Entscheidungsdatum
18.03.2019Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W177 2128480-1/13E
Schriftliche Ausfertigung des am 11.12.2018 mündlich verkündeten Erkenntnisses:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Volker NOWAK als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX alias XXXX geb. am XXXX auch XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch RA Mag. Robert BITSCHE, 1050 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Erstaufnahmestelle West, vom 13.05.2016, XXXX nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 11.12.2018 zu Recht erkannt:
A) Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX alias XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.
Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX alias XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
I.1. Der Beschwerdeführer reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen in die Republik Österreich ein und stellte am 13.01.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Im Rahmen der Erstbefragung am 14.01.2015 gab der Beschwerdeführer zu seinem Fluchtgrund im Wesentlichen an, dass in seinem Heimatdorf Krieg herrsche. Er sei eines Tages von unbekannten Männern, die gegen die Regierung gewesen seien, angesprochen worden. Ihm sei gesagt worden, dass man ihn nach Pakistan mitnehmen wollen würde. Dort würde er ein Training bekommen und er könne den Weg Gottes gehen und würde durch Gott belohnt werden. Danach hätten ihn seine Eltern nicht mehr außer Haus lassen, jedoch seien zwei Tage später in der Nacht unbekannte Männer gekommen und hätten den Beschwerdeführer mitnehmen wollen. Der Vater habe dies verhindern können. Als die Familie am nächsten Tag habe fliehen wollen, sei sie von diesen Leuten gesehen worden. Diese seien in einem Regierungsfahrzeug gewesen und wären mit dem Gefährt der Familie zusammengestoßen, wobei seine Schwester gestorben wäre. Der Beschwerdeführer sei in einen Kastenwagen gezerrt worden, wo ihm ein weißes Tuch um die Nase gehalten wurde und er das Bewusstsein verloren habe. Nachdem er aufgewacht sei, habe man ihn verprügelt, jedoch sei es ihm gelungen zu fliehen. Wieder zurück in seinem Heimatdorf habe man ihm den Rat gegeben die Heimat zu verlassen.
I.2. Am 03.02.2014 fand vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eine weitere Erstbefragung statt. In dieser wurde dem Beschwerdeführer, als unbegleiteten Minderjährigen mitgeteilt, dass ihm gemäß § 16 Abs. 3 iVm § 64 AsylG ein Rechtsberater als gesetzlicher Vertreter für dieses Verfahren zur Seiten gestellt werde. Ebenfalls hat man ihn informiert, dass nach Ansicht der belangten Behörde zur Prüfung des gegenständlichen Asylantrages gemäß der Dublin II Verordnung Bulgarien zuständig sei und dem Beschwerdeführer samt dem gesetzlichen Vertreter eine Ladung zur Altersfeststellung überreicht.
I.3. Da anhand des gerichtsmedizinischen Gutachtens des Ludwig Botzmann Institutes der Medizinischen Universität Graz vom 05.03.2014 nicht festgestellt werden konnte, dass der Beschwerdeführer bereits volljährig ist, wurde mit 17.03.2014 das Konsultationsverfahren mit Bulgarien eingestellt.
I.4. In der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vom 09.06.2016 führte der Beschwerdeführer aus im Dorf XXXX XXXX , Provinz Herat geboren worden zu sein und vier Jahre die Schule besucht zu haben. Danach habe er bis zu seiner Ausreise in der Landwirtschaft gearbeitet. Er gehöre der Volksgruppe der Tadschiken an und sei Moslem mit sunnitische Glaubensrichtung. Zu seiner Familie in Afghanistan habe er seit seiner Ausreise keinen Kontakt mehr gehabt.
Zum Fluchtgrund befragt führte er im Wesentlichen aus, dass er mit seinem Vater in der Landwirtschaft gearbeitet hätte, wobei sie in der Nacht die Grundstücke kontrolliert hätten. In einer Nacht seien Leute gekommen und hätten gefragt, ob er mit ihnen zusammenarbeiten würde und er alles auf einer islamischen Schule in Pakistan lernen. Nachdem sie ihm auch mitteilten, dass er, für den Fall, dass er sich in die Luft sprengen würde, ins Paradies komme, sei er aus Angst nach Hause gegangen. Er habe das seinem Vater erzählt, der sofort meinte, dass er nun an zu Hause bleiben müsse. In einer weiteren Nacht seien drei Personen zum Elternhaus gekommen und hätten seinen Vater bedroht, geschlagen und ihm mitgeteilt, dass sie seinen Sohn mitnehmen würden. Nach Rücksprache mit seinem Vater und dem Dorfrat habe sich die Familie entschieden, das Dorf zu verlassen und zu Verwandten innerhalb der Provinz Herat zu gehen.
Auf dem Weg in dieses Dorf sei es zu einem Unfall mit einem Polizeiauto gekommen. Dabei sei seine Schwester getötet und die Schulter seines Vaters gebrochen worden. Der Beschwerdeführer wurde in ein weißes Auto gebracht, wo ihm ein weißes Tuch auf die Nase gedrückt wurden und er ca. zwei Tage bewusstlos gewesen sei. Als er seine Augen aufgemacht habe, habe er zu schreien begonnen. Seine Hände seien gefesselt gewesen. Er sei am ganzen Körper geschlagen worden, jedoch habe er so laut geschrien, dass sie ihn nicht mitnehmen konnten. Da er wusste, wo er sich befand, konnte er entkommen und zurück in sein Dorf laufen. Dort hätte ihm der Dorfrat geraten, dass Land zu verlassen.
Sein Leben sei in Afghanistan in Gefahr, denn die Leute, die ihn entführen wollten, würden zur Regierung und den Taliban gehören. Er gehe davon aus, dass der Unfall mit dem Polizeiauto absichtlich geschehen sei, weil er dann gleich mitgenommen worden sei. Dass er zwei Tage bewusstlos gewesen sei, habe er anhand des damaligen Datums feststellen können. Entkommen habe er nur können, weil er laut geschrien habe, als man ihn in ein Auto zerren wollte. Dabei habe er seine Hände befreien und davonlaufen können.
I.7. Mit am 27.04.2016 beim BFA eingelangten Schriftsatz wurde bekanntgegeben, dass der Beschwerdeführer durch RA Mag. Robert Bitsche nun rechtsfreundlich vertreten ist. In einer am 12.05.2016 beim BFA eingelangten Stellungnahme legte der Beschwerdeführervertreter ein Konvolut an Urkunden vor. Neben Teilnahmebestätigungen an Deutschkurse auch Bestätigungen über die Vorbereitungskurse zur Erlangung des Pflichtschulabschlusses sowie Bestätigungen des ÖKFV und der ÖRJK zum Beweis der Nachhaltigen Integration des Beschwerdeführers in Österreich.
I.8. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 13.05.2016, zugestellt am 23.05.2016, wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 festgestellt, dass die Abschiebung nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG mit zwei Wochen festgesetzt (Spruchpunkt IV). Begründend führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aus, die Gründe für das Verlassen des Heimatstaates seien nicht glaubhaft gewesen. Hinsichtlich der behaupteten Bedrohung konnte dem Beschwerdeführer kein Glauben geschenkt werden, zumal dessen Angaben tatsachenwidrig, widersprüchlich, keinesfalls plausibel und nicht nachvollziehbar gewesen wären.
I.9. Gegen den oben dargestellten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.05.2016 richtet sich die am 17.06.2016 eingelangte vollumfängliche Beschwerde.
I.10. Das Bundesverwaltungsgericht führte zur Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes am 11.12.2018 eine mündliche Verhandlung durch, an der eine Dolmetscherin für die Sprache Paschtu, der Beschwerdeführer und sein bevollmächtigter Rechtsvertreter teilnahmen. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl verzichtete auf die Teilnahme.
