TE OGH 2019/3/20 3Ob35/19x

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.03.2019
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr.

 Hoch als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Roch und Dr. Rassi und die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek als weitere Richter in der Pflegschaftssache der minderjährigen 1. E*****, geboren am ***** 2001, 2. T*****, geboren am ***** 2006, *****, beide vertreten durch das Land Oberösterreich als Kinder- und Jugendhilfeträger, dieses vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck, Kinder- und Jugendhilfe Frankenmarkt, Frankenmarkt, Hauptstraße 104, wegen Unterhaltsfestsetzung, über den Revisionsrekurs des Vaters Ing. F*****, vertreten durch Dr. Gerhard Schatzlmayr, Rechtsanwalt in Schwanenstadt, gegen den Beschluss des Landesgerichts Wels als Rekursgericht vom 14. November 2018, GZ 21 R 239/18y-26, womit der Teilbeschluss des Bezirksgerichts Vöcklabruck vom 23. August 2018, GZ 58 Pu 93/18s-15, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass der Antrag, den Vater ab 1. Jänner 2018 zur Leistung eines monatlichen Unterhaltsbeitrags von 383 EUR bzw 345 EUR an die Minderjährigen zu verpflichten, abgewiesen wird.

Text

Begründung:

Die Eltern der Minderjährigen sind verheiratet, ein Scheidungsverfahren ist anhängig. Die Kinder leben mit ihrer Mutter, die auch Familienbeihilfe für sie bezieht, in der bisherigen Ehewohnung, einem im Alleineigentum des Vaters stehenden Haus. Der Vater lebt seit zumindest Anfang Jänner 2018 nicht mehr im gemeinsamen Haushalt mit den Kindern. Er bezieht ein steuerpflichtiges Einkommen von rund 2.600 EUR pro Monat. Außer für die beiden Minderjährigen ist er auch für den am ***** 1999 geborenen Sohn L***** unterhaltspflichtig, der ebenfalls im Haushalt der Mutter lebt.

Seit November 2017 zahlt der Vater monatliche Unterhaltsbeiträge von 320 EUR für E***** und von 285 EUR für T*****. Seit Jänner 2018 begleicht die Mutter die laufenden Kosten für Strom, Wasser, Rauchfangkehrer und GIS; seit Februar 2018 kommt sie auch für die Heizkosten auf. Die Kosten für eine Heizöllieferung im November 2017 wurden vom Vater getragen. Dieser zahlt (ua) auch die Kosten der Eigenheimversicherung und die Gemeindeabgaben.

Die Minderjährigen begehren nach Antragseinschränkung die Leistung monatlicher Unterhaltsbeiträge von 383 EUR (E*****) bzw 345 EUR (T*****) für den Zeitraum Februar bis Oktober 2017 und ab Jänner 2018. Da die laufenden Benützungskosten des Hauses großteils von der Mutter getragen würden, rechtfertige die vom Vater als Naturalunterhalt geleistete Wohnversorgung nur einen Abzug von 13 %.

Der Vater beantragt die Abweisung des Antrags. Er leiste seit November 2017 und damit seit seinem Auszug aus dem bis dahin gemeinsam bewohnten Haus den Minderjährigen die ihnen ausgehend von einem fiktiven Mietwert von 2.000 EUR unter Berücksichtigung eines Abzugs von 25 % zustehenden Unterhaltsbeiträge von 320 EUR bzw 285 EUR vollständig.

Das Erstgericht verpflichtete den Vater mit Teilbeschluss, ab 1. Jänner 2018 bis auf weiteres monatliche Unterhaltsbeiträge von 360 EUR an E***** und 315 EUR an T***** zu zahlen, während es das Mehrbegehren für die Zeit ab 1. Jänner 2018 abwies. Die Entscheidung über das Unterhaltsbegehren für die Zeit von Februar bis Oktober 2017 behielt es einer gesonderten Beschlussfassung vor. Der Vater habe unter Berücksichtigung seiner weiteren Sorgepflicht für E***** 18 % und für T***** 16 % der Bemessungsgrundlage zu zahlen. Dies ergäbe unter Anrechnung der Transferleistungen grundsätzlich monatliche Unterhaltsbeiträge von 430 EUR für E***** und von 380 EUR für T*****. Es sei jedoch zu berücksichtigen, dass der Vater nach Verlassen des gemeinsamen Haushalts den unterhaltsberechtigten Kindern und der Mutter die Weiterbenützung der bisher gemeinsamen Wohnung ermögliche und damit das Bedürfnis der Kinder nach Wohnversorgung decke. Da die Mutter den Großteil der laufenden Benützungskosten trage, sei der vom Vater angestrebte Abzug von 25 % vom rechnerisch ermittelten Unterhaltsbeitrag allerdings überhöht. Umgekehrt seien auch nicht nur 13 %, wie von den Kindern begehrt, abzuziehen, weil durch die Zurverfügungstellung der kostenlosen Wohnmöglichkeit der Großteil des Wohnbedürfnisses gedeckt werde. Angemessen erscheine vielmehr ein Abzug von 17 %.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Vaters teilweise Folge und reduzierte die von ihm ab Jänner 2018 zu leistenden monatlichen Unterhaltsbeiträge auf 340 EUR für E***** und auf 300 EUR für T*****. Den vom Vater vorgebrachten fiktiven Mietzins von zumindest 2.000 EUR monatlich hätten die Minderjährigen nicht in Frage gestellt. Unabhängig davon, ob man diesen Betrag auf vier oder fünf Köpfe aufteile, ergebe sich jedenfalls ein Wert, der im Bereich des gesamten sich nach der Prozentwertmethode ergebenden Unterhaltsbeitrags für jedes der beiden Kinder liege, sodass jedenfalls nur ein Bruchteil der anteiligen fiktiven Mietkosten angemessen berücksichtigt werden könne. Die in der Rechtsprechung genannten 25 % bildeten dabei keine starre Obergrenze; vielmehr werde ab diesem Anteil lediglich eine Prüfung gefordert, ob der Restunterhalt zur angemessenen Deckung der Restbedürfnisse ausreiche. Im konkreten Fall sei der bei Berücksichtigung der Wohnversorgung im Ausmaß von etwa einem Viertel verbleibende Geldunterhalt zur Befriedigung der weiteren Bedürfnisse ausreichend. Allerdings wäre es im Ergebnis unbillig, wenn ein Abzug von 25 % für die Wohnversorgung unabhängig davon vorgenommen werden könnte, ob der Unterhaltspflichtige die Wohnkosten zur Gänze oder nur teilweise trage. Es sei daher lediglich ein Abzug in Höhe von 21 % vorzunehmen.

Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nachträglich zu, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, in welchem Ausmaß der Geldunterhaltsbetrag infolge bloßer Zurverfügungstellung des Eigentums zu reduzieren sei, wenn der Unterhaltspflichtige die Betriebskosten nicht oder nur teilweise bezahle.

Der Revisionsrekurs des Vaters ist wegen einer vom Obersten Gerichtshof aufzugreifenden Fehlbeurteilung der Vorinstanzen zulässig und berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1.

 Hat der Unterhaltsberechtigte nicht für die Kosten der Wohnversorgung aufzukommen, bedarf er regelmäßig nicht mehr des gesamten festgesetzten Geldunterhalts, um seinen vollständigen Unterhalt zu decken.

 

Zur Vermeidung einer Doppelalimentierung ist die sich wirtschaftlich ergebende Wohnkostenersparnis angemessen zu berücksichtigen und als Naturalunterhalt in einem Umfang anzurechnen, der dem persönlichen (individuellen) Bedarf des Unterhaltsberechtigten entspricht (RIS-Justiz RS0047254 [T1]). Nach ständiger Rechtsprechung hat dem Unterhaltsberechtigten auch in einem solchen Fall stets ein in Geld zu leistender Unterhalt zuzukommen, weil er ja von der Wohnung allein nicht leben kann (

RIS-Justiz

RS0123487 [T4, T6]). Würde sich der Geldunterhalt (rechnerisch) aufgrund der Wohnversorgung um mehr als ein Viertel mindern, ist daher regelmäßig zu überprüfen, ob der Restunterhalt noch zur angemessenen Deckung der Restbedürfnisse ausreicht (1 Ob 16/18m mwN = RIS-Justiz

RS0123484 [T4]).

2. Der Oberste Gerichtshof hat bereits klargestellt, dass der unterhaltspflichtige Elternteil auch dann, wenn er dem Unterhaltsberechtigten lediglich sein bloßes Eigentum zur Wohnversorgung zur Verfügung stellt, aus eigenem Vermögen „leistet“, indem er auf sonst erzielbare Mieterträgnisse verzichtet, weshalb die maßgebliche (gänzliche oder teilweise) Wohnkostenersparnis durch Zurverfügungstellen der Wohnung nicht nur dann gegeben ist, wenn der Unterhaltspflichtige Kreditrückzahlungen für den Erwerb der Wohnung leistet, sondern auch dann, wenn er bloß das Eigentum bereitstellt (9 Ob 45/16g mwN = RIS-Justiz RS0130891 [T5]).

3. Dies muss umso mehr in einem Fall wie dem vorliegenden gelten, in dem der Unterhaltspflichtige ohnehin einen Teil der Wohnungsbenützungskosten trägt. Ausgehend davon ist daher entgegen der Ansicht der Vorinstanzen die als Naturalunterhalt geleistete (reine) Wohnversorgung – mit der in der Rechtsprechung entwickelten (und vom Vater bei seiner Berechnung akzeptierten) grundsätzlichen „Deckelung“ mit 25 % des Geldunterhaltsanspruchs – nicht deshalb in geringerem Ausmaß zu berücksichtigen, weil der Unterhaltspflichtige nicht zusätzlich auch noch (alle) Wohnungsbenützungskosten trägt.

4. Gemäß § 101 Abs 4 AußStrG setzt die Verpflichtung zur Leistung noch nicht fälligen Unterhalts voraus, dass die Unterhaltspflicht bereits verletzt wurde oder verletzt zu werden droht. Kommt der Unterhaltspflichtige seinen Unterhaltspflichten vollständig und zeitgerecht freiwillig nach, ist also kein gerichtlicher Leistungsbefehl (Exekutionstitel) zu schaffen (Nademleinsky in Gitschthaler/Höllwerth § 101 AußStrG Rz 52 mwN; vgl auch RIS-Justiz

RS0047411). Da der Vater jedenfalls im gesamten von der Teilentscheidung des Erstgerichts umfassten Zeitraum 75 % des den Kindern zustehenden Geldunterhalts geleistet und damit seine Unterhaltspflicht unter Berücksichtigung des ihm gebührenden Abzugs von 25 % für den geleisteten Naturalunterhalt vollständig erfüllt hat, ist der Unterhaltsfestsetzungsantrag insoweit abzuweisen.

Textnummer

E124729

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2019:0030OB00035.19X.0320.000

Im RIS seit

24.04.2019

Zuletzt aktualisiert am

12.12.2019
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten