TE Lvwg Erkenntnis 2019/2/9 LVwG-S-10/001-2019

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Veröffentlicht am 09.02.2019
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Entscheidungsdatum

09.02.2019

Norm

WRG 1959 §31
VStG 1991 §22 Abs1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat durch Hofrat Mag. Franz Kramer über die Beschwerde des A, vertreten durch Rechtsanwalt B, ***, ***, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Zwettl vom 17. Dezember 2018, Zl. ***, betreffend Bestrafungen nach dem Wasserrechtsgesetz 1959 (WRG 1959), nach öffentlicher mündlicher Verhandlung zu Recht erkannt:

I.  Das angefochtene Straferkenntnis wird aufgehoben und das Strafverfahren hinsichtlich der darin enthaltenen Tatvorwürfe eingestellt.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig.

Rechtsgrundlagen:

§§ 31 Abs. 1 und 2, 137 Abs. 1 Z 13, 137 Abs. 2 Z 4, 137 Abs. 6 WRG 1959 (Wasserrechtsgesetz 1959, BGBl. Nr. 215/1959 idgF)

§§ 27, 44 Abs. 1, 50 VwGVG (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 idgF)

§§ 22, 25 Abs. 2, 30, 44a Z 1 und 45 Abs. 1 VStG (Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52/1991 idgF)

§ 25a Abs. 1 VwGG (Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10/1985 idgF)

Art. 133 Abs. 4 B-VG (Bundesverfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 idgF)

§§ 180, 181 StGB (Strafgesetzbuch, BGBl. Nr. 60/1974 idgF)

Art. 4 Abs. 1 7. ZPMRK (Protokoll Nr. 7 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 628/1988)

Entscheidungsgründe

1.   Sachverhalt und Beweiswürdigung

1.1. Am 7. Dezember 2017, um die Mittagszeit, ereignete sich vor dem Haus *** in *** ein Austritt von Heizöl, der in der Folge zu Kontaminationen des Untergrundes führte. Ausgelöst wurde der Vorfall dadurch, dass A, der nunmehrige Beschwerdeführer, zusammen mit seinem Arbeitskollegen C (beide als Mitarbeiter der D GmbH) Reinigungsarbeiten bei einem Heizöltank vornahmen, wobei ein Druckschlauch der Arbeitsmaschine platzte. Dabei traten mehrere 100 Liter Heizöl aus. Der Beschwerdeführer und C versuchten in der Folge, das im Bereich ihres Fahrzeuges sowie der angrenzenden Fahrbahn der *** ausgeflossene Heizöl wieder aufzusaugen. C verständigte den Disponenten der D GmbH und ersuchte ihn, die Feuerwehr zu alarmieren. Diese traf nach etwa 30 Minuten an der Unfallstelle ein und übernahm die weiteren Maßnahmen zur Reinigung der Kontamination sowie zur Verhinderung (weiterer) Gewässerverunreinigungen. Weder die Wasserrechtsbehörde, noch der Bürgermeister, noch eine Dienststelle des öffentlichen Sicherheitsdienstes wurde vom Beschwerdeführer, seinem Kollegen oder einem Dritten in deren Auftrag verständigt.

In weiterer Folge mussten weitere Sanierungs- und Entsorgungsmaßnahmen durchgeführt werden, deren Kosten weit über 50.000 Euro ausmachten.

1.2. Insofern ist der Sachverhalt unstrittig.

1.3. Das Austreten von mehreren hundert Litern Mineralöl, wie im konkreten Fall, macht eine sofortige Reaktion zur Vermeidung des Eintritts bzw. der Vergrößerung bereits eingetretener Gewässergefährdungen erforderlich. Ein Verursacher mit der technischen Ausstattung, wie sie dem Beschwerdeführer (und seinem Kollegen) zur Verfügung gestanden hat (Tanks mit Schlauch zum oberflächlichen Absaugen ausgetretener Flüssigkeiten) kann einen Ölunfall dieser Dimensionen selber nicht beherrschen. Es betraf dazu professioneller Einsatzkräfte, worüber typischerweise Feuerwehren verfügen. Das schnellstmögliche Eingreifen solcher Einsatzkräfte wird dadurch bewerkstelligt, dass man die Polizei bzw. die kompetente Einsatzzentrale der Feuerwehr direkt verständigt. Demgegenüber würde eine telefonische Kontaktaufnahme mit der zuständigen Bezirkshauptmannschaft tendenziell eine Verzögerung bedeuten, da erst dort die zuständige Person gefunden werden muss, die ihrerseits dann die Einsatzkräfte verständigen muss.

1.4. Diese Feststellungen ergeben sich aus der nachvollziehbaren und glaub-würdigen Aussage des vom Gericht bei der mündlichen Verhandlung am 4. Februar 2019 befragten sachverständigen Zeugen E. Es entspricht auch der Lebenserfahrung, dass beim Austritt einer derart großen Ölmenge eine schnellstmögliche Reaktion zu erfolgen hat, wozu im konkreten Fall noch kommt, dass sich im Nahbereich der Unfallstelle Regenkanaleinläufe befunden haben, über welche kontaminierte Wässer in Folge in Oberflächengewässer gelangen konnten. Es ist auch die Aussage des genannten Zeugen nachvollziehbar, dass bei einem Anruf bei der Bezirksverwaltungsbehörde nicht sofort eine kompetente Person angetroffen werden kann, noch dazu, wo sich der Unfall zur Mittagszeit (laut Tatvorwurf: 12.25 Uhr) ereignete.

1.5. Beim Landesgericht *** wurde unter anderem gegen den nunmehrigen Beschwerdeführer ein Strafverfahren wegen des Vorwurfs geführt, dass er am 7. Dezember 2017 in *** entgegen einer Rechtsvorschrift ein Gewässer und den Boden so verunreinigt hätte, dass ein Beseitigungsaufwand an einer fremden Sache entstand, der den Betrag von 50.000 Euro überstieg, in dem er eine nicht mehr exakt feststellbare Menge von mehreren 100 Litern Heizöl in einen Regenwasserkanal ableitete, der in den Überlauf eines Teiches führte, wodurch dieser und die Bodenfläche der *** vor dem Haus *** kontaminiert wurden und ein Beseitigungsaufwand von zumindestens 79.684,65 Euro entstand. Der Beschwerdeführer wurde von diesem Vorwurf gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen, da kein Schuldbeweis hinsichtlich vorsätzlicher oder fahrlässiger Umweltbeeinträchtigung erbracht hatte werden können (Protokollsvermerk und gekürzte Urteilsausfertigung vom 30. November 2018, ***). Das Urteil ist rechtskräftig.

1.6. Mit Straferkenntnis vom 17. Dezember 2018, ***, verhängte die Bezirkshauptmannschaft Zwettl über den nunmehrigen Beschwerdeführer Verwaltungsstrafen wegen folgender Übertretungen:

Zeit:           07.12.2017, 12:25 Uhr

Ort:             ***, ***, Bezirk Zwettl NÖ

Tatbeschreibung:

1.   Durch Außerachtlassung der Sie gemäß § 31 Abs.1 WRG 1959 treffenden Sorgfaltspflicht die Gefahr einer Gewässerverunreinigung herbeiführt, da Sie Heizöl, welches bei einem Umpumpvorgang in Folge eines technischen Gebrechens ausgeflossen ist, mittels Wasser in den Regenwasserkanal gespült haben, welcher in den Ablauf des "***" mündet und in weiterer Folge in den *** gelangt ist, die Gefahr einer Gewässerverunreinigung herbeiführt, und

2.   obwohl die Gefahr einer Gewässerverunreinigung eingetreten ist, als Verpflichteter die Bezirksverwaltungsbehörde, Bezirkshauptmannschaft Zwettl, ***, ***, nicht verständigt.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

zu 1.   § 31 Abs.1, § 137 Abs.2 Z.4 Wasserrechtsgesetz 1959 (WGR 1959)

zu 2.   § 31 Abs.2, § 31 Abs.1, § 137 Abs.1 Z.13 Wasserrechtsgesetz 1959 (WGR ,

1959)

Wegen dieser Verwaltungsübertretungen werden über Sie folgende Strafen verhängt:

Geldstrafen von        falls diese uneinbringlich ist,   Gemäß

                          Ersatzfreiheitsstrafen von

zu 1. €     400,00       40 Stunden                            § 137 Abs.2 Wasserrechtsgesetz 1959

zu 2. €     100,00       10 Stunden                            § 137 Abs.1 Wasserrechtsgesetz 1959“

Außerdem wurde ein Kostenbeitrag gemäß § 64 Abs. 2 VStG vorgeschrieben.

Begründend verweist die Behörde auf das durchgeführte Ermittlungsverfahren und die vorliegende Anzeige des Fachgebietes Umweltrecht. Der Beschwerdeführer hätte nach Aufforderung zur Rechtfertigung keine Äußerung abgegeben. „Somit“ könnten die zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen als erwiesen angenommen werden. Die weiteren Ausführungen der Behörde beschränken sich auf den Hinweis auf den Ausgang des gerichtlichen Strafverfahrens sowie zur Strafbemessung.

Innerhalb der vierwöchigen Rechtsmittelfrist erhob A Beschwerde.

Darin bringt er zum ersten Tatvorwurf vor, dass er im Hinblick auf das Doppelbestrafungsverbot nicht erneut verfolgt werden dürfe. Abgesehen davon sei der Vorwurf unzutreffend, dass er mittels Wassers Heizöl in einen Regenkanal gespült hätte.

Zum zweiten Tatvorwurf bringt die Beschwerde vor, dass konkret Gefahr in Verzug geherrscht hätte, weshalb nicht die Bezirksverwaltungsbehörde, sondern der Bürgermeister bzw. die nächste Dienststelle des öffentlichen Sicherheitsdienstes verständigt hätte(n) werden müssen. Es könne ihm daher nicht mit Recht vorgeworfen werden, er hätte die Bezirksverwaltungsbehörde verständigen müssen. Außerdem hätte er seiner Verständigungspflicht nach dem WRG 1959 dadurch entsprochen, dass im Wege eines Arbeitskollegen für die Verständigung der Feuerwehr gesorgt worden sei.

In der Folge stellt der Beschwerdeführer den Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung und Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses, in eventu beantragt er, eine Ermahnung auszusprechen bzw. allenfalls die verhängten Strafen herabzusetzen.

1.7. Diese Feststellungen ergeben sich aus den unbedenklichen Akten des Landesgerichts *** bzw. der Bezirkshauptmannschaft Zwettl, welche das Gericht eingesehen hat.

1.8. Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich führte am 4. Februar 2019 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, bei der der Beschwerdeführer gehört und der Zeuge E Gewässeraufsichtsorgan der Bezirkshauptmannschaft Zwettl) befragt und die bezughabenden Akten des Landesgerichts *** sowie der belangten Behörde nach Verzicht auf die Verlesung ins Verfahren einbezogen wurden.

2.   Erwägungen des Gerichts

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat sich bei seiner Entscheidung von folgenden Erwägungen leiten lassen:

2.1. Anzuwendende Rechtsvorschriften

WRG 1959

§ 31. (1) Jedermann, dessen Anlagen, Maßnahmen oder Unterlassungen eine Einwirkung auf Gewässer herbeiführen können, hat mit der im Sinne des § 1297, zutreffendenfalls mit der im Sinne des § 1299 des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches gebotenen Sorgfalt seine Anlagen so herzustellen, instandzuhalten und zu betreiben oder sich so zu verhalten, daß eine Gewässerverunreinigung vermieden wird, die den Bestimmungen des § 30 zuwiderläuft und nicht durch eine wasserrechtliche Bewilligung gedeckt ist.

