abs. 4 13-VG für nicht zulässig.

Über die gegen dieses Erkenntnis erhobene Revision hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch das BVwG und Einleitung des Vorverfahrens - Revisionsbeantwortungen wurden nicht erstattet - erwogen:

Die Revision ist teilweise, betreffend die Spruchpunkte A I. bis III. des angefochtenen Erkenntnisses, zulässig und berechtigt.

Die unter diesen Spruchpunkten erfolgte Abweisung der Schubhaftbeschwerde sowie die Feststellung, dass im Entscheidungszeitpunkt die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlägen, begründete das BVwG im Ergebnis wörtlich wie folgt:

"Gegen den [Revisionswerber] besteht eine seit dem 20.01.2016 rechtskräftige und durchsetzbare Ausreiseentscheidung. Der [Revisionswerber] ist trotz Kenntnis der Entscheidung im Bundesgebiet verblieben und hat im Zuge seiner niederschriftlichen Einvernahme am 21.01.2016 angekündigt, sich der Überstellung widersetzen zu wollen. Dem am 25.01.2016 aus dem Stande der Schubhaft gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde bis zum Entscheidungszeitpunkt keine aufschiebende Wirkung zuerkannt. Die erhebliche Fluchtgefahr im Fall des [Revisionswerbers] ist insbesondere durch eine qualifizierte Ausreiseunwilligkeit anzunehmen; qualifiziert insofern, als der [Revisionswerber] durch das Vorbringen "des Bestehens eines Familienlebens" offensichtlich alles daran setzen wird, seine Ausreise zu verhindern. Sohin handelt es sich bei der Äußerung des [Revisionswerbers], nicht nach Bulgarien überstellt werden zu wollen, nicht um die bloße Kundgabe von Ausreiseunwilligkeit. Zusätzlich verfügt der [Revisionswerber] in Österreich über keine gesicherte (stete) Unterkunft, verfügt über keine eigenen ausreichenden Existenzmittel und ist nicht erwerbstätig. Das offensichtliche Fehlen einer ausreichenden sozialen Verankerung zeigt die Angewiesenheit auf den Staat (Grundversorgung) auf. Mit dem Vorbringen, eine bereits angemietete Wohnung mit seiner Frau beziehen zu wollen, ist für den [Revisionswerber] insofern nichts gewonnen - der [Revisionswerber] war bis zu seiner Einvernahme am 21.01.2016 in der Grundversorgung gemeldet - als begründet davon auszugehen ist, dass er auch hinkünftig nicht gewillt sein wird, die Rechtsvorschriften/Ausreise nach Bulgarien einzuhalten."

Diese Ausführungen werden dem vorliegenden Fall nicht gerecht. Zwar trifft es zu, dass der Revisionswerber - wie vom BVwG zunächst angemerkt - auch nach der Zurückweisung seines Antrags auf internationalen Schutz im Bundesgebiet verblieben ist. Dass ihm bis zu seiner Festnahme andere - legale - Alternativen offen gestanden wären, lässt sich dem bekämpften Erkenntnis allerdings nicht entnehmen.

In dem Erkenntnis wird dann auf eine Passage in der niederschriftlichen Einvernahme des Revisionswerbers vom 21. Jänner 2016 unmittelbar vor Verhängung der Schubhaft Bezug genommen; der Revisionswerber habe angekündigt, sich der Überstellung (nach Bulgarien) widersetzen zu wollen. Im Gesamtzusammenhang stellt sich diese Passage aber wie folgt dar (F = Frage des Leiters der Amtshandlung, A = Antwort des Revisionswerbers):

"F: Haben sie vor sich ihrer Abschiebung zu widersetzen?

A: Ja da meine Ehefrau lebt in Österreich."

Der Erklärung des Revisionswerbers ging also eine Suggestivfrage voraus, deren allgemeine Bejahung für sich betrachtet noch keine tragfähigen Schlüsse auf ein zukünftiges Verhalten des Revisionswerbers zulässt.

Dem BVwG ist dann zwar zuzubilligen, dass die "familiären Bindungen" des Revisionswerbers allenfalls auf eine "qualifizierte Ausreiseunwilligkeit" schließen lassen könnten. Diese Bindungen sprechen umgekehrt aber auch dagegen, dass der Revisionswerber "untertauchen" werde, zumal seine "Ehefrau" nach dem vom BVwG nicht in Frage gestellten Vorbringen in der Schubhaftbeschwerde bereits eine gemeinsame Wohnung angemietet hat. In diesem Zusammenhang ist dann aber noch darauf zu verweisen, dass der Revisionswerber nach seinen Behauptungen - vom BVwG ebenfalls nicht in Abrede gestellt - durchgehend in Grundversorgungsquartieren untergebracht war, aufrechte Meldungen aufwies und allen behördlichen Ladungen Folge leistete. Er wurde zudem, schon nach Rechtskraft der Zurückweisung seines Antrags auf internationalen Schutz, in seiner Unterkunft festgenommen, und es stellt sich die Frage, warum mit dieser Festnahme nicht bis knapp vor die mit 8. Februar 2016 terminisierte Abschiebung zugewartet wurde.

Schubhaft darf stets nur "ultima ratio" sein (vgl. in Bezug auf die hier maßgebliche Rechtslage nach dem FrÄG 2015 die hg. Erkenntnisse vom 20. Oktober 2016, Ra 2016/21/0243, und vom 20. Dezember 2016, Ra 2016/21/0229). Vor dem Hintergrund der obigen Ausführungen trifft das auf die vorliegende Konstellation - jedenfalls ohne vom Revisionswerber einen unmittelbaren persönlichen Eindruck zu gewinnen, der Gegenteiliges indizieren könnte - nicht zu, weshalb das angefochtene Erkenntnis in den die Schubhaft betreffenden Spruchpunkten schon deshalb, ohne dass es weiterer Überlegungen bedurfte, sowie im damit im Zusammenhang stehenden Kostenausspruch (Spruchpunkte A I. bis III.) wegen der prävalierenden Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

Soweit sich die Revision auch gegen Spruchpunkt A IV. (Zurückweisung des Antrags auf Beigabe eines Verfahrenshelfers) sowie gegen Spruchpunkt A V. (Zurückweisung des Antrags auf Befreiung von der Eingabegebühr) richtet, erweist sie sich hingegen als unzulässig

(...)."

Seitens der Vertretung des Beschwerdeführers wurde am 14.01.2019 folgende Stellungnahme erstattet:

"Ergänzendes Vorbringen

1. Sachverhalt (Zusammenfassung)

Der BF ist Staatsangehöriger von Afghanistan. Er stellte am 02.09.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Am 03.12.2015 wurde der BF von der belangten Behörde hinsichtlich seines Asylverfahrens geladen und einvernommen. Am selben Tag wurde auch die Ehefrau des BF, XXXX (österreichische Staatsbürgerin), von der belangten Behörde einvernommen. Die Ehe war am XXXX in Kabul geschlossen worden.

Am 11.01.2016 (zugestellt am 12.01.2016) wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 5 AsylG zurückgewiesen und eine Anordnung zur Außerlandesbringung erlassen. Eine Abschiebung nach Bulgarien wurde für rechtmäßig befunden. Der Bescheid wurde mit Ablauf des 19.01.2016 rechtskräftig. Am 20.01.2016 wurde der aufrecht gemeldete BF in seiner Unterkunft in XXXX , XXXX , von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes festgenommen. Am 21.01.2016 wurde der BF von der belangten Behörde einvernommen und in der Folge mit Mandatsbescheid vom 21.01.2016 die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung verhängt. Am 22.01.2016 erhob der BF über die Rechtsvertretung Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid. Die belangte Behörde teilte im Schubhaftbeschwerdeverfahren mit, dass beabsichtigt sei, den BF am 08.02.2016 auf dem Luftweg nach Bulgarien zu überstellen.

Mit Erkenntnis vom 28.01.2016 wurde die Beschwerde gem § 22a Abs 1 BFA-VG abgewiesen (Spruchpunkt A. I.) und gem § 22a Abs 3 BFA-VG festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft vorliegen (Spruchpunkt A. II.). Der Antrag des BF auf Kostenersatz wurde abgewiesen (Spruchpunkt A. III.).

Gegen dieses Erkenntnis des BVwG wurde Revision an den VwGH erhoben. Mit Erkenntnis vom 23.03.2017 zur Zahl 2016/21/0049 wurde das Erkenntnis im Umfang der Spruchpunkte A. I. bis III. wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Am 02.02.2016 wurde der BF aus der Schubhaft entlassen. Das Standesamt Kapfenberg hatte die Ehe nachträglich beurkundet (die Heiratsurkunde wurde am 04.02.2016 ausgestellt, Beilage). Nachdem Bulgarien die Wiederaufnahme verweigerte, wurde das Asylverfahren des BF in Österreich zugelassen. Dem BF wurde eine Aufenthaltsberechtigung plus gem § 55 AsylG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens erteilt. Der Aufenthaltstitel wurde am 09.05.2018 ausgestellt (Kopie der Karte im Akt). Der BF verfügt aktuell (weiterhin) über ein gemeinsames Familienleben mit seiner Ehefrau und den beiden Kindern (Beilagen: Geburtsurkunden und Meldezettel).

2. Zur Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides vom 21.01.2016 und der darauf gestützten Anhaltung bis 28.01.2016

Die belangte Behörde begründete das Vorliegen von Fluchtgefahr damit, dass der BF in Österreich über keine gesicherten Bindungen verfügen und er in Österreich nicht integriert sei. Er habe keinen Unterstand im Bundesgebiet, sei nahezu mittellos und verweigere jegliche Kooperation mit der Behörde (S. 7). Der BF versuche die gebotene Abschiebung zu vereiteln, "um wieder in die Illegalität abzutauchen" (S. 7 f).

In der Schubhaftbeschwerde wurde dargelegt, dass die von der belangten Behörde herangezogenen Argumente durchwegs aktenwidrig sind. Neben der Ehefrau des BF leben auch weitere Verwandte im Bundesgebiet. Es wurde hervorgehoben, dass der BF während der gesamten Zeit seines Aufenthaltes durchgehend im Rahmen der Grundversorgung untergebracht und gemeldet war, was von der belangten Behörde auch im Bescheid nicht in Abrede gestellt worden war (Es wurde u.a. festgestellt, dass der BF in Österreich in einem Flüchtlingsheim aufrecht gemeldet ist, S. 4). Weiters wurde dargelegt, dass der BF von seiner Ehefrau und seinem Onkel finanziell unterstützt wird und damit weder mittel- noch obdachlos war.

Das BVwG teilte in seiner Entscheidung vom 28.01.2016 die Auffassung der belangten Behörde, dass sich der BF der Abschiebung entziehen könnte (S. 15). Begründet wurde dies mit dem unrechtmäßigen Aufenthalt sowie der Tatsache, dass der BF trotz Kenntnis der asylrechtlichen Entscheidung im Bundesgebiet verblieben sei und er am 21.01.2016 angekündigt hätte, sich der Überstellung widersetzen zu wollen (S. 14 f). Aus dem bestehenden Familienleben mit der Ehefrau wurde eine qualifizierte Ausreiseunwilligkeit abgeleitet (S. 15).

Zu dieser Argumentation hält der VwGH in seinem Erkenntnis zunächst fest, dass es zwar zutreffend sei, dass der BF nach Zurückweisung seines Antrages im Bundesgebiet verblieben sei. Er stellte jedoch gleichzeitig klar, dass aus dieser Tatsache kein Argument für Fluchtgefahr gewonnen werden kann, da dem BF keine anderen legalen Alternativen offen gestanden wären (Rz 10). Hintergrund ist offenbar der, dass Überstellungen im Rahmen der Dublin III-VO nach Ablehnung eines Antrages grundsätzlich unter behördlicher Überwachung erfolgen sollen (vgl VwGH 13.11.2018, 2018/21/0133, Rz 10, unter Hinweis auf Art 7 der VO 1560/2003 (Durchführungs-VO zur Dublin III-VO)). Eine legale Ausreise wäre allenfalls mit einem gültigen Reisedokument möglich gewesen, welches der BF nicht besaß. Das Verbleiben im Bundesgebiet nach Durchsetzbarkeit einer Überstellungsentscheidung iSd Dublin III-VO ist daher weder rechtswidrig noch geeignet, eine Fluchtgefahr zu begründen - im Gegenteil, ist ebendies vom Unionsrechtsgesetzgeber vorgesehen. Anzumerken ist weiters, dass der BF bereits einen Tag nach Rechtskraft von der Behörde festgenommen wurde. Der BF hätte daher auch gar keine Zeit gehabt, ein Überstellungsverfahren - in welcher Art und Weise auch immer - selbst zu veranlassen.

