TE OGH 2019/3/26 4Ob38/19w

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Veröffentlicht am 26.03.2019
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.-Prof. Dr. Brenn, Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K***** Gesellschaft mbH & Co KG, *****, vertreten durch Gheneff Rami Sommer Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die beklagte Partei M***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Peter Zöchbauer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Sicherungsverfahren 34.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 29. Jänner 2019, GZ 2 R 165/18a-9, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Streitteile sind Medieninhaber von Tageszeitungen, die sich im Wesentlichen an gleiche Kreise von Lesern und Anzeigekunden richten. Ende September 2018 bewarb die Beklagte ihre Tageszeitung dadurch, dass sie bei einer Veranstaltung in Wien auf Zeitungsaufstellern den Satz „Willkommen bei der neuen Nummer 1 in Wien, Österreich – oe24“ anbrachte. Weitere Informationen enthielt die Werbeaussage nicht; es wurde weder die Reichweite (Leserzahl) noch die verbreitete Auflage genannt.

In der Media-Analyse (der Arbeitsgemeinschaft Media-Analysen) wird die Reichweite der Tageszeitungen für Wien wie folgt angegeben:

In der Auflagenliste der Österreichischen Auflagenkontrolle (ÖAK) werden folgende Auflagen angegeben:

Die ÖAK errechnet die verbreitete Auflage anhand der Druckauflage minus Restauflage minus Auslandsauflage. Die Druckauflage ist die Stückzahl der gedruckten Exemplare abzüglich der Makulaturen entsprechend der Meldung der Verlage.

Zur Sicherung ihres inhaltsgleichen – vor allem auf § 2 UWG gestützten – Unterlassungsbegehrens begehrte die Klägerin, der Beklagten zu verbieten, ihre Tageszeitung wörtlich und/oder sinngemäß als „Nummer 1 von Wien“ zu bezeichnen, sofern dies für deren Reichweite nicht zutrifft. Die Beklagte habe Ende September 2018 auf einer großen Veranstaltung in Wien ohne weitere Aufklärung die beanstandete Behauptung veröffentlicht. Diese allgemeine Aussage sei unvollständig und unwahr, weshalb die Beklagte damit gegen § 2 UWG verstoßen habe.

Die Beklagte entgegnete, dass es in Wien derzeit kein Druckwerk gebe, dessen verbreitete Auflage aufgrund der Angaben der ÖAK 1/2018 höher sei als jene ihrer Tageszeitung. Bei der in Rede stehenden Veranstaltung habe sie klar darauf hingewiesen, dass sich die beanstandete Aussage ausschließlich auf die verbreitete Auflage gemäß ÖAK 1/2018 beziehe; diese Aussage treffe zu.

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Die beanstandete Aussage enthalte für sich genommen keinen Informationsgehalt, weshalb dem durchschnittlichen Betrachter der Zusammenhang, in dem die Spitzenstellung behauptet werde, nicht erkennbar werde.

Das Rekursgericht erließ hingegen die beantragte einstweilige Verfügung mit der geringfügigen Modifikation durch den Zusatz „ohne nähere Erklärung“. Mit der beanstandeten Aussage, die keine weiterführenden Erklärungen enthalte, werde beim durchschnittlichen Leser der Gesamteindruck verursacht, dass die Tageszeitung der Beklagten in allen für den Erfolg einer Zeitung relevanten Kategorien, insbesondere auch bei der Leserzahl, den ersten Platz einnehme. Ein derartiger Informationsgehalt sei irreführend.

Rechtliche Beurteilung

Mit ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs zeigt die Beklagte keine erhebliche Rechtsfrage auf.