In dieser wurde festgehalten, dass der Beschwerdeführer bereits sehr gut Deutsch sprechen würde. Er sei Tadschike und Moslem sunnitischer Glaubensrichtung. Bevor er Afghanistan verlassen habe, habe er Dorf XXXX , XXXX in der Provinz Herat gelebt. In Afghanistan habe er keine Verwandten mehr. Zu weitschichtigen Verwandten in Österreich sei der Kontakt auch nur spärlich.
Er habe sein Heimatland verlassen, weil eine Gruppe junger Männer Jugendliche aus ärmeren Schichten gezwungen habe nach Pakistan zu gehen. Er selbst sei Opfer dieser Leute geworden. Nach einer erstmaligen Bedrohung in der Nacht, seien sie zum Haus der Familie gekommen, wo sie seinen Vater geschlagen hätten. Es sei danach zur Dorfvorstand gegangen, der der Familie bei der Flucht zu einem Bekannten behilflich gewesen sei. Bei der Fahrt dorthin sei die Familie in einen Unfall mit deinem Fahrzeug des Sicherheitsdienstes verwickelt gewesen. Bei diesem sei seine Schwester ums Leben gekommen und sein Vater habe sich die Schulter gebrochen. In diesem Moment habe ein weiteres Auto mit verdunkelten Scheiben angehalten und der Beschwerdeführer sei in dieses verbracht worden. Danach sei ihm mit einem Tuch die Nase und der Mund zugehalten worden, sodass dieser bewusstlos wurde. Nachdem er wieder aufgewacht sei, habe er zu schreien begonnen und sei mit dem Gewehrkolben geschlagen worden. Da er geblutet und weitergeschrien haben, sei er von zwei Männer nach draußen zu einem Auto getragen worden. Dort habe er sich von den Männern befreien können und sei davongelaufen. Wie er wieder im Heimatdorf angekommen sie, habe er sich an den Dorfvorsteher gewandt, der nur meinte, dass er sofort seine Ausreise aus Afghanistan organisieren würde.
Der Beschwerdeführer gehe davon aus, dass diese Männer zumindest mit den Taliban kooperiert hätten. Diese Männer hätten damals gemeint, dass er in eine Moschee in Pakistan mitgenommen werde, wo er schließlich zum Selbstmordattentäter ausgebildet hätte werden sollen. Er denke auch, dass der Unfall beabsichtigt gewesen wäre, zumal man ihn durch diesen auch wegbringen habe können.
Nach Schluss der mündlichen Verhandlung erfolgte eine mündliche Verkündung des Erkenntnisses. Die Niederschrift zur mündlichen Verhandlung vom 11.12.2018 wurde dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl samt Hinweis auf die mündliche Verkündung übermittelt. Die belangte Behörde beantragte fristgerecht beim Bundesverwaltungsgericht die schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses.
I.11. Mit Fax vom 06.02.2019 kam das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Erstaufnahmestelle West, dem am 01.02.2019 ergangenen Mängelbehebungsauftrag des BVwG nach und übermittelte den Antrag auf schriftliche Ausfertigung diesmal unterschrieben. Dieser Antrag ist zulässig.
I.12. Der Beschwerdeführer legte im Lauf des Verfahrens folgende Dokumente vor:
* Teilnahmebestätigungen an Deutschkursen
* Sprachzertifikat ÖSD A2; Prüfung gut bestanden
* Teilnahmebestätigungen an Kursen zur Erlangung des Pflichtschulabschlusses
* Zeugnis über die Pflichtschulabschlussprüfung
* Teilnahmebestätigung am Kurs "Erste Hilfe"
* Foto der vom Beschwerdeführer geschilderten Kopfverletzung
* Lehrvertrag als Installations- und Gebäudetechniker Hauptmodul:
Gas- und Sanitärbereich
* Bescheid des AMS Linz über die Beschäftigungsbewilligung des Beschwerdeführers
* Anmeldung bei der Gebietskrankenkasse
* Einkommenssteuerbescheid aus dem Jahr 2017
* Schreiben und Bestätigung über die Teilnahme an der Kleinfeldfußballmeisterschaft
* Mietvertrag samt Haushaltsversicherung
* Zahlreiche Unterstützungsschreiben
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
II.1. Feststellungen:
II.1.1. Zur Person des Beschwerdeführers
Der Beschwerdeführer trägt den im Spruch angeführten Namen, geboren am XXXX und ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Tadschiken und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Dari.
Die Identität des Beschwerdeführers steht, mit Ausnahme der Staatsangehörigkeit, Volksgruppenzugehörigkeit und seines Religionsbekenntnisses, mangels Vorlage identitätsbezeugender Dokumente nicht fest.
Der Beschwerdeführer hat am 12.12.2016 die Pflichtschulabschlussprüfung bestanden. Am 13.06.2017 hat er ÖSD Sprachprüfung A2 gut bestanden. Am 23.06.2017 unterzeichnete er einen Lehrvertrag.
II.1.2. Zu den Lebensumständen des Beschwerdeführers
Der Beschwerdeführer wurde in XXXX , Provinz Herat, Afghanistan geboren, wo er dauernd aufhältig war.
Der Beschwerdeführer hat im Herkunftsstaat vier Jahre die Schule besucht.
In Afghanistan leben keine Verwandten des Beschwerdeführers mehr bzw. sind diese Verwandten unbekannten Aufenthaltsorts. In Österreich leben noch ein Onkel und zwei Cousins des Beschwerdeführers.
Der Beschwerdeführer ist strafgerichtlich unbescholten. Es liegen keine Gründe vor, nach denen der Beschwerdeführer von der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten auszuschließen ist oder nach denen ein Ausschluss des Beschwerdeführers hinsichtlich der Asylgewährung zu erfolgen hat.
Der Beschwerdeführer hat beachtliche Integrationserfolge vorzuweisen.
II.1.3. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers
Der Beschwerdeführer war bis zum Jahr 2013 zusammen mit seinem Vater als Landarbeiter tätig. Eines nachts wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, dass er sich einer Gruppe von jungen Männer anschließen soll und er in Pakistan in einer Moschee zum Selbstmordattentäter wird. Nach dessen Weigerung wurde die Familie heimgesucht und der Vater geschlagen. Bei der darauffolgenden Flucht kam es zu einem Verkehrsunfall, bei dem der Beschwerdeführer entführt wurde. Er konnte sich von dieser Anhaltung befreien und der Flucht aus Afghanistan seiner Zwangsrekrutierung entgehen.
Dem Beschwerdeführer droht in Afghanistan bei einer nunmehrigen Rückkehr daher die reale Gefahr, durch die Taliban zwangsrekrutiert bzw. im Falle einer Weigerung, sich den Taliban anzuschließen, aufgrund einer ihm (zumindest unterstellten) politischen oder religiösen oppositionellen Gesinnung verfolgt zu werden und ist er im Falle einer Zwangsrekrutierung oder einer Verweigerung der Gefahr erheblicher Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt.
Dass die afghanischen Behörden den Beschwerdeführer vor Angriffen der Taliban Schutz bieten können, ist nicht zu erwarten.
Eine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative steht dem Beschwerdeführer nicht zur Verfügung. Obwohl er aus der Provinz Herat stammt, ist er jedenfalls dort der Verfolgung durch die Taliban ausgesetzt. Allerdings ist er dies durch eine eigene zumindest unterstellte politische Gesinnung und seiner damit einhergehenden individuellen Exponiertheit auch in einer anderen größeren Stadt.
Gründe, nach denen der Beschwerdeführer von der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten auszuschließen ist, sind nicht hervorgekommen.
II.1.4. Zur Lage im Herkunftsstaat
Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (UNGASC 27.2.2018).
Einst als relativ sicher erachtet, ist die Hauptstadt Kabul von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen der Taliban betroffen, die darauf abzielen, die Autorität der afghanischen Regierung zu untergraben. Regierungsfeindliche, bewaffnete Gruppierungen inklusive des IS versuchen in Schlüsselprovinzen und -distrikten, wie auch in der Hauptstadt Kabul, Angriffe auszuführen. Im Jahr 2017 und in den ersten Monaten des Jahres 2018 kam es zu mehreren "high-profile"-Angriffen in der Stadt Kabul.
Seit der Ankündigung des neuen Wahltermins durch den afghanischen Präsidenten Ashraf Ghani im Jänner 2018 haben zahlreiche Angriffe auf Behörden, die mit der Wahlregistrierung betraut sind, stattgefunden (ARN 21.5.2018; vgl. DW 6.5.2018, AJ 6.5.2018, Tolonews 6.5.2018, Tolonews 29.4.2018, Tolonews 22.4.2018).
Zivilist/innen:
Im Jahr 2017 registrierte die UNAMA 10.453 zivile Opfer (3.438 Tote und 7.015 Verletzte); damit wurde ein Rückgang von 9% gegenüber dem Vergleichswert des Vorjahres 2016 (11.434 zivile Opfer mit 3.510 Toten und 7.924 Verletzen) festgestellt. Seit 2012 wurde zum ersten Mal ein Rückgang verzeichnet: Im Vergleich zum Jahr 2016 ist die Anzahl ziviler Toter um 2% zurückgegangen, während die Anzahl der Verletzten um 11% gesunken ist. Von 1.1.2009 - 31.12.2017 wurden insgesamt 28.291 Tote und 52.366 Verletzte von der UNAMA registriert. Regierungsfeindliche Gruppierungen waren für 65% aller zivilen Opfer im Jahr 2017 verantwortlich; Hauptursache dabei waren IEDs, gefolgt von Selbstmordangriffen und komplexen Attacken (UNAMA 2.2018). Im Zeitraum 1.1.2018 - 31.3.2018 registrierte die UNAMA
2.258 zivile Opfer (763 Tote und 1.495 Verletzte). Die Zahlen reflektieren ähnliche Werte wie in den Vergleichsquartalen für die Jahre 2016 und 2017. Für das Jahr 2018 wird ein neuer Trend beobachtet: Die häufigste Ursache für zivile Opfer waren IEDs und komplexe Angriffe. An zweiter Stelle waren Bodenoffensiven, gefolgt von gezielten Tötungen, Blindgängern (Engl. UXO, "Unexploded Ordnance") und Lufteinsätzen. Die Bewohner der Provinzen Kabul, Helmand, Nangarhar, Faryab und Kandahar waren am häufigsten vom Konflikt betroffen (UNAMA 12.4.2018).
Regierungsfeindlichen Gruppierungen wurden landesweit für das Jahr 2017 6.768 zivile Opfer (2.303 Tote und 4.465 Verletzte) zugeschrieben; dies deutet auf einen Rückgang von 3% im Vergleich zum Vorjahreswert von 7.003 zivilen Opfern (2.138 Tote und 4.865 Verletzte). Der Rückgang ziviler Opfer, die regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben werden, ist auf einen Rückgang ziviler Opfer, die durch Bodenkonfrontation, IED und ferngezündete Bomben zu Schaden gekommen sind, zurückzuführen. Im Gegenzug dazu hat sich die Anzahl ziviler Opfer aufgrund von Selbstmordangriffen und komplexen Attacken erhöht. Die Anzahl ziviler und nicht-ziviler Opfer, die aufgrund gezielter Tötungen durch regierungsfeindliche Elemente zu Schaden gekommen sind, ist ähnlich jener aus dem Jahr 2016 (UNAMA 2.2018).
Im Jänner 2018 waren 56.3% der Distrikte unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung, während Aufständische 14.5% der Distrikte kontrollierten bzw. unter ihrem Einfluss hatten. Die übriggebliebenen 29.2% der Distrikte waren umkämpft. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten, die von Aufständischen kontrolliert werden, waren mit Stand Jänner 2018 Uruzgan, Kunduz und Helmand. Alle Provinzhauptstädte befanden sich unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung (SIGAR 30.4.2018).
Zu den regierungsfreundlichen Kräften zählten: ANDSF, Internationale Truppen, regierungsfreundliche bewaffnete Gruppierungen sowie nicht näher identifizierte regierungsfreundliche Kräfte. Für das Jahr 2017 wurden 2.108 zivile Opfer (745 Tote und 1.363 Verletzte) regierungsfreundlichen Kräften zugeschrieben, dies deutet einen Rückgang von 23% gegenüber dem Vorjahreswert 2016 (2.731 zivile Opfer, 905 Tote und 1.826 Verletzte) an (UNAMA 2.2018; vgl. HRW 26.1.2018). Insgesamt waren regierungsfreundliche Kräfte für 20% aller zivilen Opfer verantwortlich. Hauptursache (53%) waren Bodenkonfrontation zwischen ihnen und regierungsfeindlichen Elementen - diesen fielen 1.120 Zivilist/innen (274 Tote und 846 Verletzte) zum Opfer; ein Rückgang von 37% gegenüber dem Vorjahreswert 2016 (UNAMA 2.2018). Luftangriffe wurden zahlenmäßig als zweite Ursache für zivile Opfer registriert (UNAMA 2.2018; vgl. HRW 26.1.2018); diese waren für 6% ziviler Opfer verantwortlich - hierbei war im Gegensatz zum Vorjahreswert eine Zunahme von 7% zu verzeichnen gewesen. Die restlichen Opferzahlen 125 (67 Tote und 58 Verletzte) waren auf Situationen zurückzuführen, in denen Zivilist/innen fälschlicherweise für regierungsfeindliche Elemente gehalten wurden. Suchaktionen forderten 123 zivile Opfer (79 Tote und 44 Verletzte), Gewalteskalationen 52 zivile Opfer (18 Tote und 34 Verletzte) und Bedrohungen und Einschüchterungen forderten 17 verletzte Zivilist/innen (UNAMA 2.2018).
Ein besonderes Anliegen der ANDSF, der afghanischen Regierung und internationaler Kräfte ist das Verhindern ziviler Opfer. Internationale Berater/innen der US-amerikanischen und Koalitionskräfte arbeiten eng mit der afghanischen Regierung zusammen, um die Anzahl ziviler Opfer zu reduzieren und ein Bewusstsein für die Wichtigkeit der Reduzierung der Anzahl von zivilen Opfern zu schaffen. Die afghanische Regierung hält auch weiterhin ihre vierteljährliche Vorstandssitzung zur Vermeidung ziviler Opfer (Civilian Casualty Avoidance and Mitigation Board) ab, um u.a. Präventivmethoden zu besprechen (USDOD 12.2017). Die UNAMA bemerkte den Einsatz und die positiven Schritte der afghanischen Regierung, zivile Opfer im Jahr 2017 zu reduzieren (UNAMA 2.2018).
Im gesamten Jahr 2017 wurden 3.484 zivile Opfer (823 Tote und 2.661 Verletzte) im Rahmen von 1.845 Bodenoffensiven registriert, ein Rückgang von 19% gegenüber dem Vorjahreswert aus 2016 (4.300 zivile Opfer, 1.072 Tote und 3.228 Verletzte in 2.008 Bodenoffensiven). Zivile Opfer, die aufgrund bewaffneter Zusammenstöße zwischen regierungsfreundlichen und regierungsfeindlichen Kräften zu beklagen waren, sind zum ersten Mal seit 2012 zurückgegangen (UNAMA 2.2018).