Das Argument, der BF hätte in der Einvernahme am 21.01.2016 angekündigt, sich der Abschiebung widersetzen zu wollen, wird vom VwGH dahingehend relativiert, als er darlegt, dass dieser Schluss aus der Antwort auf eine Suggestivfrage gezogen wird, deren Bejahung aber keine tragfähigen Schlüsse auf ein zukünftiges Verhalten zulässt (Rz 11 f).

Dem Argument, dass das bestehende Familienleben auf eine "qualifizierte" Ausreiseunwilligkeit hindeute, wird vom VwGH insofern eine Absage erteilt, dass ebendiese Bindungen gleichzeitig auch gegen ein "Untertauchen" sprechen können (Rz 13). Dass bestehende Bindungen iSd Art 8 EMRK grundsätzlich einen Parameter darstellen, der gegen Fluchtgefahr spricht, steht im Einklang mit dem Erkenntnis vom 11.05.2017, 2016/21/0021, wo der VwGH Folgendes ausführte:

Im Tatbestand des § 76 Abs. 3 Z 9 FrPolG 2005 wird auf den Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit bzw. das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes Bezug genommen. Die auf das Bestehen integrationsbegründender Umstände abstellende Formulierung dieses Tatbestandes und die dabei vorgenommene Zusammenfassung verschiedenster Aspekte erschweren ein Verständnis, dass es sich dabei um Kriterien handelt, die annehmen ließen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung durch Flucht entziehen könnte. Um § 76 Abs. 3 Z 9 FrPolG 2005 nicht "leer laufen" zu lassen, wird es daher umgekehrt darauf ankommen, dass keine maßgebliche - der Annahme einer Entziehungsabsicht entgegen stehende - soziale Verankerung des Fremden in Österreich vorliegt, was an Hand der genannten Parameter ((Nicht)bestehen familiärer Beziehungen, ...) zu beurteilen ist. Dem kam in diesem Sinn schon in der bisherigen Judikatur des VwGH Bedeutung zu (Hinweis E 8. September 2005, 2005/21/0301).

Der VwGH stellte überdies klar, dass auch der unbestrittene Umstand, dass der BF durchgehend in Grundversorgungsquartieren untergebracht war, er auch durchgehend aufrecht gemeldet war und allen Ladungen Folge leistete, gegen das Vorliegen von Fluchtgefahr spricht (Rz 13).

Zu guter Letzt stellte der VwGH klar, dass die Vorgehensweise der Behörde einen Verstoß gegen das ultima-ratio-Prinzip darstellte, da nicht ersichtlich sei, warum mit der Festnahme nicht bis kurz vor der am 08.02.2016 terminisierten Abschiebung zugewartet wurde (Rz 13 f).

Aus der Behebung der Entscheidung des BVwG ergibt sich unzweifelhaft, dass der angefochtene Schubhaftbescheid an Rechtswidrigkeit leidet, da der von der Behörde festgestellte Sachverhalt die Einschätzung der Fluchtgefahr nicht zu tragen vermag, da die relevanten aktenkundigen Umstände - durchgehende Meldeadresse, Befolgung aller Ladungen, soziale bzw familiäre Bindungen - gegen, und nicht für eine Fluchtgefahr sprechen. Wie der VwGH klarstellt, kann auf eine Fluchtgefahr auch nicht aus der Antwort auf eine Suggestivfrage geschlossen werden. In Bezug auf die Überprüfung eines Schubhaftbescheides ist das BVwG auf eine Kontrolltätigkeit beschränkt. Ein Schubhaftbescheid ist zu beheben, wenn er an einem wesentlichen Begründungsmangel leidet (vgl VwGH 05.10.2017, 2017/21/0007). Aus den Ausführungen des VwGH ist unzweifelhaft ersichtlich, dass der Bescheid an einem solchen wesentlichen Begründungsmangel leidet, da der festgestellte Sachverhalt nicht einmal die Begründung "einfacher" Fluchtgefahr zu tragen vermag (der Verhängung der Schubhaft nach der Dublin III-VO hätte sogar erheblicher Fluchtgefahr bedurft). Der Durchführung einer mündlichen Verhandlung bedarf es folglich zur Feststellung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides nicht mehr.