1. Die geltend gemachten Verfahrens- und sekundären Feststellungsmängel liegen – wie der Oberste Gerichtshof geprüft hat – nicht vor. Das Erstgericht hat als bescheinigt angenommen, dass die Beklagte ihre Druckwerke auf Zeitungsaufstellern mit der beanstandeten Aussage beworben hat. Dass dies bei einer Veranstaltung in Wien der Fall war, entspricht dem übereinstimmenden Vorbringen der Parteien. Die (als bescheinigt angenommenen) Feststellungen des Erstgerichts hat die Beklagte in ihrer Rekursbeantwortung ausdrücklich als richtig bezeichnet. Davon abgesehen kommt den behaupteten Mängeln keine Bedeutung zu. Die Beklagte hat sich im bisherigen Verfahren sowie nunmehr auch im außerordentlichen Revisionsrekurs darauf berufen, bei der in Rede stehenden Veranstaltung klar darauf hingewiesen zu haben, dass sich die beanstandete Aussage ausschließlich auf die verbreitete Auflage beziehe. Ein derartiger aufklärender Hinweis wurde aber gerade nicht als bescheinigt angenommen.

2. Der Frage, wie die angesprochenen Verkehrskreise eine Werbeaussage verstehen und ob sie demnach zur Irreführung geeignet ist, kommt keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu, weshalb sie in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage begründet (RIS-Justiz RS0107771; RS0053112; RS0043000). Die Beurteilung des Rekursgerichts, dass die Beklagte nach dem maßgebenden Gesamteindruck der beanstandeten Aussage eine Spitzenstellung insbesondere auch zur Reichweite (Leserzahl) in Anspruch nehme, hält sich im Rahmen der Rechtsprechung.

Die Nachfrage nach einer Tageszeitung, die vor allem durch die Reichweite, aber auch durch die verbreitete Auflage ausgedrückt wird, ist eine nachprüfbare, auf Tatsachen basierende Eigenschaft (vgl 4 Ob 80/15s).

3.1 Die Inanspruchnahme einer Spitzenstellung setzt voraus, dass das so beworbene Produkt tatsächlich über einen stetigen und erheblichen Vorsprung vor allen Mitbewerbern verfügt (RIS-Justiz RS0078557 [T5]). Für den wirtschaftlichen Erfolg und die Werbewirksamkeit einer Zeitung kommt es auf die Reichweite (Leserzahl) und auf die verkaufte (verbreitete) Auflage an, wobei der Reichweite allerdings ein deutlich stärkeres Gewicht zukommt, weil die bloße Auflagezahl keinen aussagekräftigen Schluss auf die tatsächlich erreichten Personen zulässt (4 Ob 80/15s).

3.2 Entspricht die beanstandete Behauptung zur Spitzenstellung nicht den Tatsachen, so liegt eine irreführende Geschäftspraktik vor. Die Irreführungseignung kann auch durch unvollständige Angaben herbeigeführt werden, wenn durch das Verschweigen wesentlicher Umstände ein falscher Gesamteindruck hervorgerufen wird, der geeignet ist, die Adressaten der Werbung zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die sie sonst nicht getroffen hätten (RIS-Justiz RS0121669). Dies gilt auch dann, wenn die beanstandete Aussage bei isolierter Betrachtung wahr ist (4 Ob 132/10f; 4 Ob 80/15s).

3.3 Ein solcher Fall liegt hier vor: Nach dem bescheinigten Sachverhalt hat die Beklagte – entgegen ihrer Prozessbehauptung – bei der in Rede stehenden Veranstaltung nicht darüber aufgeklärt, dass sie ihrer Spitzenstellungsbehauptung die von der ÖAK ermittelte verbreitete Auflage zugrunde gelegt hat. Davon ausgehend entspricht die Beurteilung des Rekursgerichts, die Beklagte vermittle den Eindruck, die verbreitete Auflage sei das einzige oder zumindest wesentlichste Kriterium für den wirtschaftlichen Erfolg und für die Werbewirksamkeit einer Zeitung, weshalb die inkriminierte Aussage irreführend sei, den in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen.

4. Insgesamt gelingt es der Beklagten mit ihren Ausführungen nicht, eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Der außerordentliche Revisionsrekurs war daher zurückzuweisen.

Schlagworte

Die neue Nummer 1 in Wien,

Textnummer

E124707

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2019:0040OB00038.19W.0326.000

Im RIS seit

24.04.2019

Zuletzt aktualisiert am

02.07.2019
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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