Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann-Prentner und Mag. Korn, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Wessely-Kristöfel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H*****, vertreten durch Lanker Obergantschnig Rechtsanwälte GmbH in Klagenfurt, gegen die beklagte Partei S*****, vertreten durch Steiner Anderwald Rechtsanwälte OG in Spittal an der Drau, wegen Erteilung der Zustimmung zur Ausfolgung von 44.000 EUR, 20.028,43 EUR sA und Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 21. November 2018, GZ 5 R 138/18f-52, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1.1 Die Reichweite eines vertraglichen Gewährleistungsverzichts ist durch Auslegung im Einzelfall (§§ 914 f ABGB) nach der Absicht der Parteien und der Übung des redlichen Verkehrs zu ermitteln (RIS-Justiz RS0016561; RS0018564 [T13]). Dabei ist nach allgemeinen Grundsätzen nicht nur am Wortlaut der Vereinbarung zu haften, sondern es sind auch alle ihren Abschluss begleitenden Umstände zu berücksichtigen (RIS-Justiz RS0016561 [T3]). Im Zweifel sind Verzichtserklärungen restriktiv auszulegen (RIS-Justiz RS0018561). In diesem Sinn erstreckt sich ein vertraglicher Gewährleistungsverzicht nicht auf arglistig verschwiegene Mängel und auch nicht auf das Fehlen zugesicherter Eigenschaften (RIS-Justiz RS0018523). Dies gilt auch bei schlüssiger Zusage (RIS-Justiz RS0018561 [T2]).
1.2 Unter Beachtung dieser Rechtsprechung hat das Berufungsgericht die in Punkt 5. des Kaufvertrags über die vom Kläger erworbene Liegenschaft enthaltene Klausel, wonach „der kaufenden Partei das Kaufobjekt und die Grundstücksgrenzen in der Natur durch mehrmalige Besichtigungen und eine Begehung durch einen von ihr gewählten Sachverständigen nach Lage und Beschaffenheit bekannt sind und ... sie keine weiteren sichtbaren Baumängel … festgestellt hat“ und „die kaufende Partei ... daher auf eine Gewährleistung, insbesondere für einen bestimmten Bauzustand oder allfällige Sachmängel jeglicher Art der zum Liegenschaftsvermögen gehörenden Gebäude [verzichtet]“, nicht als umfassenden Gewährleistungsverzicht verstanden. Vielmehr hat es diesen Gewährleistungsverzicht nur auf Mängel bezogen, die für den Kläger bei sorgfältiger Besichtigung (durch einen Sachverständigen) sowie durch eine nach den Umständen naheliegende Informationsaufnahme erkennbar gewesen wären.
1.3 Damit ist das Berufungsgericht entgegen dem Vorhalt des Revisionswerbers ohnehin von einem bloß eingeschränkten Gewährleistungsverzicht ausgegangen. Allerdings hat es die vorhandenen Mängel aufgrund der getroffenen Feststellungen unter diesen Verzicht subsumiert.
2.1 Ob eine (schlüssige) Zusage vorliegt oder nicht, kann nur aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls beurteilt werden, weshalb insoweit grundsätzlich die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht gegeben sind (4 Ob 197/16y). Die Auslegung eines Vertrags im Einzelfall begründet nur dann eine erhebliche Rechtsfrage, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (RIS-Justiz RS0042936).
2.2 Davon kann hier aber nicht die Rede sein. Dem öffentlichen Recht angehörige Rechtsmängel – wie eine fehlende Baubewilligung oder Widmung (vgl RIS-Justiz RS0018523 [T1]) – wurden vom Kläger in erster Instanz nicht näher konkretisiert. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Beklagte habe dem Kläger weder ausdrücklich noch schlüssig bestimmte Eigenschaften des Kaufobjekts, insbesondere auch nicht die sach- und fachgerechte Ausführung sämtlicher Gewerke, zugesagt, vor allem weil die Beklagte dem Kläger mit dem Kaufvertrag ausdrücklich alle ihr allenfalls zustehenden Gewährleistungsansprüche gegen die bauausführenden Professionisten übertragen hat, hält sich im Rahmen der Rechtsprechung.
2.3 Daran ändert auch nichts, dass die Beklagte in Punkt 5.2 des Kaufvertrags unter anderem erklärt hat, „dass rechtskräftige Bau- und Benützungsbewilligungs-bescheide hinsichtlich der auf der Vertragsliegenschaft befindlichen Baulichkeiten und keine unerfüllten baubehördlichen Aufträge vorliegen“. Daraus kann entgegen der Meinung des Klägers schon nach dem Wortlaut die ausdrückliche Zusicherung einer richtigen und baurechtskonformen Ausführung der Gewerke nicht abgeleitet werden. Unerfüllte Aufträge der Baubehörde an die Beklagte als Bauherrin liegen nach den Feststellungen nicht vor.
Die Ausführungen in der Revision bringen in dem Zusammenhang weder eine (relevante) Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens noch eine Aktenwidrigkeit nachvollziehbar zur Darstellung.
3. Die Entscheidung des Berufungsgerichts über eine Beweisrüge ist mängelfrei, wenn es sich mit dieser überhaupt befasst, die Beweiswürdigung des Erstgerichts überprüft und nachvollziehbare Überlegungen über die Beweiswürdigung anstellt und in seinem Urteil festhält (RIS-Justiz RS0043150). Hier hat sich das Berufungsgericht ausführlich mit der Beweiswürdigung des Erstgerichts auseinandergesetzt. Ob die dabei angestellten Überlegungen richtig oder fehlerhaft sind, fällt in den Bereich der irrevisiblen Beweiswürdigung (RIS-Justiz RS0043371 [T12 und T15]).
4. Insgesamt gelingt es dem Kläger nicht, mit seinem Rechtsmittel eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen. Die außerordentliche Revision war daher zurückzuweisen.
Textnummer
E124693European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2019:0080OB00009.19K.0325.000Im RIS seit
24.04.2019Zuletzt aktualisiert am
10.02.2020