3. Zur Rechtswidrigkeit der Schubhaft aufgrund des Fortsetzungsausspruches ab 28.01.2016

Im Erkenntnis des VwGH vom 05.10.2017, 2017/21/0161, Rz 10, stellte dieser klar, dass ein Schubhaftbescheid ab seiner "Ersetzung" durch den Fortsetzungsausspruch des BVwG seine Wirkung verliert und die Schubhaft nach Aufhebung eines BVwG-Erkenntnisses nicht mehr (nachträglich) auf diesen Bescheid gestützt werden kann:

10 Zur Klarstellung ist in diesem Zusammenhang aber noch Folgendes anzumerken:

Ein die Zulässigkeit der Fortsetzung der Schubhaft feststellender Ausspruch nach § 22a Abs. 3 BFA-VG wirkt als neuer (Titel-)Bescheid und kann die weitere Anhaltung in Schubhaft ab dem Zeitpunkt der Entscheidung des BVwG selbst dann legitimieren, wenn die vorangehende Anhaltung als rechtswidrig erkannt wurde (vgl. schon zur geltenden Rechtslage den hg. Beschluss vom 11. Mai 2017, Ro 2017/21/0001, Rz 13, unter anderem mit dem Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 19. März 2014, Zl. 2013/21/0138, Punkt 2. der Entscheidungsgründe, mit weiteren Nachweisen). In den vorliegenden Fällen sind die in diesem Sinn als Grundlage der weiteren Anhaltung der Revisionswerberinnen im angeführten Zeitraum fungierenden (positiven) Fortsetzungsaussprüche durch die Aufhebung mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. Mai 2017, Ra 2016/21/0073, 0074, wieder weggefallen, und zwar gemäß § 42 Abs. 3 VwGG mit Wirkung "ex tunc". Das bedeutet, dass der Rechtszustand zwischen der Erlassung der Erkenntnisse vom 22. Februar 2016 und ihrer Aufhebung durch den Verwaltungsgerichtshof im Nachhinein so zu betrachten ist, als ob die aufgehobenen Erkenntnisse (die Hafttitel) von Anfang an nicht erlassen worden wären. Die mit rückwirkender Kraft ausgestattete Gestaltungswirkung des aufhebenden Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes bedeutet auch, dass allen Rechtsakten und Vollzugsakten, die während der Geltung der vom Verwaltungsgerichtshof danach aufgehobenen Erkenntnisse auf deren Grundlage gesetzt worden sind, im Nachhinein die Rechtsgrundlage entzogen worden ist. Im Ergebnis entbehrt damit ex post betrachtet die weitere Anhaltung der Revisionswerberinnen in Schubhaft im Zeitraum nach Erlassung der Erkenntnisse des BVwG vom 22. Februar 2016 einer Grundlage. Demzufolge war die Anhaltung der Revisionswerberinnen in Schubhaft im Zeitraum vom 22. Februar 2016 bis 11. März 2016 schon deshalb rechtswidrig, weil sich die hierfür jeweils allein als Titel fungierenden Fortsetzungsaussprüche in den Spruchpunkten A.IV. der Erkenntnisse des BVwG vom 22. Februar 2016 als rechtswidrig erwiesen haben und demzufolge vom Verwaltungsgerichtshof mit dessen Erkenntnis vom 11. Mai 2017 (rückwirkend) aufgehoben wurden. Eine nachträgliche Sanierung kommt diesfalls nicht in Betracht (vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 20. Februar 2014, Zl. 2013/21/0184).