(2) Tritt dennoch die Gefahr einer Gewässerverunreinigung ein, hat der nach Abs. 1 Verpflichtete unverzüglich die zur Vermeidung einer Verunreinigung erforderlichen Maßnahmen zu treffen und die Bezirksverwaltungsbehörde, bei Gefahr im Verzug den Bürgermeister oder die nächst Dienststelle des öffentlichen Sicherheitsdienstes zu verständigen. Bei Tankfahrzeugunfällen hat der Lenker, sofern dieser hiezu nicht oder nicht allein in der Lage ist auch der Beifahrer, die erforderlichen Sofortmaßnahmen im Sinne der Betriebsanweisung für Tankfahrzeuge zu treffen. Die Verständigungs- und Hilfeleistungspflicht nach anderen Verwaltungsvorschriften, wie vor allem nach der Straßenverkehrsordnung, wird dadurch nicht berührt. Sind außer den Sofortmaßnahmen weitere Maßnahmen zur Vermeidung einer Gewässerverunreinigung erforderlich, so ist zu ihrer Durchführung der Halter des Tankfahrzeuges verpflichtet.

(…)

§ 137. (1) Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist, sofern die Tat nicht nach Abs. 2, 3 oder 4 einer strengeren Strafe unterliegt, mit einer Geldstrafe bis zu 3 630 € zu bestrafen, wer

(…)

13.  als nach § 31 Abs. 1 Verpflichteter oder als Lenker, Beifahrer oder Halter eines Tankfahrzeuges die in § 31 Abs. 2 vorgesehenen Maßnahmen unterläßt;

(…)

(2) Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist, sofern die Tat nicht nach Abs. 3 oder 4 einer strengeren Strafe unterliegt, mit einer Geldstrafe bis zu 14 530 €, im Falle der Uneinbringlichkeit mit Ersatzfreiheitsstrafe bis zu vier Wochen, zu bestrafen, wer

(…)

4.   durch Außerachtlassung der ihn gemäß § 31 Abs. 1 treffenden Sorgfaltspflicht die Gefahr einer Gewässerverunreinigung herbeiführt;

(…)

(6) Eine Übertretung nach Abs. 1 bis 4 ist nicht zu bestrafen, wenn sie den Tatbestand einer gerichtlich strafbaren Handlung erfüllt.

(…)

VwGVG

§ 27. Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es den angefochtenen Bescheid und die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

§ 44. (1) Das Verwaltungsgericht hat eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

(…)

§ 50. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden.

(2) Die gekürzte Ausfertigung des Erkenntnisses hat überdies zu enthalten:

1.   im Fall der Verhängung einer Strafe die vom Verwaltungsgericht als erwiesen angenommenen Tatsachen in gedrängter Darstellung sowie die für die Strafbemessung maßgebenden Umstände in Schlagworten;

2.   im Fall des § 45 Abs. 1 VStG eine gedrängte Darstellung der dafür maßgebenden Gründe.

(3) Jedes Erkenntnis hat einen Hinweis auf die Voraussetzungen für die Bewilligung der Verfahrenshilfe im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof zu enthalten.

VStG

§ 22. (1) Soweit die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen, ist eine Tat als Verwaltungsübertretung nur dann strafbar, wenn sie nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet.

(2) Hat jemand durch mehrere selbstständige Taten mehrere Verwaltungsübertretungen begangen oder fällt eine Tat unter mehrere einander nicht ausschließende Strafdrohungen, so sind die Strafen nebeneinander zu verhängen. Dasselbe gilt bei einem Zusammentreffen von Verwaltungsübertretungen mit anderen von einer Verwaltungsbehörde zu ahndenden strafbaren Handlungen.

§ 25. (…)

(2) Die der Entlastung des Beschuldigten dienlichen Umstände sind in gleicher Weise zu berücksichtigen wie die belastenden.

(…)

§ 30. (1) Liegen einem Beschuldigten von verschiedenen Behörden zu ahndende Verwaltungsübertretungen oder eine Verwaltungsübertretung und eine andere von einer Verwaltungsbehörde oder einem Gericht zu ahndende strafbare Handlung zur Last, so sind die strafbaren Handlungen unabhängig voneinander zu verfolgen, und zwar in der Regel auch dann, wenn die strafbaren Handlungen durch ein und dieselbe Tat begangen worden sind.