Im Jahr 2017 forderten explosive Kampfmittelrückstände ("explosive remnants of war") 639 zivile Opfer (164 Tote und 475 Verletzte), ein Rückgang von 12% gegenüber dem Jahr 2016. 2017 war überhaupt das erste Jahr seit 2009, in welchem ein Rückgang verzeichnet werden konnte. Der Rückgang ziviler Opfer ist möglicherweise u.a. auf eine Verminderung des indirekten Beschusses durch Mörser, Raketen und Granaten in bevölkerten Gegenden von regierungsfreundlichen Kräfte zurückzuführen (UNAMA 2.2018).
Regierungsfeindliche Gruppierungen:
Terroristische und aufständische Gruppierungen stellen Afghanistan und die Koalitionskräfte vor erhebliche Herausforderungen. Derzeit sind rund 20 terroristische Organisationen in Afghanistan zu finden:
Das von außen unterstützte Haqqani-Netzwerk stellt nach wie vor die größte Gefährdung für afghanische und internationale Kräfte dar. Die Verflechtung von Taliban und Haqqani-Netzwerk ist so intensiv, dass diese beiden Gruppierungen als Fraktionen ein und derselben Gruppe angesehen werden. Wenn auch die Taliban öffentlich verkündet haben, sie würden zivile Opfer einschränken, so führt das Haqqani-Netzwerk auch weiterhin Angriffe in bevölkerungsreichen Gegenden aus (USDOD 12.2017).
Im August 2017 wurde berichtet, dass regierungsfeindliche bewaffnete Gruppierungen - insbesondere die Taliban - ihre Aktivitäten landesweit verstärkt haben, dies trotz des Drucks der afghanischen Sicherheitskräfte und der internationalen Gemeinschaft, ihren Aktivitäten ein Ende zu setzen (Khaama Press 13.8.2017). Auch sind die Kämpfe mit den Taliban eskaliert, da sich der Aufstand vom Süden in den sonst friedlichen Norden des Landes verlagert hat, wo die Taliban Suchbegriff auch Jugendliche rekrutieren (Xinhua 18.3.2018). Ab dem Jahr 2008 expandierten die Taliban im Norden des Landes. Diese neue Phase ihrer Kampfgeschichte war die Folge des Regierungsaufbaus und Konsolidierungsprozess in den südlichen Regionen des Landes. Darüber hinaus haben die Taliban hauptsächlich in Faryab und Sar-i-Pul, wo die Mehrheit der Bevölkerung usbekischer Abstammung ist, ihre Reihen für nicht-paschtunische Kämpfer geöffnet (AAN 17.3.2017).
Teil der neuen Strategie der Regierung und der internationalen Kräfte im Kampf gegen die Taliban ist es, die Luftangriffe der afghanischen und internationalen Kräfte in jenen Gegenden zu verstärken, die am stärksten von Vorfällen betroffen sind. Dazu gehören u.a. die östlichen und südlichen Regionen, in denen ein Großteil der Vorfälle registriert wurde. Eine weitere Strategie der Behörden, um gegen die Taliban und das Haqqani-Netzwerk vorzugehen, ist die Reduzierung des Einkommens selbiger, indem mit Luftangriffen gegen ihre Opium-Produktion vorgegangen wird (SIGAR 1.2018).
Außerdem haben Militäroperationen der pakistanischen Regierung einige Zufluchtsorte Aufständischer zerstört. Jedoch genießen bestimmte Gruppierungen, wie die Taliban und das Haqqani-Netzwerk, Bewegungsfreiheit in Pakistan (USDOD 12.2017). Die Gründe dafür sind verschiedene: Das Fehlen einer Regierung, das permissive Verhalten der pakistanischen Sicherheitsbehörden, die gemeinsamen kommunalen Bindungen über die Grenze und die zahlreichen illegalen Netzwerke, die den Aufständischen Schutz bieten (AAN 17.10.2017).
Taliban:
Die Taliban führten auch ihre Offensive "Mansouri" weiter; diese Offensive konzentrierte sich auf den Aufbau einer "Regierungsführung" der Taliban ("governance") bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der Gewalt gegen die afghanische Regierung, die ANDSF und ausländische Streitkräfte. Nichtsdestotrotz erreichten die Taliban die Hauptziele dieser "Kampfsaison" laut US-Verteidigungsministerium nicht (USDOD 12.2017). Operation Mansouri sollte eine Mischung aus konventioneller Kriegsführung, Guerilla-Angriffen und Selbstmordattentaten auf afghanische und ausländische Streitkräfte werden (Reuters 28.4.2017). Auch wollten sich die Vorheriger Taliban auf jene Gegenden konzentrieren, die vom Feind befreit worden waren (LWJ 28.4.2017). Laut NATO-Mission-Resolute-Support kann das Scheitern der Taliban-Pläne für 2017 auf aggressive ANDSF-Operationen zurückgeführt werden, aber auch auf den Umstand, dass die Taliban den IS und die ANDSF gleichzeitig bekämpfen müssen (USDOD 12.2017).
Im Jahr 2017 wurden den Taliban insgesamt 4.385 zivile Opfer (1.574 Tote und 2.811 Verletzte) zugeschrieben. Die Taliban bekannten sich nur zu 1.166 zivilen Opfern. Im Vergleich zum Vorjahreswert bedeutet dies einen Rückgang um 12% bei der Anzahl ziviler Opfer, die Taliban zugeschrieben werden. Aufgrund der Komplexität der in Selbstmord- und komplexen Anschlägen involvierten Akteure hat die UNAMA oft Schwierigkeiten, die daraus resultierenden zivilen Opfer spezifischen regierungsfreundlichen Gruppierungen zuzuschreiben, wenn keine Erklärungen zur Verantwortungsübernahme abgegeben wurden. Im Jahr 2017 haben sich die Taliban zu 67 willkürlichen Angriffen auf Zivilist/innen bekannt; dies führte zu 214 zivilen Opfern (113 Toten und 101 Verletzten). Auch wenn sich die Taliban insgesamt zu weniger Angriffen gegen Zivilist/innen bekannten, so haben sie dennoch die Angriffe gegen zivile Regierungsmitarbeiter/innen erhöht; es entspricht der Linie der Taliban, Regierungsinstitutionen anzugreifen (UNAMA 2.2018).
Schätzungen von SIGAR zufolge kontrollierten im Oktober 2017 und im Jänner 2018 die Taliban 14% der Distrikte Afghanistans (SIGAR 30.4.2018). Die Taliban selbst verlautbarten im März 2017, dass sie beinahe 10% der afghanischen Distrikte kontrollierten (ODI 6.2018). Die Taliban halten auch weiterhin großes Territorium in den nördlichen und südlichen Gegenden der Provinz Helmand (JD News 12.3.2018; vgl. LWJ 20.4.2018). Die ANDSF haben, unterstützt durch US-amerikanische Truppen, in den ersten Monaten des Jahres 2018 an Boden gewonnen, wenngleich die Taliban nach wie vor die Hälfte der Provinz Helmand unter Kontrolle halten (JD News 12.3.2018; vgl. LWJ 20.4.2018). Helmand war lange Zeit ein Hauptschlachtfeld, insbesondere in der Gegend rund um den Distrikt Sangin, der als Kernstück des Taliban-Aufstands erachtet wird (JD News 12.3.2018; vgl. Reuters 30.3.2018). Die Taliban haben unerwarteten Druck aus ihrer eigenen Hochburg in Helmand erhalten: Parallel zu der nde März 2018 abgehaltenen Friendens-Konferenz in Uzbekistan sind hunderte Menschen auf die Straße gegangen, haben eine Sitzblockade abgehalten und geschworen, einen langen Marsch in der von den Taliban kontrollierten Stadt Musa Qala zu abzuhalten, um die Friedensgespräche einzufordern. Unter den protestierenden Menschen befanden sich auch Frauen, die in dieser konservativen Region Afghanistans selten außer Hauses gesehen werden (NYT 27.3.2018).