Soweit in der Revision demgegenüber die Meinung vertreten wird, für die weiter fortgesetzte Anhaltung sei der - allerdings für rechtswidrig erklärte - Schubhaftbescheid "einzig als Hafttitel" in Betracht gekommen, kann ihr somit nicht gefolgt werden. Ein die Zulässigkeit der Fortsetzung der Schubhaft feststellender Ausspruch des BVwG gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG tritt nämlich mit seiner Erlassung als neuer Schubhafttitel an die Stelle des seinerzeitigen Schubhaftbescheides des BFA und bewirkt, dass dieser Bescheid damit endgültig seine Wirkung verliert und - ungeachtet einer allfälligen späteren Aufhebung des Fortsetzungsausspruchs durch den Verwaltungsgerichtshof - nicht wieder aufleben kann. Demzufolge wären im vorliegenden Fall die Schubhaftbescheide vom 27. Jänner 2016 (selbst im Falle ihrer Rechtmäßigkeit) als Grundlage für die Anhaltung der Revisionswerberinnen in Schubhaft ab dem 22. Februar 2016 nicht mehr in Betracht gekommen.

Das BVwG möge nicht nur die auf den Schubhaftbescheid gestützte Anhaltung, sondern auch die Schubhaft im Zeitraum ab dem (aufgehobenen) Fortsetzungsausspruch vom 28.01.2016 bis zum Zeitpunkt der Entlassung am 02.02.2016 für rechtswidrig erklären. Dass es eines solchen Ausspruches bedarf, ist ebenfalls dem oa. Erkenntnis des VwGH (Rz 9 und 11) zu entnehmen, da der VwGH keine meritorische, sondern lediglich eine kassatorische Entscheidung getroffen hat:

9 [...]. Eine spruchmäßige Erledigung betreffend die Schubhaft im Zeitraum vom 22. Februar 2016 bis zu ihrer Beendigung (laut Revisionsvorbringen) am 11. März 2016 erfolgte ausdrücklich nicht.

[...]

11 Beizupflichten ist den Revisionswerberinnen nach dem Gesagten aber im Ergebnis dahin, dass das BVwG auch hinsichtlich des Zeitraums vom 22. Februar 2016 bis 11. März 2016 die Rechtswidrigkeit der gegenständlichen Schubhaften festzustellen gehabt hätte. Die gegenteilige, auf den Gegenstand des Beschwerdeverfahrens und den diesbezüglichen Prüfungsumfang verweisende Ansicht des BVwG ist nicht nachvollziehbar, richteten sich doch die Beschwerden nicht nur gegen die Festnahmen und die Schubhaftbescheide, sondern auch gegen die Anhaltungen in Schubhaft, und zwar uneingeschränkt und somit in ihrer gesamten Dauer (vgl. auch dazu das schon erwähnte Erkenntnis vom 26. Jänner 2012, Zl. 2009/21/0108).

Das BVwG möge daher der Beschwerde stattgeben, den angefochtenen Schubhaftbescheid beheben, die Anhaltung in Schubhaft von 21.01.2016 bis 02.02.2016 für rechtswidrig erklären und dem BF den in der Beschwerde vom 22.01.2016 näher bezeichneten Aufwand gem § 35 VwGVG zusprechen."

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft und ist somit Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 1 FPG. Der Beschwerdeführer (BF) stellte am 02.09.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Ein EURODAC - Abgleich ergab einen Treffer von Bulgarien. Der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz wurde in weiterer Folge ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Absatz 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, als unzulässig zurückgewiesen. Für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz sei gemäß Artikel 18.1.b i.Vm. 25.2 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates Bulgarien zuständig (Spruchpunkt I). Gemäß § 61 Absatz 1 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, wurde gegen den BF die Außerlandesbringung angeordnet. Demzufolge wurde gemäß § 61 Absatz 2 FPG die Abschiebung nach Bulgarien für zulässig erklärt (Spruchpunkt II). Der Beschwerdeführer erhob in weiterer Folge keine Beschwerde. Die Entscheidung erwuchs in weiterer Folge in Rechtskraft. Am 25.01.2016 stellte der BF aus dem Stande der Schubhaft einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

Mit Bescheid des BFA, Regionaldirektion Niederösterreich, vom Beschwerdeführer persönlich übernommen am 21.01.2016 um 11.25 Uhr, wurde über den BF gemäß Artikel 28 Absatz 1 und 2 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 iVm § 76 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz, BGBl l Nr. 100/2005 (FPG) idgF, iVm § 57 Absatz 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl Nr. 51/1991 (AVG) idgF, die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet.