(2) Ist aber eine Tat von den Behörden nur zu ahnden, wenn sie nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit anderer Verwaltungsbehörden oder der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, und ist es zweifelhaft, ob diese Voraussetzung erfüllt ist, so hat die Behörde das Strafverfahren auszusetzen, bis über diese Frage von der sonst in Betracht kommenden Verwaltungsbehörde oder vom Gericht rechtskräftig entschieden ist.

(3) Hat die Behörde vor dieser Entscheidung ein Straferkenntnis erlassen, so darf es vorläufig nicht vollstreckt werden. Ergibt sich später, daß das Verwaltungsstrafverfahren nicht hätte durchgeführt werden sollen, so hat die Behörde das Straferkenntnis außer Kraft zu setzen und das Verfahren einzustellen.

(4) Die Gerichte und die sonst in Betracht kommenden Verwaltungsbehörden haben eine entgegen Abs. 3 vollstreckte Verwaltungsstrafe auf die von ihnen wegen derselben Tat verhängte Strafe anzurechnen.

§ 44a. Der Spruch hat, wenn er nicht auf Einstellung lautet, zu enthalten:

1.   die als erwiesen angenommene Tat;

2.   die Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist;

3.   die verhängte Strafe und die angewendete Gesetzesbestimmung;

4.   den etwaigen Ausspruch über privatrechtliche Ansprüche;

5.   im Fall eines Straferkenntnisses die Entscheidung über die Kosten.

§ 45. (1) Die Behörde hat von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn

1.   die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Verwaltungsübertretung bildet;

2.   der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit aufheben oder ausschließen;

3.   Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen;

4.   die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat und das Verschulden des Beschuldigten gering sind;

5.   die Strafverfolgung nicht möglich ist;

6.   die Strafverfolgung einen Aufwand verursachen würde, der gemessen an der Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und der Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat unverhältnismäßig wäre.

Anstatt die Einstellung zu verfügen, kann die Behörde dem Beschuldigten im Fall der Z 4 unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid eine Ermahnung erteilen, wenn dies geboten erscheint, um ihn von der Begehung strafbarer Handlungen gleicher Art abzuhalten.

(2) Wird die Einstellung verfügt, so genügt ein Aktenvermerk mit Begründung, es sei denn, daß einer Partei gegen die Einstellung Beschwerde beim Verwaltungsgericht zusteht oder die Erlassung eines Bescheides aus anderen Gründen notwendig ist. Die Einstellung ist, soweit sie nicht bescheidmäßig erfolgt, dem Beschuldigten mitzuteilen, wenn er nach dem Inhalt der Akten von dem gegen ihn gerichteten Verdacht wußte.

VwGG

§ 25a. (1) Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

(…)

B-VG

Art. 133. (…)

(4) Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Hat das Erkenntnis nur eine geringe Geldstrafe zum Gegenstand, kann durch Bundesgesetz vorgesehen werden, dass die Revision unzulässig ist.

(…)

StGB

§ 180. (1) Wer entgegen einer Rechtsvorschrift oder einem behördlichen Auftrag ein Gewässer, den Boden oder die Luft so verunreinigt oder sonst beeinträchtigt, dass dadurch

1.   eine Gefahr für das Leben oder einer schweren Körperverletzung (§ 84 Abs. 1) eines anderen oder sonst für die Gesundheit oder körperliche Sicherheit einer größeren Zahl von Menschen,

2.   eine Gefahr für den Tier- oder Pflanzenbestand in erheblichem Ausmaß,

3.   eine lange Zeit andauernde Verschlechterung des Zustands eines Gewässers, des Bodens oder der Luft oder

4.   ein Beseitigungsaufwand oder sonst ein Schaden an einer fremden Sache, an einem unter Denkmalschutz stehenden Gegenstand oder an einem Naturdenkmal, der 50 000 Euro übersteigt,

entstehen kann, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen.