Die Taliban geben im Kurznachrichtendienst Twitter Angaben zu ihren Opfern oder Angriffen (FAZ 19.10.2017; vgl. Pajhwok 13.3.2018). Ihre Angaben sind allerdings oft übertrieben (FAZ 19.10.2017). Auch ist es sehr schwierig, Ansprüche und Bekennermeldungen zu verifizieren; dies gilt sowohl für Taliban als auch für den IS (AAN 5.2.2018).
II.2. Beweiswürdigung:
II.2.1. Zur Person des Beschwerdeführers
Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers, seiner Staatsangehörigkeit und Herkunft, seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit und Lebensumstände ergeben sich aus seinen gleichbleibenden und glaubwürdigen Angaben vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, in der Beschwerde sowie in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht. Auch die belangte Behörde ging in ihrem Bescheid bereits von der Glaubwürdigkeit der diesbezüglichen Angaben des Beschwerdeführers aus. Das Geburtsdatum des Beschwerdeführers wurde anhand des gerichtsmedizinischen Gutachtens des Ludwig Botzmann Institutes der Medizinischen Universität Graz vom 05.03.2014 festgestellt. Dies und die Namensschreibweise XXXX wurden auch so in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG am 11.12.2018 als Feststellung zu Protokoll genommen.
Aufgrund der im Verfahren unterlassenen Vorlage eines unbedenklichen nationalen Identitätsdokuments kann die weitere Identität des Beschwerdeführers nicht festgestellt werden. Soweit dieser namentlich genannt wird, legt das Gericht auf die Feststellung wert, dass dies lediglich der Identifizierung des Beschwerdeführers als Verfahrenspartei dient, nicht jedoch eine Feststellung der Identität im Sinne einer Vorfragebeurteilung iSd § 38 AVG bedeutet.
Die Feststellung zur Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus den im Akt einliegenden aktuellen Strafregisterauszug.
II.2.2. Zu den Lebensumständen des Beschwerdeführers
Die Feststellungen zu den Lebensumständen des Beschwerdeführers ergeben sich aus dessen gleichbleibenden und glaubwürdigen Angaben. Auch die belangte Behörde ging bereits von der Richtigkeit der diesbezüglichen Angaben des Beschwerdeführers aus.
Zur Feststellung der Integrationserfolge des Beschwerdeführers ist auf die im Akt einliegenden Bestätigungen samt Unterstützungsschreiben zu verweisen. Auch ist auf die im Vergleich zu seiner Aufenthaltsdauer guten Deutschkenntnisse zu verweisen, die von den im Akt einliegenden Bestätigungen und Zertifikaten belegt werden.
II.2.3. Zu den Fluchtgründen
Die Feststellungen zum Leben des Beschwerdeführers in Afghanistan beruhen auf dessen glaubwürdigen, gleichbleibenden Angaben im Verfahren.
Ebenso kann aufgrund des glaubhaften Eindrucks, den der Beschwerdeführer auf den erkennenden Richter in der mündlichen Beschwerdeverhandlung machte, sowie aufgrund seiner diesbezüglich gleichbleibenden Aussagen im Verfahren festgestellt werden, dass junge Männer, die zumindest den Taliban nahestehen, den Beschwerdeführer gefragt haben, ob er zur Ausbildung nach Pakistan mitkomme und diese Männer zwei Tage später die Familie des Beschwerdeführers heimgesucht hätten, wobei sein Vater geschlagen worden sei und man den Entschluss zu einem Wohnsitzwechsel gefasst habe.
Hierbei kann nicht der Beweiswürdigung des Bescheides der belangten Behörde gefolgt werden, zumal diese das diesbezügliche Vorbringen des Beschwerdeführers als nicht glaubhaft eingestuft hat. Begründet wurde dies dahingehend, dass es nicht glaubhaft sei, dass unbekannte Männer den Beschwerdeführer des Nachts auf einem Feld aufsuchen würden und ihn dazu auffordern, sich in die Luft zu sprengen. Ebenso sei es nicht glaubhaft, dass regierungsfeindliche Kräfte einen derartigen Aufwand betätigen würden, um den Beschwerdeführer zu rekrutieren und der Beschwerdeführer keinen Grund angeben habe können, warum man gerade ihn rekrutieren würde.
Dazu wird angemerkt, dass sich der Beschwerdeführer keines Falls auf dem Feld in die Luft sprengen hätte sollen, denn dies hätte erst nach Durchführung einer längeren Ausbildung in Pakistan und unter einer Geldleistung an die Familie von statten gehen sollen.
Die sonstigen Angaben des Beschwerdeführers zum Verlauf dieses Abschnittes der Zwangsrekrutierung erweisen sich insbesondere in Zusammenschau mit den (unten näher erläuterten) Länderfeststellungen und Länderberichten als glaubwürdig und werden durch diese gestützt.
Hingegen würdigt die belangte Behörde die Angaben des Beschwerdeführers über den sich bei der Flucht zugetragenen Unfall, bei welchem er in weiterer Folge entführt wurde, in keiner Weise. Hierbei macht der Beschwerdeführer in allen Einvernahmen konsistente Angaben zum Unfallhergang, sodass dieser Vorfall als glaubwürdig einzustufen ist. Wenn die belangte Behörde nun meint, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers dahingehend nicht glaubwürdig sei, weil er keine nachvollziehbaren Angaben zu seinen Verfolgern habe geben können (siehe AS 381), ist hierbei anzugeben, dass dieser Rückschluss ausschließlich daher stamme, dass die Rikscha, in welcher sich seine Familie zum Zeitpunkt des Unfalls befunden habe, von einem Regierungsauto gerammt wurde. Hierbei wird festgehalten, dass der Beschwerdeführer sonst im gesamten Verfahren davon gesprochen hat, dass regierungsfeindliche Kräfte ihn zwangsrekrutieren hätten wollen und dies in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht auch dahingehend konkretisierte, dass ihn bedrohenden Personen wohl Taliban gewesen seien und der Unfall, unter dem Gesichtspunkt, dass er bei selbigen entführt worden sei, auch von diesen Personen beabsichtigt gewesen sei (siehe Verhandlungsprotokoll vom 11.12.2018, S. 5f)
Auch war das Vorbringen über die darauffolgende Entführung des Beschwerdeführers in den wesentlichen Zügen und stimmig. Keineswegs war dies, wie von der belangten Behörde festgestellt wurde, oberflächlich und widersprüchlich.
Zunächst ist darauf zu verweisen, dass die Erstbefragung gemäß § 19 Abs. 1 zweiter Satz AsylG 2005 insbesondere der Ermittlung der Identität und der Reiseroute dient und sich nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen hat. Naturgemäß werden daher in der Erstbefragung keine umfangreichen Angaben zu den Fluchtgründen gemacht. Ein Vergleich der keineswegs kurzen Angaben der Erstbefragung mit den Angaben in der späteren Einvernahme ergibt dennoch, dass der Beschwerdeführer in der Erstbefragung seine Fluchtgründe ausführlich angeführt hat und hierbei auch die Entführung dahingehend schilderte, dass er in Auto gezerrt worden sei, wo man ihn mittels eines Tuches bewusstlos gemacht habe und er nach Wiedererlangung des Bewusstseins geschlagen worden sei. Dabei machte er auch Ausführungen zu den Verletzungen an seinem Kopf und dem versuchten Weitertransport durch zwei Leute sowie die Befreiung von diesen. Selbst in der Einvernahme vor der belangten Behörde als auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht gab der Beschwerdeführer diese Angaben nahezu deckungsgleich zu Protokoll. Des Weiteren konnten die erwähnten Kopfverletzungen durch ein vorgelegtes Bild, auf welchem eindeutig die Narben des Beschwerdeführers auf der Oberseite des Kopfes zu sehen sind, plausibel dargelegt werden.
Unter diesem Gesichtspunkt sind die von der belangten Behörde als Widersprüche aufgedeckten Divergenzen betreffend die Fluchtgeschichte lediglich als Mängel über Details zu betrachten, die jedoch nicht die Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers erschüttern können. Zwar ist es richtig, dass der Beschwerdeführer, die Befreiung von seinen Entführern nicht detailgetreu stimmig wiedergegeben hat, jedoch ist dies, obgleich des stringenten und gleichbleibenden Vorbringens über die Entführung an sich, dem Beschwerdeführer nicht zum Vorwurf zu machen.
Dass dem Beschwerdeführer vorgeworfen wurde, warum er genau wisse, dass die Bewusstlosigkeit für zwei Tage angehalten habe, konnte in der mündlichen Verhandlung dahingehend entkräftet werden, dass der Beschwerdeführer dort glaubwürdig angab, dass er nicht wisse, wie viel Zeit bis zu seinem Aufwachen vergangen sei.
Der Vorwurf, dass der Beschwerdeführer den Namen des Malek kennen müsste und es nicht glaubwürdig sei, dass er mit seiner Familie keinen Kontakt mehr habe, ist ebenfalls nicht haltbar, denn der Beschwerdeführer vermittelte in der mündlichen Verhandlung den Eindruck tatsächlich keinen Kontakt mehr zu seinen Eltern zu haben. Der Beweiswürdigung der Beschwerde kann auch nicht gefolgt werden, wenn ausgeführt wird, dass die Berücksichtigung des Umstandes, dass der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der von ihm geschilderten Ereignisse noch jugendlich war und er deshalb den Namen wissen müsse, zumal die Flucht doch ein einschneidendes Erlebnis gewesen sei. Ganz im Gegenteil zu den Anforderungen eines Jugendlichen, schilderte der Beschwerdeführer seine Fluchtgründe im Wesentlichen gleichbleibend, ausführlich und stringent sowie finden diese Deckung in den relevanten Länderinformationen - ein Umstand, der von der belangten Behörde in ihren Ausführungen nicht berücksichtigt wurde.
2.4. Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers ergeben sich aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl zu Afghanistan, Stand 23.11.2018, sowie einem Auszug aus den UNHCR Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 19.04.2016. Weiters wurde in die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Berichte zur Situation in Afghanistan (EASO COI Report Afghanistan: Security Situation, September 2017 und EASO Informationsbericht über das Herkunftsland Afghanistan, Rekrutierungsstrategie der Taliban, Juli 2012) Einsicht genommen, welche keine Widersprüche zum Länderinformationsblatt der Staatendokumentation aufweisen, sondern im Gegenteil, oftmals auf die im Länderinformationsblatt angeführten Quellen verweisen und dieses ergänzen.
Die Feststellungen gründen sich somit auf Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Institutionen und Personen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes und schlüssiges Gesamtbild der Situation in der Herkunftsprovinz des Beschwerdeführers ergeben. Angesichts der Seriosität der angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der überwiegend übereinstimmenden Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem BVwG von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation fallrelevant nicht wesentlich geändert haben.
Die Feststellung zur Sicherheitslage in der Provinz Herat, der Herkunftsprovinz des Beschwerdeführers, ergibt sich aufgrund der Einsichtnahme in die relevanten Kapitel des Länderinformationsblattes zu Afghanistan (Stand 23.11.2018), wo es im Wortlaut heißt:
"Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (UNGASC 27.2.2018).
Im Jahr 2017 waren auch weiterhin bewaffnete Zusammenstöße Hauptursache (63%) aller registrierten sicherheitsrelevanten Vorfälle, gefolgt von IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und Luftangriffen. Für das gesamte Jahr 2017 wurden 14.998 bewaffnete Zusammenstöße registriert (2016: 14.977 bewaffnete Zusammenstöße) (USDOD 12.2017). Im August 2017 stuften die Vereinten Nationen (UN) Afghanistan, das bisher als "Post-Konflikt-Land" galt, wieder als "Konfliktland" ein; dies bedeute nicht, dass kein Fortschritt stattgefunden habe, jedoch bedrohe der aktuelle Konflikt die Nachhaltigkeit der erreichten Leistungen (UNGASC 10.8.2017).
Die Zahl der Luftangriffe hat sich im Vergleich zum Jahr 2016 um 67% erhöht, die gezielter Tötungen um 6%. Ferner hat sich die Zahl der Selbstmordattentate um 50% erhöht.Östlichen Regionen hatten die höchste Anzahl an Vorfällen zu verzeichnen, gefolgt von südlichen Regionen. Diese beiden Regionen zusammen waren von 55% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle betroffen (UNGASC 27.2.2018). Für den Berichtszeitraum
Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren (USDOD 12.2017). Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt; vgl. AAN 6.6.2018) bedrohen - ein signifikanter Meilenstein für die ANDSF (USDOD 12.2017; vgl. UNGASC 27.2.2018); diesen Meilenstein schrieben afghanische und internationale Sicherheitsbeamte den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkter Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zu (UNGASC 27.2.2018).
Die von den Aufständischen ausgeübten öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe in städtischen Zentren beeinträchtigten die öffentliche Moral und drohten das Vertrauen in die Regierung zu untergraben. Trotz dieser Gewaltserie in städtischen Regionen war im Winter landesweit ein Rückgang an Talibanangriffen zu verzeichnen (UNGASC 27.2.2018). Historisch
gesehen gehen die Angriffe der Taliban im Winter jedoch immer zurück, wenngleich sie ihre Angriffe im Herbst und Winter nicht gänzlich einstellen. Mit Einzug des Frühlings beschleunigen die Aufständischen ihr Operationstempo wieder. Der Rückgang der Vorfälle im letzten Quartal 2017 war also im Einklang mit vorangegangenen Schemata (LIGM 15.2.2018).
[...]
Regierungsfeindliche Gruppierungen:
Terroristische und aufständische Gruppierungen stellen Afghanistan und die Koalitionskräfte vor erhebliche Herausforderungen. Derzeit sind rund 20 terroristische Organisationen in Afghanistan zu finden:
das von außen unterstützte Haqqani-Netzwerk stellt nach wie vor die größte Gefährdung für afghanische und internationale Kräfte dar. Die Verflechtung von Taliban und Haqqani-Netzwerk ist so intensiv, dass diese beiden Gruppierungen als Fraktionen ein und derselben Gruppe angesehen werden. Wenn auch die Taliban öffentlich verkündet haben, sie würden zivile Opfer
einschränken, so führt das Haqqani-Netzwerk auch weiterhin Angriffe in bevölkerungsreichen Gegenden aus (USDOD 12.2017).
Im August 2017 wurde berichtet, dass regierungsfeindliche bewaffnete Gruppierungen - insbesondere die Taliban - ihre Aktivitäten landesweit verstärkt haben, trotz des Drucks der afghanischen Sicherheitskräfte und der internationalen Gemeinschaft, ihren Aktivitäten ein Ende zu setzen (Khaama Press 13.8.2017). Auch sind die Kämpfe mit den Taliban eskaliert, da sich der Aufstand vom Süden in den sonst friedlichen Norden des Landes verlagert hat, wo die Taliban auch Jugendliche rekrutieren (Xinhua 18.3.2018). Ab dem Jahr 2008 expandierten die Taliban im Norden des Landes. Diese neue Phase ihrer Kampfgeschichte war die Folge des Regierungsaufbaus und Konsolidierungsprozess in den südlichen Regionen des Landes. Darüber hinaus haben die Taliban hauptsächlich in Faryab und Sar-i-Pul, wo die Mehrheit der Bevölkerung usbekischer Abstammung ist, ihre Reihen für nicht-paschtunische Kämpfer geöffnet (AAN 17.3.2017).
Teil der neuen Strategie der Regierung und der internationalen Kräfte im Kampf gegen die Taliban ist es, die Luftangriffe der afghanischen und internationalen Kräfte in jenen Gegenden zu verstärken, die am stärksten von Vorfällen betroffen sind. Dazu gehören u.a. die östlichen und südlichen Regionen, in denen ein Großteil der Vorfälle registriert wurde. Eine weitere Strategie der Behörden, um gegen Taliban und das Haqqani-Netzwerk vorzugehen, ist die Reduzierung des Einkommens selbiger, indem mit Luftangriffen gegen ihre Opium-Produktion vorgegangen wird (SIGAR 1.2018).
Außerdem haben Militäroperationen der pakistanischen Regierung einige Zufluchtsorte Aufständischer zerstört. Jedoch genießen bestimmte Gruppierungen, wie die Taliban und das Haqqani-Netzwerk Bewegungsfreiheit in Pakistan (USDOD 12.2017). Die Gründe dafür sind verschiedene: das Fehlen einer Regierung, das permissive Verhalten der pakistanischen Sicherheitsbehörden, die gemeinsamen kommunalen Bindungen über die Grenze und die zahlreichen illegalen Netzwerke, die den Aufständischen Schutz bieten (AAN 17.10.2017).
Taliban
Die Taliban führten auch ihre Offensive "Mansouri" weiter; diese Offensive konzentrierte sich auf den Aufbau einer "Regierungsführung" der Taliban (Engl. "governance") bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der Gewalt gegen die afghanische Regierung, die ANDSF und ausländische Streitkräfte. Nichtsdestotrotz erreichten die Taliban, die Hauptziele dieser "Kampfsaison" laut US-
Verteidigungsministerium nicht (USDOD 12.2017). Operation Mansouri sollte eine Mischung aus konventioneller Kriegsführung, Guerilla-Angriffen und Selbstmordattentaten auf afghanische und ausländische Streitkräfte werden (Reuters 28.4.2017). Auch wollten sich die Taliban auf jene Gegenden konzentrieren, die vom Feind befreit worden waren (LWJ 28.4.2017). Laut NATO Mission Resolute Support kann das Scheitern der Taliban-Pläne für 2017 auf aggressive ANDSF- Operationen zurückgeführt, aber auch auf den Umstand, dass die Taliban den IS und die ANDSF gleichzeitig bekämpfen müssen (USDOD 12.2017).
Im Jahr 2017 wurden den Taliban insgesamt 4.385 zivile Opfer (1.574 Tote und 2.811 Verletzte zugeschrieben. Die Taliban bekannten sich nur zu 1.166 zivilen Opfern. Im Vergleich zum Vorjahreswert bedeutet dies einen Rückgang um 12% bei der Anzahl ziviler Opfer, die den Taliban zugeschrieben werden. Aufgrund der Komplexität der in Selbstmord- und komplexen Anschlägen involvierten Akteure hat die UNAMA oft Schwierigkeiten, die daraus resultierenden zivilen Opfer spezifischen regierungsfreundlichen Gruppierungen zuzuschreiben, wenn keine Erklärungen zur Verantwortungsübernahme abgegeben wurde. Im Jahr 2017 haben sich die Taliban zu 67 willkürlichen Angriffen auf Zivilist/innen bekannt; dies führte zu 214 zivilen Opfern (113 Toten und 101 Verletzten). Auch wenn sich die Taliban insgesamt zu weniger Angriffen gegen Zivilist/innen bekannten, so haben sie dennoch die Angriffe gegen zivile Regierungsmitarbeiter/innen erhöht - es entspricht der Linie der Taliban, Regierungsinstitutionen anzugreifen (UNAMA 2.2018).
Schätzungen von SIGAR zufolge kontrollierten im Oktober 2017 und im Jänner 2018 die Taliban 14% der Distrikte Afghanistans (SIGAR 30.4.2018). Die Taliban selbst verlautbarten im März 2017, dass sie beinahe 10% der afghanischen Distrikte kontrollierten (ODI 6.2018). Die Taliban halten auch weiterhin großes Territorium in den nördlichen und südlichen Gegenden der Provinz Helmand (JD News 12.3.2018; vgl. LWJ 20.4.2018). Die ANDSF haben, unterstützt durch US- amerikanische Truppen, in den ersten Monaten des Jahres 2018 an Boden gewonnen, wenngleich die Taliban nach wie vor die Hälfte der Provinz Helmand unter Kontrolle halten (JD News 12.3.2018; vgl. LWJ 20.4.2018). Helmand war lange Zeit ein Hauptschlachtfeld - insbesondere in der Gegend rund um den Distrikt Sangin, der als Kernstück des Taliban-Aufstands erachtet wird (JD News 12.3.2018; vgl. Reuters 30.3.2018). Die Taliban haben unerwarteten Druck aus ihrer eigenen Hochburg in Helmand erhalten: Parallel zu der Ende März 2018 abgehaltenen Friendens- Konferenz in Uzbekistan sind hunderte Menschen auf die Straße gegangen, haben eine Sitzblockade abgehalten und geschworen, einen langen Marsch in der von den Taliban kontrollierten Stadt Musa Qala zu abzuhalten, um die Friedensgespräche einzufordern. Unter den protestierenden Menschen befanden sich auch Frauen, die in dieser konservativen Region Afghanistans selten außer Hauses gesehen werden (NYT 27.3.2018).
Die Taliban geben im Kurznachrichtendienst Twitter Angaben zu ihren Opfern oder Angriffen (FAZ 19.10.2017; vgl. Pajhwok 13.3.2018). Ihre Angaben sind allerdings oft übertrieben (FAZ 19.10.2017). Auch ist es sehr schwierig Ansprüche und Bekennermeldungen zu verifizieren - dies gilt sowohl für Taliban als auch für den IS (AAN 5.2.2018).
IS/ISIS/ISKP/ISIL-KP/Daesh
Höchst umstritten ist von Expert/innen die Größe und die Gefahr, die vom IS ausgeht. So wird von US-amerikanischen Sicherheitsbeamten und weiteren Länderexpert/innen die Anzahl der IS- Kämpfer in Afghanistan mit zwischen 500 und 5.000 Kämpfern beziffert. Jeglicher Versuch die tatsächliche Stärke einzuschätzen, wird durch den Umstand erschwert, dass sich die Loyalität der bewaffneten radikalen Islamisten oftmals monatlich oder gar wöchentlich ändert, je nach ideologischer Wende, Finanzierung und Kampfsituation (WSJ 21.3.2018). Auch wurde die afghanische Regierung bezichtigt, die Anzahl der IS-Kämpfer in Afghanistan aufzublasen (Tolonews 10.1.2018). Zusätzlich ist wenig über die Gruppierung und deren Kapazität, komplexe Angriffe auszuführen, bekannt. Viele afghanische und westliche Sicherheitsbeamte bezweifeln, dass die Gruppierung alleine arbeitet (Reuters 9.3.2018).
Die Fähigkeiten und der Einfluss des IS sind seit seiner Erscheinung im Jahr 2015 zurückgegangen. Operationen durch die ANDSF und die US-Amerikaner, Druck durch die Taliban und Schwierigkeiten die Unterstützung der lokalen Bevölkerung zu gewinnen, störten das Wachstum des IS und verringerten dessen Operationskapazitäten. Trotz erheblicher Verluste von Territorium, Kämpfern und hochrangigen Führern, bleibt der IS nach wie vor eine Gefährdung für die Sicherheit in Afghanistan und in der Region. Er ist dazu in der Lage, öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen (HPA) in städtischen Zentren zu verüben (USDOD 12.2017). Der IS hat sich nämlich in den vergangenen Monaten zu einer Anzahl tödlicher Angriffe in unterschiedlichen Teilen des Landes bekannt - inklusive der Hauptstadt. Dies schürte die Angst, der IS könne an Kraft gewinnen (VoA 10.1.2018; vgl. AJ 30.4.2018). Auch haben örtliche IS-Gruppen die Verantwortung für Angriffe auf Schiiten im ganzen Land übernommen (USDOD 12.2017).
Im Jahr 2017 wurden dem IS 1.000 zivile Opfer (399 Tote und 601 Verletzte) zugeschrieben sowie die Entführung von 81 Personen; er war damit laut UNAMA für 10% aller zivilen Opfer im Jahr 2017 verantwortlich - eine Zunahme von insgesamt 11% im Vergleich zum Jahr 2016. Im Jahr 2017 hat sich der IS zu insgesamt 18 willkürlichen Angriffen auf Zivilist/innen oder zivile Objekte bekannt (UNAMA 2.2018); er agiert wahllos - greift Einrichtungen der afghanischen Regierung und der Koalitionskräfte an (AAN 5.2.2018), aber auch ausländische Botschaften (UNAMA 2.2.018). Fast ein Drittel der Angriffe des IS zielen auf schiitische Muslime ab (UNAMA 2.2018; vgl. AAN
5.2.2018) - sechs Angriffe waren auf schiitische Glaubensstätten (UNAMA 2.2018). Der IS begründet seine Angriffe auf die schiitische Gemeinschaft damit, dass deren Mitglieder im Kampf gegen den IS im Mittleren Osten involviert sind (AAN 5.2.2018).
Zusätzlich dokumentierte die UNAMA im Jahr 2017 27 zivile Opfer (24 Tote und drei Verletzte) sowie die Entführung von 41 Zivilist/innen, die von selbsternannten IS-Anhängern in Ghor, Jawzjan und Sar-e Pul ausgeführt wurden. Diese Anhänger haben keine offensichtliche Verbindung zu dem IS in der Provinz Nangarhar (UNAMA 2.2018).
Der IS rekrutierte auf niedriger Ebene und verteilte Propagandamaterial in vielen Provinzen Afghanistans. Führung, Kontrolle und Finanzierung des Kern-IS aus dem Irak und Syrien ist eingeschränkt, wenngleich der IS in Afghanistan nachhaltig auf externe Finanzierung angewiesen ist, sowie Schwierigkeiten hat, Finanzierungsströme in Afghanistan zu finden. Dieses Ressourcenproblem hat den IS in einen Konflikt mit den Taliban und anderen Gruppierungen gebracht, die um den Gewinn von illegalen Kontrollpunkten und den Handel mit illegalen Waren wetteifern. Der IS bezieht auch weiterhin seine Mitglieder aus unzufriedenen TTP-Kämpfern (Tehreek-e Taliban in Pakistan - TTP), ehemaligen afghanischen Taliban und anderen Aufständischen, die meinen, der Anschluss an den IS und ihm die Treue zu schwören, würde ihre Interessen vorantreiben (USDOD 12.2017).
Auch ist der IS nicht länger der wirtschaftliche Magnet für arbeitslose und arme Jugendliche in Ostafghanistan, der er einst war. Die Tötungen von IS-Führern im letzten Jahr (2017) durch die afghanischen und internationalen Kräfte haben dem IS einen harten Schlag versetzt, auch um Zugang zu finanziellen Mitteln im Mittleren Osten zu erhalten. Finanziell angeschlagen und mit wenigen Ressourcen, ist der IS in Afghanistan nun auf der Suche nach anderen Möglichkeiten des finanziellen Überlebens (AN 6.3.2018).
Zur Herkunftsprovinz des Beschwerdeführers wird im Wortlaut ausgeführt:
"3.13. Herat
Herat ist eine der größten Provinzen Afghanistans und liegt im Westen des Landes. Herat grenzt im Norden an die Provinz Badghis und Turkmenistan, im Süden an die Provinz Farah, im Osten an die Provinz Ghor und im Westen an den Iran. Die Provinz ist in folgende Bezirke eingeteilt, die gleichzeitig auch die administrativen Einheiten bilden: Shindand, Engeel/Injil, Ghorian/Ghoryan, Guzra/Guzara und Pashtoon Zarghoon/Pashtun Zarghun, werden als Bezirke der ersten Stufe angesehen. Awba/Obe, Kurkh/Karukh, Kushk, Gulran, Kuhsan/Kohsan, Zinda Jan und Adraskan als Bezirke zweiter Stufe und Kushk-i-Kuhna/Kushki Kohna, Farsi, und Chisht-i-Sharif/Chishti Sharif als Bezirke dritter Stufe (UN OCHA 4.2014; vgl. Pajhwok o. D.). Provinzhauptstadt ist Herat- Stadt, welche sich im gleichnamigen Distrikt befindet und eine Einwohnerzahl von 506.900 hat (CP 21.9.2017). In der Provinz befinden sich zwei Flughäfen: ein internationaler in Herat-Stadt und ein militärischer in Shindand (vgl. Flughafenkarte der Staatendokumentation; Kapitel 3.35.). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.967.180 geschätzt (CSO 4.2017).
In der Provinz leben Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Turkmenen, Uzbeken und Aimaken (Pajhwok o.D.; vgl. NPS o.D.).
Herat ist eine relativ entwickelte Provinz im Westen des Landes. Das Harirud-Tal, eines der fruchtbarsten Täler des Landes, wo Baumwolle, Obst und Ölsaat angebaut werden, befindet sich in der Provinz (AJ 8.3.2012). Bekannt ist Herat auch wegen seiner Vorreiterrolle in der Safran- Produktion (AJ 8.3.2012; vgl. EN 9.11.2017). Es sollen Regierungsprogramme und ausländische Programme zur Unterstützung der Safran-Produktion implementiert werden. Safran soll eine Alternative zum Mohnanbau werden (Tolonews 10.11.2017; vgl. EN 9.11.2017). Anfang Jänner 2018 wurde ein Labor zur Kontrolle der Safran-Qualität in Herat errichtet (Pajhwok 13.1.2018). Die Safran-Produktion garantierte z.B. auch zahlreiche Arbeitsplätze für Frauen in der Provinz (Tolonews 10.11.2017; vgl. EN 9.11.2017). Auch in unsicheren Gegenden wird Safran angebaut. (Tolonews 10.11.2017). Insgesamt wurden 2017 in der Provinz min. 8 Tonnen Safran produziert; im Vorjahr 2016 waren es 6.5 Tonnen (Pajhwok 13.1.2018; vgl. EN 9.11.2017). Trotzdem stieg im Jahr 2017 in der Provinz die Opiumproduktion. In den Distrikten Shindand und Kushk, geprägt von schlechter Sicherheitslage, war der Mohnanbau am höchsten (UNODC 11.2017).
Im Dezember 2017 wurden verschiedene Abkommen mit Uzbekistan unterzeichnet. Eines davon betrifft den Bau einer 400 Km la