Der BF befand sich von 21.01.2016 bis 02.02.2016 in Schubhaft.

2. Beweiswürdigung:

Der angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes. Die Feststellungen zur Festnahme und der weiteren Anhaltung ergeben sich aus dem unstrittigen Akteninhalt und entsprechen dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes (Einsicht in die Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung).

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

3.1. Zu Spruchpunkt I. ( Schubhaftbescheid, Anhaltung in Schubhaft):

3.1.1. Gesetzliche Grundlage:

Entsprechend dem Fremdenrechtsänderungsgesetz 2015 - FrÄG 2015 vom 18.06.2015, BGBl. I Nr. 70/2015, lautet §22a des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG) wie folgt:

§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

Da die Behörde die Abschiebung nach Bulgarien - aufgrund dessen Zuständigkeit für das Asylverfahren des Beschwerdeführers - sicherte, hat sie den vorliegenden Schubhaftbescheid (weiters) unter anderem auf Art. 28 Dublin III-VO gestützt.

Artikel 28

(1) Die Mitgliedstaaten nehmen eine Person nicht allein deshalb in Haft, weil sie dem durch diese Verordnung festgelegten Verfahren unterliegt.

(2) Zwecks Sicherstellung von Überstellungsverfahren, dürfen die Mitgliedstaaten im Einklang mit dieser Verordnung, wenn eine erhebliche Fluchtgefahr besteht, nach einer Einzelfallprüfung die entsprechende Person in Haft nehmen und nur im Falle dass Haft verhältnismäßig ist und sich weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam anwenden lassen.

(3) Die Haft hat so kurz wie möglich zu sein und nicht länger zu sein, als bei angemessener Handlungsweise notwendig ist, um die erforderlichen Verwaltungsverfahren mit der gebotenen Sorgfalt durchzuführen, bis die Überstellung gemäß dieser Verordnung durchgeführt wird.

Die in diesem Zusammenhang maßgeblichen (innerstaatlichen) Bestimmungen des mit 20. Juli 2015 im Rahmen des Fremdenrechtsänderungsgesetzes 2015 - FrÄG 2015 in Kraft getretenen Fremdenpolizeigesetzes 2005 lauteten:

§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur dann angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder der Abschiebung notwendig ist und sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

2. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen oder Meldeverpflichtungen gemäß §§ 56 oder 71 FPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder 15a AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

3.1.2. Die gegenständliche Schubhaft wurde am 21.01.2016 mit verfahrensgegenständlichem Bescheid zum Zweck der Abschiebung des BF angeordnet. Im vorliegenden Fall ist unter Zugrundelegung des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. März 2017, (Ra 2016/21/0049-9), davon auszugehen, dass im Zeitpunkt der Anordnung der Schubhaft mit verfahrensgegenständlichem Bescheid eine erhebliche Fluchtgefahr nicht abgeleitet werden konnte. Es war daher der Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes Folge zu leisten. Vor diesem Hintergrund war der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid und gegen die Anhaltung des BF von 21.01.2016 bis 02.02.2016 spruchgemäß stattzugeben.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Kostenbegehren):

Nur der BF begehrte den Ersatz seiner Aufwendungen entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen. Da der BF vollständig obsiegte, steht ihm nach den angeführten Bestimmungen dem Grunde nach der Ersatz seiner Aufwendungen zu. Die Höhe der zugesprochenen Verfahrenskosten stützt sich auf die im Spruch des Erkenntnisses genannten gesetzlichen Bestimmungen.

3.3. Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben, da der Sachverhalt aufgrund der Aktenlage geklärt war und Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die für die gegenständliche Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen.

Zu Spruchteil B):

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Es sind keine Auslegungsfragen hinsichtlich der anzuwendenden Normen hervorgekommen, es waren auch keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen. Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Fluchtgefahr, Rechtsanschauung des VwGH, Rechtswidrigkeit, Schubhaft

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W140.2119983.1.00

Zuletzt aktualisiert am

24.04.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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