(2) Wird durch die Tat der Tier- oder Pflanzenbestand erheblich geschädigt, eine lange Zeit andauernde Verschlechterung des Zustands eines Gewässers, des Bodens oder der Luft bewirkt oder ein Beseitigungsaufwand oder sonst ein Schaden an einer fremden Sache, an einem unter Denkmalschutz stehenden Gegenstand oder an einem Naturdenkmal, der 50 000 Euro übersteigt, herbeigeführt, so ist der Täter mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen. Hat die Tat eine der im § 169 Abs. 3 genannten Folgen, so sind die dort angedrohten Strafen zu verhängen.

§ 181. (1) Wer fahrlässig entgegen einer Rechtsvorschrift oder einem behördlichen Auftrag eine der im § 180 mit Strafe bedrohten Handlungen begeht, ist mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bis zu 720 Tagessätzen zu bestrafen.

(2) Wird durch die Tat der Tier- oder Pflanzenbestand erheblich geschädigt, eine lange Zeit andauernde Verschlechterung des Zustands eines Gewässers, des Bodens oder der Luft bewirkt oder ein Beseitigungsaufwand oder sonst ein Schaden an einer fremden Sache, an einem unter Denkmalschutz stehenden Gegenstand oder an einem Naturdenkmal, der 50 000 Euro übersteigt, herbeigeführt, so ist der Täter mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren zu bestrafen. Hat die Tat eine der im § 170 Abs. 2 genannten Folgen, so sind die dort angedrohten Strafen zu verhängen.

7. ZPMRK

Art. 4

1. Niemand darf wegen einer strafbaren Handlung, wegen der er bereits nach dem Gesetz und dem Strafverfahrensrecht eines

Staates rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen worden ist, in einem Strafverfahren desselben Staates erneut vor Gericht gestellt oder bestraft werden.

2.2. Rechtliche Beurteilung

Im vorliegenden Fall wurde der Beschwerdeführer wegen zweier Übertretungen des WRG 1959 bestraft.

2.2.1. In Bezug auf den ersten Tatvorwurf macht der Beschwerdeführer einen Verstoß gegen das Doppelbestrafungsverbot im Sinne des Art. 4 Abs. 1 7. ZPMRK geltend.

In gegenständlichem Zusammenhang ist zunächst auf die Bestimmungen der § 22 Abs. 1 VStG und § 137 Abs. 6 WRG 1959 hinzuweisen, woraus sich auch in Bezug auf die hier relevante Bestrafung nach § 137 Abs. 2 Z 4 WRG 1937 der Vorrang des gerichtlichen Strafrechts ergibt; dh im Fall einer Konkurrenz von Verwaltungs- und gerichtlichem Straftatbestand kommt ausschließlich letzterer zum Tragen.

Tatsächlich wurde der Beschwerdeführer wegen desselben Lebenssachverhalts (vgl. die oben jeweils wiedergegebenen Vorwürfe) sowohl wegen einer Verwaltungs-übertretung (§ 137 Abs. 2 Z 4 WRG 1959) als auch wegen vorsätzlicher bzw. fahrlässiger Umweltbeeinträchtigung (§§ 180 und 181 StGB) verfolgt, wegen letzterer allerdings freigesprochen. Es stellt sich nun die – auch vom Beschwerdeführer thematisierte – Frage, ob dieser Freispruch der mit dem angefochtenen Straferkenntnis erfolgten Bestrafung entgegenstand.

Eine verfassungsrechtliche unzulässige Doppelbestrafung liegt nach der Rechtsprechung (zB VwGH 26.06.2018, Ra 2017/05/0294) dann vor, wenn eine Strafverfolgung wegen einer strafbaren Handlung bereits Gegenstand eines Strafverfahrens war und dabei der herangezogene Deliktstypus den Unrechts- und Schuldgehalt des Täterverhaltens vollständig erschöpft. Ein weitergehendes Strafbedürfnis entfällt in dieser Konstellation, weil das eine Delikt den Unrechtsgehalt des anderen Delikts in jeder Beziehung mitumfasst. Strafverfolgungen bzw. Bestrafungen wegen mehrerer Delikte, deren Straftatbestände einander wegen Subsidiarität, Spezialität oder Konsumtion ausschließen, bilden verfassungswidrige Doppelbestrafungen, wenn dadurch ein und dieselbe strafbare Handlung strafrechtlich mehrfach geahndet wird.

Im konkreten Zusammenhang besteht ein derartiges Spezialitätsverhältnis zwischen den Delikten nach §§ 180 und 181 StGB im Verhältnis zur Herbeiführung der Gefahr einer Gewässerverunreinigung wegen Verletzung einer Sorgfaltspflicht (§ 137 Abs. 2 Z 4 WRG 1959).

Im vorliegenden Fall steht außer Streit, dass durch das dem Beschwerdeführer gerichtlich angelastete Fehlverhalten ein Schaden von mehr als 50.000 Euro entstanden ist, wodurch jedenfalls die Qualifikation des § 180 Abs. 1 Z 4 StGB erfüllt wäre. Dementsprechend wurde der Beschwerdeführer auch nicht deswegen freigesprochen, weil diese Strafbarkeitsvoraussetzung nicht erfüllt worden wären, sondern weil das Verschulden des Beschwerdeführers nicht erwiesen hatte werden können. Damit kam weder eine Bestrafung nach § 180 noch nach § 181 StGB in Betracht. Mit anderen Worten, die Bestrafung des Beschwerdeführers im gerichtlichen Strafverfahren scheiterte nicht an der mangelnden Tatbildmäßigkeit seines Verhaltens, sondern auf der Verschuldensebene. Einer Bestrafung, wie sie die belangte Behörde unter Punkt 1. des angefochtenen Straferkenntnisses vorgenommen hat, liegt daher eine gegenteilige Beurteilung des Verschuldens des Beschwerdeführers zugrunde, was tatsächlich eine Verletzung des Doppelbestrafungsverbotes bedeutet. Bei der Verschuldensannahme der belangten Behörde wäre wenigstens der Tatbestand des Vergehens nach § 181 Abs. 1 iVm § 180 Abs. 1 Z 4 StGB erfüllt. Dies führt wiederum zur Anwendung des § 137 Abs. 6 WRG 1959, wonach eine Übertretung nach den Abs. 1 bis 4 dann nicht zu bestrafen ist, wenn sie den Tatbestand einer gerichtlich strafbaren Handlung erfüllt.

Der Beschwerdeführer ist daher von der belangten Behörde zu Unrecht wegen Übertretung nach § 137 Abs. 2 Z 4 WRG 1959 bestraft worden. Insoweit war das angefochtene Straferkenntnis aus dem Grunde des § 45 Abs. 1 Z 1 VStG aufzuheben und das Strafverfahren einzustellen.

2.2.2. Der Beurteilung der (vorgeworfenen) Übertretung gemäß § 137 Abs.1 Z.13 WRG 1959 ist vorauszuschicken, dass der Beschwerdeführer unbestrittenermaßen gemeinsam mit einem Arbeitskollegen Tätigkeiten ausgeführt hat, bei denen es auf Grund Gebrechens bei den verwendeten Geräten zur Gefahr einer Gewässer-verunreinigung kam. Der Beschwerdeführer hat daher diese Gefahr mitverursacht, sodass auch ihn die (verschuldensunabhängigen) Handlungsverpflichtungen des

§ 31 Abs. 2 WRG 1959 trafen. Mehrere Verursacher haften solidarisch und es kann sich nicht der nach § 31 Abs. 2 leg.cit Verpflichtete von seiner Pflicht durch den Hinweis auf andere zur Setzung von Abwehrmaßnahmen Verpflichtete befreien (zB OGH 20.04.1993, 1 Ob 1/93). Dies gilt in gleicher Weise für die Verständigungs-pflichten. Wie jedoch der Beschwerdeführer zutreffend vorgebracht hat, sieht § 31 Abs. 2 leg.cit nicht ausnahmslos eine Pflicht zur Verständigung der Bezirks-verwaltungsbehörde vor, sondern unterscheidet danach, ob Gefahr in Verzug vorliegt oder nicht. In letzterem Fall ist nicht die Bezirksverwaltungsbehörde, sondern der Bürgermeister bzw. die nächste Dienststelle des öffentlichen Sicherheitsdienstes zu verständigen (VwGH 27.07.2001, 2001/07/0005). Nach Lage des Falles, bei dem mehrere 100 Liter Mineralöl ausgetreten waren und in den Untergrund zu versickern bzw. über eine Regenkanalisation ins Gewässer zu gelangen drohten, kann der Verantwortung des Beschwerdeführers nicht entgegengetreten werden, dass konkret Gefahr in Verzug vorlag. Wie der vom Gericht befragte sachverständige Zeuge E, der als Gewässeraufsichtsorgan zweifellos über einschlägige Erfahrung verfügt, ausgesagt hat, bedurfte es im konkreten Fall eines sofortigen Handelns, um Umweltschäden zu verhindern bzw. zu minimieren. Nach plausibler Einschätzung des Zeugen hätte im Übrigen selbst ein rascheres Eingreifen der Feuerwehr das Versickern von Heizöl in den Untergrund höchstwahrscheinlich nicht gänzlich verhindert. Wenn selbst schnellstmögliches professionelles Handeln den Eintritt eines Schadens nicht vollständig verhindert hätte, kann nicht davon gesprochen werden, dass keine Gefahr in Verzug gewesen wäre. Damit hat aber nicht die Pflicht zur Verständigung der Bezirksverwaltungsbehörde, sondern zur Verständigung von Bürgermeister oder Sicherheitsdienststelle bestanden. Der Beschwerdeführer durfte daher nicht wegen der Unterlassung der Verständigung der Bezirksverwaltungs-behörde bestraft werden. Daran ändert es auch nichts, dass er weder die Bezirks-verwaltungsbehörde noch die im Falle von Gefahr in Verzug zu Informierenden verständigt hat. Dies wurde dem Beschwerdeführer konkret nämlich nicht vorgewor-fen. Eine Auswechslung des Tatvorwurfes durch das Gericht kommt in diesem Zusammenhang von vornherein nicht in Betracht, da der Beschwerdeführer diesfalls für eine andere Tat (vgl. § 44a Z 1 VStG) bestraft würde. Auf die Frage der Verfolgungsverjährung braucht in diesem Zusammenhang ebenso wenig eingegangen werden, wie darauf, ob dem Beschwerdeführer in der konkreten Situation aus der in Rede stehenden Unterlassung ein Vorwurf gemacht werden könnte.

Sohin erweist sich auch die Beschwerde in Bezug auf den zweiten Tatvorwurf des angefochtenen Straferkenntnisses als berechtigt. Dieses war daher auch insoweit aufzuheben und das Strafverfahren nach § 45 Abs. 1 Z 1 VStG einzustellen.

Anzumerken ist in diesem Zusammenhang, dass die Aufhebung des Straferkenntnisses und die Einstellung des Strafverfahrens einer neuerlichen Bestrafung wegen der tatsächlich verletzten Verständigungspflicht dann nicht entgegenstünde, wenn rechtzeitig (vgl. § 137 Abs. 7 erster Satz WRG 1959) eine Verfolgungshandlung vorgenommen wurde.

2.2.3. Da das Straferkenntnis hinsichtlich beider Tatvorwürfe aufzuheben war, erstreckt sich die Behebung auch auf die gesamte Kostenentscheidung.

2.2.4. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung war im vorliegenden Fall nicht zu lösen, ging es doch um die Anwendung einer durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hinreichend geklärten Rechtslage (vgl. die zitierten Entscheidungen) auf den Einzelfall. Die ordentliche Revision (Art. 133 Abs. 4 B-VG) gegen dieses Erkenntnis ist somit nicht zulässig.

Schlagworte

Umweltrecht; Wasserrecht; Verwaltungsstrafe; Verständigungspflicht; Doppelbestrafung;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2019:LVwG.S.10.001.2019

Zuletzt aktualisiert am

23.04.2019
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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